Neuhauß auf der internationalen Rindviehausstellung in
Wien
[* 2] 1890. Nach
Benno Martiny (»Deutsche
[* 3] landwirtschaftliche
Presse«,
[* 4] 18. Jahrg.,
Berl. 1891) geht
Neuhauß von der
Ansicht aus, 1) daß von zwei übrigens gleichen
Tieren dasjenige das andauernd leistungsfähigere,
bez. vererbungssichere sei, dessen innere (unwillkürliche) Lebensthätigkeit
in allen Körperteilen die kräftigere und gleichartigere ist;
2) daß das Vorhandensein oder Fehlen einer durch den ganzen
Körper gleichmäßig kraftvollen Lebensthätigkeit aus einem
Vergleich der von den
Mittelpunkten des
Nervensystems und des
Blutumlaufes entferntesten Teilen des
Körpers mit den jenen
Mittel-
oder Ausgangspunkten näher liegenden Teilen zu beurteilen sei, und 3) daß zu einer solchen Beurteilung die
Gebilde von
Haut
[* 5] und
Haar
[* 6] ein ganz besonders leicht erkennbares und sicheres Merkmal abgeben. Die bessere Milchnutzung erkennt
daher
Neuhauß aus einer dickern, dichter und kräftiger, edler behaarten
Haut an
Ohren,
Bauch,
[* 7] den innern Weichteilen, der
Beine
etc. sowie nach der verschiedenen Abstufung der Sanftheit der
Haare
[* 8] auf dem Haarbüschel, an der Schwanzspitze
und auf dem Schopf, als den vom
Mittelpunkt des
Körpers entferntesten Körperteilen.
Die allgemeine
Wehrpflicht hat in
Deutschland
[* 11] eine neue Versicherungsform
ins
Leben gerufen, welche darin besteht, daß für
Knaben im frühesten
Alter, jedenfalls vor Erreichung des 12. Lebensjahres,
Erlebensversicherungen abgeschlossen werden, die jedoch nur dann fällig werden, wenn der Versicherte für den Militärdienst
tauglich befunden und zu aktiver Dienstleistung berufen wird. Die versicherte
Summe wird dem Versicherten
sodann in drei Jahresraten zur Auszahlung gebracht. Im
Falle frühern Ablebens, der Dienstuntauglichkeit oder der
Überweisung
des Versicherten an
Ersatzreserve oder
Landsturm wird ein Teil der
Prämien zurückerstattet.
Diese Bestimmung variiert bei den einzelnen Anstalten, so bezahlt die Deutsche Militärdienst-Versicherungsanstalt in
Hannover
[* 12] 75 Proz.
der eingezahlten
Prämien in diesen
Fällen, die
Arminia in
München
[* 13] setzt keinen bestimmten Prozentsatz
fest, sondern macht die
Höhe von dem Überschuß abhängig. Die Verbreitung, welche diese
Kombination gefunden, hat selbst
Fachmänner überrascht,
da man dieselbe anfangs ziemlich pessimistisch beurteilte. Die Deutsche Militärdienst-Versicherungsanstalt, 1877 errichtet,
war die erste, der es gelang, ein größeres
Geschäft zu erzielen, so daß sie 1890 allein einen
Zuwachs
von 17,940,704
Mark Versicherungssumme realisierte.
(spr. milrāng),Alexandre, franz.
Politiker, geb. zu
Paris,
[* 15] studierte daselbst die
Rechte und ließ
sich 1881 in die
Liste der
Rechtsanwalte einschreiben. Gleichzeitig trat er in die Redaktion der Clemenceauschen
Zeitung »La
Justice« ein. 1884 wurde er in denPariserGemeinderat und 1885 in die Deputiertenkammer gewählt. In beiden
Versammlungen
schloß er sich den Sozialisten an und machte sich durch seine zahlreichen
Interpellationen zu gunsten der Arbeiterklasse
bemerklich; er ist ein gewandter Redner. 1889 gründete er ein eignes
Blatt,
[* 16] »La Voix«.
Auf der englischenNaturforscherversammlung in
Leeds
[* 18]
(Herbst 1890) hat Poulton eine neue
systematische
Einteilung der in der Neuzeit so lebhaft studierten Mimikryerscheinungen vorgelegt, die hier als
Rahmen benutzt
werden soll, um einige teils von ihm angeführte, teils seitdem neu beobachtete
Fälle mitzuteilen. Er unterscheidet vier
Klassen der bestimmte Lebensvorteile einschließenden Färbungen,
Zeichnungen und Gestaltungen der
Tiere,
nämlich:
1) kryptische (verbergende), 2) sematische (auffallende und warnende), 3) pseudosematische (täuschende
oder fälschlich warnende) und 4) epigamische (geschlechtlich erregende) Färbungen und Gestaltungen. Bei jeder dieser
Erscheinungsgruppen lassen sich aber nach
Zweck und Ausführung Unterabteilungen aufstellen, die gesondert zu betrachten und
durch
Beispiele zu erläutern sind.
I.Bei der kryptischen (verbergenden) ist zu unterscheiden, ob dieselbe ein
Tier zu seinem
Schutze (prokryptisch),
oder für den
Angriff (antikryptisch) verbirgt und ob dies durch seine eignen
Farben,
Zeichnungen und
Formen oder durch
Fremdkörper
(allokryptisch), mit denen es seinen Leib bedeckt, geschieht. Bei dem letztern
Fall, der gewöhnlich alsMaskierung
(s. Bd. 18, S. 605) bezeichnet wird, müßten eigentlich nochmals pro- und antikryptische Allokryptie
unterschieden werden, je nachdem dieselbe
Laub- oder
Fleischfresser verbirgt.
Ferner hätten hier die
Tiere mit chromatischer
Funktion, die sich verschiedenfarbigen, bald hellern, bald dunklern Umgebungen
anpassen können, eine besondere
Klasse verdient. Aus dieser letztern, in die erste Abteilung Poultons
fallenden
Kategorie hat
Jameson, der Genosse
Barttelots im
NachtrabStanleys, ein eigentümliches
Beispiel in seinem unlängst
erschienenen
Tagebuch verzeichnet, einen kleinen
Laubfrosch mit hellem, zitronengelbem
Bauch, dunkelorangenen
Zehen und im übrigen
¶
forlaufend
619
schneeweißen! Körper. Das Tier wurde in der Nähe eines Gebüsches mit ganz weißen und einigen hellroten Blättern gefunden,
auf denen es kaiunerkennbar sein würde, nahm aber in der Schachtel bald die Hellrötlichweiße Farbe des Bodens au. Ob die
Farbenänderung willkürlich oder reflektorisch, wie beim Chamäleon, erfolgt, konnte nicht ermittelt
werden. Auch bei unsern Fröschen ist das Vermögen der Farbenveränderung nach den: jeweiligen Standort viel größer, als
gewöhnlich angenommen wird, und schon Pouchet zeigte, daß bei ihnen unter der Haut sowohl gelbe als blaue Ehromatoblasten
und darunter eine Schicht schwarzer Chromatophoren liegt, um alle möglichen Mischungen von Grau, Gelbbraun, Olivengrün
und Grün zu erzeugen. Im Oktober 1890 veröffentlichte Dutartre darüber neue Beobachtungen, aus denen hervorgeht, das; das
Licht
[* 20] einen direkten Einfluß auf die Zusammenziehung der Chromatophoren äußert und durch deren Zusammenziehung der Haut an
hellen Orten eine lichtere Färbung verleiht.
Die weißen und gelben Strahlen wirkten am stärksten, die blauen und violetten fast gar nicht ein. Die
Wirkung geht reflektorisch von der Netzhaut aus, wie bei den Fischen, uud während normale Frösche
[* 21] an hellen Orten und auf heller
Unterlage sich sehr bald aufhellten und an dunkeln dunkel wurden, erfolgte dieselbe Wirkung bei geblendeten sehr viel langsamer.
GuteBeispiele von antikryptischer Färbung liefern die weihen Polarraubtiere, der gestreifte Tiger uud
gefleckte Leopard,
[* 22] grüne Baumschlangen und Naubheuschreckeu (Mantioen), ein großer Frosch
[* 23] (Oei^to Mi^g coi'nuw) des tropischen
Südamerika,
[* 24] welcher sich in einem Erdloch vergräbt, während der herausgestreckte, auf Beute lauernde Kopf genau mit der Umgebung
harmoniert. Zu den allokryptischen Färbungen gehören die'Maskierungen mit harmlosen Gegenständen der
Umgebung, also bei Erdtieren mit Staub, Schinutz, grünen Luftalgen :c., bei Meerestieren mit abgerissenen Algen,
[* 25] Scherben-
und Schalenfragmenten des Grundes.
II. Bei den sematischen Färbungen lassen sich wieder drei Gruppen unterscheiden, die nur das Gemeinsame haben, daß die Farben undZeichnungen grell und auffällig sind, weil diese Tiere Vorteil davon haben, gesehen zu werden:
1) aposematische (Narnungs-) Färbung für ungenießbare und widerwärtige Tiere, wie die sehr auffallend schwarz und weiß
gefärbten Stinktiere ()l6i!iiti3-Arten) Amerikas, viele rot-, gelb- und schwarzbunte Raupen und Schmetterlinge.
[* 26] Hier hätten
wohl auch die bunten Wespen und Giftschlangen sowie die Leuchttiere besondere Unterklassen erfordert;
2) episematische oder Signalfärbungen nennt man die namentlich von Wallace in seinem neuen Buche über den Darwinismus erläuterten
Zeichnungen zur gegenseitigen Erkennung. Wenn ein Kaninchen
[* 27] in seinen Bau hineinschlüpft, so wird es dem Jäger und allen Raubtieren
durch den aufgerichteten weißen Schwanz leicht bemerkbar. Das konnte nachteilig scheinen, ist aber für
gesellig lebende Tiere ein Signal von großer Wichtigkeit, weil es die andern Tiere der Herde und namentlich die jungen, ebenso
wie die Warnungsrufe der Vögel
[* 28] und Murmeltiere, vor der nahenden Gefahr warnt.
Darum finden sich diese Zeichen in Gestalt heller, weißer Flecken gewöhnlich am Hinterteil oer Herdentiere (Hirsche,
[* 29] Antilopen,
Rinder,
[* 30] Schafe),
[* 31] doch auch am Kopfe, da sie auch der gegenseitigen Erkennung in der Ferne dienen. Wenn sich die Tiere nieder
legen, werden diese episematischen Zeichnungen
gewohnlich verdeckt;
3) allosematische (Trutz-) Färbungen werden die durch gemiedene Fremdkörper (nesselnde Schwämme
[* 32] und Seerosen) erzeugten Maskierungen
genannt, wie die bekannten der Krabbe::
[* 33] und Einsiedlerkrebse (f. Bd.
18, S. 605). III. Als pseudosematische (d. h. falsche Warnung s- oder Signal-) Färbungen können die Erscheinungen der Mimikry im
engern Sinne definiert werden, durch welche sich das Tier für eine cmdre schlecht schineckende oder gefährlich anzugreifende
Art ausgibt, oder endlich bei Raubtieren einen Lecker- bissen vorspiegelt, der ihre Opfer herbeizieht.
Man unterscheidet dabei:
1) pseudoaposematische Färbungen, welche genießbaren und harmlosen Arten das Aussehen schlechtschmcckender, harter oder
gefährlicher Arten des Gebietes geben. Es werden namentlich nachgeahmt unter den Vögeln streitbare Arten, unter den Schlangen
[* 34] giftige, unter den Käfern harte Rüßler, übelschmeckende Leucht- und Pilzkäfer, unter den HautflüglernBienen,
Hummeln, Wespen und Ameisen, unter den Schmetterlingen die beiden großen Abteilungen der altweltlichen Danaiden und der neuweltlichen
Helikoniden sowie die beiden Weltteilen angehörigen Akräiden und manche Papilioniden.
Die große Mannigfaltigkeit der hierbei möglichen Fälle hat Poulton an den indischen und afrikanischen Schmetterlingen erläutert,
wobei er namentlich sieben Fälle hervorhebt, die hier, aber in andrer, verbesserter Form wiedergegeben
werden: a) Gewöhnlich ahmen nurdie Weib chenandre Arten nach, weil sie mehr Gefahren ausgesetzt sind als die schneller fliegenden
Männchen, und werden letztern dadurch oft völlig unähnlich. So ahmt das Weibchen von Hviwl)'iuuü8 dolina. die Nu^Ioea,
d"i'6 nach, während das Männchen nicht mimetisch ist.
Dasselbe gilt für Hvpol^iuii^ Hlisip Ms, dessen Weibchen I)lnun8 (^liry8iiwu8 nachahmt, und viele ähnliche Fälle, d) Mitunter
ahmen die Weibchen einer Art in verschiedenen Gegenden zwei oder mehr geschützte Vorbilder nach, während das Männchen
sich durch das ganze Gebiet gleich bleibt und zwei oder mehr ganz verschiedene Weiber besitzt. Hierher
ge Hört vor allem das Weibchen von 1^i"i1io Nei Dos, dessen Verhalten Bd. 18, S. 620, geschildert ist. c)
Der umgekehrte Fall, in welchem mehrere verschiedene Schmetterlinge derselben Gegend dasselbe Vorbild nachahmen und dadurch
unter sich ähnlich werden, ist ebendaselbst an^oi'3.6ci^^ina und ihren Nachahmern erläutert, ä) Aber auch beide
Geschlechter einer Art können als Nachahmer auftreten, und zwar derselben Form, wie z. B.
diejenigen von I^Mio ^ß'68tor, welche die viel häufigere und auch von andern Faltern nachgebildete ungenießbare NuM)6H
^vtm kopieren.
6) Auch können Männchen und Weibchen die unter fich verschiedenen Geschlechter einer andern Art zu Vorbildern nehmen, und
so ergab Uiueoi^ik ?lni6m.1'3. in Indien ein Doppelgängerpaar zu?li Mio I'rotknoi'. t) Ebenso können
Männchen und Weibchen zwei verschiedenen Arten als ihren Vorbildern folgen und vermindern dadurch die aus der Häufigkeit
der Nachbilder etwa entstehende Gefahr, erkannt zu werden. So ahmt das Männchen der indischen ^I)'miiia8 Ikncoo^mn. die Nn^ios^
dinot Ät^, oa K Weibchen dagegen die weibliche Nupioe^ I/inn^6i nach, und diese beiden Nupioo". werden
außerdem uon^.m65in^lillkma genau kopiert. Schmetterlinge, welche Wespen, Bienen und Hummeln gleichen, bieten die einheimischen
Gattungen ^loolulium und sesiH in großer Anzahl (s. Schmetterlinge),
¶