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nunmehr § 120 dieses Gesetzes, wie folgt: Die Gewerbeunternehmer sind verpflichtet, ihren Arbeitern unter 18 Jahren, welche eine von der Gemeindebehörde oder vom Staat als Fortbildungsschule anerkannte Unterrichtsanstalt besuchen, hierzu die erforderlichen Falls von der zuständigen Behörde festzusetzende Zeit zu gewähren. Am Sonntag darf der Unterricht nur stattfinden, wenn die Unterrichtsstunden so gelegt werden, daß die Schüler nicht gehindert sind, den Hauptgottesdienst oder einen für sie eingerichteten besondern Gottesdienst ihrer Konfession zu besuchen.
Ausnahmen von dieser Bestimmung kann die
Zentralbehörde für bestehende Fortbildungsschulen
, zu deren Besuch keine Verpflichtung besteht,
bis zum gestatten. Durch statutarische Bestimmung einer
Gemeinde oder eines weitern Kommunalverbandes
kann für männliche
Arbeiter unter 18
Jahren die Verpflichtung zum Besuch einer
Fortbildungsschule, soweit diese Verpflichtung
nicht landesgesetzlich besteht, begründet werden. Auf demselben Wege können die zur
Durchführung dieser Verpflichtung erforderlichen
Bestimmungen getroffen werden.
Insbesondere können durch statutarische Bestimmung die zur Sicherung eines regelmäßigen Schulbesuchs den Schulpflichtigen sowie deren Eltern, Vormündern und Arbeitgebern obliegenden Verpflichtungen bestimmt und diejenigen Vorschriften erlassen werden, durch welche die Ordnung in der Fortbildungsschule und ein gebührliches Verhalten der Schüler gesichert wird. Von der durch statutarische Bestimmung begründeten Pflicht zum Besuch einer Fortbildungsschule sind diejenigen befreit, welche eine Innungs- oder andre Fortbildungs- oder Fachschule besuchen, sofern der Unterricht dieser Schule von der höhern Verwaltungsbehörde als ein ausreichender Ersatz des allgemeinen Fortbildungsschulunterrichts anerkannt wird." Man darf hoffen, daß auf dieser Grundlage die schädlichen Folgen der eingetretenen Rechtsunsicherheit bald wieder ausgeglichen sein werden und zugleich ein neuer Aufschwung des Fortbildungsschulwesens überhaupt in Preußen [* 2] eintreten wird.
Diese
Hoffnung gilt besonders auch für die bereits genannten
Provinzen
Posen
[* 3] und
Westpreußen,
[* 4] deren eigenartige Verhältnisse
hier noch kurz berührt werden müssen. Durch das
Gesetz vom (eins der sogen. Polengesetze) ist der
Minister für
Handel und
Gewerbe ermächtigt, in beiden
Provinzen Fortbildungsschulen
aus Staatsmitteln zu errichten und zu unterhalten
und an denjenigen
Orten, in denen die Verpflichtung zum Besuch der Anstalten nicht durch
Ortsstatut begründet wird, diese
Verpflichtung den Arbeitern unter 18
Jahren aufzuerlegen; jedoch darf auch nach diesem
Gesetz schon
Sonntags während der
Stunden
des Hauptgottesdienstes nicht unterrichtet werden.
Auf
Grund dieses
Gesetzes wurden die
Magistrate aller
Städte von 1000 Einw. und darüber, mit Ausnahme von
Posen und
Danzig,
[* 5] aufgefordert,
Ortsstatute zu erlassen, durch die den noch nicht 18 Jahre alten
Lehrlingen,
Gesellen,
Gehilfen
und gewerblichen Arbeitern die Verpflichtung zum Besuch der zu errichtenden staatlichen Fortbildungsschulen
auferlegt
wurde. Dieser
Aufforderung haben alle
Magistrate bis auf drei in kleinen
Orten entsprochen, und für diese
hat der Handelsminister von der ihm erteilten Befugnis
Gebrauch gemacht und die Verpflichtung ausgesprochen. Auch die nach
damaliger Sachlage notwendigen Polizeiverordnungen ergingen für alle
Städte, und das Werk nahm noch bis 1890 einen im wesentlichen
erfreulichen Fortgang. Über die dann eingetretenen Schwierigkeiten
wie über die gesetzliche Gegenmaßregel ist bereits berichtet worden.
Der Bestand der in der preußischen
Monarchie war im J. 1890: 573 obligatorische gewerbliche
Schulen mit 61,338
Schülern (davon
in
Posen und
Westpreußen 159
Schulen mit 12,013
Schülern), 367 fakultative gewerbliche Fortbildungsschulen
mit 43,704
Schülern, 727 ländliche
Fortbildungsschulen
mit 11,144
Schülern. Den gewerblichen Fortbildungsschulen
müssen aber, um das
Bild nicht unvollständig zu lassen,
noch 289 Innungsschulen
mit 12,118
Schülern und 35 andre von gewerblichen
Verbänden begründete niedere
Fachschulen, die hierher
gehören, mit 2408
Schülern zugerechnet werden, so daß im ganzen herauskommen: 1264 gewerbliche Fortbildungsschulen
mit 119,568
Schülern und (die ländlichen eingerechnet) 1991 Fortbildungsschulen überhaupt mit 130,712
Schülern.
Diese Zahlen zeigen gegen 1882 einen erheblichen Fortschritt. Allein der Fortschritt ist wahrscheinlich größer, als die Zahlen an sich annehmen lassen, da die oben angegebene Summe von 1882 (1261 Schulen und 68,712 Schüler), wie nachträglich erkannt worden, eine Anzahl von Anstalten einschließt, die nicht unter den Begriff der Fortbildungsschulen gehören. Entsprechend hat auch der Aufwand des Staates für die Fortbildungsschulen zugenommen. Er betrug noch 1885 nur 177,000 Mr., 1886 wurden daraus 197,000 Mk., denen damals für Posen und Westpreußen 200,000 (zusammen 397,000) Mk. hinzutraten. Im Staatshaushalt für 1890/91 betrug der Ansatz für Posen und Westpreußen 350,000 Ml. und für die übrige Monarchie 440,000 Mk., zusammen 790,000 Mk.
Der Fortschritt auf diesem Gebiet während der letzten Jahre war bedeutend und gereicht dessen berufenen Pflegern zur hohen Ehre. Allein das Ergebnis für sich genommen ist noch lange kein genügendes. Darüber täuscht der Verfasser der Denkschrift sich am allerwenigsten. Vielmehr deutet er zum Schlüsse seiner lehrreichen Arbeit noch in kurzer Übersicht die überreiche Fülle gewichtiger Aufgaben an, welche in nächster Zukunft der Verwaltung des preußischen Fortbildungsschulwesens noch warten.
Sie gelten nur teilweise der dringend nötigen Vermehrung der Schulen, deren Notwendigkeit jeder vergleichende Blick auf die außerpreußischen Staaten des Deutschen Reiches unwidersprechlich einleuchten läßt. Ebenso wesentlich ist eine Reihe von Punkten, deren Wert auf dem innern Gebiet liegt. Freilich ist auch die Abhilfe in diesen Punkten wesentlich eine Geldfrage. »Es erhellt dies schon daraus, daß bei weitem der größere Teil der Summe von 203,000 Mk., um die der zu Zuschüssen für Fortbildungsschulen bestimmte Fonds vor zwei Jahren erhöht worden ist, zur Verbesserung schon vorhandener Anstaltenverwendetwerden mußte. Mit reichlichen Mitteln ließe sich noch die Teilung vieler überfüllter Klassen, die Vermehrung des Unterrichts, die Verbesserung der Schullokale, der Beleuchtung [* 6] und des Inventars, die Vermehrung und Beschaffung besserer Lehrimttel, die unentgeltliche Abgabe oder das Darleihen von Zeichemnaterialien oder Zeichengeräten an unbemittelte Schüler, die Vermehrung der Prämien für fleißige Schüler und die Einrichtung von Schülerbibliotheken sowie die Beschaffung von einigen zum Selbststudium für die Lehrer nötigen Werken möglich machen.« Allgemein empfunden wird der Mangel an recht geeigneten Lesebüchern für Fortbildungsschulen, wiewohl in dieser Hinsicht ganz beachtenswerte Versuche bereits gemacht worden. Fast schwerer noch wiegt der Mangel eigentlicher Fachbildung bei der Mehrzahl der Lehrer, der wenigstens an den gewerblichen Fortbildungsschulen nachteilig wirkt. Der ¶
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Unterricht an diesen Schulen verlangt gute pädagogische Vorbildung, die den Volksschullehrern städtischer Schulen eigen zu sein pflegt, aber daneben auch Verständnis für die gewerblichen, beruflichen Gesichtspunkte, die beachtet sein wollen. Namentlich stellt das gewerbliche Zeichnen ganz eigenartige Ansprüche an den Lehrer, die nicht bloß das Mittelmaß des bisher in den Seminaren des Staates Erreichten und Erreichbaren erheblich übersteigen, sondern auch auf besondern, der allgemeinen Lehrerbildung fremden Grundlagen beruhen.
Das Ministerium und mit ihm einzelne größere Vereine haben hierinschon seit Jahren durch besondere Zeichenkurse für Lehrer in Berlin [* 8] und andern Mittelpunkten Wandel zu schaffen gesucht. Für die Zukunft jedoch beschäftigt das Ministerium sich ernstlich mit dem Plan eines eignen Seminars für Lehrer an Fortbildungsschulen, der freilich noch erst klarere Gestalt gewinnen muß. Schwierig ist die Frage der geregelten Beaufsichtigung der gewerblichen Fortbildungsschulen, die zugleich sachverständig in beiden Hinsichten (Schule, Gewerbe) und nachdrücklich sein muß. Diese den ohnedies vielfach überlasteten Schulinspektoren aufzubürden, wäre unbillig und meist wenig wirksam. Eigne sachkundige Oberleiter haben aber bisher nur an den reicher organisierten Fortbildungsschulen größerer Städte sich heranbilden und anstellen lassen.
So harren noch manche tiefeingreifende Fragen der Lösung auf einem Felde, dessen hohe Bedeutsamkeit für die Erwerbstüchtigkeit wie für die sittliche Förderung der Nation kein einsichtiger Freund des Vaterlandes verkennen kann. Man wird nicht irren, wenn man im gegenwärtigen Stadium des Überganges zu einem neuen, durch die Handelsverträge von 1891 bedingten volkswirtschaftlichen System diesen Problemen doppeltes Gewicht beilegt und wünscht, daß das Verständnis für sie sich immer mehr ausbreiten und allen beteiligten Kreisen im entscheidenden Augenblick recht gegenwärtig sein möge.
Vgl. Lüders, Denkschriften über die Entwickelung der gewerblichen Fachschulen und der in Preußen 1879-90 (Berl. 1891, amtlich);
Schneider und v. Bremen, [* 9] Das Volksschulwesen im preußischen Staat, Bd. 3, S. 148 ff. (das. 1887);
Jatuschke, Praxis der Fortbildungsschule (Wittenb. 1889).