mehr
Stickens so viel Abbruch gethan. Die feinsten Strohhüte und überhaupt S. werden bekanntlich in Italien, und zwar fast ausschließlich in Toscana gefertigt. Es ist aber diese Industrie dort keineswegs sehr alt, sondern geht kaum bis zum Anfang dieses Jahrhunderts zurück, und erst gegen 1825 begannen die Versuche zur Ausfuhr, die jetzt so bedeutend geworden. Um die langen und feinen Halme zu bekommen, welche zu dieser Fabrikation gebraucht werden, baut man das Stroh zu diesem Zweck speziell an, ohne Rücksicht auf Körner. Man benutzt dazu eine besondere Sorte Sommerweizen, Marzolano genannt, aber auch eine Sorte Roggen. Die Hüte von Roggenstroh sind sogar noch feiner als die andern, aber weniger dauerhaft.
Die Schweiz, in welcher sich die Flechterei aus Italien verbreitet und eine sehr gedeihliche Entwicklung erreicht hat, verarbeitet ausschließlich oder doch hauptsächlich Roggenstroh und liefert die kuranten Waren von gleicher Güte, aber wesentlich wohlfeiler als Italien. Dort werden die Weizen- und Roggenfelder am liebsten auf Berg- oder Hügelland angelegt und wird schwerer fetter Boden gemieden. Man hält das Land, das etwas sandig sein soll, mit allem Fleiß klar und rein und duldet auch keine Bäume an der Ackergrenze, um die volle Sonnenwirkung nicht zu schwächen. Der Acker wird nach Erfordernis gedüngt, im November oder Dezember sehr sorgfältig bestellt und in mehrmaligem Übergehen eingesäet, damit die Saat recht dicht und gleichmäßig ausfalle. Die dicht aufschießenden Halme wachsen daher hauptsächlich nach der Höhe und bleiben dünn.
Wenn gegen Ende Juni die Ähre soweit entwickelt ist, daß die Körner ziemlich ausgewachsen, aber im Innern noch milchig sind, zieht man die Pflanzen wie Flachs mit der Wurzel aus und läßt sie ebenso in Handbüscheln drei bis vier Tage auf dem Felde, damit das Stroh trocken und zäh wird. Nach diesem breitet man das Stroh auf kurzem Rasen oder mit Kieselsteinen belegtem Boden aus und wendet es öfter, damit Sonne und Thau ihre Wechselwirkung darauf ausüben können. Dabei müssen die Halme jedoch, um nicht fleckig zu werden, vor wirklichem Naßwerden behütet und nötigenfalls zugedeckt werden.
Nachdem diese Exposition einige Wochen gedauert, erhält das Stroh eine erste Bleiche mit Schwefeldämpfen. Man bricht nun die untern dicken Enden mit den Wurzeln ab, entfernt die Ähren und teilt die Halme nach den Knoten in Stücke. Ein Halm gibt meistens drei solcher Nutzstücke von 20 bis 22 cm Länge. Hiernach erfolgt eine zweite gründlichere Schwefelbleiche und dann das Sortieren, wobei die Arbeiterinnen einen hohen Grad von Scharfblick und Schnelligkeit entwickeln. Sie gewahren im Augenblick die geringsten Unterschiede in der Stärke der Halme und werfen jedes Stück ohne Zögern in das zugehörige Fach.
Wie es gewöhnlich heißt, macht man acht verschiedne Größen; es werden aber viele höhere Nummern gebraucht, wahrscheinlich sprungweise, und zwar gehen sie beim Weizenstroh von 30 bis 137 und beim Roggen bis 180. Die italienischen Flechtereien zeichnen sich dadurch aus, daß sie aus den ganzen Halmen angefertigt und dann flachgepreßt sind, während man anderwärts, wo es nicht gelingt, das Stroh in der hierzu nötigen Feinheit zu ziehen, die Halme in Streifen teilen muß. Es kommt daher an den Geflechten, unähnlich den italienischen, auch die glanzlose Innenseite der Halme mit zum Vorschein. Das Teilen odes ^[richtig: oder] sog. Reißen des Strohes geschieht dergestalt, daß man durch die Halme ein kleines Instrument schiebt, das etwa wie eine kurze Ahle gestaltet ist, um welche einige kurze Schneiden sternförmig angebracht sind. Die Teilung eines Halmes geht von 7 bis zu 15 Fasern oder sog. Zähnen.
Die eigentliche Flechtkunst besteht in der Anfertigung sog. Tressen, langer Geflechtstreifen, die entweder so in den Handel gehen oder von Näherinnen mit der feinsten, fast unsichtbaren Naht zu Hüten zusammengesetzt werden. Die Unterschiede in den Strohstärken und anderseits die verschiednen Arten der Verflechtung lassen eine große Mannigfaltigkeit in den Feinheitsgraden der Geflechte und ihrem Ansehen zu. Die Tressen zu Strohhüten werden entweder mit 11 oder 13 Halmen geflochten und 50-55 m lang gemacht. Die Breite ergibt sich aus der Halmsorte; Stroh Nr. 30 gibt eine breite Tresse; es wiegt eine solche 1500 g. Um von dieser Nummer den Stoff zu einem Hute zu flechten, sind zwei Monate hinreichend, während man an einem Hute von Nr. 120-130 fünf bis sechs Monate zu arbeiten hat und nur 500 g Stroh verbraucht. Das sind dann solche teure Stücke, die in Toscana ab und zu für hohe Herrschaften auf Bestellung gearbeitet worden sind und 1000 Frcs. und mehr gekostet haben.
Die fertigen Tressen werden gewaschen und vor dem Verarbeiten zu Hüten erst gepreßt. Die fertigen Hüte wäscht man wieder, entfernt Unebenheiten durch Reiben mit Glättsteinen oder Knochen und schließlich mit einem Stück Hundehaut. Ist irgend ein Riß entstanden, so wird er so fein ausgebessert, daß die Reparatur kaum zu entdecken ist. Eine letzte Wäsche und Bleiche macht dann den Schluß. Italien verkauft nicht nur fertige Flechtwaren und Tressen, sondern ebenso gern auch sortiertes Stroh. Man fertigt dort außer Hüten auch alle übrigen Strohwaren, Mützen, Arbeits- und Zigarrentaschen u. dgl.
Auf allen Industrieausstellungen haben bisher die toscanischen Produkte durch Feinheit des Materials und vollendete Arbeit den Vorrang behauptet. Livorno und Florenz sind die Marktplätze für die toscanischen Strohwaren, auf welche unmittelbar die venetianischen folgen, welche in der Provinz Vicenza, besonders im Distrikt Marostica, von Landleuten nach florentiner Art gearbeitet werden und der toscanischen Ware in der Güte sehr nahe kommen, auch oft für solche verkauft werden. Vor länger als 200 Jahren war Piemont berühmt durch seine feinen Strohhüte;
es hat sich also seinen Ruhm von Toscana rauben lassen. In der Gegend von Mantua und Lodi werden geringere Arbeiten gemacht. -
Die schweizer Strohflechtereien nach italienischem Muster zeichnen sich in den guten Sorten durch Schönheit und Feinheit aus; sie werden, wie überall außerhalb Italien, aus ¶
mehr
gespaltenem Stroh gefertigt; die Tressen sind gewöhnlich siebenhalmig in Stücken von 18 Ellen Länge. Die feinern Sorten werden im Kanton Freiburg geflochten, geringere in Aarau, Glarus, Genf. In Frankreich scheint meist nur geringe Landware erzeugt zu werden; das Bessere wird aus der Schweiz und Italien bezogen. In Belgien werden viele und schöne S. geflochten und es steht dort die Industrie so hoch als in der Schweiz.
England beschäftigt sich bedeutend und in steigendem Umfange mit Strohartikeln, nicht nur zur Deckung seines eignen großen Bedarfs an Strohhüten, die oft braun, grau und andersfarbig getragen werden, sondern auch zur Ausfuhr nach den Kolonien. Die Industrie ist dort wie anderwärts Hausarbeit, aber das Nähen wird jetzt häufig fabrikmäßig betrieben. Bedford, Hertford, Bux sind Hauptsitze des Geschäfts. Schönes Stroh wird in Hertfordshire gezogen, aber vieles dazu noch aus Toscana, Belgien und Sachsen eingeführt, ungeflochten und in Tressen. In London selbst sind ein paar Tausend Arbeiterinnen mit Strohhutnähen beschäftigt. -
In Deutschland wird Strohflechterei in geringerer und zum Teil feinerer Ware in verschiednen Gegenden, namentlich in Sachsen und dem angrenzenden Böhmen, auf dem Schwarzwalde, neuerdings auch in den schlesischen Webereidistrikten betrieben. Dort wurde die Industrie eingeführt, um der armen Weberbevölkerung einen neuen Erwerbszweig zu schaffen, und in Sachsen geschah die Einführung aus gleichem Beweggrunde zu gunsten der Klöpplerinnen. Solche waren die ersten Strohflechterinnen, und das Geschäft nahm seinen Anfang in Altenberg, wo es etwa seit 1812 eine größere Lebhaftigkeit entwickelte. Gegenwärtig hat dasselbe seinen Sitz in der Gegend des linken Elbufers, welche sich von Altenberg bis in die Nähe von Dresden herabzieht.
Außer der erstgenannten beschäftigen sich noch in verschiednen andren kleinen Städten nebst den umliegenden Dörfern, namentlich in Glashütte, Dippoldiswalde, Geysing, Liebstadt, Bärenstadt, Dohna, als Vorort Kreischa, eine Menge von Frauen- und Kinderhänden mit dem Strohflechten. Es werden meistens nur Tressen geflochten, die durch Zwischenhändler aufgekauft und im In- und Auslande vertrieben werden. Das Material ist gespaltenes Weizenstroh und zum Teil Roggenstroh, das auch hier, wie in Italien, in den höher am Gebirge liegenden Örtlichkeiten feiner als im Niederlande wächst. Das Weizenstroh ist das gewöhnliche landwirtschaftliche Erzeugnis.
Man läßt das geschnittene Getreide gewöhnlich erst einige Wochen in der Scheune liegen und schwitzen, wählt dann die besten Halme davon aus, beseitigt die Ähren, zerteilt die Halme an den Knoten, legt die Stücke in kaltes Wasser, das nachher zum Sieden erhitzt wird, und bleicht dann das Material etwa 14 Tage lang in der Sonne unter öfterem Begießen. Das Roggenstroh dagegen wird nach italienischer Art besonders für den Zweck gebaut und zwar als Sommersaat, indem man zur Erzielung dünner schlanker Halme sehr dicht sät und das Korn nicht völlig reif werden läßt, damit der Halm seine Weiße behält. -
In Böhmen werden, wie gesagt, eine Menge geringerer Geflechtwaren gefertigt, außerdem auch in Tirol und in Krain. Wien liefert feine Strohhüte, doch werden die Tressen dazu wohl sämtlich von auswärts, aus Italien, der Schweiz und Sachsen bezogen, wie denn überhaupt die sog. Strohhutfabriken, deren es jetzt in jeder größern Stadt gibt, nichts Andres sind als Nähanstalten. Wie sich dieser Geschäftszweig bisher gestaltet hat, kommen auch wirkliche italienische Hüte gar nicht mehr bei uns vor, sondern höchstens solche, die aus italienischen Geflechten im Inlande genäht sind. - Zoll: Stroh, auch gefärbtes und sortiertes, zollfrei. Grobe Waren aus Stroh, wie Matten, Fußdecken u. dgl. gem. Tarif Nr. 35 a;
Strohbänder Nr. 35 b;
Strohgeflechte, sog. Tressen, und feine Strohwaren Nr. 35 c;
Strohhüte Nr. 35 d 1 u. 2.