Grafschaft den Händen der Ulmer entrissen und immer wieder mit einem gewissen Schwanken ihnen zurückgegeben, bis der Vertrag durch den Papst und die Kirche, durch den Kaiser, die Kurfürsten und den Adel des Vaterlandes genehmigt und mit den Siegeln aller bekräftigt war, so daß auf keine Weife jemand mehr sich widersetzen kann. Hierauf kamen die erlauchten Grafen von Werdaberg, die von den unseligen Juden, die sich in Ulm aufhielten, Geld auf Zinsen aufnahmen, in solche Schulden, daß sie aus Mangel an beweglichen Unterpfändern unbewegliche Pfänder geben mußten, weshalb die edle Grafschaft Albegg mit der Burg und der Stadt und allem Zugehörigen den Juden verpfändet stand, und nun arbeiteten sie beim Kaiser dahin, daß sie die Herrschaft und die Burg, die nun ihnen gehörten, um in den Genuß ihrer Zinsen zu gelangen, bewohnen und in Besitz nehmen könnten.
Sobald dies die Ulmer erwogen, kauften sie diese Grafschaft aus den Händen der Juden los und besaßen sie bis aus diesen Tag. Es wird aber gemeinhin gesagt, daß ein Graf von Werdaberg diese Grafschaft für Lebkuchen 1) aufgezehrt habe. Er empfing nämlich fortwährend in Ulm bei Zahlungen statt Geld Lebkuchen und seine Schuld wuchs so sehr, daß er sie nur durch den Verkauf der Grafschaft bezahlen konnte. Indessen kam auch zu derselben Zeit die ganze Herrschaft Hochberg mit den Städten. Rotenburg und Horw samt ihren Burgen und Dörfern in die Hände der Ulmer, und viele Jahre besaßen sie diese, bis ein Herzog von Österreich sie wieder kaufte. Wie aber diese Herrschaft in die Hände der Ulmer gekommen und wann sie zurückgekauft worden sei, zeigt die Chronik der Ulmer. So also kauften die Ulmer trotz sehr bedeutender Kosten, die sie auf den Bau der Befestigungen ihrer Stadt, auf die Errichtung der großen Kirche (pag. 143) der hl. Jungfrau und aus die Verteidigung gegen ihre Feinde ringsum verwendeten, große Herrschaften und die edelsten Grafschaften. Daher nannte nach dem Kauf von Helfastein die Frau Gräfin von Helfastein, die auch Königin von Ungarn war, bei jeder Rede, wann sie der Ulmer Erwähnung tat, die Ulmer ihre Kinder und sagte: meine Kinder, die Ulmer, sagen dies oder tun das. Und wenn man fragte, warum sie die Ulmer ihre Kinder nenne, sagte sie: sie werden meinen Mann und mich beerben. Und so geschah es auch.
Das fünfte und letzte, auch zur damaligen Zeit ein Werk von großer Schwierigkeit, griffen damals die Herren von Ulm mit männlichem Sinn an. Da nämlich die Ulmer noch unter der Gewalt der Mönche von Reichenau standen und, wie oben gesagt worden ist, Tag um Tag die Mönche ihre Rechte, Güter, Steuern und Zölle an die Ulmer verkauften und große Schulden machten, suchten die Ulmer Wege, wie sie von den Mönchen gänzlich sich befreien könnten. Als die Ulmer diese Wege nach wiederholter Exkommunikation gefunden hatten, kauften sie mit Zustimmung des Papstes, der Kirche und des Kaisers alle Rechte des Abtes von Au in Ulm und außerhalb Ulms auf vier Meilen mit allen Gütern und allem Zugehörigen und zahlten dem Abt in barent Geld 24,000 Gulden. Und wenn dieser Vertrag und die Zustimmung der Kirche einen Monat hinausgeschoben worden wäre, so hätte der Abt kaum 2) 100,000 Gulden für diese nun verkauften bedeutenden Rechte erhalten, weil seine Augen erhellt worden waren. Der Abt zog nun, nachdem er das Geld erhalten hatte, so von Ulm ab, daß auch nicht eine Klaue, die sein gewesen wäre, darin zurückblieb, während doch das
1) Pro lebetis.
2) Soll wohl heißen «leicht.» ¶
Patronatsrecht der Kirchen und Altäre ihm gehört hatte, ferner alle Zehenten, alle Zölle, alle Weg- und Geleitsgelder, Steuern, Einkünfte von jedem Haus, Herd und Garten, von jeder erwachsenen Person, das Umgeld und die Bußen für Gewalttätigkeiten, der Preis für die Barchet- und Leinwandschau, das Einkommen aus allem, was im Waghause gewogen wurde, ein Teil der Schenkungsgelder fast in jeder Sache und die Gebühr bei allen Ämtern und die täglichen Geschenke der Bürger; dies alles (pag. 144) kauften die Ulmer bis zum letzten Nagel.
Ähnlich kauften sie die Rechte, Besitzungen und Güter des Abtes von Bebahusen, der viele in Ulm hatte, daß er nicht einen Halm mehr daselbst hatte. Auch von andern, sei es Geistlichen oder Weltlichen, die irgend etwas von Recht in der Stadt zu haben schienen, kauften sie ihre Rechte ab und machten die Stadt frei. Und es gibt heute keine Stadt im Reich, die, ich sage es kühnlich, freier wäre als Ulm, in der kein Fürst, kein Bischof, kein Abt etwas hat, außer unter der allgemeinen Steuer der Stadt.
Außer dem eben Genannten begannen sie auch die Dörfer und Burgen im Umkreis der Stadt zu kaufen. Ja viele Bauern übergaben
von selbst sich und das Ihrige den Ulmern. Auch mehrere Reiche und Adelige
, die keine Erben hatten, hinterließen
ihre Habe den Ulmern, wie wenn das Gemeinwesen der Ulmer etwas Göttliches wäre. So berichtet Augustinus de civitate dei
lib. 3 cap. 11 von Attalus, dem König von Syrien, der sterbend die Römer zu Erben seines Reiches einsetzte. Auch eine
öffentliche Dirne vermachte bei ihrem Tod in der Stadt Rom ihre Güter den Römern darum, daß sie sie ehrenvoll bestatteten
und unter die Göttinnen des römischen Volkes rechneten, wie Augustinus de civitate dei lib. 3 cap. 6 sagt. So begehen die
Ulmer auch die Jahrtage derjenigen, deren Güter sie besitzen, alle Jahre feierlich, nämlich die der
Herren von Helfastein und der Grafen von Werdaberg wegen Albeggs, bei den Predigern, wünschen und beten, nicht daß sie
Götter, aber göttlich zu verehren seien. So taten also die alten Ulmer alles, was sie zur Erweiterung ihres Gebietes kaufen
und erhalten konnten, plötzlich und sparten kein Geld.
Nicht also machen es die kleinlichen und kleinmütigen Ulmer Herren in neueren Zeiten, denn in unserer Zeit war ihnen die edle Grafschaft Kirchberg um einen geringen Preis angeboten worden, und da sie, wiederholt gebeten sie anzunehmen, es nicht tun wollten, kaufte diese Grafschaft der Herzog von Bayern und diese Grafschaft wurde für die Ulmer ein Dorn in den Augen und ein Pfahl im Fleisch. So ging es auch mit dem Schloß Ellerbach, 1) das neben ihnen mit allem Zugehörigen käuflich war; da sie sich weigerten, es zu kaufen, so kaufte es ihr Feind und Widersacher. Ähnlich war es in früheren Jahren: als die Herrschaft Hochberg noch in der Gewalt der Ulmer war, bot ihnen ein Herzog von Österreich hiefür die ganze Markgrafschaft Burgau an, die unmittelbar das Gebiet der Ulmer berührt. Aber da die Ulmer den Tausch nicht machen wollten, nahm der Herzog von Österreich (pag. 145) nichtsdestoweniger die Herrschaft Hochberg, indem er den Ulmern nur wenig bezahlte, und verpfändete später dem Herzog von Bayern die Markgrafschaft Burgau, und so haben die Ulmer ihre Widersacher als Nachbarn zu fühlen. Doch ich kehre zu den alten Ulmern zurück. Als sie nämlich, wie gesagt, ihre Stadt mit Gräben und Mauern umgaben und die Kirche der hl. Jungfrau errichtet, ihre Widersacher besiegt und ihre Herrschaften gekauft und sich von dem Joch der Mönche befreit hatten und alles dies zugleich und auf einmal taten, wurden die Ulmer allen Fürsten furchtbar. Daher verfolgten sie ihre Widersacher weit und breit
1) Erbach an der Donau oberhalb Ulm. ¶