Berge
und Höhlen finden, paßt aufs beste auf unsere Gegend, (pag. 198) wiewohl der geheimnisvolle Sinn der Fabeln, wodurch
der Lauf der Natur bezeichnet wird, verloren gegangen sein mag. Gut also und passend kann das, was von den Quellen des Orients
geschrieben ist, von den unsrigen verstanden werden bei sonst gleichen Verhältnissen. Daß aber nicht
nur die Quelle von Blaubeuren (Burronis), sondern auch die Klippen und Felsen der
Berge in seiner Umgebung mit ihren Grotten
geheiligt gewesen seien, wird jedermann glauben, der die alten Gedichte gelesen oder einen Blick in Augustinus de civitate
Dei oder in des Hieronymus Briefe oder in Eusebius de praeparatione evangelica oder in Johannes Boccacio
über die Abstammung der heidnischen Götter getan hat, wenn man die schrecklichen Wohnungen der Nymphen rings um Blaubeuren
(Burronis) an den Abhängen der
Berge sieht.
Denn wer sollte sich nicht wundern, wenn er die Abhänge hinansteigt und in die Schatten und dichten Dorngebüsche eindringt, auch von Staunen erfüllt beim Anblick der wunderbaren Höhlen und Klüfte, der Felsenspalten und der engen und breiten Felsengrotten? Nach diesem allem schließe ich, daß die Quelle von Blaubeuren (Burronis) mit ihren Bergen, Tälern und Wäldern einst den Göttern geheiligt oder wenigstens verehrungswürdig gewesen sei, da man auch wenig über der Quelle am Abhang Fundamente von sehr alten Gebäuden, Spuren von Tempeln findet, besonders jedoch an der Stelle des Klosters, wo der Zusammenfluß der zwei Flüsse Ach und Blau ist. Da nun an dem Ort lange dieser unheimliche Gottesdienst getrieben wurde, so machten die Tyrannen, als endlich der Dienst der Nymphen vernichtet war, aus dem Tempel von Blaubeuren (Burronis) einen Zufluchtsturm. Als hierauf die Welt durch den christlichen Glauben erleuchtet worden war, errichteten die Gläubigen auf den für die Nymphen gelegten Grundmauern eine Kirche zu Ehren des heiligen Johannes des Täufers,
«der es verdient' mit den Wassern den Badenden zu benetzen.»
Sobald aber der Ort dem Täufer Johannes geweiht worden war, wurde alle Unreinigkeit der Nymphen vertrieben, das Element des Wassers geheiligt und der Zulauf der Völker, der zur Befragung der Orakel der Nymphen stattgefunden hatte, zur Ehre dessen gewendet, der das Wasser heiligte. Und wie nun die Alten an einem bestimmten Tag im Jahr zum Tempel der Nymphen kanten und Feste voll Torheit feierten, so kamen sie seit der Nachfolge des hl. Johannes hier an dem Ort zusammen und feiern nun mit Gebeten, Predigten und Opfern das Fest unter großem Zulauf der Völker, und so wurde die Verehrung (pag. 199) und der Dienst der Nymphen am Wasser in einen Brautführer 1) der Gewässer verwandelt.
In der Folgezeit stand dieser Ort in solcher
Ehre, daß die Christgläubigen es für unpassend hielten, daß ein so heiliger
Ort und Tempel des Brautführers ohne beständigen Dienst der Kirche sei. Daher erbauten im Jahr des
Herrn 1095 die edlen Herren von
Adel, die Herren Pfalzgrafen. Heinrich und Hugo von Tuwingen hier ein Kloster zur Seite der
Kirche des hl. Johannes und brachten fromme Mönche, die Brüder vom Orden des hl.
Benedikt, herbei, indem sie ihnen die Kirche mit dem Kloster. übergaben
und auf ihre Rechte verzichteten,
und wiesen ihnen noch mehr andere
Besitzungen zu ihrem Unterhalt an. Aber auch der edle Herr Hartmann der
Ältere, Graf von
Rugg, übertrug dem Kloster die Quelle der Blatt selbst
1) Lateinisch-griechisches Wortspiel: «honor Nympharum ad lymphas... in paranymhum lympharum.» ¶
samt dem Abhang und dem Wasser des Flusses bis nach Nydegg.
1) So übergaben
auch andere Grafen, Barone und Edle durch die Frömmigkeit der Herren angetrieben das Ihrige zu ihrer
Unterstützung dem hl. Johannes, und damit die Nachkommen dieser Edlen und die Erben der Stifter nicht meinen, sie haben irgend
ein Recht an den Ort und an die Güter des Ortes, wurde unter allgemeiner Zustimmung aller diese Gemeinschaft, Kirche und
Kloster mit allem, was dazu gehört, dem Papst Urban II dieses Namens und dem apostolischen Stuhl angeboten, und dieser nahm
das Angebotene demütig an, nahm das Kloster selbst von jeder Gerichtsbarkeit der Weltlichen aus und brachte
es in den Schutz und die Gewalt der heiligen Apostel Petrus und Paulus im Jahr des Herrn 1108. Zuerst aber war es, wie man
glaubt, eine Propstei, später aber wurde es in eine Abtei verwandelt. Ferner ist nahe bei dem Kloster ein anderer Wassersprudel
und eine ganz anmutige Duelle, 2) bei welcher auch ein berühmter Dienst der Nymphen durch die Alten stattfand. Über
diese teuflischen Nymphen siehe Augustinus de civitate Dei und Thomas Anglikus darüber lib. 3 cap. 12 und Johannes Boccacio
lib. 7 cap. 14 von der Genealogie der heidnischen Götter, und auf der vorangehenden Seite. An dieser
Stelle nun errichteten die (pag. 200) Mönche von Blaubeuren eine Wohnung von göttlichen Nymphen, nämlich ein Nonnenkloster
und setzten den hl. Nikolaus als Patron der Kirche ein, um diese reinen Nymphen zu schützen,
wie er einst die unreinen Nymphen, die Genossinnen der Dyana verfolgte, wie es in seiner Legende steht.
Mit diesem heiligen Nikolaus verbanden sie als Patronin dieser Kirche eine heilige Nymphe, die, wie ich glaube, diejenige ist, deren der Apostel Paulus an die Kolosser 3) im letzten gedenkt, und die in der bekannten Stadt Laodicea in der Provinz Phrygien von heidnischen Eltern geboren Nympha genannt worden war, weil in dieser Provinz eine bedeutende Verehrung der Nymphen herrschte, und diese Gegend ist in der Nähe von Lycien, woher der hl. Nikolaus stammte. Als aber Paulus mit Barnabas in Laocidea predigte, wurde Nympha mit ihrem ganzen Hause bekehrt und führte ein so heiliges Leben, daß der heilige Paulus aus dem Gefängnis in Rom in dem an die Kolosser geschickten Brief sie grüßen ließ, und sie war eine Gastfreundin der ersten Prediger und nahm alle Verkündiger des Wortes Gottes auf und trug Sorge für sie, wie man aus einer Anmerkung des Lehrers über den Apostel sieht und aus Petrus von Tharentasia und Nikolaus von Lyra col. 4. - An beiden Orten nun wurde der Gottesdienst sowohl der Mönche als der Nonnen viele Jahre mit großer Andacht gefeiert. Im Jahr des Herrn 1348 geschah es, daß fast auf der ganzen Welt eine unmenschliche Pest herrschte, an welcher täglich so viele Menschen starben, daß Städte und Dörfer leer wurden und viele Klöster ohne Mönche waren.
Denn diejenigen Mönche, welche mit dem Leben davon kanten, waren nicht in den Klöstern, sondern in den Städten und, gewöhnt an die weltlichen Sitten, sanken sie von einem Übel in ein noch schlimmeres, und es entstand ein schwerer Verfall aller Orden bei dieser Pest, weil die Würdigen starben und die Wenigen, die zurückblieben, bei den Ärzten in den Städten lebten, um am Leben zu bleiben und sich der Genüsse, die sich hier boten, zu erfreuen. Zu dieser Zeit wanderten fast alle Mönche des Klosters von Reichenau aus und weilten in ihrer Stadt Ulm. Und weil sie
1) Siehe Oberamts-Beschreibung von Blaubeuren, S. 176.
2) Veesenm.: Gieselbach, entspringt auf dem l. Ufer der Blau, der Bleiche gegenüber, wo eines der Häuser noch jetzt zu St. Niklaus heißt. Oberamtsbeschreibung von Blaubeuren, S. 33 und 126.
3) Nach Kol. 4, 15 war aber diese heilige Nymphe ein Mann namens Nymphas. ¶