Der sechste Grund ist: ein Handwerker nämlich oder Kaufmann von Ulm ist reich geworden dank dem Gemeinwesen der Ulmer und von dem Gut seiner Mitbürger und durch das Bestehen derselben. Darum ist es nicht billig, daß er noch durch weitere Vergünstigungen belohnt werde, während ihm vom Gemeinwesen schon eine Vergünstigung erwiesen worden ist, die er vielleicht nicht verdient hat, sondern vielmehr ist er gehalten, dem Gemeinwesen den Dank zurückzuerstatten. Ein fremder Reicher aber, der seine anderwärts erworbene Habe nach Ulm hereinbringt, muß verdientermaßen belohnt werden, da er ohne die Beihülfe des Ulmer Gemeinwesens diese erworben hat und mit fremdem Gut das Beste des Gemeinwesens gefördert worden ist. Deshalb muß er verdientermaßen belohnt werden. Und daher kommt es, daß ein Zünftiger nicht aufgenommen wird, aber ein Fremder.
Der siebente Grund ist: während die reinen Adeligen mit den Höchsten der Stadt Ulm durch Ehen sich verbinden, wodurch das Ulmer Gemeinwesen am meisten achtbar wird;
würden sie, wenn sie hören oder erfahren würden, daß Handwerker ihren Blutsverwandten gleichgemacht werden, diese Ehen als bäuerisch und bürgerlich meiden.
Aber auch diese Unordnung würde eintreten, daß auch diese neuerdings in diesen Stand Aufgenommenen an allen Tätigkeiten der Adeligen, in denen sich die Bürger vom Rang der Beamten üben, auch teilnehmen würden. Beispielsweise hat ein Bürger vom Rang der Ersten einen Adeligen als Verwandten, dessen Schwester er vielleicht als Frau hat, und duzt denselben als Verwandten, so würde der neuerdings zum Bürger gemachte Handwerker eben dies tun wollen, während es der Adelige keineswegs dulden würde.
Übrigens dulden die Adeligen die Bürger um sich bei der Ausübung der Jagd und widmen sich mit ihnen wie mit Adeligen dem Lanzenstechen, ja selbst Freiherren weisen die Ulmer Bürger der dritten Ordnung nicht zurück, wenn sie mit den Abzeichen ihres alten Bürgerstandes ausgestattet sind, aber einen aus den Zünften Aufgenommenen, dessen Abzeichen nicht bekannt wären, würden sie unter keinen Umständen auf dem Platz des Lanzenstechens dulden, außer vielleicht zum Spott. Und was noch mehr ist als dies: die Adeligen lassen nur unter Schwierigkeiten diejenigen Dienstmannen bei Turnieren zu, welche Söhne von Muttern sind, die selbst Töchter von Hochstehenden der Städte sind, lassen sie (pag. 72) jedoch zu, nachdem sie viele Erörterungen über den Adel ihrer Mütter vorausgeschickt haben, während über den Vater kein Zweifel herrscht.
Wenn nun Zünftige in diesen Stand aufgenommen würden, so würden um ihretwillen überhaupt die Adeligen von den Turnieren ausgeschlossen werden. Überdies bewilligten die Fürsten ehemals Lehen nur Adeligen; denn das wahre Zeichen des Adels ist, wenn manche von Alters her Lehensgüter besitzen, obgleich jetzt mißbräuchlicherweise fast kein Unterschied der Personen mehr ist. Da aber fast alle alten Ulmer Bürger als wahre Adelige Lehensgüter haben, so können ihnen bei Bestand der alten Ordnung und der alten Rechte ordnungsgemäß Zünftige in diesen Gütern nicht nachfolgen.
Aber die Erbschaft solcher Güter würde auf die Zünftigen übergehen, wenn sie aufgenommen würden. Die Adeligen hängen auch mit den Höchsten in den Städten ihre Siegel an die Briefe, wie man bei alten und neueren Briefen sieht; dies zu tun würden sie sich weigern bei einem gewöhnlichen Zünftigen und Handwerker. Es gibt aber mehrere Zünftige, die adeliger sind als viele von den Höchsten. Auch bei den Reichstagen haben die Obersten in den Städten ihre Stelle unter den Adeligen, welche den zünftigen Handwerkern nicht gegeben würde. ¶
Aus allem bisher Gesagten steht der Ursprung der obersten Bürger fest, auch warum kein Zünftiger in ihren Stand zugelassen wird; und daß sie als wahrhaft Adelige anerkannt werden, das erhellt aus folgendem.
Erstens weil sie mit Adeligen Ehen eingehen und so, wenn sie auch nicht adelig gewesen sind, dadurch geadelt werden; dies ist das Erste.
Zweitens sind sie wahre Adelige; denn sie besitzen die Sitze der Adeligen mit richtigem Titel.
Drittens weil sie von Alters her Lehensgüter von Fürsten und Grafen erhalten haben.
Viertens weil die Adeligen von den Obersten in den Städten Ehrenbezeigungen nicht annehmen, während sie wollen, daß diese von andern ihnen erwiesen werden, und weil sie sie nötigen, daß sie sie duzen, was sie durchaus nicht leiden würden, wenn sie nicht wüßten, daß sie ihnen an Adel gleichstehen; obgleich der Adelige edler ist als der Bürger, scheint es doch noch, daß der Bürger, wenn nur nicht Verachtung dazu kommt, ihn duzen kann, besonders wegen der Verwandtschaft. Wie auch der Kaiser den Papst duzt, während dieser doch über ihm ist, wie die Sonne über dem Mond (wie zu sehen ist in cap. solita de maior. et obed. ) und wie das Gold über (pag. 73) dem Blei steht, so das Priestertum über dem Diadem des Königs (z. B. 96 dig. 3 talibus institutis): wie also der Kaiser den Papst duzt und umgekehrt (wie ebendaselbst dig. 3 de domino steht... unde 97 de ecclesiae, wo Bonifacius den Kaiser Honorius und ebenso der Kaiser den Papst Bonifacius duzt wegen der besonderen Verbindung), so duzt der Bürger den Adeligen und umgekehrt. Aber dies darf nicht allgemein von allen geschehen, sondern nur von dem Adel einer alten Bürgerschaft.
Fünftens sind Bürger Adelige, weil sie mit der Jagd sich beschäftigen und ihnen die Jagd erlaubt ist; wem aber die Jagd gestattet ist, das wird gelesen und bemerkt 86 dig. qui venatori und c. de venatione ferar. l. 11 t. 123, [cod. lib. 11, tit. 44], und ausführlich bei den Summistae (geheimen Kammern) über die Jagd der Geistlichen 1. 5, t. 24.
Sechstens ist der Adel der Bürger dadurch klar, daß Abkömmlinge aus ihrem Geschlecht, Söhne ihrer Töchter oder Schwestern, den Turnieren beiwohnen: diese Turniere sind eine Art Siebe der Adeligen, durch welche man erkennt, welche makellose, wahre Adelige sind, und keiner wird geschont von den gewöhnlichen Adeligen bis hinauf. Denn Turniere sind (wie gelesen und bemerkt wird in I. 13 bestias... Dig. de postul. tit. 1) eine Art Märkte oder Feste, an welchen adelige Krieger und Dienstmannen nach verabredetem oder erlassenen Befehl der Fürsten an bestimmtem Ort und zu bestimmter Zeit auf einer Pferderennbahn oder unbebautem Land oder (pag. 74) einer von Balken (Brettern) umzäunten und mit Blechen geschmückten Ebene mit Schilden, Helmen und Helmbüschen, wie wenn sie als Feinde mit einander ohne alle Angriffswaffen kämpfen wollten, zusammenkamen, nur daß den Neulingen, die zum erstenmal in diesen Kampf eintreten, ein abgestumpftes Schwert, andern eine hölzerne Keule von bestimmtem Gewicht gegeben wird. Mit blitzenden Waffen aber treffen sie in zwei Abteilungen zusammen, treffen die Untauglichen mit den härtesten Streichen und lassen diejenigen, welche es verloren haben, halbtot oder ganz vernichtet zurück. Diese Turniere verbot Papst Johann XXII. bei Strafe der Exkommunikation und hob das Verbot nachher wieder auf. Da also Leute von bürgerlichem Blute den Turnieren beiwohnen können, so ist klar, daß sie adelig sind, ¶