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Luxusgegenstände werden nicht erzeugt. Die Arbeit dauert 6 Stunden täglich, und die übrige Zeit ist der Ausbildung und Erholung gewidmet. Die schwersten und unreinen Arbeiten werden von Sklaven und Dienern besorgt, welche sich aus den Verbrechern und fremden Einwanderern rekrutieren. Alle Güter sind gemeinsam und ein Privateigentum besteht nicht. Jedermann arbeitet nach seinen Kräften, und jedermann hat den gleichen Anspruch auf alle Güter, je nach seinen Bedürfnissen.
Diese Gleichstellung aller kehrt bei allen Kommunisten wieder. Der Überschuß der Erzeugnisse des Landes wird in die Stadt abgeführt, und diese versorgt die Meierhöfe, eben auch umsonst, mit Industrieartikeln. Die Ehe ist monogamisch. Der Haushalt wird meist nicht einzeln geführt, sondern die freie Zeit in den großen gemeinschaftlichen Speisesälen etc. verbracht. Geld gibt es für den Utopier selbst nicht, sondern nur, durch Ausfuhr erlangt, zum Zwecke der Anwerbung von auswärtigen Kriegstruppen. An der Spitze des Staates steht ein lebenslänglicher Wahlfürst, und auch die Beamten sind gewählt. Die Hauptaufgabe des gewählten Parlaments ist die Verteilung der Güter und die Ausgleichung der Bevölkerung, und zwar letztere durch Zuweisung von Kindern an kinderarme Familien, Auswanderung, Kolonisation u. dgl. Da Stolz und Eigenliebe in diesem Staate keinen Raum haben, so herrschen die glücklichsten Verhältnisse.
Dieses kommunistische Gemälde ist nun für die spätern S. grundlegend geblieben. Die drei folgenden von Platon sehr beeinflußten kommunistischen S., welche untereinander eine große Übereinstimmung zeigen, sind von geringem Werte und gehen alle mehr auf das äußerlich Gleichmäßige eines solchen Staats- oder städtischen Lebens, auch was Bauart und Anlage der Orte, die Stellung der beiden Geschlechter etc. anbelangt, ein, als auf nationalökonomische Gedanken; die Staatsverfassung ist bei allen dreien eine theokratische. Es sind folgende Schriften: des Humoristen A. F. Doni »I mondi celesti, terrestri e infernali degli academici Pellegrini« (1552/53),
des Dominikaners Th. Campanella »Civitas solis« (1620, schon früher italienisch erschienen),
endlich des protestant. Theologen J. V. ^[Johann Valentin] Andreae »Reipublicae Christianopolitanae descriptio« (1619),
welche gleichsam eine »Civitas solis« vom protestantischen Standpunkte aus darstellt. In Donis »Welten« wird in Form eines Dialoges »zwischen dem Weisen und dem Narren« eine kreisrunde Stadt geschildert, in deren Mitte der Tempel steht, durch dessen 100 Thore man die 100 strahlenförmigen Straßen der Stadt, und durch die 100 Stadtthore ins Freie sieht, wobei jede Straße, die von gleichartigen Gewerben, und jeder Landesteil, der von gleichen Kulturen besetzt ist, unter der Aufsicht je eines Priesters steht, an deren Spitze sich der Oberpriester befindet.
Alle Bürger sind gleich und nach dem Alter uniformiert, alles ist gemeinschaftlich, auch die Frauen und Kinder. Die »Sonnenstadt« Campanellas ist in Form eines Dialoges gekleidet, dessen eine redende Person ein Genuese ist, der, auf einer Seereise verschlagen, zufällig in diese Stadt geraten war. Diese auf einem Hügel liegende Stadt besteht (nach Platons Vorbild) aus sieben großen quadratischen Ringgebäuden, die konzentrisch angeordnet sind und sowohl als Wohnhaus als auch als Wall dienen.
Dieselben sind durch Thore verbunden und mit Galerien versehen (Arbeits- und Unterrichtsstätten); der Tempel liegt auf der Höhe des Hügels. An der Spitze des Staates steht der Priesterkönig nebst drei weltlichen Herrschern. Der Kommunismus ist vollständig bis zur Weiber- und Kindergemeinschaft. Die Fortpflanzung wird (ähnlich wie bei Platon) nach den Regeln der Zuchtwahl zur Erzielung der besten Nachkommenschaft obrigkeitlich geregelt. Die Lebensführung ist gemeinschaftlich in großen Speise-, Schlafsälen, Arbeitsstätten u. dgl. Die Arbeitsleistung erfolgt gemeinsam unter Leitung selbstgewählter Vorsteher und wird nach der Fähigkeit der einzelnen bestimmt.
Stolz gilt als das schwerste Verbrechen und jede Arbeit als ehrenhaft. In Andreäs »Christenstadt«, welche sich an die »Sonnenstadt« eng anlehnt, wird aus derselben alles beseitigt, was religiös und sittlich anstößig ist; es besteht hier z. B. die Monogamie, die Erziehung der Kinder durch die Eltern. Von größerm Werte ist die fesselnd geschriebene, an tiefen, besonders religionsphilosophischen Gedanken reiche »Histoire des Sevarambes« von D. Varaisse, 1677. Der Held des Romans, Kapitän Siden, scheitert mit Schiff und Mannschaft und rettet sich nach vielen Irrfahrten mit der letztern an der damals so sagenumwobenen Küste Australiens zu dem glücklichen Sonnenstaate der Sevarambier, denen vor langer Zeit der weise Perser Savarias Sonnenkult und Staatsverfassung gab, durch welche er Stolz, Geiz, Müßiggang und Ausschreitungen des Geschlechtstriebes, diese vier Ursachen aller sozialen Übel, beseitigen wollte.
Der Güterkommunismus ist vollständig und alle Bürger sind gleich. Diese wohnen in großen, mit allem Komfort versehenen Gebäuden (Osmanien, zu rund 1000 Personen) in besondern Familienwohnungen, speisen aber gemeinschaftlich. Die Arbeit erfolgt gemeinsam und von allen durch 8 Stunden täglich; die zweiten 8 Stunden dienen der Erholung und geistigen Beschäftigung, und die dritten dem Schlafe. Die unangenehmen Arbeiten besorgen Sklaven (More). Die Erziehung der Kinder erfolgt (wie bei Andreä) erst nach dem 6. Lebensjahr gemeinschaftlich und für beide Geschlechter ganz gleichmäßig.
Die Ehe ist monogamisch und geboten, nur den Magistraten ist Polygamie und allen sind Konkubinen neben der Frau gestattet. Tausch der Ehegatten ist bei allseitiger Übereinstimmung erlaubt. Bei Übervölkerung erfolgt Auswanderung. Die Wehrpflicht ist allgemein und zwar für beide Geschlechter. Die Leitung jeder Osmanie erfolgt durch die Osmasionten, welche zusammen den Großen Rar bilden; daneben besteht noch ein Kleiner Rat und ein Senat. An der Spitze steht der aus vier Gewählten durch das Los bestimmte »Statthalter der Sonne« als ziemlich absoluter Monarch, als Papstkönig. Daneben bestehen die Präfekten der Produktionszweige, die Osmasionten, die Lehrer etc.
Zum großen Teil auf dieser Geschichte der Sevarambier und auf der Utopia fußend, hat dann de Fontenelle sein Werk »La république des philosophes ou histoire des Ajaoiens« (Genf 1768) verfaßt. Der Held desselben, der Holländer van Doelvelt, wird auf einer Seereise in der Nähe Japans durch Sturm an unbekannte Küsten verschlagen und auf der Insel Ajao, dem Schauplatz des Romans, aufgenommen. Die Bewohner glauben nicht an Gott, sondern verehren die Natur als Urgrund der Dinge; die geistige Thätigkeit des Menschen sei nur eine etwas vollkommnere als jene der Tiere und Pflanzen. Sie haben keine Tempel, Priester und Religion. Die politische und wirtschaftliche Verfassung ist ähnlich den Schilderungen von More und Varaisse. Jeder Mann muß zwei Frauen nehmen; die Gütergemeinschaft ist nicht konsequent durchgeführt, indem für gewisse Bedarfsgegenstände ein Tauschverkehr besteht.
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Morelly, von dem wir auch einen allegorischen kommunistischen Staatsroman: »Naufrage des iSles flottantes ou Basiliade du célèbre Bilpaï. Poëme héroique traduit de l'Indien« (Messina 1753), haben, in welchem die Erlebnisse des Herrschers Zeïnzemin in Form eines Kampfes der guten mit den verderblichen Naturgewalten (Leidenschaften der Menschen) und des Sieges der erstern, der Natur, geschildert werden, hat in seinem allerdings keinen Staatsroman darstellenden »Code de la nature, ou le véritable esprit de tout temps négligé ou méconnu« (Amsterdam 1755) eine vollständige kommunistische Staatsverfassung in einer Reihe formulierter Gesetze gegeben, welche von größerm Interesse sind. Diese sind a) das Grundgesetz mit der Bestimmung des kommunistischen Urgedankens, b) das allgemeine Wirtschaftsgesetz und c) das spezielle Agrargesetz, d) das Bau- und Wohngesetz, e) das Arbeitsgesetz, f) das Luxusgesetz, g) das Verfassungsgesetz und h) das Verwaltungsgesetz, i) das Ehe- und Familiengesetz, k) und l) das Erziehungs- und Unterrichtsgesetz und endlich m) das Strafgesetz. - Die kommunistischen S. finden mit der Schrift »Voyage en Icarie« (Paris 1840) des französischen Kommunisten Cabet (s. Bd. 3, S. 711) ihren durchaus nicht bedeutungslosen Abschluß.
Der Verfasser schildert in diesem Romane, dessen Held, Lord Carisdall, nach Ikarien, einem glücklichen kommunistischen Lande, reist und dort eine junge Einwohnerin, Dinaise, kennen und lieben lernt, die Einrichtungen eines kommunistischen Staatswesens. Dabei ist der Einfluß Mores und Varaisses, der französischen Revolution und ihres Kommunismus sowie der inzwischen geänderten Zeitverhältnisse und Anschauungen, ebenso auch des Litteraturgeschmackes nicht zu verkennen, indem von allen übertriebenen Phantastereien abgesehen und die Schilderung einfach, natürlich und anziehend durchgeführt wird.
Die wissenschaftliche Erörterung über den Kommunismus findet sich in die Form eines Vortrags des Ikariers Dinaros und einer anschließenden Diskussion eingekleidet. Cabet hielt eine ähnliche Staats- und Wirtschaftsform in Frankreich nach einem Übergangsstadium für durchführbar und angezeigt. Der Kommunismus Ikariens ist streng durchgeführt, beläßt jedoch die monogame Ehe und auch fast vollständig das Familienleben. Bezüglich der genauen Inhaltsangabe etc. vgl. »Kommunismus«, Bd. 9, S. 989. Cabet unterscheidet sich wesentlich von den frühern Staatsromanciers, indem er zuerst die praktische Verwirklichung seiner Ideen anstrebte und ikarische Kolonien in Amerika gründete, deren Nachwirkung bis heute in zahlreichen kleinen, kommunistisch geordneten Gemeinden der Vereinigten Staaten ersichtlich ist. Mit Cabet schließt die kommunistische Gruppe der S., deren Anfangspunkt (Utopia) eben auch so wie der Endpunkt (Ikaria) durch belangreiche Leistungen von dauerndem Werte gekennzeichnet sind.
2) Gleichzeitig mit den hier geschilderten kommunistischen Staatsromanen entstanden einige andre S., welche nicht so radikal angelegt, vielmehr von der herrschenden Wirtschaftsordnung ausgehen und durch Verbesserungen derselben deren Übelstände als beseitigt hinzustellen versuchen. Das geschieht dadurch, daß das Privateigentum zwar zugelassen, aber der Höhe nach begrenzt wird. So thut dies schon Platon in seinem Werke, die »Gesetze«, im Gegensatze zu der kommunistischen Ordnung des Wächterstandes im »Staat«. Da das Ideal einer Vermögensgemeinschaft unerreichbar sei, werden vier Vermögensklassen für die Bürger aufgestellt und die Ackerlose gleichmäßig verteilt (verlost). Die Stadt soll in der Mitte des Staates liegen (der griechische Stadt-Staat) und das Land von hier aus radial geteilt werden (s. die oben erwähnten kommunistischen S.). Die Geldmünze soll an sich wertlos sein, kein Bürger darf Gewerbsmann sein oder Darlehen geben, sondern Handel und Gewerbe ist von Fremden zu betreiben u. dgl. m. Im übrigen sind nur zwei S. hier zu nennen, nämlich J. ^[James] Harringtons »Oceana« (Lond. 1656) und die von einem unbekannten Verfasser geschriebene Schrift: »L'heureuse nation, ou relations du gouvernement des Féliciens etc.« (Par. u. Lyon 1792). Auch in Fénelons »Telemach« sind (Buch 12) ähnliche Gedanken ausgesprochen.
Harrington wünscht, daß niemand eine größere Rente als 2000 Pfd. Sterl. (!) aus seinem Grundbesitz beziehen solle, und fordert vom allgemeinen Verfassungsstandpunkte aus das Prinzip rasch zu erneuernder Wahlen auf allen Gebieten. Bei den »Feliziern« ist die Obergrenze des Grundbesitzes 1500 alte pariser Arpents (à 34 Ar); das Volk ist in Plebejer und Patrizier, diese in Adelsgrade geteilt, wobei ein Aufrücken möglich ist. Diese Gruppe von Staatsromanen ist wenig belangreich.
3) Die sozialistischen S. An Stelle des Kommunismus ist in der Nationalökonomie als Gegenstück zu der herrschenden Lehre der Sozialismus getreten, und mit den phantastischen und verschwommenen kommunistischen Systemen der französischen Revolutionszeit fand diese Theorie und damit auch die Reihe der kommunistischen S. wohl endgültig ihr Ende. An ihrer Statt hat der weit ernstere, auf viel wissenschaftlicherm Boden fußende und viel strenger durchgeführte deutsche Sozialismus, zunächst durch Rodbertus, Marx und Lassalle, sein Gebäude errichtet.
Während im Kommunismus das Schwergewicht auf der Gleichstellung Aller in Leistung nach individueller Kraft und Genuß, nach individuellem Bedürfnis lag und dazu die Aufhebung des Privatbesitzes und die Forderung des Gemeinbesitzes durchwegs notwendig war, verlangt der Sozialismus die Entlohnung aller Menschen nach ihrer Arbeitsleistung und die Beseitigung der Vorteile, welche einzelne durch den Besitz von Produktionskapital (Grund und Boden, Miethäuser, Werkzeuge, Roh- und Hilfsstoffe etc.) vor den andern voraushaben, und welche sie in die Lage versetzen, den Lohn der Nichtbesitzenden zu kürzen, um sich selbst einen Teil davon zuzuwenden. Im Sozialstaate der Zukunft soll nach diesen Theoremen der Staat selbst Eigentümer aller Produktionsmittel und damit Herr und Leiter aller Produktion sein, während der einzelne den Lohn für die staatlich geordnete Arbeit im Verhältnis zu deren Maß in Anweisungen erhält, mittels deren er sich Genußgüter beschaffen kann, deren Eigentum ihm voll zusteht. Daneben können Familienleben und zahlreiche andre heutige Einrichtungen unverändert fortbestehen. Dieser Sozialismus hat in den letzten Jahrzehnten eine große Bedeutung für die geistige Entwickelung und die agitatorische Thätigkeit gewonnen, so daß wohl anzunehmen war, daß auch er seine S., und zwar damit die sozialistischen S., hervorbringen werde, was thatsächlich auch, nach 50jähriger Pause, in der jüngsten Zeit geschehen ist.
Im J. 1888 erschien das Buch des Nordamerikaners E. Bellamy: »Looking Backward«, das in Amerika selbst bisher in einigen hunderttausend Exemplaren Verbreitung fand und unter verschiedenen Titeln mehrfach ins Deutsche übersetzt wurde und unleugbar großes Aufsehen machte. Der Held
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desselben, West, verfällt 1887 in Boston in einen tiefen Schlaf, aus dem er erst im J. 2000 erwacht und den neuen Sozialstaat kennen lernt. Der Staat ist im Besitz aller Produktionsmittel und alleiniger Arbeitgeber. Die reichlich und gleich bemessene Entlohnung für die von allen zu leistende Arbeit erfolgt durch im allgemeinen unübertragbare Kreditkarten, mittels welcher man die Vorräte der öffentlichen Magazine etc. benutzt; Geld kennt man nicht, und der Name Dollar dient nur als Wertmaßstab.
Die Güterproduktion erfolgt mittels der ausgebildetsten Technik und Konzentrierung. Die Arbeit beginnt mit dem 21. Lebensjahr, bis zu welchem der Unterricht dauert, und endet mit dem 45. Die ersten 3 Arbeitsjahre sind den gewöhnlichen Arbeiten gewidmet, worauf dann die Berufswahl erfolgt. In den leichten und angenehmen Berufen ist die Arbeitszeit länger als in den schweren. Die Regelung der Produktion erfolgt im obrigkeitlichen Wege; das Eigentum an Genußmitteln steht frei.
Bezüglich des Ehelebens gelten die heutigen Vorschriften. Gegen diese sehr leicht und anziehend geschriebene Schilderung Bellamys sind eine Reihe von Schriften entstanden, welche aus den in derselben angenommenen Verhältnissen die weitern Konsequenzen ziehen, um deren Utopismus klarzulegen. So R. Michaelis (Chicago), »Ein Blick in die Zukunft« (1890, in Reclams Universal-Bibliothek); Fränkel, »Gegen Bellamy« (Würzb. 1891); Wilbrand, »Erlebnisse des Herrn Friedrich Ost in der Welt Bellamys« (das. 1891),
und Müller, »Ein Rückblick aus dem Jahre 2037 auf das Jahr 2000. Aus den Erinnerungen des Herrn Julian West« (3. Aufl., Berl. 1891). Ein zweiter sozialistischer Staatsroman ist Th. Hertzkas »Freiland, ein soziales Zukunfsbild ^[korrekt: Zukunftsbild]« (Leipz. 1890). Dieser schildert die Wirtschaftsordnung der in Zentralafrika gegründeten Kolonie »Freiland«, welche dann auf Beschluß eines in ihre Hauptstadt Edenthal einberufenen Weltkongresses öffentlich erörtert und infolgedessen allerorten eingeführt wird.
Hertzka fußt bei der theoretischen Begründung der wirtschaftlichen Mißstände auf den Lehren der Sozialisten, unterscheidet sich aber bezüglich der Mittel und Wege zu deren Beseitigung von ihnen. Er konstruiert nicht einen Zustand, in welchem die Produktionsmittel verstaatlicht sind, sondern sucht Grundrente, Kapitalismus und Unternehmergewinn vom Boden des heutigen Wirtschaftssystems aus zu beseitigen. Was z. B. den Unternehmergewinn anbelangt, so verschwindet dieser, indem sich die Arbeiter zu großen freien Produktivgesellschaften vereinen und somit den Ertrag ihrer Arbeit für sich behalten.
Grund und Boden ist herrenlos und jedermann berechtigt, ihn zu bebauen, sowie dessen Früchte einzuheimsen, ohne jedoch ein Grundeigentum zu erwerben. Kapitalien werden vom Staate zinsenlos vorgeschossen. Die Arbeitsleistung erfolgt allgemein durch freie Associationen. In allen wirtschaftlichen Angelegenheiten wird die größte Publizität in Verbindung mit der ausgebildetsten Statistik gehandhabt. Da ferner die Bethätigung der Bewohner die denkbar freieste ist, so erfolgt die jeweilige Anpassung der Produktion an den Bedarf ohne Schwierigkeit.
Geld besteht, und zwar nach Goldwährung, ebenso eine Steuer, und zwar eine einheitliche 35proz. auf den Nettoertrag jeder Produktion. Die Frauen und Arbeitsunfähigen werden von Staats wegen erhalten. Die sozialistischen Spuren in Hertzkas »Freiland« sind somit anscheinend gering, und er selbst verwahrt sich auch nachdrücklich gegen eine solche Ansicht. Er will nur der sogen. heutigen Ausbeutung der Arbeiter ein Ende machen und erhofft dies durch die Beseitigung des sonst unangetasteten Eigentums an Grund und Boden, durch die freien Associationen und die zinsenlose Gewährung des beweglichen Kapitals durch den Staat.
Führt man aber diese Gedanken konsequent weiter, so zeigt sich, daß eigentlich der Staat zum Besitzer des gesamten beweglichen Kapitals und allenfalls auch des Grund und Bodens und damit wichtiger Bestandteile der Produktionsmittel wird. Hertzka hat sich nicht damit begnügt, seine Gedanken über eine Neugestaltung der Wirtschaftsverhältnisse litterarisch zum Ausdruck gebracht zu haben, sondern versucht auch nach Cabets Vorbild, eine Kolonie »Freiland« zu gründen, indem er einen Verein zur Verwirklichung seiner Ideen bildete, durch die Zeitungen zu Subskriptionen einladet und Mitglieder als Kolonisten wirbt. Im Juli 1891 gab es 24 Lokalgesellschaften mit etwa 1000 »Freiländern«; diese Gesellschaften haben bisher noch keine einheitliche Organisation, sondern es handelt jede für sich selbständig.
Die Gründung einer einheitlichen internationalen Freilandsgesellschaft und die Einberufung eines Kongresses aller Freilandvereine wird geplant. Überdies hat sich in Wien ein freiländisches Aktionskomitee gebildet, welches sich die Aufbringung der Beträge für die Ausrüstung der Pfadfinderexpedition" zur Auffindung des Weges von Hargazo am Tana bis zum Kenia, in welcher Gegend Afrikas die Kolonie Freiland gegründet werden, und wo dem Unternehmen bereits eine Landschenkung angeboten sein soll, zur Aufgabe gemacht hat. Auch wurde 1891 ein eignes Organ unter dem Titel »Freiland« begründet, welches alle auf diesen Versuch bezüglichen Nachrichten enthalten und dieselben weiter verbreiten soll. Diesem letztgenannten Zwecke dient auch die Broschüre »Freiland und die Freilandbewegung«, hrsg. vom freiländischen Aktionskomitee (Dresd., Leipz. 1891).
II. Die politischen Staatsromane.
Die politischen S. schildern die besten Staatseinrichtungen. Wird der Staat als Einrichtung zur vollkommensten Erreichung der Menschenzwecke angesehen, so liegt eine solche idealisierende Richtung besonders in jener Zeit nahe, in welcher die Staatsphilosophie entweder in den Kinderschuhen steckt oder rein spekulativ betrieben wird. Für die Entstehung der politischen S. sind aber folgende Momente von Bedeutung geworden: Zunächst die klassische Überlieferung durch Xenophons »Kyropädie«, welche, selbst ein Staatsroman, und zwar der erste, die Trefflichkeit des Absolutismus schildert.
Ferner die sogen. Naturrechtsphilosophie mit ihrem Zurückgehen auf einen glücklichen Naturzustand der Völker; es liegt klar zu Tage, daß gerade diese Geistesrichtung auch für die volkswirtschaftlichen S., welche zumeist auch einen erheblichen Teil politischen Inhalts bergen, von größter Bedeutung geworden ist. Endlich ist dann auf das Erstehen eines positiven Staatsrechtes, zunächst in der Form der Staatenkunde, hinzuweisen, welche, von den sogen. alten Universitätsstatistikern eingeführt, sich mit der Beschreibung der Staatsformen bekannter und idealer Staaten befaßte und leicht zu einer idealisierenden Richtung führen konnte. Bezüglich dieses letzten Umstandes der sogen. Staatenkunde sei auf die »Kosmographien« verwiesen, welche mit Sebastian Münster 1536 ihren Anfang nahmen; so beschreibt Francesco Sansovino, einer der ersten dieser Kosmographen, in der Schrift: »Del governo ed amministrazione dei diversi regni ed republiche
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libri XXII« (1562) neben den zeitgenössischen und alten Staaten auch das Land Utopia. Was zunächst die altertümelnden politischen S. nach Xenophons Vorbild anbelangt, so gehören hierher: Fénelons »Télémaque« (1700),
dann de Ramsay, »Les voyages de Cyrus, histoire morale« (Par. 1727),
aber auch in minderm Maße einige der folgenden. Le Grands »Skydromedia« (Nürnb. 1680) schildert in Form eines der Utopia nachgeahmten Dialoges die Einrichtungen eines Indien benachbarten Landes, welche aber von den europäischen nicht sehr verschieden sind. Der »Ophirische Staat« eines unbekannten Verfassers (Leipz. 1699) ist eine Aufzählung jener Einrichtungen, die in einem gut organisierten Gemeinwesen vorhanden sein sollen. Abbé de Terasson erzählt in seiner Schrift »Sethos, histoire ou vie tirée de monumens anecdotes de l'ancienne Égypte« (Amsterd. 1732) die Erlebnisse des ägyptischen Königsohnes Sethos, der als Ideal eines Jünglings und Prinzen geschildert wird.
Gleichfalls wenig bedeutungsvoll, wie die meisten der vorgenannten S., ist des Polenkönigs Stanislaus Leszczynski »Entretien d'un Européen avec un Insulaire du Royaume de Dumocala« (1752), in welchem ein weiser Brahmane einem verschlagenen Seefahrer die Einrichtungen seiner Heimat mitteilt (eine Art allgemeiner Wehrpflicht statt Söldnerheeren, Ernennung der Richter auf Grund von Prüfungen statt des Stellenkaufes, allgemeine Zugänglichkeit der Schulen etc.). Schließlich sei noch auf A. v. Hallers drei Schriften: »Usong. Eine morgenländische Geschichte in vier Büchern« (Bern 1771),
»Alfred, König der Angelsachsen« (das. 1773) und »Fabius und Cato, ein Stück römischer Geschichte« (das. 1774) hingewiesen, welche den drei Staatsformen der Despotie, der gemäßigten Monarchie und der Republik gewidmet sind. Im allgemeinen sind diese S. wenig belangreich; sie schildern entweder Idealgestalten von Fürsten und Fürstensöhnen, edle Menschen überhaupt, oder Einrichtungen, welch letztere heute schon ziemlich allgemein bestehen.
III. Romane auf dem Gebiete andrer Wissenschaften. Zukunftsbilder.
1) Die S., und zwar zumeist die allgemeiner gehaltenen politischen, greifen öfters über das Gebiet des Verfassungs- und Verwaltungsrechtes sowie der Wirtschaftsordnung hinaus und gelangen dadurch auf das Gebiet andrer Wissenschaften. So könnte man mit einiger Berechtigung S. Beringtons ursprünglich in englischer Sprache in der ersten Hälfte des 18. Jahrh. erschienenen Staatsroman: »Denkwürdigkeiten Gaudentios von Luca« auch als religiösen Roman bezeichnen, da der Verfasser die Religion der Mezzoranier (eines Volkes von Feueranbetern), der Ureinwohner von Ägypten, welche, durch die Hyksos vertrieben, in die Wüste flohen und nach langer Irrfahrt in Zentralafrika ein gesegnetes Land entdeckten, besonders eingehend schildert. Anderseits könnte man das »Land der Freiheit« (Graz 1874) von F. Amersin als philosophischen oder pädagogischen Roman hinstellen, wenn er auch in die Form eines Staatsromans gekleidet ist.
2) In unsrer Zeit sind die naturhistorischen Romane durch Jules Verne zu ganz besonderer Bedeutung gelangt. Dieselben besitzen einen Vorläufer in den Werken des dänischen Dichters Holberg: »Nikolaus Klimms unterirdische Reise« (lateinisch erschienen, Kopenh. und Leipz, zuerst 1741),
mit welcher unter anderm die »Reise zum Mittelpunkt der Erde« von Verne viele Ähnlichkeit besitzt. Der Held, Klimm, entdeckt bei Bergen in Norwegen auf einer Bergesspitze einen tiefen Schlund, in welchen er beim Herablassen stürzt und so in das Innere der Erde gelangt. Die Erdkugel ist hohl, im Mittelpunkt steht eine Zentralsonne, und um diese kreist der Planet Nazar. Die Innenwand der Hohlkugel ist bewohnt, und deren Bewohner bilden eine Art Antipoden der Erdmenschen.
Klimm irrt nun in dieser Unterwelt umher, kommt zu den abenteuerlichsten Völkern, z. B. zu Baummenschen (konservatives Prinzip), Affenmenschen Neuerungssucht) etc., bis er endlich, auf einer Flucht begriffen, in eine Höhle stürzt, und zwar in dieselbe, durch welche er in diese Unterwelt gelangte und sich so nach einigen Jahren wieder am Rande derselben Schlucht an der Oberwelt findet, in welche er seiner Zeit gefallen war, und von welcher aus er Bergen erforschen wollte. Durch J. ^[Jules] Verne haben die naturhistorischen Romane eine glänzende Ausbildung erfahren und sich auf das Gebiet der Astronomie, Physik, Chemie, Zoologie, Botanik etc. ausgedehnt.
3) Von den Staats- oder Wissenschaftsromanen ist das einfache Zukunftsbild trotz großer Ähnlichkeit doch zu unterscheiden. Es ist wohl wahr, daß die S. häufig als Grundlage der Fabel eine Epoche der Zukunft und eine Verknüpfung der Gegenwart mit derselben benutzen, aber dies ist dann nur ein Romanbehelf, um die Schilderung wesentlich verschiedener Wirtschaftsverhältnisse glaublich zu machen, sowie die politischen S. in die Vergangenheit zurückgehen, um zu primitiven Volkszuständen zu gelangen.
Bei dem Zukunftsbilde kommt es dagegen in erster Linie auf die Schilderung der gesamten, insbesondere gesellschaftlichen Verhältnisse an, welche eine solche ferne Zeit mit sich bringt. Kommen dabei volkswirtschaftliche oder naturwissenschaftliche Probleme, Zustände und Erfindungen, was meist der Fall ist, mit in Betracht, so werden diese einfach als gegeben oder gelöst angenommen, ohne daß auf die wissenschaftliche Seite der Fragen weiter eingegangen und nur deren Einwirkung auf die gesellschaftlichen Zustände beachtet wird.
Ein solches ganz hübsches Zukunftsbild lieferte z. B. schon L. S. Mercier in: »L'an deux mille quatre cent quarante« (»Das Jahr 2440«, Amsterd. 1771). Verfasser schildert das Paris von 1770 und erzählt, daß er eines Abends in einen tiefen Schlaf verfiel, aus dem er erst 670 Jahre später, d. h. im J. 2440, erwachte (Bellamy). Die steife und gezierte Tracht ist einer bequemen gewichen, das Waffentragen verboten. Das neue Paris ist prachtvoll ausgebaut, die Straßen sind breit und rein, der massenhafte Verkehr geordnet.
Die Bastille ist verschwunden, ebenso wie die »Lettres de cachet«. Auf der Sorbonne wird nicht mehr scholastisch disputiert, sondern tüchtig Medizin und Chirurgie auf anatomischer Grundlage studiert. Die Metaphysik hat der Physik Platz gemacht. Die Verfälschung der Lebensmittel ist bei Strafe verboten. Aus Zeitungen ersieht der Verfasser, daß Japan den Fremden geöffnet, in Rußland die Leibeigenschaft aufgehoben und der Papst nicht mehr weltlicher Herrscher ist u. dgl. Mercier hätte statt 2440 nur 1890 schreiben müssen, und seine Prophezeihungen wären auffallend richtig gewesen. Im allgemeinen aber hält sich dieses Zukunftsbild doch noch in bescheidenen Grenzen, was von den modernen Schriften dieser Art nicht gesagt werden kann, in welchen die Phantasie vielmehr große Sprünge macht und insbesondere kolossale technische Veränderungen voraussetzt. Dies gilt z. B. für den Roman von H. Truth: »Am Ende des