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558 Kujundzic - Kunstausstellungen des Jahres 1891 in Deutschland [* 2] Kujundzic lspr. -schitsch), Milan, serb. Gelehrter, geb. 16. Febr. 18^2 zu Belgrad, [* 3] studierte iu Wien, [* 4] München, [* 5] Paris [* 6] und Oxford [* 7] Philosophie, war 1873 bis 1883 Professor an der Hochschule in Belgrad, darauf außerordentlicher Gesandter in Rom, [* 8] '188^ bis 1887 Finainminister. Er schrieb einige philosophische Schriften (Die Philosophie in Serbien«, [* 9] 1868; »Über den Fortschritt der Menschheit«, 1871; »Die Lehre [* 10] vom Gewissen«, 1872),
gab unter dem Pseudonym Aberdar zwei Bündchen lyrischer Gedichte heraus, redigierte seit 1873 den " (iiasnik (Zeitschrift der Serbischen gelehrten Gesellschaft) und war 1882-85 Präsident der serbischen Skuptschina. Kunstausstellungen des Jahres 1!ll)1 in Dcutjch/ F/ H. Auch im vorigen Jahre drehte sich das Hauptinteresse aller, die die Bewegung auf dem Gebiete der modernen Kunst mit Aufmerksamkeit als Mitwirkende oder als teilnahlnevolle Zuschauer verfolgen, um den sich von Jahr zu Jahr mehr zuspitzenden Wettstreit zwischen Berlin [* 11] und München um die Führerschaftim Kunstausstellungswesen. Der größere Glanz und Erfolg fielen diesmal auf Berlin, das aus Anlaß des 50jährigen Bestehens des Vereins Berliner [* 12] Künstler eine von diesem ins Werk gesetzte internationale Kunstausstellung veranstaltet hatte, die vom 1. Mai bis 8. Oktober dauerte, während München sich mit einer einfachen Jahresausstellung begnügte, die freilich auch einen internationalen Charakter trug. Für 1892 sind die Rollen [* 13] wieder vertauscht worden: München wird eine internationale Kunstausstellung in großem Stile, die 6. in der Reihe seit 1858, unternehmen, und die Leitung der großen Berliner Ausstellung gcht wieder in die Hände des Senats der Akademie der Künste über. Jedoch wird diese Kunstausstellung die letzte in der bisher üblich gewesenen Form sein, da eine völlige Umgestaltung des Berliner Kunstausstellungswesens geplant ist. Die Kunst und die Künstler können unter diesem Wetteifer nur gewinnen. Je mehr sich aber der Umfang der internationalen Kunstausstellungen ausdehnt, je mehr jede folgende ihre Vorgängerin zu überbieten bestrebt ist, desto mehr steigert sich die einheimische künstlerische Produktion, der, zumal bei dem Wettbewerb des Auslandes, keine entsprechende Abnahme gegenübersteht, und desto fraglicher wird die Rentabilität der Ausstellungen für die Unternehmer. Trotz ihrer langen Dauer und ihres außergewöhnlich zahlreichen Besuches hat selbst die Berliner Ausstellung ein finanzielles Ergebnis gehabt, das in keinem richtigen Verhältnis zu dem Kostenaufwand steht. I. Die internationale Kunstausstellung in Berlin. Einen vollen Anspruch auf das Beiwort «international« konnte die Jubiläumsausstellung des Vereins Berliner Künstler nicht erheben, weil die französischen Künstler, deren Beteiligung unter der Leitung des Schlachtenmalers E.Detaille erfolgen sollte,2 Monate vor der Eröffnung der Ausstellung ihre Zusage wieder zurückzogen.
Der Besuch der Kaiserin Friedrich, der Protektorin des Unternehmens, in Paris führte das Gegenteil von dem herbei, was er bezweckte. Während die Kaiserin die Ateliers hervorragender Künstler besuchte, um sie für die Berliner Kunstausstellung zu interessieren, benutzte die Pariser Hetzpresse die Gelegenheit, um den Preußenhaß von neuen: zu schüren, und unter dem Druck der Pöbelexzesse wagten die Künstler, die sich bereits zur Beteiligung angemeldet hatten, nicht, ihr Wort zu halten.
Nur W. A. Bouguereau, der Tiermaler Felix de Vuillefroy und die Genre- und Blumenmalerin Madeleine Lemaire ließen sich durch die Chauvinisten nicht abschrecken, fich ihrem Versprechen gemäß direkt an der Berliner Ausstellung mit Werken Zu beteiligen, die von ihrem künstlerischen Vermögen eine richtige Vorstellung gaben. Dagegen waren alle übrigen tunstübcnden Nationen so reich und mit so ausgewählten, für den gegenwärtigen Stand des Kunstschaffens charakteristischen Weckn vertreten, daß die moderne Kunstbewegung wenigstens in ihren 5)öhe- und Lichtpunkten, wenn auch nicht in ihren Verirrungen nach dem zusammengebrachten Material (rund 5000 Nummern) richtig beurteilt werden konnte.
Berlin und München sind nämlich auch dcnva Antipoden auf dem Gebiete der Kunstausstellungen, daß die Berliner Juroren sich gegen die Ausschreitungen des Naturalismus und semer Spielarten ablehnend verhalten, wählend die Münchener ihren Glaspalast jeder neuen Richtung weit öffnen, ohne nach ihrer ästhetischen oder künstlerischen Berechtigung zu fragen, und dafür die Anhänger der ältern Kunstanschauungen auf geringen Raun: beschränken. Die in zusammenhängenden Sälen und Kabinetten angeordneten Ausstellungen der meisten fremden Nationen waren in Berlin von Künstlern des eignen Landes arrangiert worden, und sie unterlagen deshalb auch nicht dem Urteil der Berliner Jury.
Um so mehr fällt die Beobachtung ins Gewicht, das; der Naturalismus in der modernen Kunst keineswegs so tief Wurzeln gefaßt hat, wie seine Anhänger und ihre Wortführer in der Presse [* 14] glauben machen wollen. Gerade die Künstler der Nationen, deren Schöpfungen nach dem von der Berliner Ausstellung gebotenen Gesamtbilde den besten Teil ihrer wirksamen Kraft [* 15] aus dem heimatlichen Boden gesogen und aus dieser Kraft auch den Aufschwung zu Werken großen Stiles genommen haben, suchen Inhalt und Form zu einem so einheitlichen Ganzen zu verbinden, daß für den Naturalismus, der entweder die Form vernichtet, um nur die koloristische Stimmung wirken zu lassen, oder nur die rohe Form zur Anschauung bringt, ohne damit einen Gedanken oder eine Empfindung auszudrücken, kein Platz in diesem Gestaltungsprozcß übrigbleibt.
Daß Spanien, [* 16] Ungarn [* 17] und Italien [* 18] diejenigen Länder sind, in denen die Kunst in engerm Zusammenhang mit dem Volkstum und der vaterländischen Geschichte steht als irgendwo anders, erklärt sich zum Teil aus den politischen Verhältnissen, zumeist aber aus der Eigentümlichkeit der Rasse, aus der unverwüstlichen Kraft der Volksseele. Diese Kraft ist um so bewundernswerter, als die Mehrzahl der Künstler jener Länder nicht mehr Rom, sonocrn Paris für die hohe Schule der Kunst hält oder doch in Werken Pariser Künstler nachahmungswürdige Vorbilder sieht.
Diese .Hochschule fördert aber nur die malerische Technik, bereichert nur die Kenntnis von technischen Kunstgriffen, von neuen Prozeduren, die mehr dein krankhaften Neuerungsbedürfnis unserer Zeit frönen, als sie die Kunst wirklich vorwärts bringen. Daß viele von den Künstlern, die nach Paris gewandert sind und sich nach längerm oder kürzerm Aufenthalt von dort losgerissen haben und in die Heimat zurückgekehrt sind, hier wieder den wirklichen Nährboden ihrer Kunst gefunden haben, ist ein Zeugnis für die Kraft, die das Nationalitätsbewußtsein' immer noch einflößt. Nichtsdestoweniger muß aber darauf hingewiesen werden, daß die Anziehungskraft von Paris auf die Künstler der ganzen Welt stetig wächst, und daß alle politischen Wirren der letzten Jahrzehnte nicht den geringsten nachteiligen Einfluß auf das ^unstleöen und die künstlerische Bewegung in der französischen Hauptstadt geübt haben. ¶
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Spanien, das auf der Berliner Ausstellung am imposantesten vertreten war, weil seine Künstler die Geschichtsmalerei großen Stiles mit demselben Eifer pflegen wie die Genremalerei, hat die engsten Beziehungen zu Paris, aber ebenso enge und noch ältere zu Nom. Hier wie dort haben viele spanische Künstler ihren ständigen Wohnsitz, halten aber den Zusammenhang mit ihrer Heimat aufrecht, indem sie den Schwerpunkt [* 20] ihres Schaffens in die Behandlung nationaler Stoffe legen.
Die in Nom lebenden oder dort gebildeten Spanier greifen gelegentlich auch ihre Motive aus dem römischen Volksleben und aus der ältern römischen Geschichte heraus, wofür die Berliner Ausstellung in einer Gruppe betender Bauern vor einem Madonnenbilde an der Landstraße von Luauey Rosella, in einer römischen Straßenszene: Arbeiten am Tiber, von Enrico Serra, in einer an Blut und Leichen reichen Darstellung aus dem Spoliarium eines römischen Amphitheaters von Juan Luna y Novicio, der Auffindung der Leiche des heil. Sebastian in den Kloaken zu Rom von Alejandro Ferrant und in einigen naturgroßen, höchst energisch charakterisierten [* 19] Figurenstudien zu einem Gemälde aus der venezianischen Geschichte von Jose Villegas einige Beispiele von hervorragender künstlerischer Bedeutung bot.
Aber die Mehrzahl hält sich an die Heimat, wobei Zu betonen ist, daß die spanische Malerei des 16. und 17. Jahrh, keinen irgendwie erheblichen Einfluß auf die moderne auszuüben scheint. Nur darin begegnen sich die Neuern mit Velazquez, daß sie ebenso energisch wie jener den Anschluß an die Natur, an die Realität der Erscheinung suchen. Nach dieser Richtung ist keiner Velazauez so nahe gekommen wie L. Alvare; (s. d.) in dem Geschichtsbilde: der Felssitz Philipps II. beim Eskorial, das trotz der einfachen Komposition und der schlichten malerischen Darstellung alle übrigen Historienbilder der Ausstellung an großartiger Wirkung übertraf.
Derselbe Künstler ist aber in einer spanischen Trauerversammlung aus dem Jahre 1824 durchaus originell, während er sich in einem Genrebild mit kleinen Figuren: Krieg im Frieden, einer Szene aus der französischen Invasion in Spanien, in der von Meissonier und Fortuny begründeten, auf hell leuchtende Farbenwirkungen ausgehenden Richtung der Kostümmalerei bewegt. Derselben Richtung folgen auch Jose Gallegos (Trauung in der Sakristei des Domes zu Sevilla), [* 21] Jose Benlliure v Gil (das Fest der Madonna und Katechismuslehre), Salvator Viniegra y Lasso (die Kapelle der Torreros), Enrique Melida und Francisco de Pradilla, der allein von den hervorragenden Malern Spaniens auf der Berliner Ausstellung fehlte, den wir aber der Vollständigkeit halber hier erwähnen, weil er in Bildern aus dein Voikstreiben auf kleinstem Raume das höchste Maß individuellen Lebens und mannigfaltiger Charakteristik zu entfalten weiß.
Diese Künstler haben diese Gattung der Malerei über Fortuny hinaus noch weiter entwickelt, indem sie teils nach größerer Schärfe und Tiefe der Charakteristik streben, teils zu einem noch reichern, blühendern und harmomevollern Kolorit gelangt sind. Sie vertreten die nationale Eigenart der spanischen Malerei ebenso entschieden und nachdrücklich wie die Geschichtsmaler, von denen noch Andres Parlade (der Vertrag zu Caspe), Salvador [* 22] Martinez Cubells (Huldigung der Vasallen Dom Pedros I. vor der Leiche der Ines de Castro) und Emilio Sala (Vertreibung der Juden aus Spanien) hervorzuheben sind.
Als eigenartige, mit feinem malerischen Gefühl und großer technischer Virtuosität begabte Vertreter der spanischen Kunst sind auch der 'Militärmaler Jose Cusachs y Cusachs, die Gräfin Antonia de Banuelos (Kinderbildnisse), der Landschaftsmaler Juan Roig y Soler und die Bildhauer Justo de Gandaria, Augustin Querol und Mariano Benlliure y Gil zu nennen. Am wenigsten hervorragend ist die^andschafts- und Marinemalerei, vielleicht weil der spanische Himmel [* 23] der Stimmungsmalerei, in der die Entwickelung der modernen Landschaftsmalerei gipfelt, nicht günstig ist.
Dagegen hat die Landschaftsmalerei in Italien in neuerer Zeit eine liebevolle und vielseitige Pflege gefunden, nachdem sie Jahrzehnte hindurch völlig vernachlässigt worden war. Im Gegensatze zu der Mehrzahl der ausländischen Maler, die die italienische Natur in ihrem Feiertagskleide, von ihrer romantischen Seite aufzufassen lieben, suchen die Italiener den Stimmungsgehalt ihrer heimischen Landschaft auszubeuten, weshalb sie die Herbst- und Win! terzett oder Frühlingsmotive bei leicht verschleiertem Himmel bevorzugen.
Die an der Berliner Ausstellung beteiligten Hauptvertreter der Stimmungslandschaft sind Filippo Carcano (s. d.), Guglielmo Eiardi, Giovanni Segantini, Carlo Brancaccio (s. d.), Filiberto Petiti, Lorenzo Delleani, Guido Voggiani, Achille Vertunni und Aristide Sartorio. Carcano und Segantini gehören der naturalistischen Richtung an. Geringern Boden hat der Naturalismus in der italienischen Genremalerei gewonnen, die sich immer mehr von der eleganten Kostümmalerei in der Art Fortunys frei macht und immer tiefer in das Volkstum der Gegenwart eindringt.
Dem Volkscharakter entsprechend bewegt sich die Genremalerei zumeist zwischen Gegensätzen, zwischen der pathetischen Schilderung dramatischer Vorgänge oder der Darstellung heitern Lebensgenusses und sorgloser Freude am Dasein, wobei das Hauptgewicht immer stärker auf die koloristische Wirkung gelegt wird. Das verratene Mädchen, an dem der Hochzeitszug ihres Verführers vorüberzieht, von Augusto Corelli, die Bilder aus dem arabischen und römischen Volksleben von dem Aquarellisten Gustavo Simoni, das Urteil eines modernen Paris und der Blumenmarkt in Verona [* 24] von Angelo Dall' Oca Bianca (s.d.), die moderne Promenade und der Marktplatz in Venedig [* 25] von dem verstorbenen Giacomo Favretto, die Rückkehr des Reservisten von Lojacono, die durch höchste Lebendigkeit, Feinheit und Schärfe der Charakteristik ausgezeichneten Bil! der aus dem Volksleben in den Abruzzen (Korpus Tomini-Fest, der Kirchgang, die Serenade) von! Paolo Michetti (s. d.), die Wäscherinnen am Garda! see von Ettore Tito und das Blumenfest in Venedig! von Scipione Vannutelli waren in Berlin die charat! tervollsten Proben dieser der Schilderung des modernen Lebens zugewendeten Richtung der italienischen Malerei.
Die feinste und reichste koloristische Ausbildung zeigten darunter die Bilder von Dali' Oca Bianca. Während dieser die Konturen der Figuren in der umgebenden Luft gewissermaßen auf, löst und sie mit einein farbigen, duftigen Schimmer umhüllt, modelliert Michetti seine Figuren zu voller, plastischer Rundung heraus oder er zeichnet sie mit jener schneidigen Schärfe, mit jener prickelnden Nervosität, die Fortuny eigentümlich waren. Am schwächsten war die Geschichtsmalerei vertreten, und sie kann in Italien nach der Einigung des Königreiches unter einem Zepter auch noch »icht den zu ihrem Gedeihen nötigen Boden gefunden haben, da die Geschichte des neuen Italien noch zu jung und zu arm an großen Ereignissen ist, um die Maler zu ¶