Bedeubedeutenden Fehlbetrag gewirtschaftet und das erforderliche
Geld nur dadurch beschafft, daß er die von der
Skuptschina
geforderten Anlehensbeträge stets höher veranschlagte, als nötig war. Ernstliche Ersparnisse verlangte zwar die radikale
Partei, setzte sie aber nie ins Werk, weil dann vor allem das allzu zahlreiche Beamtentum hätte vermindert werden müssen;
ebensowenig war eine Steuererhöhung von den
Radikalen zu erhoffen. Im Gegenteil wagte die
Regierung nicht, 12 Mill.
Steuerrückstände einzutreiben, um das
Volk sich nicht abspenstig zu machen.
Eine ausländische
Anleihe behufs Umwandlung der
Staatsschuld, von welcher man
Hilfe erwartete, scheiterte. Der Finanzminister
Vuitsch fand daher nach seiner Rückkehr von einem längern
Urlaub die Staatskasse gänzlich leer vor,
während die Beamten und
Offiziere seit
Monaten keinen
Gehalt bezogen hatten. Es kam darüber zwischen ihm und seinem Stellvertreter,
dem Handelsminister Tauschanowitz, zu einem heftigen Streit, in welchem das
Ministerium für letztern
Partei ergriff, so daß
Vuitsch seine Entlassung nahm.
Mit Mühe und eigentlich nur zum
Schein wurde das
Budget für 1892 auf 60 Mill. in
Einnahme und
Ausgabe von der
Skuptschina festgestellt. Überhaupt hatte die herrschende radikale
Partei ihre Einigkeit eingebüßt; namentlich die bäuerlichen
Deputierten wollten sich der
Regierung nicht mehr fügen, und im Frühjahr 1892 mußte der
Ministerpräsident Paschitsch das
Ministerium völlig umgestalten. Der
Regentschaft gegenüber mußten unter diesen Umständen die
Radikalen
sich nachgiebig zeigen, und so genehmigte die
Skuptschina im März auch die völlige Entlassung des Exkönigs
Milan aus dem
serbischen Staatsverbande, obwohl das schmähliche Verhalten
Milans allgemein gemißbilligt und die Gesetzlichkeit seines
Verzichts angezweifelt wurde. Indem dem Exkönig jede weitere
Forderung an
S. und jedes Wiederkommen bis
zur
Großjährigkeit des
Königs untersagt wurde, war er für S. politisch und bürgerlich tot. Zur
Befestigung der Dynastie
Obrenowitsch trug der
Vorfall aber nicht bei.
die
Lehre
[* 3] von den
Gefühlen und
Trieben geschlechtlicher Art hat erst neuerdings
eine wissenschaftliche Behandlung gefunden. Das Geschlechtsgefühl entsteht unter regelmäßigen Verhältnissen etwa 2 Jahre
nach dem Eintreten der
Pubertät. Es ist anfangs undifferenziert, d. h. nicht mit völliger Sicherheit auf das
andre
Geschlecht bezogen und daher manchmal in der Form einer sinnlich angehauchten
Freundschaft enthalten. Alsdann wandelt
es sich in sentimentale
Schwärmerei, bis es etwa 4 oder 5 Jahre nach dem Eintreten der
Geschlechtsreife
vollkommen gefestigt ist und sich eindeutig auf den
Besitz einer
Person des andern
Geschlechts bezieht.
Diese
Stellung im Seelenleben behält es bis zum Erlöschen der physiologischen Fähigkeit; gleichzeitig hiermit verliert
es seine Triebelemente, während die nunmehr vom Verlangen freie Fühlfähigkeit noch einige Jahre anzudauern
pflegt. Für die
Stärke
[* 4] des Geschlechtsgefühles innerhalb der geschilderten
Entwickelung sind sowohl physiologische
Thatsachen
als psychologische
Momente von Bedeutung. Bei den letztern unterscheiden wir vier
Glieder.
[* 5] Das erste besteht entweder aus peripherisch
bedingten
Wahrnehmungen oder aus zentral geweckten
Vorstellungen, z. B. aus dem wirklichen Anblick oder
aus der
Erinnerung eines schönen
Menschen.
Hieran schließen sich Lustgefühle, welche
in die
Klasse der sinnlichen
Gefühle gehören, daran schließt sich der Drang
zu geschlechtlicher Befriedigung. Es folgt nun als letztes
Stadium eine Vorstellungsthätigkeit, die in der sexuellen
Richtung
liegt, wenn jener Befriedigung nichts im Wege steht, während sie im andern
Falle aus hemmenden
Ideen besteht.
Treibende und hemmende
Kräfte sind wandelbare
Größen. Auf die
Stärke der treibenden
Momente haben
Konstitution, organische
Einflüsse (besonders Alkoholübergenuß), auf die der Gegenvorstellungen
Erziehung und Selbstbeherrschung gewichtigen Einfluß.
Die sittliche
Höhe des
Individuums besitzt ihr
Maß in derSchnelligkeit und
Stärke der
Hemmung. Von den
Abweichungen des Sexuallebens gehören drei
Gruppen insofern zusammen, als bei ihnen der
Inhalt des
Triebes unverändert ist
und die Unregelmäßigkeit in der Zeit des Auftretens sowie in Verminderung oder Verstärkung
[* 6] der
Intensität liegt: a)
Paradoxie desGeschlechtsgefühls nennt man (v.
Krafft-Ebing) das Auftreten desselben außerhalb der Zeit anatomisch-physiologischer
Vorgänge, also bei
Kindern und
Greisen; b)
Anästhesie oder Hypästhesie ist das Fehlen jedes sexuellen Verlangens oder ein
übermäßiges Zurücktreten desselben, das teils angeboren, teils erworben sein kann; c)
Hyperästhesie oder die krankhafte
Steigerung des
Triebes.
Sie äußert sich entweder in der Häufigkeit des Bedürfnisses oder darin, daß es beim Anblick von
an sich sinnlich reizlosen
Personen, bez.
Sachen erwacht. Unter
Parästhesien versteht man eine Veränderung des
Inhaltes der
Sexualgefühle, insofern
Vorstellungen, die sonst mit Unlustgefühlen betont sind, mit sinnlichen Lustgefühlen einhergehen
und
Affekte hervorzurufen vermögen. Das praktische
Resultat sind verkehrte
Handlungen (Perversion des
Geschlechtstriebes, v.
Krafft-Ebing): a)
Sadismus.
Für die
Erklärung ist es wichtig, daß meist, Ausnahmen wie
Kleists »Penthesilea« abgerechnet,
Männer dieser Verirrung unterliegen.
Denn schon unter gewöhnlichen Verhältnissen sieht sich der Mann einem durch die
Keuschheit des geehelichten
Weibes gegebenen
Widerstande gegenüber, den er zum Teil mit
Gewalt überwinden muß, und von vielen Naturvölkern wissen wir,
daß bei ihnen der
Raub, ja selbst die Wehrlosmachung der
Frau durch Keulenschläge die Liebeswerbung ersetzt.
Außerdem verlangen
Affekte, wie
Zorn und
Liebe, eine Entladung in starken
Bewegungen, die dem Gegenstande
des
Affektes zugefügt werden, b) Masochismus, so genannt nach den
RomanenSacher-Masochs, welche diese
Ausartung mit Vorliebe
behandeln, ist das Gegenstück des
Sadismus. Während jener
Schmerzen zufügen und
Gewalt ausüben will, geht dieser daraus
aus,
Schmerzen zu leiden und sich der
Gewalt unterworfen zu fühlen; während jener die krankhafte
Steigerung
des männlichen Geschlechtscharakters in seinem psychischen
Beiwerk ist, stellt dieser eine Übertreibung spezifisch weiblicher
seelischer Eigentümlichkeiten dar. Der Masochismus durchläuft die ganze
¶
mehr
Stufenreihe von der bloß geistigen Demütigung bis zur schmerzhaftesten Selbstpeinigung, er kommt aber auch in larvierter
Form ekelhafter Handlungen zum Zwecke sexuell erregender Selbstdemütigungen vor. c) Fetischismus. Es gibt Personen und namentlich
Männer, für die der Hauptreiz am Weibe entweder ein bestimmter Körperteil, der mit dem sexuellen Verkehr direkt nichts
zu thun hat, oder auch ein Kleidungsstück des Weibes ist; man unterscheidet demgemäß einen Körperteil- und einen Gegenstand-Fetischismus.
Im Gegensatze zu der Regel, wonach eine Person als ganze begehrt und nur gelegentlich dieses oder jenes Stück von ihr bevorzugt
wird, richtet sich bei den Fetischisten das Begehren ausschließlich auf ein Stück, seien es Haare
[* 8] (Zopfabschneider)
oder Schuhe (Stiefelfreier), mit gänzlicher Außerachtlassung der übrigen Persönlichkeit.
Fetischismus, Masochismus und Sadismus finden sich auch innerhalb der folgenden Gruppe, welche die gesellschaftlich wichtigste
Form der Parästhesien darstellt, nämlich bei den konträren Sexualempfindungen. Man versteht hierunter den Trieb zu Liebesverkehr
mit Personen gleichen Geschlechtes und nennt ein mit diesem Triebe behaftetes Individuum homosexual oder
einen (männlichen, bez. weiblichen) Urning. Das psychologische Problem der nicht seltenen Verirrung läßt sich folgendermaßen
formulieren: wie kommt die Seele eines Weibes (Mannes) in den Körper eines Mannes (Weibes)? Denn das kann keinem Zweifel unterliegen,
daß die Unglücklichen unter einer angebornen Perversion nicht nur des Geschlechtstriebes, sondern auch
der ganzen Veranlagung leiden.
Obwohl körperliche Merkmale an den Kranken nicht zu entdecken sind, besitzen sie doch von Jugend auf wenigstens innerlich
eine ihrem Geschlechte sonst fremde Organisation, die sich natürlich am auffälligsten in den sexuellen Dingen äußert. Deshalb
darf man wohl nicht an eine geschlechtliche Monomanie solcher Patienten denken, sondern muß daran festhalten,
daß sie auch im allgemeinen abnorm geartet sind. Eine Heilung ihrer Verirrung ist, wenn überhaupt, so nur durch (hypnotische)
Suggestivbehandlung möglich.
Vgl. v. Krafft-Ebing, Psychopathia sexualis (7. Aufl., Stuttg. 1892);
Derselbe, Neue Forschungen auf dem Gebiete der Psychopathia sexualis (3. Aufl.,
das. 1891);