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hier und da die Wirkung hervor, daß Vorgänge nationalen Charakters Konfessionsänderungen bedingen. So bat der Mangel an deutschen Seelsorgern, resp. der Widerstand gegen die tschechischen die katholische B.'völkerung mehrerer Orte in Nordböhmen zum übertritt zum Altkatholi-Zismus veranlaßt; aus derselben Ursache sind in einigen Gegenden der Bukowina ruthenische Dörfer orientalischen Glaubens zum unierten griechischen Bekenntnis übergetreten, um an Stelle rumänischer Seelsorger solche ihrer Sprache [* 2] zu erlangen.
Was nun die Frage der Zu- oder Abnahme der in der letzten Zeit anbelangt, so kann diese nur für einige Städte beantwortet werden. Es war die Anzahl der in Wien [* 3] im Durchschnitt der Jahre Männl. Weibl. Zus. )868 50 66 116 1869102 147 249 1870-74 174 203 377 1875-79 160 189 349 Die Anzahl der Übertritte zum Protestantismus und der Austritt aus demselben war in Berlin: [* 4] Jahre Manus. Weibl. Zus. 1880-84 259 305 564 1885-39 325 363 688 1889 348 387 735 1880 . .. 174 1883 . .. 28? 1886 . .. 379 1881 . .. 224 1884 . .. 313 1887 . .. 399 1882 . .. 225 1885 . .. 306 1888 . .. 550 Was Österreich [* 5] anbelangt, so sind durch das Gesetz vom (R.-G.-Vl. 49, Art. 4 u. 6) die geltenden Bedingungen für die Konfessionsänderungen geschaffen worden.
Danach hat nach dem 14. Lebensjahr jedermann ohne Unterschied des Geschlechts die freie Wahl des Religionsbekenntnisses nach seiner eignen Überzeugung und ist in dieser freien Wahl nötigen Falls von der Behörde zu schützen. Damit der Austritt aus einer Religionsgenossenschaft gesetzliche Wirkung habe, muß der Äustretende denselben der politischen Behörde melden, welche dem Vorsteher oder Seelsorger der verlassenen Konfession die Anzeige übermittelt.
Den Eintritt in die neugewählte Konfession muß der Eintretende dem betreffenden Vorsteher oder Seelsorger persönlich erklären. Unmittelbar nach der Erlassung dieses Gesetzes steigt die Zahl der Konfessionsänderungen, wenigstens in Wien, durch einige Jahre kräftig an, um sich dann mit Schwankungen zu erhalten und erst in der jüngsten Zeit wieder stark zuzunehmen. In Berlin, wo wir die Eintritte zur und die Austritte aus der evangelischen Konfession verfolgen können, steigt die Zahl beider seit 1880 entschieden an. Was das Geschlecht der Konvertiten anbelangt, so ist schon seit jeher ein Überwiegen des weiblichen über das männliche zu konstatieren; in der folgenden Tabelle find bezüglich Geschlecht, Alter und Zivilstand die 620 Fälle zusammengefaßt, welche für die Gegenwart in den österreichischen Städten durch das »Österreichische Städtebuch« erhoben wurden. Hauptsumme Davon männl. Weibl.
Ge Alter inkl. der Fälle unbck. Geschl. u. Iivilstandes Geschlecht schlecht ledig verh. ledig verh. über 7 Jahre 2.j 8 9 __ 8-14 11 4 5 15-20 6Ü 26 36 1 20-24 74 20 1 38 9 25-30 152 59 7 41 15 31-40 146 30 28 25 1? 41-50 47 8 5 6 7 über 50 21 4 6 1 4 unbekannt 83 3 9 6 6 Zus. in22Städten ohne Wien .. . 620 162 56 16? 59 In Wien 1839 . 246 58 274 64 Die fast durchweg gefundene größere Anzahl der Konfessionsänderungen bei dem weiblichen Geschlecht ist dadurch zu erklären, daß sich das Weib bei der Eheschließung dem Manne unter den gegenwärtigen sozialen Verhältnissen akkommodieren muß, was sich auch auf die Annahme der Konfession des Bräutigams erstreckt.
Daß die Eheschließung die Hauptursache der Konfessionsänderungen sei, tritt deutlich hervor, wenn wir die Alters- und Zivilstands Verhältnisse der Konvertiten ins Auge [* 6] fassen. Die Zahl der Ledigen verhält sich zu jener der Verheirateten bei den Konfessionsänderungen wie 4:1, und fast zwei Drittel der Konvertiten stehen in jenen Altersklassen, welche als das eigentliche Heiratsalter zu bezeichnen sind. Dazu kommt noch, daß sich die ledigen und verheirateten Konvertiten beider Geschlechter an Zahl ziemlich gleich sieben, wobei nur das bekannte Überwiegen des weiblichen Geschlechts zu beachten ist.
Hierin liegt wohl der deutliche Hinweis, daß die Eheschließung bei beiden Eheleuten (beim weiblichen etwas mehr) als Konversionsursachein Vetrachtkonimt. Aber nicht nur die Eheschließung, sondern auch die Ehe selbst ist als Konversionsursache zu bezeichnen, wie die Fälle der verheirateten Konvertiten beweisen; hier ist meist der Umstand der Kindererziehung in gemischten Ehen maßgebend. Bei der österreichischen Erhebung wurde unter anderm auch die Frage nach der Ursache des Religionsübertrittes gestellt, und dieselbe fast ausschließlich mit dem Hinweis auf eine abzuschließende oder abgeschlossene Ehe beantwortet. Um die Einwirkung des Berufes auf die Konfessionsänderungen zu erfassen, sind in der folgenden Tabelle die Berufsarten in zwei .^auptgruppen, nämlich einerseits die Gewerbsangehörigen und niedern Schichten und anderseits die sogen, liberalen Berufe im weitesten Umfange zusammengefaßt.
Von den Neligionsübertritten in Wien im'1.1886 kamen auf die verschiedenen Berufsarten: Beamte 39 Ärzte 10 Advokaten 12 Techniker 6 Professoren und Lehrer .. 15 Studierende 41 Musiker. Tanger, Thea terpersonal 21 Militärpersonen .. .. 12 Rentiers. Hausbesitzer u. Pensionisten 10 Kaufleute und Agenten .. 45 Hilfsarbeiter beim Handel .. 3? Fabrikanten u. Gewerbsleute 89 Hilfsarbeiter beim Gewerbe 62 Dienstboten 32 Handarbeiter U.Tagelöhner 35 Sonstige Berufe 40 Zusammen 340 Unbekannten Berufes .. .. 193 Insgesamt 699 Zusammen 166 Wenn wir uns vor Augen halten, wie sehr die liberalen Berufe in: Verhältnis zu der Gesamtbevölkerung auch in einer großen Stadt an Zahl zurücktreten, so müssen wir die Beteiligung derselben an den Religionsübertritten als verhältnismäßig ungemein intensiv hinstellen.
Von großem Interesse ist es, das verschiedenartige Verhalten der einzelnen Konfessionen [* 7] zu den Konfessionsänderungen zu beobachten. In Berlin fanden statt im Übertritte zur evangel. Konfession Übertritte von Jahr aus der kathol. aus der jüdischen Protestanten Konfession Konfession zum Judentum 1888 152 145 3 1887 153 103 6 1886 150 88 4 1885 134 67 1 1684 157 59 6 1883 149 54 5 1882 103 51 13 1381 9s 48 4 1880 77 43 4 ^ Meyers KAU)..^erüon. 4. Aufl.. .XIX. Bd. 35 ¶