sind, daß sie in der Vorderansicht am vollkommensten ins
Auge
[* 2] fallen.
Wenn es nun darauf ankommt, für die Entstehung dieser Geschlechtsauszeichnungen eine
Erklärung zu finden, so muß zunächst
hervorgehoben werden, daß keine derselben ihrem
Besitzer irgend welchen Vorteil bei der Erwerbung der
Nahrung, der Vermeidung
von Feinden, beim
Kampfe mit Nebenbuhlern etc. zu gewähren vermag. Sie können daher
auch nicht als Erzeugnisse der Naturauslese betrachtet werden.
Wohl aber werden sie nach der
Theorie der geschlechtlichen
Zuchtwahl
verständlich, besonders wenn man die Art, wie die Männchen um die Weibchen werben, genauer betrachtet.
Bringt man z. B. zu einem reifen Weibchen von Saites palex oder Dendryphantes
elegans ein Männchen, so beginnt letzteres bei seiner
Annäherung eine
Reihe von
Bewegungen, welche als ein Umtanzen bezeichnet
werden müssen, wobei die besonders glänzend gefärbten und stärker entwickelten Vordergliedmaßen des
Körpers stets dem
Weibchen zugekehrt und am vorteilhaftesten präsentiert werden, Diese
Stellungen und Gaukeleien der Männchen führen
wie bei den
Hühnervögeln zu dem
Schluß, daß das Weibchen dasjenige Männchen auswählt, welches ihm am besten gefällt,
und daß daher der geschlechtliche
Schmuck des Männchens von der Bevorzugung der am schönsten geschmückten Bewerber durch
die Weibchen herrührt.
Über die
Brutpflege der Wolfsspinnen haben Henking und andre Beobachter einige zugleich vom psychologischen
Gesichtspunkte lehrreiche
Versuche angestellt. Diese S., von denen Lycosa amentata und Tarantula clavipes beobachtet wurden,
trugen ihren am
Hinterleibe befestigten Eikokon mit sich herum, nahmen aber auch willig fremde
Kokons, ja mit demselben umhüllte
Papierkugeln an und befestigten sie an ihrem
Hinterleibe, während sie unbedeckte Papierkügelchen von derGröße
ihres
Kokons verschmähten.
Die bloße Papierkugel vermag die
S. also vom
Kokon zu unterscheiden; es dürfte demnach der Geruchssinn sein, der
sie den künstlichen
Kokon annehmen läßt, wenn er nur mit dem entsprechenden Gespinst überzogen ist. Sogar so vorgerichtete Schrotkugeln
von dem 20fachen
Gewicht der normalen
Kokons wurden, wenn mit
Papier und Kokonhaut überzogen, angenommen
und mehrere
Tage herumgeschleppt. Ähnliche
Versuche wurden mit gleichem Erfolge von
Georg und
ElisabethPeckham mit Pardosa pallida,
angestellt,
und sie sahen sowohl Schrotkugeln, welche die S. kaum schleppen konnten, als Holundermarkkügelchen von der dreifachen
Größe der natürlichen
Kokons angenommen, ein Verhalten, aus welchem auf ziemliche
Schwäche der Verstandeskräfte
und
Sinne, namentlich des
Auges, geschlossen werden muß.
Indessen ist doch ein gewisses
Bewußtsein und
Gedächtnis vorhanden, welches die S. nach der üblichen Tragzeit (3
Wochen)
daran zu erinnern scheint, daß die jungen S. nun ausgekommen sein und ihre Bürde erleichtert haben müßten. Denn sie
begaben sich nach
Ablauf
[* 3] dieser Zeit nach dem Wasserbehälter ihres Käfigs und tauchten die vermeintlichen
Kokons hinein,
vielleicht um die jungen S. zum Auskriechen zu veranlassen; andre erkannten den ihnen gespielten
Betrug auch schon früher
und warfen die Scheinkokons ab.
Als Luftspitze oder
Ätzspitze bezeichnet man ein eigentümliches
Produkt der Spitzenfabrikation,
welches dadurch erhalten wird, daß man mit der
Nadel auf mechanischem Wege (mittels
Stickmaschinen) einen
Grundstoff
bestickt,
der nach Vollendung der
Stickerei zerstört wird, so daß nur noch das durch die
Nadel erzeugte Fadengebilde (die
Spitze) zurückbleibt.
Je nach
Wahl des
Materials für
Grundstoff und Nadelfaden, namentlich aber nach der zu
Grunde gelegten Stichbildung,
gewinnen diese S. einen sehr verschiedenartigen
Charakter und mannigfaltiges Ansehen.
Zur Erzeugung derselben wurde anfangs ein passender Seidenstoff mit
Baumwollgarn bestickt und das fertige Gebilde so lange
mit Chlorkalklösung behandelt, bis die
Seide
[* 4] vollständig zerstört war. Dann ging man dazu über, einen
minderwertigen
Grundstoff mit
Fäden aus kostbarem
Stoff zu besticken. In erste
Linie trat als
Grundstoff ein
Baumwollgewebe. Da
die
Pflanzenfasern, also auch
Baumwolle,
[* 5] leicht vernichtet werden, wenn man sie mit
Schwefelsäure
[* 6] tränkt und dann einer höhern
Temperatur aussetzt, so wird für den vorliegenden
Zweck der
Grundstoff vor dem Besticken in ein
Bad von
[* 7] verdünnter
Schwefelsäure gebracht, dann getrocknet und nach dem Besticken mit
Seide oder
Wolle in einer
Kammer erhitzt.
Zur
Entfernung des durch das Erhitzen karbonisierten zerstörten
Gewebes benutzt man einen
Wasser-,
Luft- oder Dampfstrahl oder
auch ein
Klopfen der in
Tücher eingewickelten S.
Letztere werden sodann zur Vertilgung jeder noch etwa
anhaftenden
Spur von
Säure in schwach alkalischem
Wasser gewaschen. Ein
Versuch,
Papier als
Grundstoff zu benutzen, hatte geringen
Erfolg, weil sich das
Papier zu wenig widerstandsfähig zeigte und auch besondere
Apparate zum Aufspannen notwendig machte,
dagegen erfuhr die Erzeugung von Luftspitzen dadurch eine weitere
Ausbildung, daß man als
Grundstoff dünn
ausgewalzte
Guttapercha verwendete und diese nach dem Besticken in
Benzin oder
Schwefelkohlenstoff löste. Da die zur
Lösung
der
Guttapercha dienenden
Mittel die Stickereimaterialen aller Art
(Seide,
Wolle,
Flachs, Metallfäden etc.) nicht angreifen und
auch die
Farben unverändert lassen, so muß
Guttapercha für das zweckmäßigste Grundmaterial bezeichnet
werden, zumal dieselbe, in den genannten
Mitteln gelöst, mancherlei technische Verwendung findet.
Zur Anfertigung der
Stickereien selbst dient hauptsächlich die Plattstichstickmaschine, die zunächst auf dem
Grundstoff ein
als Grundlage der S. anzusehendes
Gerippe erzeugt und sodann zwischen diesem mittels sogen. Spachtelstiche das Ziergebilde
herstellt. Zu den netzartigen Luftspitzen wird jedoch auch die Steppstichstickmaschine in neuester Zeit
verwendet. Man stickt damit auf dem
Grundstoff sich kreuzende
Steppstiche und umstickt diese wieder an den
Knotenpunkten, so
daß gewisse
Arten von Verknotungen entstehen, welche die
Stiche nach
Entfernung des
Grundstoffes in der
Lage erhalten.
2)
Anton, Geschichtschreiber und Kunsthistoriker, starb in
Leipzig.
[* 10]
Nach seinem
Tode erschienen
noch die
Monographie
»AlbrechtDürer« (Berl. 1891) und das autobiographische Werk »Aus
meinem
Leben«, mit Beiträgen von Gust.
Freytag und H. Janitschek (das. 1891).
ursachlichen Zusammenhängen, welche im allgemeinen den Gegenstand der Staatswissenschaften bilden. Diese S. bilden nur eine,
allerdings die weitaus wichtigste Art einer größern Gruppe, der sogen. Wissenschaftsromane, d. h. jener, welche
ihre Phantasievorstellungen auf Gebiete beziehen, die von der wissenschaftlichen Forschung bebaut werden. Es ist häufig
schwierig, die phantastischen Darstellungen nach den einzelnen Wissenschaftsgebieten zu scheiden, da sie
sich meist auf mehreren derselben bewegen, wobei sie vornehmlich den Charakter von Staatsromanen tragen.
Deshalb kann eine Einteilung dieser Wissenschaftsromane überhaupt nur die Bedeutung haben, zu konstatieren, welches Wissensgebiet
am hervorstechendsten zur phantastischen Bearbeitung gelangt. Die wichtigste Art derselben, die S., zerfallen in die
volkswirtschaftlichen und in die politischen, wobei aber auch hier zu bemerken ist, daß diese beiden durchaus nicht scharf
voneinander geschieden sind. Innerhalb der S. und der Wissenschaftsromane überhaupt sind die volkswirtschaftlichen Romane
die weitaus wichtigsten.
AlleWissenschafts- und damit auch die Staats- und speziell die Volkswirtschaftsromane entnehmen ihren wissenschaftlichen Gehalt
aus den Lehren
[* 12] des betreffenden Wissensgebietes, dem sie nahe verwandt sind. Entweder beschränken sie sich dabei auf die
Voraussetzung der Erfüllung gewisser Forderungen, indem sie Mißstände als abgestellt, technische Fragen als gelöst etc.
betrachten, oder sie fußen auf einzelnen Hypothesen, welche die zeitgenössische Wissenschaft kennt, indem sie dieselben als
endgültige Lösungen der Probleme ansehen, oder endlich sie stützen sich auf große, auf Hypothesen aufgebaute
Zukunftssysteme, wie z. B. auf den Kommunismus oder Sozialismus.
Dabei ist häufig die intimste Kenntnis der speziellen Wissenschaften in ihren fortgeschrittensten Stadien, aller der akutesten
Fragen und neuesten Hypothesen und häufig eine geradezu geniale Veranlagung erforderlich, während anderseits
der Schritt zum Läppischen und Kindischen oft nur gering ist und die Litteraturrichtung in vielen Fällen geradezu in Spielereien
ausartet. In ihrer äußern Anlage zeigen die meisten dieser Wissenschafts- und speziell die S. eine große Übereinstimmung.
Da sie einerseits auf wissenschaftlichem Boden fußen, anderseits aber auf dieser Grundlage Phantasiegebilde
enthalten, so sehen sie sich genötigt, den Schauplatz der Begebenheiten so zu wählen, daß er mit der Wirklichkeit nicht
in Widerspruch gerät. In frühern Jahrhunderten, als noch weit größere Flächen der bewohnten Welt unerforscht waren, wurde
die Handlung zumeist in unbekannte Gegenden, meist Amerikas und Australiens, verlegt und entweder eine Reise
des Helden nach jenen Orten angenommen, nach welchen er natürlich nur auf zufälligem Wege (Schiffbruch, Sturmwind etc.) gelangen
konnte, oder es wurde ein Ankömmling aus jenen geheimnisvollen Gegenden erzählend eingeführt.
Daneben blieb noch, und dies ist um so mehr der Fall, je mehr die Verhältnisse der bewohnten Welt allerorten
aufgeklärt werden, der Ausweg, den Schauplatz in die ferne Zukunft zu verlegen, wobei die Verbindung mit der Gegenwart häufig
durch einen tiefen, langen Schlaf hergestellt wird, in welchen der Romanheld verfällt, um unter den völlig geänderten Verhältnissen
zu erwachen. Alle diese Romanbehelfe sind durchaus nicht etwas dieser Romangattung Eigentümliches; es
ist vielmehr die Benutzung und Verwertung des Abenteuerlichen und Grotesken von jeher beliebt gewesen, sei es als Schilderung,
oder
als Zerrbild wirklicher Verhältnisse und damit als Satire, oder endlich als einfacher Romanbehelf.
Das gilt nicht nur für die frühern Jahrhunderte der sogen. Neuzeit, als sich die Entdeckungen vorwiegend zur See
häuften, sondern auch bis in unsre Zeit hinein, da mit dem Moment der Reisen und namentlich der Seereisen stets etwas Überraschungsvolles
und Abenteuerliches verbunden ist. Die Phantasien dieser Wissenschaftsromane finden ihre Grenze dort, wo sie in das »Märchen«
übergehen, d. h. wo der Boden glaublicher Kausalzusammenhänge, der eben in Übereinstimmung mit dem
wissenschaftlichen Kerne dieser Romane immer noch gegeben sein muß, verlassen und das Gebiet des Unglaublichen oder Unmöglichen
betreten wird. Nur ist da sofort zu bemerken, daß manche der hierher gehörigen S., besonders jene der frühern Zeit, märchenhafte
Elemente enthalten, da eine feste Abgrenzung dieses Gebietes eben nicht besteht.
Was das groteske und abenteuerliche Moment in der Litteratur sonst anbelangt, genügt es, auf einzelne
hervorstechendere Erscheinungen hinzuweisen. So beschreibt z. B. Rabelais in seinem »Gargantua«, Kap. 52-57 eine phantastische
Abtei Thelema und benutzt auch sonst oft das Moment des Grotesken. »Gullivers Reisen« sind weltbekannt geworden, und für Voltaires
kleinere satirische Erzählungen ist ein ähnliches Gewand geradezu charakteristisch. Endlich mögen auch
die massenhaften für die Jugend und die niedern Volksschichten geschriebenen Erzählungen nicht unerwähnt bleiben, welche
von Abenteuern zur See und unter fremden Völkern handeln, die zahlreichen Robinsonaden etc.
Ein Zug
liegt zumeist in den S., der sie dem Leser immer wieder beliebt macht, und dem sie den größern Teil
des Zaubers und der Anziehungskraft verdanken, die ihnen so häufig innewohnt. Dies ist der Gedanke, daß es einst ein glückliches
goldenes Zeitalter gegeben habe, oder heute noch Völker gebe, welche sich in diesem für uns so lange verstrichenen Zustande
befinden, und daß der Schauplatz der Handlung gerade in solche Zeiten oder Verhältnisse verlegt wird.
Damit ist häufig auch ein mystischer Zug
verbunden sowie ein Zurückgehen in sagenhafte Epochen der Entwickelung und in Zeiten
einer Naturreligion. All diese Umstände im Vereine bewirken, daß ein anziehend und fesselnd geschriebener, zu gewissen Zeiten
tiefen sozialen Verfalles unter die Volksmassen gebrachter Staatsroman nicht nur ungemeine Verbreitung
finden, sondern auch als wichtiges Agitationsmittel dienen kann.
Der Wert derWissenschafts- und damit auch der S. kann in Verschiedenem liegen. Sie können gegeradezu ^[korrekt: geradezu]
Wert für den bestimmten Wissenszweig besitzen, wenn sie z. B. konsequente Ausgestaltungen
einzelner Hypothesen oder ganzer Wissenssysteme enthalten, wie dies gerade bei den sozialistischen und
kommunistischen Phantasmagorien häufig der Fall ist. Jedenfalls aber können sie ungemein viel zur Popularisierung einzelner
wissenschaftlicher Lehren und ganzer Wissensgebiete, so z. B. der Nationalökonomie, beitragen, insbesondere dann, wenn die
Fabel des Romanes geschickt erfunden und der wissenschaftliche Kern anziehend entwickelt ist.
Die volkswirtschaftlichen Romane treten, wenn wir von Platons beiden hierher gehörigen Schriften: »Die Gesetze« und »Der Staat«,
absehen, in die Litteratur mit Beginn des 16. Jahrh. ein und erhalten sich in derselben bis
in unsre Zeit, in welcher sie wieder
¶