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sondern setzt gewöhnlich gleich 10% Wassergehalt voraus. - Bei der Herstellung der eigentlichen aus langen Kokonfäden zusammengesetzten S. entstehen eine Reihe Abfälle, welche unter dem Namen Floret- od. Flockseide (frz. fleuret, filoselle; ital. filosello; engl. floret-silk) zusammengefaßt werden und das Rohmaterial für eine der interessantesten und wichtigsten Abfallindustrien liefern. Die beste Sorte der Floretseide kommt von Doppelkokons, welche, da sie zwei Puppen enthalten und zwei in einander gewachsene Kokons darstellen, gar nicht oder nur schwer abhaspelbar sind.
Ferner gehören dazu die Kokons, welche von der Raupe so gewickelt wurden, daß das Abwickeln viel Zeit erfordern würde. Man reißt diese und die Doppelkokons, nachdem sie in heißem Wasser erweicht sind, einfach mit der Hand auseinander, nimmt die Puppe heraus und bildet aus den Bärten Vließe von größerer Länge. Die zweite Sorte der Floretseide wird gebildet durch die bei dem Abhaspeln übrig bleibenden pergamentartigen Häutchen, welche erweicht, zerrissen, gekratzt und gekämmt werden und Stamm = Crescentinstamm (frz. cardette; ital. stame) liefern, aus dem das Crescentingarn gesponnen wird.
Ein Teil läßt sich nicht kämmem Diesen nennt man
Chappe (frz. chappe;
ital. chiape). Das Material wird
zur Zerstörung des die Fasern zusammenhaltenden
Leimes einem Fäulnisprozeß unterworfen und nun spinnbar. Zu derselben Sorte
Floretseide gehört die lose wirre Fadenmasse, welche die äußerste Schicht des Kokons bildet und
erst abgezogen werden muß, wenn man den Fadenanfang sucht. Die geringste Sorte
Floretseide liefern die von den Reißern abgezogenen
Faden, mit welchen die Raupe den Kokon befestigt hatte.
Sie sind sehr lose und finden zu Wattseide Verwendung. Endlich unterscheidet man noch Strazza (frz. estrasse), das sind die Abfälle bei der Verarbeitung der Rohseide zu Organsin und Trama, Seidenwerg od. Stumpen (frz. bourre de soie; ital. stumba pestenuzzi), d. i. der Abfall bei dem Kämmen der gefäulten Kokons, aus welchem das Bourrettegarn gesponnen wird. Im Handel und für die Fabrikation der Floretseide unterscheidet man vier Hauptklassen: Strussi, d. s. die nicht abhaspelbaren Kokons, Strusa, d. i. der Abfall beim Abhaspeln der Kokons, Strazza, d. i. der Abfall beim Moulieren der Rohseide und Kokons, d. s. Kokons, welche aus irgend einem andern Grunde als die zu Strussi gehörigen Doppellkokons und durchbissenen Kokons nicht zum Abhaspeln geeignet sind.
Der Haupthandelsplatz für die Floretseide ist Marseille, der Hauptsitz der Spinnerei dagegen die Schweiz. Die gesponnene Floretseide ist ein wirkliches Garn, entstanden durch Zusammendrehen kürzerer und längerer Fasern. Die Floretgarne erreichen aber nie die Glätte und den Glanz der filierten S. Die bei der Verspinnung der Floretseide vorzunehmenden Arbeiten sind: Fäulen, Waschen, Auflockern und Kämmen, Präparieren und Vorspinnen, Feinspinnen, Zwirnen und Putzen der Garne. Die Garne führen sehr verschiedne, häufig provinzielle Namen; die Nummer derselben gibt an, wie viel Strähn von 500 m auf 0,5 kg gehen. - Was die Beteiligung der verschiednen Länder am Seidenbau anlangt, so steht das alte Stammland desselben, China, allen andern weit voraus.
Die S. bildet dort den Hauptausfuhrartikel im Handel mit Europa. Der Maulbeerbaum gedeiht in allen Provinzen des großen Reiches, die nördlichsten Teile ausgenommen, und überall wird S. gewonnen. Die Baumpflanzungen (weißer Maulbeerbaum im Norden und schwarzer im Süden) bilden ganze Wälder; mit der Kultur beschäftigen sich Millionen kleiner Landwirte, wie in der Lombardei; nichts gleicht der Liebe und Sorgfalt, womit der Chinese seine Raupen pflegt. Es gibt verschiedne Rassen des Maulbeerspinners, deren Periode in verschiedne Zeiten des Jahres vom April bis November fällt.
Zur Zeit der Ernte senden die großen Kaufleute der Hauptstädte Agenten nach allen Teilen des Landes zum Aufkauf der kleinen Posten, die nach ihren verschiednen Qualitäten sortiert und gewöhnlich in Ballen zu 80 Catties oder ungefähr 53 kg verpackt werden. In den Ausfuhrhäfen lassen die Handelshäuser die Ware nochmals prüfen und für den europäischen Markt sortieren. Die Hauptexportplätze sind Schanghai und Canton und die Ware scheidet sich hiernach in die Hauptsorten Canton und Nanking, die erstere aus der Provinz Canton, die andre, viel bessere und doppelt so teuere, aus der Provinz Kiang-nan.
Die Ausfuhr an Rohseide aus China hat 1876 4480000 kg, 1878 rund 4 Mill. kg betragen. Neunzehntel der ganzen Ausfuhr gehen nach London und Marseille; der Bezug chinesischer S. ist immer im Steigen, einmal hervorgerufen durch die mit verwüstender Hand in den europäischen Seidenzüchtereien periodisch auftretenden Seuchen, dann aber wegen der Qualität der Ware, die sie für gewisse Artikel besonders geeignet und selbst unentbehrlich macht. Die hauptsächlichen, die S. bei den europäischen Fabrikanten beliebt machenden Eigenschaften sind ihre Stärke und ihr schöner Glanz. Es fehlt nur die Gleichmäßigkeit des Fadens, da die Chinesen beim Haspeln nicht darauf achten, wie viel Kokonfäden sie zusammenfassen.
Wenn dieser Mangel abgestellt werden kann, so wird der Begehr nach chinesischer Ware noch ganz andre Dimensionen annehmen, und es ist nach Ansicht Sachverständiger möglich, daß hierdurch die ganze europäische Seidenzucht als entbehrlich in Wegfall kommen kann, denn der chinesische Seidenbau hat so großartige Dimensionen und zeigt sich so erweiterungsfähig, daß er außer dem eigenen Bedarf noch die ganze übrige Welt mit S. versehen kann. Hierzu tritt als Lieferant noch Japan, dessen Exporte, teils direkt, teils über Schanghai, auch recht bedeutend sind; so 1876 1055400 kg, 1878 925000 kg Rohseide. - In Ostindien wird Seidenindustrie fast ausschließlich in Bengalen und Begu betrieben. Die italienische Haspelmethode wurde dort von der Ostindischen Kompanie schon im vorigen Jahrhundert eingeführt, was der Qualität der Ware sehr zu statten kam; anderweite Fortschritte sind indes nicht zu bemerken; die Rohseide sowohl als die indischen Seidenwaren sind geringer als die chinesischen. ¶
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Die Exportziffern sind sehr schwankend; auch soll gegen früher eine Abnahme der Produktion eingetreten sein. -
Die Türkei hat Seidenbau in Thessalien und Macedonien, Kleinasien, auf Kandia und Cypern. Die S. von dort gehört herkömmlich zu den gröbern Sorten; es kommt aber auch feine Ware an den Markt, die sich neben der chinesischen und italienischen zeigen darf. Die beste ist die von Demirdask aus der Umgegend von Brussa in Kleinasien, dem alten Sitze der orientalischen Seidenindustrie. Durch sorgfältige Auswahl der Kokons und ebenmäßiges Haspeln wird eine hochwertige Ware erzeugt, deren besondere Helle und Glanz dem dortigen guten Wasser zugeschrieben wird. -
Eine ganz ansehnliche Stelle unter den Seidenbauländern nimmt Ägypten ein. -
In Persien herrscht Seidenbau in fünf Provinzen, doch scheint die Seidenkultur, nach den Exportziffern zu beurteilen, im Abnehmen begriffen. Die Qualität ist nach den Provinzen verschieden; die beste gewinnt man in der Provinz Ghilan. Nach Persien ist nie eine Raupenkrankheit gekommen; auch verzärtelt man dort die Tiere durchaus nicht, denn die Zuchtanstalten sind lediglich 3-4 Stock hohe Bretterhütten, die Wind und Wetter offen stehen; die ganze Sorge beschränkt sich auf das Füttern. Die persische Produktion für 1876 betrug 310000 kg, für 1878 200000 kg Rohseide; Hauptabnehmer sind England und Rußland, zu einem kleineren Teil Frankreich. Was sonst noch in Griechenland, Syrien etc. an S. erzeugt werden mag, geht mit der übrigen levantischen S. -
In Europa sind die Hauptproduktionsländer für S. Italien und Frankreich. In Italien erblühten Seidenbau und Seidenmanufaktur, aber nur der erstere hat sich erhalten, während die andre bis auf einige glatte Stoffe nicht mehr besteht und französischen und englischen Waren gewichen ist. Italien erzeugte in guten Zeiten durchschnittlich für 250 Mill. Frcs. S., bis 1857 die Seuche einbrach und den Ertrag auf einen kleinen Bruchteil herabdrückte. Durch die Einführung japanischer Grains haben sich indes die Zustände in letzter Zeit mit jedem Jahre gebessert und es werden jetzt durchschnittlich in guten Jahren zwischen 2-3 Mill. kg Rohseide gewonnen. Jahre mit 1 Mill. kg Produktion, ja selbst darunter, sind aber nicht selten. In Italien sind die hauptsächlichen Seidenbaudistrikte die Lombardei und Venetien, besonders die Umgegend von Verona, Welschtirol, die Marken, Toscana, Piemont, weniger die südlichen Provinzen. -
In Frankreich ist der Süden und Südosten der Sitz des Seidenbaues. Man erntet dort gegenwärtig in guten Jahren 700000-850000 kg., in schlechten 150 bis 250000 kg Rohseide aus 11-12½ Mill. kg Kokons. In den Jahren 1846-53 betrug die jährliche Produktion an Kokons etwa 28 Mill. kg. Lyon ist dort der Hauptmarkt für eigene und fremde Produkte und vertreibt außer französischer auch italienische, levantische, bengalische, chinesische und japanische S. Von chinesischer Ware geht das meiste direkt nach England, um dort im großem Maßstabe verarbeitet zu werden, während England seine Bezüge an italienischer S. zum größten Teil über Frankreich macht. -
Spanien und Portugal sind unbedeutend in ihrer Seidenerzeugung; eher verdient noch das letztere Erwähnung. -
In der Schweiz hat nur der Kanton Tessin einen erwähnenswerten Seidenbau. -
In Deutschland hat es an Anregung und Belehrung über den Gegenstand nicht gefehlt; die ältesten der betreffenden Druckschriften gehen über 100 Jahre zurück. Bedeutende Erfolge können infolge der ungünstigen klimatischen Verhältnisse nicht erwartet werden. Die deutsche Seidenproduktion kommt für den Markt gar nicht in Betracht. -
Die Seidenproduktion des südlichen Europa hat, wie schon erwähnt, einen argen Stoß erhalten durch die Ausartung des Seidenwurms und sein massenweises epidemisches Hinsterben. Verschiedne Krankheiten des Tieres sind immer beobachtet worden und es ist auch keine neue aufgetreten, aber eine und die andre haben sich zu Seuchen entwickelt, zuerst im Rhonethal, von wo sich das Übel rasch über Frankreich und Italien verbreitete. Die Hauptkrankheit wird Gattine oder öfter Pebrine genannt, von dem Provinzwort pébré, gepfeffert, weil sich im infizierten Schmetterling, in der Raupe und schon in den Eiern eine Menge kleiner fremder Körperchen erkennen lassen als sicheres Zeichen des Untergangs.
Glücklicherweise fand man in der Zucht aus japanischen Grains vom Maulbeerspinner einen Ausweg. Hierdurch haben Frankreich und Italien ihren Seidenbau wieder zu gesunden Zuständen zurückgeführt, freilich unter der Bedingung, alljährlich neue Grains beziehen zu müssen, denn die Fortzucht im Inlande ergibt sogleich einen bedeutenden Rückschlag in Qualität des Produktes und Sicherheit des Erfolges, da die Nachkommen leicht absterben. Es hat sich demnach ein bedeutendes Geschäft in Grains zwischen Japan und dem südlichen Europa entwickelt.
Früher war die Ausfuhr von Grains aus Japan bei Todesstrafe verboten; die ersten Partien für Europa konnten nur in waghalsiger Weise beschafft werden. Bei dem jetzt freien Handel schätzt man die Ausfuhr auf 2 Mill. Kartons. Der Karton gilt in Japan 5-6 Franken; 2-3 Franken kommen als Transporkosten ^[richtig: Transportkosten] hinzu und in Europa werden sie mit 13-20 Franken verkauft. Die Kokons der japanischen Zucht sind grünlich und kleiner als gewöhnlich, aber schwer und von guter Qualität. Es wird auch sehr über unechte, untergeschobene Grains geklagt, die entweder gar nicht japanischen Ursprungs sind oder, wenn dies der Fall, aus den besondern Racen bivoltini und trivoltini bestehen, d. h. solchen, die sich 2- und 3mal im Jahre vermehren.
Diese Schnellleber machen nur schlechte schwache Kokons oder ganz monströse, unbrauchbare Gespinste. Die große Empfindlichkeit der Seidenraupe, namentlich aber das heftige Auftreten der Seuchen sind Veranlassung gewesen, Versuche mit der Zucht andrer, gegen klimatische Einflüsse widerstandsfähigerer und noch nicht von Krankheiten befallener, spinnender Raupen anzustellen. Wesentliche Erfolge hat man damit in Europa nicht erzielt, obgleich verschiedne der eingeführten Raupen in ihrem Heimatlande ein ¶