Darüber aufgebracht zogen die Herren vom Steg diesen Adeligen vor das Gericht des Kaisers. Als hier die Parteien hartnäckig stritten und durch kein Mittel zum Frieden gebracht werden konnten, wurde durch kaiserliche Entscheidung ein Einzelkampf oder Duell zwischen zwei der Tapfersten von beiden Parteien beschlossen. Als diese bewaffnet gegen einander rannten, hielt sich der Edle vom Steg so tapfer, daß alle, die bei dem Schauspiel zugegen waren, über des Mannes Kühnheit und Tapferkeit voll Bewunderung, über den Kampf voll Staunen und über den Sieg voll Freude waren.
Als sie nun im Kampf mit einander stritten und der vom Steg seine eigenen Kräfte schärfte und sich selbst anfeuerte, soll er bei jedem dem Gegner beigebrachten Hieb trotzig gerufen haben: hic robur, ibi robur zu deutsch: Hie Krafft, da Krafft, und durch diesen Ruf ermutigte er sich, erschreckte den Gegner und schlug ihn zu Boden. Und so fiel dem Manne der Sieg zu und er wahrte sein altes Ansehen und trug diesen neuen Namen Krafft als Preis seiner Kraft für sich und seine Nachkommen ruhmvoll davon. Und in der Folge wurde er mit seinem ganzen Geschlecht bis auf den heutigen Tag Krafft genannt. Durch dieses Duell wird bewiesen, daß die Krafft alt und adelig seien; denn ein Nichtadeliger kann einen Adeligen nicht zum Duell herausfordern, und der Kaiser läßt ein solches Duell nicht zu, außer wenn der Adelige auf seinen Adel verzichtet oder damit einverstanden ist, daß vor dem Duell (pag. 79) der zum Kampf bestimmte Nichtadelige geadelt wird. Denn ein solcher Kampf kann nur zwischen Gleichen stattfinden, wie die Glosse ad c. de pace tenenda bemerkt.
Aus dieser edlen Familie wurde der erste Bürgermeister der Stadt Ulm gewählt, als die Bürgerordnung begann, und regierte viele Jahre aufs glücklichste in seiner Stellung. Aus ihr wurde auch der erste gewählt, der den Stein dieses hochberühmten Baues der Kirche der heiligen Jungfrau in Ulm im Fundament legte, wie oben erzählt worden ist (Seite 26). Und, was noch mehr ist, der erste Gründer des Klosters der Prediger-Brüder war ein bedeutender Mann aus dieser Familie, der alte Krafft genannt.
Dieser verlegte nach der Gründung des Klosters und Einsetzung der Brüder seine Grabstätte an die dem Chor der Prediger angebaute Kapelle, in der er zum ewigen Gedächtnis eine tägliche Messe mit zwei ewigen Lampen und dankenswerter und reichlicher Fürsorge für die Brüder stiftete. Nach seinem Tode aber wurde dieser katholische Mann in dem Grabe bestattet, das er für sich und die Seinigen mit einer unterirdischen gewölbten Gruft bei den Predigern in der vorgenannten Kapelle des heiligen Johannes hatte herrichten lassen; über seinem Grab ist ein großer vergoldeter Stein mit seinem Wappen und Epitaphium gesetzt, dessen Inschrift also lautet: «Im Jahr des Herrn 1298 am Tag Epiphaniä ist gestorben Herr Krafft der Alte, Schreiber und unser Gründer».
Obgleich dieses Epitaphium einfach und ohne rhetorischen Schwung gesetzt ist, drückt es doch die Bedeutung des Mannes in wenigen Worten lichtvoll aus. Denn es verrät drei Zierden von ihm. Erstens seinen angeborenen durch den Kriegsdienst gezierten Adel darin, daß es ihn Herr Krafto nennt; denn da Krafto ein Geschlechter war, so war er von Adel, und weil er ein Kriegsmann war, so wurde er Herr genannt, Adelige aber ohne Kriegsdienst werden Junker (domicelli) genannt, solche mit Kriegsdienst Herren (domini) nach dem gewöhnlichen Gebrauch. Denn wie die Doktoren bei der Geistlichkeit, so haben die Kriegsleute unter dem Adel einen bedeutenden Vorrang (wie gelesen und bemerkt wird 6 § 1 ff. si quis de militibus...), weil Kriegsdienst eine Würde ist, (wie ebendaselbst c. militare gesagt wird) und der Kriegsmann ¶
(pag. 80) beim Sitz und im Zug vor dem einfachen Doktor zu ehren ist (wie Bald. sagt in der Vorrede zu den Digesten über der Überschrift am Ende). Doktoren werden aber Herren genannt, also auch Kriegsleute. Aber auch die Frau eines Kriegsmannes muß, wenn sie will, Herrin (domina) genannt werden (wie es hat Barth. in c. amicissimus [Institut. l. 1 tit. 25] ff. 1 de excus. tutor. et l. donationes [digest. l. 1 tit. 24] c. de donat. int. vir. et exorem). Hieraus erhellt, daß dieser Krafto ein Adeliger und ein Kriegsmann gewesen.
Zweitens zeigt das Epitaphium, daß dieser Mann einen hohen Grad von Klugheit und Erfahrung, geschmückt mit der Würde eines ehrenvollen Dienstes gehabt habe: darin, daß es die Bezeichnung «der Alte» und «Schreiber» (scriba antiquus) hat. Denn diese zwei Bezeichnungen schließen Klugheit, Erfahrung und Würde des Dienstes ein. Es war nämlich dieser bedeutende Mann ein bejahrter Gelehrter und kaiserlicher Schreiber. Denn scriba (Schreiber, Sekretär) wird jemand nicht genannt vom Dienst des Schreibens, wie scriptor (Schreiber, Schriftsteller); sondern vom Dienst des Auslegens und Urteilens, wie die Glosse über die Stelle 1 Cor. 1, 1). wo er scriba sagt; denn scriba wird derjenige genannt, der über die Sitten oder Handlungen Vorschriften gibt und der in Sittenlehren das Volk unterweist.
Aber obgleich scriba den Dienst des Schreibens bezeichnet, zeigt es doch nicht den jedes beliebigen Schreibenden an, sondern nur dessen, der die Worte aus dem Munde des Königs schreibt, wie die Glosse zu 2. Reg. 8 2) sagt. Deshalb werden im Evangelium gemeinsam scribae (Schriftgelehrte γραμματεις) und principes (Hohepriester αρχιερεις) zugleich gesetzt, wie aus Marci 14 3) und Lucä 22 3) zu sehen ist, weil die Beschlüsse und Befehle der Hohenpriester die scribae aufzeichneten und dem Volke anzeigten. Daraus ist zu sehen, daß diese Bezeichnung scriba aus diesem Epitaphium die Bedeutung des Mannes und den Adel seiner Familie angibt und keineswegs den niedrigen Dienst eines Schreibers, wie einfältige Menschen glauben, die die Bedeutung des Wortes nicht kennen. Denn er war, wie gesagt, ein Gelehrter und deshalb zum kaiserlichen Sekretär (scriba) erwählt worden und dabei bejahrt und viel erfahren. Daher ist nach Job.
4) 12 (pag. 81) bei den Großvätern (senibus Greifen) die Weisheit, und der Verstand bei den Alten (in multo tempore, in langer Zeit). Drittens zeigt dieses Epitaphium bei diesem Mann die aufrichtigste Liebe zur Religion in denkwürdiger Wirkung, indem er unser Gründer genannt wird. Denn wenn er nicht von großer Liebe zur Religion beseelt gewesen wäre, so hätte er gewiß nicht soviel Geld bei der Gründung unseres Klosters aufgewendet. Bei dieser Gründung stiftete er sich und seiner Familie in dieser Welt ein immerwährendes Gedächtnis und verdiente ewigen Ruhm.
Von diesen Krafften ging einer nach Schweden und war, von der hl. Brigitte zu ihrem Diener erwählt, ihr beständiger Begleiter auf ihrer Reife nach Rom und Jerusalem. Nach dem Tod aber der heiligen Frau wurde als Zeuge ihrer Heiligkeit durch die Freunde der hl. Brigitta dieser Krafft mit einem andern Adeligen aus der Familie der Ruch nach Rom geschickt. Und so schrieb der Papst Bonifacius nach Anhörung der Zeugen sie als Heilige in das Verzeichnis der Heiligen und schickte den Krafft samt seinem Mitknecht mit erhaltenem Schreiben an den Fürsten von Schweden zurück,
1) Wohl 1 Cor. 1, 20:. ubi saliens? ubi scriba? ( ^[γραμματευς]) ubi conquisitor saeculi istius? Wo sind die Klugen? Wo sind die Schriftgelehrten? Wo die Weltweisen?
2) Ist 2 Sam. 8, 17.
3) Marc. 14, 1. Luc. 22, 2. 4) Hiob 12, 12. ¶