spanisches (Stuhlrohr, Rotang, frz. canne de Bengale; holl.
spaansch riet; engl. Rattan), ein Artikel, der in häufigster Anwendung als
Stuhlgeflecht zur Verwendung kommt, ferner zu andern Flecht- und Korbwaren, gefärbt zu Regenschirmrippen und sonst als Surrogat
für
Fischbein, zum Teil auch zu Spazierstöcken und besonders als praktisches Erziehungsmittel. Er ist ein Naturprodukt des
heißen Ostindiens und stammt von Gewächsen, für welche wir in unsrer Natur kein Gegenstück haben.
Es sind die schlanken Stämme oder Triebe mehrerer Arten des Geschlechts Calamus (C. Rotang, C. C. verus, C. rudentum u. a.),
die ihrer Natur nach eine Abteilung der natürlichen Familie der Palmen bilden, nämlich der Rohrpalmen, in ihrem Habitus
aber von dem gewöhnlichen Begriff einer Palme ganz abweichen, denn es sind Klettergewächse und zwar
solche, die mit ihren dünnen, strangartigen, hakigdornigen, langen Stämmen bis zu den Gipfeln der höchsten Bäume reichen.
Die Blätter bilden nicht, wie bei den übrigen Palmen, eine gipfelständige Krone, sondern sind längs des ganzen Stammes
befestigt.
Diese Gewächse finden sich in allen feuchten Wäldern des Indischen Archipels, in bester Beschaffenheit
aber auf Borneo, Sumatra und auf der Malaiischen Halbinsel. Die Eingeborenen, welche sich mit der Beischaffung des Rohrs
aus den Wäldern befassen, brauchen dazu lediglich ein Hackmesser. Das geschlagene Rohr wird zu unterst auf ein kurzes Stück
abgeschält, dann in eine Kerbe gelegt, die in einen Baumstamm geschnitten wurde, und kräftig durchgezogen.
Damit ist das ganze Rohr, so weit es von gleicher Dicke ist, in einem Zuge von Oberhaut, Blättern und Dornen befreit.
Hat der Sammler eine Tracht von 3-400 Rohren beisammen, so bindet er sie in Bündel von hundert Stück,
die in der Mitte zusammengebogen sind, sodaß die Bündel nur die halbe Länge der Rohre haben. Nachdem die Rohre trocken
geworden, sind sie Marktware, und zwar aus erster Hand eine sehr wohlfeile. In Borneo z. B.
gelten hundert Bündel, also 10000 Stück, fünf spanische Dollar. Die Eingeborenen verkaufen immer nach
der Zahl, die Zwischenhändler dagegen nach Gewicht, nach dem Pikul (à 57½ kg.), auf welchen
je nach der
Stärke neun bis zwölf Bündel gehen.
Den Produktionsplätzen nach unterscheidet man: Banjermassing-Rotang aus Süd-Borneo, die beste Sorte, nächst diesem Patna-Rotang
aus Bengalen, Bataks-Rotang aus Sumatra und Malay-Rotang von
verschiednen Inseln. Pulo-Penang, Singapore
und Batavia sind die Hauptausfuhrplätze für Rotangrohr. Das R. geht nicht nur in Menge nach Europa und außerdem nach Bengalen,
sondern in den größten Mengen wird es von den Chinesen nach ihrem Lande geführt, wo enorme Mengen davon verbraucht werden.
Man fertigt dort und in Japan daraus tausenderlei Dinge, selbst Schränke und Schubladen. Alles Tauwerk
der chinesischen und andrer nationalen Fahrzeuge der östlichen Meere besteht aus diesem Rohr. Die holländische Handelsgesellschaft
exportiert jährlich von Java und den andern holländischen Inseln etwa 400000 Bündel; die Engländer erhielten 1867 von
ihren Besitzungen 72942 dergleichen. Die Ware kann oft im unteren Schiffsraum als Füllmaterial frachtfrei
mitgegeben werden.
Blaßgelbe Farbe ist ein Zeichen der Güte derselben, da dunkelfarbiges gewöhnlich brüchig ist. Auch muß ein gut geschlossener,
glasiger Überzug vorhanden sein, der beim Biegen nicht abspringen darf. Das gewöhnliche dünne, gelbliche R., Stuhlrohr,
nennt man wohl auch weibliches, und versteht dann unter männlichem dickeres, dunkelfarbiges, mit enger
stehenden Knoten, das zu Spazierstöcken dient. Das rohe R. hat noch seine ringförmigen Knoten, welche beim gereinigten
durch Schaben oder auch durch
Schleifen auf besonderen
Maschinen entfernt worden sind.
Das nicht in ganzen Stäben zu verwendende R. wird in eigenen, gewöhnlich in den Hafenstädten befindlichen Geschäften
durch Zerschneiden, Spalten, Hobeln, Ziehen in die verschiednen Gebrauchsformen, Stuhl-, Korsetrohr,
Rieten für Webstühle etc. gebracht. Die dünnsten, schnurenförmigen Streifen heißen Schnur-
oder Putzrohr und dienen in der Putzmacherei als steifendes Material. Die hellsten Sorten Stuhlrohr sind durch Schwefeldämpfe
gebleicht. -
Eine von dem eben beschriebenen, sogenannten spanischen R., ganz verschiedne Sorte führt denselben Namen,
stammt aber von keiner Palme, sondern von der größten europäischen Grasart, Arundo Donax, in ganz Südeuropa heimisch;
es wird auch Pfahlrohr oder Schalmeirohr genannt und zu ähnlichen Zwecken verwendet, wie die asiatische Ware. Einen nicht
unwichtigen Handelsartikel bildet ferner das gemeine Teichrohr (Schilf-, Deckenrohr, Dachrohr, Rohrschilf),
Phragmites communis; es findet seine Hauptbenutzung zum Berohren von Zimmerdecken und Wänden, als Rohrmatten zum Belegen
der Frühbeetfenster u. dgl. Der Ertrag beläuft
sich je nach Dichtigkeit des Standes pro ha Teich oder Seeufer auf 120-300 Gebinde von 75-80 cm Umfang. Hiervon wird aufgebunden
als Dachrohr 25-35%, als Mauerrohr 45-60%; der Rest ist Streu. Man bezahlt für Mauerrohr sieben bis
neun Mark pro Hundert. Die Arbeitskosten betragen ungefähr ein Drittel des Bruttoertrags. -
Spanisches, sowie gewöhnliches Teichrohr und Pfahlrohr in rohem Zustande sind zollfrei; gespalten, gebeizt, geschnitten
etc. zu unmittelbarer Benutzung gem. Tarif Nr. 13 d.
Grobe Körbe aus R. Nr. 13 d, andre Waren Nr. 13 g.
Hüte aus Rohrgeflecht Nr. 35 d 1.
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