wie es ihnen in den Mund kommt, wodurch der Ruhm dieser Kirche vielfach entehrt und dem Volk viel Ärgernis gegeben wird. Aber auch der Kirchhof wird bei Nacht nicht geschossen, und es ist zu befürchten, ja es ist eine unzweifelhafte Erfahrung, daß sehr oft vieles Ungeheuerliche begangen wird, wodurch der heilige Ort entheiligt und entweiht wird. Deshalb ist es nötig, daß der Pfarrer Macht zu manchen bischöflichen Handlungen (pag. 42) habe. Besonders jedoch erfreut er sich größerer Privilegien als andere Pfarrer in bischöflichen und mehreren anderen Dingen, die ich übergehe.
Es kehrten also nach der Übersiedlung, dem Wiederaufbau und der Einweihung der Pfarrkirche die Ulmer zur Vollendung ihrer Stadt und zum Schluß ihrer Ringmauern zurück, denn die Stadt war noch nicht überall geschlossen. Aber zum Abschluß des Werkes legten alle, auch die Vornehmsten der Stadt, Hand an, und hierin hielten sie sich noch besser als die Vornehmsten von Jerusalem, zu dessen Wiederherstellung diese nicht Hand anlegten, wie Nehem. 2 steht. Und sie errichteten auch andere Türme außer den Tortürmen, und weil das Volk sich von Tag zu Tag vermehrte und die Stadt zu einer Geschäftsstadt wurde, fügten sie zu den 3 andern, früher erbauten Toren noch 2 neue, das Neue Tor und das Gänstor, und so standen 5 Tore, nämlich das Herdbruckertor, das Tor der heil. Jungfrau (Frauentor), das Neuetor, das Gögglingertor und das Gänstor. Es gibt auch andere kleine und nicht benutzte Tore gegen die Donau hin, bei denen kein Eingang noch Ausgang für Fremde ist; deswegen werden sie nicht gerechnet.
Kap. 2.
Von der Gestalt und dem Aussehen der Stadt Ulm.
Die Stadt Ulm befand sich von der Zeit ihrer Erweiterung, nämlich vom Jahr 1138, bis zum gegenwärtigen Jahr 1488 in beständiger Zunahme, bis sie die schönste Form des Aussehens erreichte, die wir jetzt in der Gegenwart sehen. Diese Gestalt können wh. in zweifacher Weife betrachten, nämlich von außen und von innen. Von außen hat sie folgende Anlage. Die Stadt Ulm ist am Ufer der Donau fast in einen Kreis hingestellt. Gegen Süden hat sie 2 Tore, nämlich das der Metzger, durch das der Ausgang auf den Fleischmarkt und an den Fluß Blau geht, der hier von den Mauern eingeschlossen durchfließt; das Tor heißt das der Metzger, weil es nur zu deren Gebrauch dient (pag. 43), und hat einen schönen darüber hervorragenden Turm.
Das andere Tor ist das Herdbruckertor, durch das man die Donau auf einer Brücke überschreitet, und weil außerhalb desselben sehr weitgedehnte Felder zur Weide für die Herden sich befinden, so heißt es Herdbruckertor. Dieses Tor hat einen hohen und oben mit mehreren Spitzen verzierten Turm und trägt vornen ein großes ausgehauenes Kreuz mit den gemalten Bildern der Kurfürsten des Reichs und ihren Wappenzeichen. Auf diesem sind immer zwei Trompeter als Wächter, die morgens und abends und um Mitternacht und bei Ankunft von Bewaffneten blasen und lärmen. Gegen Osten ist nur ein Tor, Gänstor genannt, das neu ist. Als dieses gebaut wurde, fragten die Werkmeister den Leiter des Baus
und die Vornehmsten, mit welchem Namen man das Tor benennen solle, darauf sagte einer: «es soll den Namen des ersten Tieres tragen, das durch dasselbe seinen Weg nimmt entweder behn Austritt oder Eintritt. » Sogleich aber, als es geöffnet war, kam eine Gänsherde zur Weide und zum Wasser heraus und ließ dem Tore den beständigen Namen. Dieses Tor hat zwar die Fundamente eines hohen Turmes von Alters her, ist aber noch nicht in die Höhe gebaut; [aber in unserer Zeit ist der Turm schön erhöht worden, als der weise Herr Johannes Ehinger Bürgermeister war, im Jahr des Herrn 1497. Von damals an aber erhielt dieses Tor einen anderen mehr der Vernunft angemessenen und der Wahrheit entsprechenden Namen; weil ein Teil der Stadt innen neben diesem Tor auf dem Gries (ad arenas) genannt wird, so wurde dieses Tor porta Arenae oder Arenarum gememhin Griestor und nicht Gänstor genannt. ] 1) Gegen Norden ist das Tor des heiligen Leonhard (jetzt das der heil. Jungfrau, Frauentor genannt) weil man durch dasselbe in die Kirche des heiligen Leonhard geht, in der die heil. Jungfrau durch Wunder ihren Ruhm gewann und dem Tore den Namen gab. Dieses Tor hat einen hohen und festen Turm, auf dem man ein goldenes ausgehauenes Kreuz erblickt; und auf diesem ist auch ein Wächter, der die Trompete bläst, wann er muß, oder wann er will. Zwischen Norden und Westen ist das Neue Tor, sogenannt, weil es erst neu entstanden ist, mit einem hohen und mit den Bildern des Leidens des Herrn geschmückten Turm. Gegen Westen (pag. 44) aber ist das Gögglingertor, sogenannt, weil es in das nächste Dorf Gögglingen führt; Unkundige nennen es Glöglistor.
Dieses Tor hat einen festen Turm, der mit dem ruhmreichen Kreuz geschmückt ist; auf ihm wachen auch Wächter und Trompeter, und es würde gut Gerichtstor genannt, weil vor demselben die Schuldigen gefoltert und hingerichtet werden. Auf der Südseite am äußersten Teile der Stadt gegen Westen, woher die Donau kommt, ist der hohe und feste Fischerturm, der deswegen so heißt, weil neben ihm die Wohnungen der Fischer der Wassertiere und der Fischerinnen einfältiger Menschen sind.
Mit diesem Turm hängt ein bis in die Donau sich erstreckendes festes Vorwerk mit mehreren Erkern zusammen, wo auch ein Teil der Blau durch einen Graben der Stadt herabkommt und durch enge Öffnungen, die mit sehr festen Gittern geschlossen sind, an der Ecke der Stadt in die Donau fließt. Von dieser Ecke und dem Fischerturm geht eine im Wasser der Donau gegründete, hohe und dicke Mauer hinab, die in dem in der folgenden Chronik bezeichneten Jahr entstanden und Neue Mauer genannt worden ist, weil die alte Mauer durch Häuser und Gebäude schwach und schadhaft geworden war. Es steht aber diese Mauer in der reißendsten Strömung bis zur Donaubrücke 660 Schritt weit sich erstreckend, und sie hat in der Dicke 10 gemeine Fuß und hindert einerseits die Gewässer der Donau, daß sie nicht in die Stadt stürzen, andererseits aber, daß die Gewässer der Blau nicht hinausfließen bis an ihrer Mündung.
Auf dieser neuen Mauer sind wohl ausgeführte Bollwerke und Vorwerke und Erhöhungen nach Art von Türmen, von denen mit Mörsern und andern Geschossen gegen die zu Wasser Herankommenden eine Verteidigung stattfinden kann, auch sind außen viele eiserne Ringe zum Anbinden der Schiffe und eiserne Haken, an denen zu Kriegszeiten Decken für die Mauern aufgehängt werden mögen, damit sie nicht von den gegenüber aufgestellten Maschinen verletzt werden können,
1) Die in Klammern gesetzten Worte bis «nicht Gänstor genannt» enthalten eine Verbesserung, die wahrscheinlich F. Fabri selbst noch einfügte.
und sehr viele Öffnungen zum Hinausschießen mit steinernen Geschossen. In der Mitte der Mauer sind viele Öffnungen, durch welche die Blau aus der Stadt hervorbrechend in die Donau fällt. Über der größeren Öffnung der Blau ist ein Turm 1), auf dem immer ein Wächter horcht, um den von der andern Seite der Donau Rufenden Antwort zu geben; denn es trifft sich oft, daß jemand aus irgend einem Grund nicht über die Brücke und durch das Tor in die Stadt hereinkommen will, und wenn ein solcher diesen Wächter anruft, holt er ihn gegen einen gewissen Lohn in einem Schiff über. So werden solche, die sich versäumen (pag. 45) und nach dem Torschluß kommen, und Boten, die dringende Sachen bringen, hier eingelassen, wenn eine wichtige Sache vorliegt, die man dem Bürgermeister melden muß.
Nach der neuen Mauer folgt der Turm des Herdbruckertores und die Brücke, die breit und sehr stark ist wegen der Gewalt des Flusses. Denn oft wird sie vom Gewässer überschwemmt, und wenn die Brücke nicht gut fundamentiert wäre, würde sie weggerissen, wie es in den vergangenen Jahren oft geschehen ist. Daher hatten die Ulmer auch einmal angefangen eine steinerne Bogenbrücke zu bauen, aber als sie am Werk waren und sehr viele Vorbereitungen und Bauten im Wasser gemacht hatten, kam plötzlich eine Überschwemmung und riß in einer Stunde der Nacht alles weg.
Denn manchmal wächst der Fluß so sehr, daß er zum Tor hereindringt, wie es im Jahr des Herrn 1374 geschah. Deshalb muß die Brücke schwer sein, wie die neue Brücke außer den notwendigen Balken 2 turmartige Gebäude in der Mitte zum Unterstand hat, die aber nicht sowohl zum Unterstand dienen, als zur Belastung angebracht sind. Jenseits der Brücke ist die Vorstadt und viele Häuschen der Walker, und sind auf dieser Seite Befestigungen, Gräben, Gerüste und Wälle, so daß niemand zu Pferd auch nur an das Wasser gegenüber der Stadt kommen kann.
Unterhalb von dieser Vorstadt ist die Werkstatt der Zimmerleute der Stadt und die Stelle, wo alles in die Donau geschüttet wird, was zur Stadt hinausgeführt wird, z. B. Unrat und Mauerschutt; hier ist auch der erste und oberste Hasen der Donau, von dem aus die Lastschiffe, die Flöße oder Holzmassen hinabfahren und in den man aus Baiern heraufkommt, und es ist nicht möglich, weiter hinauszufahren. Weiter hinab vom Herdbruckerturm und -tor geht im Wasser die Stadtmauer bis zu dem neuen Turm, der neulich unter dem Turm der Übeltäter gebaut worden ist, von dem er gewissermaßen das Vorwerk ist. Es steht aber dieser neue Turm im Wasser und hat keine andern Fenster als die Schießscharten.
Man sagt aber, daß er im untersten Grund eine tiefe, mit Wasser gefüllte Grube habe, in der diejenigen ertränkt werden, welche öffentlich zu töten nicht rätlich ist, um ein größeres Übel zu verhüten. Über diesem ist der ehemals Armbruster- oder Schützenturm genannte Turm und er war das östliche Tor der alten Stadt, jetzt ist es der Turm der Übeltäter, der sehr fest und hoch und mit hölzernen Zellen als Gewahrsam der Gefangenen angefüllt ist;
in ihm ist auch der Ort, wo die Verdächtigen gefoltert und geschwenkt werden, damit sie öffentlich (pag. 46) die Geheimnisse ihres Herzens gestehen;
und wenn sie dann hingerichtet werden sollen, werden sie aus ihrem engen Gewahrsam in ein an den Turm angeschlossenes Gebäude geführt, wo eine geweißte und helle Kammer ist;
in dieser werden die vom Elend des Gefängnisses Erschöpften erquickt und durch religiöse Ermahnungen zur Geduld gestimmt und ihnen die Sakramente gereicht und sie so zum Tode geführt.
Diese
1) Der sogenannte «Einlaß».
Behausung erhebt sich von unten vom Garten der Prediger-Brüder; von hier sehen die Angeklagten durch ein Fenster in deren Garten und wenn sie einige Brüder gewahr werden, strecken sie die Hände durch die Öffnung heraus und bitten, sie mochten bei Gott für sie vermitteln. Unter der Kammer der Angeklagten haben die Brüder eine kleine Zelle, in der Arzneiwasser destilliert wird. Vor dem Turm auf der Innenseite ist eine andere Werkstatt der Stadt, in der städtische Sachen besorgt werden.
Bei diesem Turm biegt die Mauer der Stadt von Süden gegen Osten, und hier beginnt die Donau die Stadt zu verlassen, deshalb ist zwischen der Stadt und dem Wasser ein breiter mit Wasser gefüllter Graben, oberhalb von dem innerhalb der Mauern der Stadt das Kloster der Prediger-Brüder ist, denen eine lange Strecke der Mauer anvertraut ist, und die Mauern erstrecken sich 42 Schritt vom Turm der Übeltäter bis zum Spital, und die Stadt ist an dieser Stelle durch eine 3fache Mauer geschützt.
Die erste ist die Hauptmauer, über die das Kloster der Prediger hereinragt. Die zweite ist die des Walles: zwischen dieser und der Hauptmauer ist ein Durchgang, und diese Mauer ist dick und mit Mauern und Vorwerken im ganzen Kreis um die Stadt geschützt und ausgerüstet, die dritte Mauer ist zwischen dem Graben und der Donau, aber mitten auf der Mauer ist ein Erker zwischen dem Predigerkloster und dem Spital, welcher auch wie das Predigerkloster über die Hauptmauer hervorragt, und es gibt im ganzen Kreis der Mauer kein Haus, das über die Hauptmauer hervorragt, als das Haus der Prediger und der Spitäler. Auf der Mauer aber, an welcher der Spital liegt, ist ein hoher und fester Turm mit Erkern, von welchen dann die Mauer mehr gegen Osten bis zum Gänstor sich biegt; zwischen letzterem und dem Spital ist auf der Mauer eine weitere Befestigung. Von diesem Tor aber bis (pag. 47) zum Roten Turm sieht die Stadt in der Richtung nach Osten und oberhalb desselben hört die Donau auf die äußere Mauer zu bespülen, und unterhalb desselben ist der mit dem Wasser der Blau gefüllte Graben: denn die Blatt umfaßt rings die Stadt von der Donau bis wieder zur Donau, und bespült die Stadt selbst, wie man sehen wird. - In der Mitte des Raumes zwischen dem ebengenannten Tor und dem Roten Turm ist bei der äußeren Mauer ein Vorsprung.
Der Rote Turm ist ein hoher und fester, an der Ecke der Stadt errichteter Turm, wo die Mauer von Osten sich gegen Norden wendet und der Donau den Rücken bietet. An dieser Ecke innen in der Stadt ist ein großes und mit kriegerischen Erfindungen (Maschinen) und Instrumenten gefülltes Zeughaus, außen aber sind Erker und eine Brustwehr, auf deren Mitte ein festes Verteidigungswerk steht, das die Ulmer einst in der Angst vor dem Dauphin des Königs von Frankreich und vor den Armagnacs (Carmaniaci) errichteten, die das Elsaß verwüsteten, und von diesem Bollwerk an machten sie einen Wall und Graben bis in die Donau, die jetzt zerstört sind. Wenn man vom Roten Turm gegen Norden geht, so ist außerhalb des Grabens eine Bleiche und große Wiesenfläche, die rings von einem mit fließendem Wasser gefüllten Graben umgeben ist, und auf dieser Ebene werden baumwollene Tücher, die man vasconicae 1) nennt, in sehr großer Zahl den Sommer über gebleicht. Bei dem Geschäft mit diesen Tüchern hat die Stadt Ulm in den letzten Jahren wunderbaren Nutzen gehabt, denn von jedem Tuch kommen wenigstens
1) Nach Dieffenbachs Glossarium synonym. kommt das Wort von parchandus her, Zeug aus Leinwand und Wolle, also Barchent. Nach Du Cange ist fustanum (= frz. futaine, von Fostat = Alt Kairo) ein Gewebe aus Leinwand und Baumwolle, was richtiger. - Schwerlich mit Vasconia (Gewebe nach Gascognischer Art) zusammenhängend, was Buck meinte.
3 SS (solidi) der Stadt zu gut, und es sind über 9000 Tücher. Oberhalb von den Gräben der Bleiche, nicht weit vom Stadtgraben, ist eine Bohrmühle errichtet, ein Haus mit einem Rad, das vom Wasser getrieben wird, und daselbst werden große Balken durchbohrt und von einem gewaltigen Bohrer fleißig durch die Bewegung des Wassers bearbeitet. Gegenüber von dem Bohrhaus, jenseits des Stadtgrabens, ist in der Mauer der Stadt ein niedriges Vorwerk, welches Dietrichsturm (turris Theodorici) heißt: dieser Dietrich war ein Künstler und stellte in dem Vorwerk eine Mühle her, in der das Pulver (pag. 48) bereitet wird, das man zum Abfeuern der Mörser braucht.
Oberhalb von dieser Mühle sind 2 Verschanzungen, die nicht weit von einander entfernt sind und gegen die Bleiche hinsehen, gerade in der Richtung nach den Häusern auf der Bleiche. Aus dieser Bleiche werden zur Sommerszeit, wie schon erwähnt, Tücher in solcher Menge bearbeitet, daß ihre Zahl auf 60,000 geschätzt wird, nach Abzug der Vaskanischen, die schwarz gefärbt werden. Darum ist ein gewöhnliches Sprichwort, daß es keine Stadt geschweige in Alemanien, aber auch nicht in Italien oder Frankreich gebe, die einen so köstlichen mit der Stadt zusammenhängenden Rosengarten habe, wie Ulm, das eine große mit weißen Blumen besäte Wiese hat, von denen viele Tausend arme und reiche Menschen leben und sich nähren. - Weiterhin erstreckt sich die Stadtmauer bis zum Tor der Jungfrau, auf dem ein hoher mit Erkern geschirmter Turm steht.
Vor der Brücke dieses Tores ist eine durch Mauern und Gräben sehr feste Brustwehr, auf der 7 Erker hervorragen. Von diesem Tor bis zum Neuen Tor befinden sich auf der Hauptmauer 8 und auf der niedrigeren Mauer 3 neulich gebaute starke und feste Türme. In einen dieser Türme aber stürzt das Wasser aus dem Graben und dreht große Räder in der Tiefe des Turmes, durch welche das Wasser künstlich auswärts in ein höheres Gemach des Turmes getrieben wird; dort strömt es in ein großes Becken und von diesem fließt es abwärts durch eine Bleiröhre zurück und verteilt sich durch Brunnenröhren in der Stadt und bricht an verschiedenen Stellen in fließenden Brunnen hervor.
Denn von diesem Turm und von einem andern Punkt verteilt sich auf diese Weise das Wasser in 23 Brunnen durch die Stadt. Von diesem Wasserturm kommt man zu dem hohen Turm des Neuen Tors, das mit Bildern geschmückt und mit Erkern geschützt ist; vor der Brücke des Tores ist eine sehr feste Brustwehr mit 7 Vorsprüngen. Von diesem Tor an wendet sich die Mauer überhaupt gegen Westen bis zu einem Winkel und einer Ecke der Stadt und wird, durch Vorsprünge geschützt, geschlossen bis zum Grünen Turm, der so heißt, weil er ein grünes Dach hat; früher jedoch wurde er Turm der Gremlinger genannt, wie die von ihm ausgehende Straße Gremlinger Gaß heißt nach einigen alten, Gremlinger genannten Bürgern, und er ist ein runder (pag. 49) Turm, in dem, wie man sagt, niemand zu übernachten wagt wegen der Geräusche und heftigen Stöße, welche böse Geister darin machen.
Geschützt ist dieser Turm durch Erker und eine Vormauer. Oberhalb von ihm von Westen her kommt die Blau, und gegen die Stadt herandringend fließt sie durch 2 offene Mündungen in die Stadt, und diese Mündungen sind durch eiserne Gitter geschützt. An dieser Stelle ist ein niedriges Häuslein an der Mauer, in dem auch durch die Bewegung eines Rades das Wasser durch Kanäle in der Stadt verteilt wird. Auf der inneren Seite der Mauer ist das Haus der deutschen Brüder der heiligen Maria, auf der äußeren aber sind Mühlen und einige Häuser der Juden und ihr Kirchhof. Von da wendet sich die Mauer
gegen Westen sehend nach Süden und hat daselbst einen neuen Turm in der Vormauer, nach welchem ein größerer Arm der Blau herkommt, von 4 Mündungen aufgenommen wird und in die Stadt eindringt. Neben diesen Mündungen sind, weil sie offen sind, sehr starke Verschanzungen und 3 Türme errichtet, auch ziehbare eiserne Gitter, die aufwärts gezogen und wieder herabgelassen werden können. Auch wird hier fleißig Wache gehalten, damit nicht zugleich mit dem Wasser der Feind eindringe.
Von diesen Mündungen aus erstreckt sich die Mauer bis zum westlichen Gerichts- oder Gögglinger Tor, über das ein hoher, schöner und mit Erkern geschützter Turm hereinragt. Vor der Brücke dieses Tores ist eine furchtbare runde Brustwehr mit 7 Vorsprüngen. Von dieser Verschanzung geht die Mauer in einer Krümmung gegen Süden bis zur Donau hinab, wo der Fischerturm einen Winkel und eine Ecke der Stadt bildet, mit der wir die Beschreibung des Gürtels und der Mauer der Stadt begonnen haben.
Hier geht in dem Stadtgraben durch sehr feste Mündungen der übrige Teil der Blau hinab, weil der Fluß so in die Stadt hereinkommt, daß er doch überall den Graben füllt, und so durch diese Mündungen der Teil zur Donau eilt, der von der Stadt ausgeschlossen als Stadtgraben gedient hat. Der Graben selbst aber, der im Ring herum von der Donau ohne Unterbrechung wieder in die Donau geht, ist von Mauern eingeschlossen und tief und in ihm sind viele Fische und Gänse, die nicht zu Hause gehalten werden, und andere Wassertiere. -
Eine große Annehmlichkeit zugleich mit einem Schmuck der Stadt erhält Ulm durch die in ihrer Nähe zusammenfließenden Gewässer, von denen schott die Rede war. Denn von der Iller erhält es Holz, von der Donau verschiedene Waren (pag. 50), besonders jedoch Eisen von oben herab, und auf der Donau selbst schickt es seine Waren auch anderen Völkern zu. Die Blau aber führt nichts auf Schiffen weder herbei noch fort, sondern bringt durch sich selbst der Stadt sehr viel Gutes; deshalb geht sie nicht außen an der Stadt vorüber, sondern rennt gegen sie heran; dringt gleichsam als ein zum Haus gehöriger, mächtiger Bürger ein, bespült die Stadt selbst, führt den Schmutz ab, mahlt das Mehl, speist alle Gassen mit ihrem Wasser und unterbricht ihre Dienste nie auch nur für einen Augenblick, auch wird sie keinen andern Weg oder Stromrichtung nehmen können als mitten durch Ulm.
Nicht so die Donau, welche, wie man sagt, von der Stadt wird abgelenkt werden können, wenn auch mit großer Mühe. Einst überlegte nämlich ein Herzog von Baiern, ein Feind der ulmer, an welcher Stelle er die Iller in eine andere Stromrichtung ablenken könne, daß sie nicht mit der Donau sich vereinige, wohl wissend, daß die Donau ohne die Iller den Ulmern nichts nutze, aber an die Ablenkung der Blau konnte er nicht denken, da dies unmöglich ist. Obgleich aber die Blau selbst als Bürger und Freund immer bei der Stadt ist, wird sie doch von der Nymphe selbst, die sie geboren, bisweilen ganz rücksichtslos ausgespieen und rennt dann anschwellend, gleichsam im Zorn, in der Wut und Raserei gegen die Stadt nicht als Bürger und Hausgenosse, sondern als der schrecklichste Feind heran, durchbricht und verwüstet in stürmischem Getöse was sie findet, und erfüllt alles plötzlich. So schwoll sie im Jahr des Herrn 1461 am Sonntag Quadragesimä plötzlich an und rannte in rasendstem Lauf gegen die Stadt und ihre Mauern, suchte, nicht zufrieden mit ihren Mündungen, die Mauern selbst zu zerstören, brach sie tatsächlich und riß, gegen die Stadt herankommend, die Räder aller Mühlen nieder, zerstörte die Bänke und Werkzeuge der Walker und Gerber und anderer am Wasser Arbeitender und führte 12 Häuser
von Grund aus zerstörend, alle Brücken als grausamster Plünderer und Einbrecher von der Stadt weg als reichste der Stadt Ulm geraubte Beute an Holz den Baiern und Östreichern zu, wodurch sie im Zeitraum einer einzigen Stunde der Stadt Ulm über 10,000 Gulden Schaden zufügte. Seit dieser Zeit erweiterten die Ulmer die Öffnungen des Flusses, so daß er herankommend nicht versucht, die Mauer zu zerstören. Aber auch die Iller macht bisweilen ente Art Sprung von den Bergen herab und mit der Donau verbunden springt sie mit aller Gewalt gegen die Mauern, zerreißt die Flöße, erschüttert die Brücken und führt sie weg und bringt die Stadt in Unruhe. Ähnlich zerstört auch die Donau, durch Regengüsse vergrößert, alles, was sie berührt, und neue Rinnsale durch die Felder, Gärten und Wiesen reißend (pag. 51) unterwühlt sie die Erde und nimmt sie mit sich.
Aber nicht zugleich und aus einmal tosen alle 3 Flüsse, denn wenn alle drei zugleich wüten würden, so glaube ich nicht, daß die Stadt Ulm es aushalten könnte. Wegen dieser Flüsse könnte kein Fürst von Alemanien diese Stadt mit genügender Umwallung durch sein Heer belagern; denn bei dieser Belagerung müßte er sie mit 3 Heeren umgeben, und ein Heer kann nicht zum andern kommen, und wenn zur Zeit der Belagerung eine Überschwemmung stattfände, so müßte er notwendig die Belagerung selbst aufheben.
Überdies ist Ulm außer den Gewässern mit erfreulicher Breite rings umgeben, indem es auf 4 Seiten breite Täler hat; denn im Osten und Westen hat es das anmutigste Tal der Donau, im Norden aber das Tal der Blau, die durch die anmutigsten Gefilde herabrinnt, und im Süden das überaus fruchtbare Tal der Iller, zwischen Westen aber und Norden hat es den fruchtbaren und wonniglichen Michelsberg, so daß das Ulmer Land nicht durch allzu große Ausdehnung widerwärtig und nicht durch allzuviele Berge beengt ist. Soviel von der äußeren Gestalt und Anlage der Stadt. -
Innen ist die Stadt anmutig, von Gewässern befeuchtet, die nicht nur durchrinnen, sondern auch aus dem Herzen der Stadt hervorquellen, wie z. B. die Quelle der alten Röhren und die Brunnen, die nicht gesammeltes Regenwasser haben, sondern in den Adern der Erde entspringen, weshalb man den Brunnen in der Nähe der Prediger-Brüder nie entleeren kann, weil, wie viel man auch herausschöpft, soviel plötzlich aus der Tiefe nachfließt. Die Straßen, die Ulm hat, sind breit und nicht finster, die Häuser hoch und meist von Holz, weil es hier keine Steine gibt außer Backsteine.
Breite Hauptplätze hat die Stadt 3, nämlich den ganzen Platz vor dem Rathaus, den Weinhof und den Platz vor der Kirche der heil. Jungfrau; ein anderer ist der Korn- oder Getreidemarkt, ein anderer der Roßmarkt auf dem Gries neben dem Gänstor, wieder ein anderer der Grünhof bei den Predigern u. s. w. Aber nicht immer war es so; denn der Platz vor dem Rathaus war vor wenigen Jahren von vielen Häusern und Kaufläden besetzt, und an der Stelle, wo jetzt der Brunnen auf dem Fischmarkt steht, stand ehemals ein Haus, unter dem (pag. 52) man Brod verkaufte, das jetzt vor der Kirche der heil. Jungfrau steht, und an dieser Stelle war damals das Kornhaus und der Kornmarkt. Das Rathaus ist hervorragend und schön und hat einen auf allen Seiten vergoldeten Glockenturm und viele Gemächer, auch eine große Glocke, welche die Stunden schlägt und auf deren Schlag auch der Wächter auf dem Kirchturm der heil. Jungfrau eine große Glocke anschlägt, damit, wer das erste Zeichen überhört hat, das zweite in Acht nehme. Auf demselben Turm der heil. Jungfrau sind immer zwei Wächter, die morgens und abends mit Trompeten
blasen. Vor wenigen Jahren hatten sie ihre Frauen oben bei sich, aber der neue Stadtpfarrer hat die Frauen vertrieben, um die Steuerfreiheit der Kirche zu erhalten.
Mit großem Eifer wird die Stadt in der Reinlichkeit erhalten und es gibt da keinen Gestank der Kloaken und Abtritte wie anderwärts, sondern durch unterirdische Gänge geht alles ab. So sehr lieben die Bürger der Stadt die Reinlichkeit, daß sie einmal beschlossen, daß kein Leichnam mehr innerhalb der Mauern begraben werden dürfe, und sie hätten durchaus ihre Leichen nach Allerheiligen hinausgetragen, wenn sich die Prediger und Minoriten nicht widersetzt hätten.
Nichts gibt es, was so sehr die Straßen beschmutzt und die Luft verpestet, als die Menge der Schweine, welche überallhin ihren Unrat bringen; ich glaube, wenn die Schweine nicht wären, daß kaum eine so reinliche und gesunde Stadt sich finden würde. Ich habe keine Stadt gesehen, in der die Leute allgemein so gern sind, wie in Ulm, Arme sowohl als Reiche. Hier findet man alles, was zum menschlichen Leben gehört, um wenig Geld (pro denario). An den Samstagen ist Wochenmarkt, und so groß ist der Lärmen der auf den Plätzen Kaufenden und Verkaufenden, wie wenn es Jahrmärkte wären, besonders jedoch auf dem Platz, wo der Weinmarkt ist und wo manchmal 300 Wägen und Fuhrwerke mit Wein beladen stehen. Ich glaube nicht, daß es einen ähnlichen Weinmarkt in Schwaben (Alemania) gibt, wo soviel Wein auf Fuhrwerken feil gehalten wird und so plötzlich verkauft worden ist, denn vor Mittag ist oft alles verkauft und zwar nur für grobes Geld; denn der Wein wird nicht um Sechser, Groschen oder Kreuzer verkauft, sondern ist nur um Gulden und böhmisches Geld feil. Und soviel von dem dritten Hauptstück.