Nach
Voit werden bei intensiver
Arbeit pro
Stunde 8,2 g
Fett mehr als bei
Ruhe zerstört, und mithin muß der angestrengt thätige
Mensch wesentlich mehr
Fett aufnehmen als der ruhende. Findet diese Zufuhr von
Fett nicht statt, so verarmt
der
Körper an
Fett, und hiermit geht alsbald auch eine
Steigerung des Eiweißverbrauches
Hand
[* 4] in
Hand. Die
Kohlehydrate sind nur
bis zu einem gewissen
Grade im stände, das Nahrungsfett zu ersetzen und einen Verlust an Körperfett zu verhüten.
Dazu kommt, daß 100 Teilen
Fett 240 Teile
Kohlehydrate gleichwertig sind, und daß einem angestrengten
Arbeiter neben
Eiweiß für den
Tag mindestens 700 g
Kohlehydrate gereicht werden müßten, um den erhöhten Fettverbrauch zu
paralysieren. Eine derartige
Ernährung würde daher den
Darmkanal auf die Dauer außerordentlich belasten und schädigen.
Hiernach muß man einen hinreichend hohen Fettgehalt der
Kost in Volksküchen fordern, und wenn sich dadurch die
Ausgaben erhöhen, so ist zu beachten, daß dies im
Interesse der
Diätetik geschieht, und daß keine
Kost leichter und nachhaltiger
sättigt als eine fette. Die verschiedenen
Rezepte, welche für Volksküchen gegeben worden sind, haben mehr oder weniger nur lokalen
Wert, denn es ist eine der wesentlichsten Aufgaben der Volksküchen, sich der Geschmacksrichtung
der jeweiligen Gegend anzupassen.
Soll in Volksküchen auch Abendbrot verabreicht werden, so sind für dieses vom Tagesbedarf etwa 28 Proz.
Eiweiß, 26 Proz.
Fett und 29 Proz.
Kohlehydrate oder 33 g
Eiweiß, 16 g
Fett und 145 g
Kohlehydrate zu verwenden.
Auch in
Deutschland
[* 6] hat man derartige Einrichtungen geschaffen, welche, auf sicherer kaufmännischer Grundlage beruhend,
Kaffee
und andre
Getränke, außer
Branntwein, und Eßwaren jeder Art zu billigsten
Preisen verabfolgen und möglichst behagliche,
für
Männer und
Frauen gesonderte Räumlichkeiten darbieten. Ein großes Unternehmen in
Hamburg
[* 7] hat die
günstigsten Erfolge erzielt und in vielen
StädtenDeutschlands
[* 8]
Nachahmung gefunden. Eine in
Berlin
[* 9] 1889 gegründete Volkskaffee-
und
Speise-Hallen-Gesellschaft entwickelte sich sehr zufriedenstellend und verabreichte 1890 in ihrer vorläufig noch einzigen
Halle
[* 10] unter anderm 306,500
TassenKaffee à 5
Pf-, 27,300
GläserMilch à 5
Pf., 17,400
SeidelBier à 10
Pf.,
83,700
Seidel à 5
Pf. Frühere Einrichtungen, welche speziell
den
Zweck verfolgen sollten, den
Arbeiter vom Alkoholgenuß abzuhalten
und ihm als
ErsatzKaffee und
Thee für wenig
Geld zu liefern, haben keinen Erfolg gehabt.
Eine solche besteht jetzt in allen europäischen
Staaten mit Ausnahme Rußlands,
Montenegros,
Monacos
und der Türkei.
[* 13] Allerdings gab der jetzt regierende
SultanAbd ul Hamid bald nach seinem Regierungsantritt eine
Verfassung, dieselbe ist aber jetzt thatsächlich wieder aufgehoben, da die Reichsversammlung, bestehend aus einemSenat
(vom
Sultan auf Lebenszeit ernannte Mitglieder, deren Zahl die Hälfte der
Deputierten nicht überschreiten darf) und einer
Deputiertenkammer (1
Abgeordneter anf je 50,000 männliche Einwohner, welche in geheimer
Wahl auf 4 Jahre gewählt werden),
seit 1877 nicht mehr einberufen worden ist. In
Amerika
[* 14] haben jetzt alle
Staaten, die ja nach Abschaffung
des Kaisertums in
Brasilien
[* 15] jetzt sämtlich
Republiken sind,
Volksvertretungen, in
Afrika
[* 16] nur
Liberia
[* 17] und die beiden Burenrepubliken.
In
Asien
[* 18] hat nur ein einziger
Staat,
Japan,
[* 19] eine Repräsentativverfassung, indem durch
Erlaß vom ein
Oberhaus und
Unterhaus geschaffen wurden. In
Australien
[* 20] bestehen in sämtlichen englischen
KolonienNachbildungen der
englischen
Verfassung, nur daß, wie in
Amerika, in Ermangelung eines Erbadels das
Oberhaus aus
Wahlen auf Zeit hervorgeht.
Die
Verfassungen, nach welchen die in den vornehmsten konstitutionellen
Staaten gewählt wird, und welche
die
Rechte derselben abgrenzen, sind nach den letzten stattgefundenen Veränderungen in folgendem kurz dargestellt, ebenso
die Parteiverhältniffe, in welche die
Volksvertretungen sich gegenwärtig gliedern.
(Belgien.) Nach der
Konstitution vom besteht die
Nationalversammlung aus dem
Senat und der
Kammer der
Repräsentanten.
Die letztere zählt 138 unmittelbar von den
Bürgern gewählte Abgeordnete. Die
Wähler müssen mindestens 21 Jahre
alt sein und den durch das Wahlgesetz bestimmten direkten Steuerbetrag (nicht unter 21
Frank) zahlen. Die Abgeordneten werden
auf 4 Jahre gewählt (1
Abgeordneter auf 40,000
Seelen), von denen alle
¶
forlaufend
957
2 Jahre die Hälfte ausscheidet. Sie beziehen diäten, monatlich 423 Frank. Wählbar ist jeder 25 Jahre alte Belgier (durch
Geburt oder Naturalisation), der in Belgien seinen Wohnsitz bat und einen Steuerbetrag von mindestens 42 Fr. zahlt. Der Senat wird
nach Maßgabe der Bevölkerung
[* 30] einer jeden Provinz durch dieselben Wahlkollegien wie die Repräsentantenkammer
gewählt und zwar auf 8 Jahre und alle 4 Jahre zur Hälfte erneuert. Erbesteht aus der Hälfte der Mitgliederzahl der Repräsentantenkammer
(66) und erhält keine Diäten.
Ein Senator muß Belgier, 40 Jahre alt sein und mindestens 2116 Fr. direkte Steuern zahlen. In denProvinzen, wo die Zahl der
Bürger, welche diese Steuer zahlen, nicht das Verhältnis von 1 auf 6000 erreicht, wird sie durch die Höchstbesteuerten vervollständigt.
Beide Kammern verhandeln öffentlich, wählen ihr Bureau selbst, beschließen nach absoluter Stimmenmehrheit, und kein Mitglied
darf für seine Äußerungen zur Rechenschaft gezogen werden. Das Budget wird jährlich fest- ! gesetzt, die
Repräsentantenkammer wählt die Mit-! glieder des Rechnungshofes und hat das Recht der Ministeranklage vor dem Kassationshof.
Die Kammern versammeln sich alljährlich. Die beiden Hauptparteien in der Repräsentantenkammer sind die der Klerikalen und
der liberalen, wozu noch die kleinern der Protestanten und Sozialisten kommen, welche beide mit den Liberalen stimmen. Die
Klerikalen oder Katholiken zählen gegenwärtig 97, die Liberalen 41Stnmnen;die erstern leiten seit mehr als4Jahren die Regierung.
Der Senat besteht aus 50 Katholiken und 19 Liberalen. ^Bulgarien.) Die Nationalversammlung (Narodno Sobranje) geht nach dem Gesetz
vom 17. (29.) De;. 1880, abgeändert 12. (24.) Dez. 1883, aus direkten und allgemeinen Volkswahlen hervor,
und zwar kommt ein Abgeordneter auf je 10,000 Eimv.
Die Legislaturperiode umfaßt 3 Jahre. Wahlfähig ist jeder! Bulgare nach Vollendung des 21. Lebensjahres, wähl-! bar nach
Vollendung des 30. Lebensjahres, wenn er im Besitz der Elementarbildung ist. Militärpersonen bei der Fahne und Beamte sind
nicht wahlfähig. Handelt es sich um Gebietsveränderung, Verfassungsänderung, Wahl eines Fürsten, Einsetzung
einer Regentschaft, so ist die GroßeNationalversammlung (Weliko Narodno Sobranje) einzuberufen, welche doppelt soviel Mitglieder
zählt wie die gewöhnliche Volksvertretung. Die gegenwärtige Sobranje wurde im Oktober 1890 gewählt, sie Zählt 295 Mitglieder. Es bestehen
in derselben zwei Parteien, die Anhänger der Regierung und die Opposition.
Die erstern zählen gegenwärtig nicht weniger als 260. Die hervorragendsten Mitglieder der Regierungspartei, die zugleich
die antirussische ist, sind, nachdem der GeneralMutkurow (bis 1891 Kriegsminister) im März 18^)1 gestorben ist, Stambulow,
Stransky, Salobotschew, Tontschew; die Führer der Opposition, der russischen Partei, sind Karcnvelow und Raooslawow. l Dänenlark.^
Nach der Verfassung vom revidiert besteht der Reichstag aus dem Landsthing (Erste
Kannner) und dem Folkething (Zweite Kammer).
Das Landsthing zählt 66 Mitglieder, von denen 12 auf Lebenszeit vom König ernannt, 7 von Kopenhagen,
[* 31] 45 in den Wahlbezirken
der Städte und des Landes, 1 von Bornholm, 1 von den Färöer in mittelbarer Wahl auf 8 Jahre gewählt werden,
so daß nach 4 Jahren immer die Hälfte ausscheidet. Die Wahlen geschehen mit Zensus für das Wahlrecht und Quotientenwahlen,
wonach auch die Minoritäten der Wahlmänner reprä sentiers werden. Die Anzahl
der Mitglieder des Folkethings soll in dein
Verhältnis von 1 auf 16,000 Einw. stehen und ist jetzt,102.
Bei der Wahl derselben (auf 3 Jahre) sind die Ämter nach ihrer Bewohnerzahl in Wahlkreise geteilt, 2 in 4, 10 in 5, 3 in 6,2
in 7, 1 (BornHolm) in 2, die Hauptstadt Kopenhagen in 9, die Färöer bilden einen Wahlkreis. Zur Wahlberechtigung
sind 30, zur Wählbarkeit25 Lebensjahre erforderlich. Die Kammern versammeln sich alljährlich. Sämtliche Mitglieder des
Landsthings und des Folkethings erhalten Diäten (7 Mk. 50 Pf. für den Tag während der Sitzungen nebst Reisegeldern).
Das jährliche Budget ist zuerst dem Folkething vorzulegen. Jedes Thing hat das Recht derInitiative. Kein
Gesetzesentwurf ist als angenommen zu betrachten, ehe er nicht dreimal vom Thing verhandelt worden ist. Die Mitglieder sind
unverantwortlich und unantastbar, es fei denn, daß das Thing selbst eine Verantwortung bewilligt. Der Zusammentritt des Reichstags
erfolgt alljährlich 1. Okt. am Sitz der Regierung, doch darf der König diesen Termin in besondern Fällen
um 2 Monate hinausschieben und auch einen andern Ort dafür bestimmen.
Das Folkething kann die Minister vor dem Reichsgericht anklagen und kann dem König das Anklagerecht auch gegen andre gestatten.
Für irgend welche Vergehen (ausgenommen bei Ergreifung auf frischer That) kann kein Mitglied ohne Einwilligung seines
Things zur Verantwortung außerhalb desselben gezogen wer^ den. Zu dem Reichsgericht stellt das Landsthing eine Anzahl von ihm
selbst gewählter Mitglieder. Zwischen beiden Häusern besteht ein fortwährender Kampf; das gegenwärtige Ministerium unter
Estrup behauptet, daß dem Folkething nicht, wie in England, das Recht über Finanzangelegenheiten zu bestimmen zusteht, sondern
daß der König mit dem Landsthing das Folkething überstimmen können.
Gegenwärtig sitzen zwei solche Konnnissare im Bundesrat. Der Bundesrat hat keineswegs den Charakter eines Oberhauses oder einer
Ersten Kammer, wie in andern konstitutionellen Staaten. Er ist nicht nur ein gesetzgebender Körper, sondern
auch ein Regierungskollegium und eine verwaltende und ausführende Stelle. Die Mitglieder haben in Gemäßheit der Instruktionen
zu stimmen, welche ihnen ihre Regierungen, deren Mandatare sie sind, erteilten, und über die zur Ausführung der
¶