bauen, verlieh ihnen viele Privilegien und schickte ihnen eine Anzahl Arbeiter zu Hilfe. Überdies kamen viele Adelige mit ihnen zum Bau zusammen und viele Bürger aus anderen Städten wanderten bei ihnen ein und es sammelte sich auch eine große Menge zur Wiederherstellung des zerstörten Ulm. Als aber die Ulmer die Menge, die Gunst und die starke Hilfe sahen, faßten sie Mut und beschlossen, nicht die alte geringe und kleine Stadt (oppidum) sondern eine neue Stadt (urbem) aufzubauen.
Als daher an einem bestimmten Tage die Völker zur Arbeit bereit waren, spannten sie Rinder vor einen Pflug und begannen damit am Ufer der Donau die Erde im Kreis um die alte Stadt zu durchfurchen, indem sie auf jeder Sehe viel Raum über die Grenzen der alten Stadt hinaus bis zur andern Seite der Donau in die Stadt einbezogen. Denn der Raum der alten Stadt (im Umkreis) betrug nur 2100 Schritt, 1) wobei die Schritte auch der Seite mitgerechnet sind, wo die Donau an die Mauern sich anschließt, die zwar mit dem Pfluge nicht umgeackert, aber mit einem Kahn durchfurcht werden kann. Es ist aber zu beachten, daß es zweierlei Schritte gibt, nämlich gewöhnliche Schritte beim Spazierengehen und Schritte als Maße; zwei Schritte von den ersten machen einen von den zweiten, von den ersten also hat Ulm 6400 Schritte, von den zweiten 3200, die 25 Stadien 2) und 75 Schritt als Maß ausmachen. (pag. 32) Es ist aber die Stadt, soweit es möglich war, im Kreis aufgeführt, sie hat auch viele Krümmungen, weil der Kreis verschiedene Hindernisse erhält teils wegen der felsigen, teils auch wegen der sumpfigen Bodenbeschaffenheit.
Ehe aber etwas gebaut wurde, gruben sie ringsherum ein Tal oder tiefe Gräben und brachten die ausgegrabene Erde an die inneren Gräben der alten Stadt zusammen. Auch der Kirchhof zu Allerheiligen, welcher damals nicht so hoch, sondern niedrig war, sowie die Bleicherwiese, die damit zusammenhing, umgaben sie mit einer hohen Mauer und trugen an die Mauer Erde aus den Gräben, indem sie diese Mauer selbst auf eine gewisse Art verstärkten, und pflanzten daselbst Lindenbäume.
Dies erscheint vor Augen, wenn man die mit Erde verstärkte Mauer und den tief in den Erdboden gleichsam eingegrabenen Kirchhof betrachtet. Das übrige aber trugen sie auf die umliegenden Äcker. Als nun die Gräben fertig waren, begannen sie allmählich die Mauer zu bauen, und viele Jahre stand die Stadt mit unvollendeter Mauer, und an den Stellen, wo noch keine Mauer war, schlugen sie Pfähle und Holz ein, und viele Kriege hielten sie auch hinter hölzernen Mauern aus, denn es waren sehr unruhige Zeiten.
Als aber die Gräben in Eile hergestellt worden, wurde die Arbeit an den Mauern unterbrochen und die Bürger wendeten sich zur Herstellung und zum Ban ihrer Häuser. Immer jedoch und täglich arbeiteten gemietete Arbeiter an dem Bau der Mauern und einiger Türme. Denn vor allem errichteten sie die Türme der 3 Tore, nämlich den Turm des Herdbruckertores, wo in der alten Stadt weder ein Turm noch ein Tor, noch eine Brücke war, sondern nach Erweiterung der Stadt verlegten sie die Brücke aufwärts an diesen Turm und Tor. Auch das Tor des heiligen Leonhard, das jetzt das der heiligen Jungfrau (Frauentor) heißt, erhöhten sie und schützten es durch Wächter, weil daselbst keine Mauer war, sondern die Stadt nur mit Hecken und Holz
1) 1 Schritt = 1, 5 m, 2100 Schritt = 5150 m.
2) 1 Stadium = 125 Schritt, 25 Stadien = 5125 Schritt,
+ 75 Schritt,
= 3200 Schritt = 4800 m. ¶
auf dieser Seite befestigt war. Auch das dritte, nämlich das Gögglingertor, durch das man nach Gögglingen geht, befestigten sie mit einem festen und hohen Turm. Und nachdem dies geschehen, konnten sie schließen und öffnen, wenn sie wollten. Denn die Stadt hatte am Anfang der Erweiterung nur die eben genannten 3 Tore, aber im Verlauf der Zeit wurden noch andere Tore gebaut, nämlich das Gänstor, das Neue Tor und das Metzgertor, das eigentlich keines ist. Es war aber (pag. 33) ein weiter Raum in der Stadt und nur wenig Volk für einen solchen Raum, jedoch täglich strömten Adelige und Reiche herbei und verbesserten die Stadt.
Auch wurde das ganze Dorf Schweickhofen mit allen Häusern und Menschen in die Stadt verlegt, so daß nicht ein Haus noch ein Mensch draußen blieb. Daher rühren noch heute viele sehr alte Häuser in Ulm von diesem Dorf her und der meiste Nachwuchs im gemeinen Volk stammt ursprünglich von diesem. Aber auch die Dörfer Offenhusen und Pful mit andern Höfen rissen ihre Häuslein ein, führten sie nach Ulm und bauten sie dort wieder aus. Überdies nachdem die Stadt, die Burg und die Herrschaft Albeck in die Gewalt der Ulmer gekommen war, verlegten sie den Wochenmarkt, der daselbst an jedem Samstag gehalten wurde, nach Ulm, indem sie das Kaufhaus auflösten, und brachten es nach Ulm und in ihm werden jetzt die Waren niedergelegt und gewogen; dieses Hans wird gewöhnlich die Gredt 1) genannt und stand früher in Albeck.
Und so hatte Ulm durch den Einzug der Bauern an Menschen, Gebäuden und Reichtum nicht unbedeutend zugenommen und daher wurde vielleicht die Gelegenheit ergriffen, daß Ulm ein Reichsdorf (imperii villa) genannt wird. Zudem verlegten diejenigen, welche von den Mauern nicht eingeschlossen in den Vorstädten wohnten, ihre Hauser in die Stadt. Und so stand die Stadt viele Jahre lang in beständigem Wachstum. Angefangen aber wurde ihr Wiederaufbau und Erweiterung im Jahr des Herrn 1140 oder darum herum, und sie nahm beständig sehr zu. Auch den Spital, der früher vor dem Gögglingertor stand, verlegten sie in die Stadt an die Mauer, damit er in der Nähe des Wassers wäre, in das der Schmutz gelassen werden könnte. - Hierauf im Jahr des Herrn 1229 kamen nach Ulm die Minderen Brüder (Franziskaner) von Gmünd und baten, daß ihnen ein Platz zur Errichtung eines Klosters angewiesen werde; ihnen gaben die Bürger einen geräumigen Platz neben dem Löwentor der alten Stadt und wiesen ihnen den Turm selbst (pag. 34) mit der alten Mauer ebendaselbst an und Platz zu einem geräumigen Garten.
Dort also begannen sie zu bauen und zu wirken. Nicht lange nachher folgten den Minderen Brüdern die Schwestern der heiligen Clara und baten, daß auch ihnen ein Platz innerhalb der Gräben der Stadt gegeben werde; ihnen gaben die Bürger auf dem Gries (Arena) einen geräumigen Platz, und sie wurden «Schwestern der heiligen Clara aus dem Gries» genannt. Diese wurden auch begleitet von Schwestern von der dritten Regel des heiligen Franziskus, die von Beuren kamen, wo sie ein Haus angefangen hatten; diesen wurde ein Platz gegeben an der Seite der Mauer der Minderen Brüder, weil dort ein geräumiger und leerer Platz war. Denn die Kirche der heiligen Jungfrau war dort nicht, noch auch der Kirchhof, auch war daselbst kein Platz für den Handel, sondern Gärten, welche den Minderen Brüdern und den Schwestern von Beuren neben ihnen gegeben worden waren; deren Haus stand an der Stelle, wo jetzt die Werkstätte der Steinmetzen aus dem Kirch-
1) Waghaus, wo jetzt die Hauptwache ist. Siehe Haid, Ulm etc. S. 275. ¶