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Österreich-Ungarn [* 2] wieder nach Deutschland [* 3] zugelassen. Der wesentliche Inhalt der hierauf bezüglichen Verordnung ist folgender: Die Einfuhr von Schweinen aus Österreich-Ungarn ist nur in öffentliche Schlachthäuser, welche besonders um die Einfuhrerlaubnis nachzusuchen haben, gestattet. Der Ursprung der einzuführenden Schweine [* 4] muß durch Polizeiliche Ursprungsatteste nachgewiesen werden, in welchen die einzuführenden Schweine nach Stückzahl, Gattung (Rasse), Farbe sowie nach etwanigen besondern äußern Kennzeichen tierärztlich genau bezeichnet werden, und in denen ferner bescheinigt ist, daß die Tiere in Österreich-Ungarn aufgezogen sind, innerhalb der letzten 30 Tage vor ihrer Absendung nach Deutschland in einem zum Bezirk der attestierenden Amtsstelle gehörigen, bestimmt zu bezeichnenden Orte gestanden haben und mit ansteckenden Krankheiten nicht belastet sind.
Weitere Bedingung ist, daß die Schweine an den Grenzeingangsstellen Oderberg, Szczakowa und Dzieditz durch einen preußischen beamteten Tierarzt untersucht und kranke und verdächtige Tiere sowie die mit denselben in Berührung gekommenen Tiere von der Weiterbeförderung ausgeschlossen werden, und schließlich, daß die Schweine nach dem Passieren der Grenze in geschlossenen Eisenbahnwagen, unter Vermeidung einer Umladung oder einer durch den Eisenbahnbetrieb nicht bedingten Transportverzögerung sowie jeder Berührung mit anderm Vieh direkt an den Bestimmungsort gebracht und in dem öffentlichen Schlachthause alsbald unter polizeilicher Kontrolle abgeschlachtet werden.
Sofern das Schlachthaus nicht in unmittelbarer Verbindung mit dem Entladegeleise steht, hat die Überführung in dasselbe mittels gut schließender Wagen zu erfolgen. Die Schweine, welche nunmehr wieder nach Deutschland gelangten, stammten zumeist aus den großen Mastanstalten zu Bielitz-Biala in Galizien und Steinbruch in Ungarn. [* 5] Nur nach Schlesien [* 6] durften gemäß einem zwischen Deutschland und Österreich [* 7] getroffenen Abkommen Schweine aus andern Orten Galiziens und der Bukowina eingeführt werden.
Bielitz-Biala und Steinbruch sind große, rationell eingerichtete Mastanstalten und Märkte für Borstenvieh, welche unter ständiger veterinärpolizeilicher Kontrolle stehen. Die aus den genannten Orten stammenden Schweine dürfen nur nach Ablauf [* 8] einer vorgeschriebenen fünftägigen Konfinierung (Absperrung und Beobachtung) verladen und versendet werden. Die Herkunft aus Bielitz-Biala und Steinbruch bietet daher eine ziemlich große Gewähr für seuchenfreie Schweinetransporte; beide Orte sind gleichsam als Kontumazanstalten für den Export zu betrachten.
Bezüglich der innern Einrichtung der galizischen und ungarischen Mastanstalten ist noch zu erwähnen, daß dieselben aus einer großen Anzahl von Abteilungen bestehen, in welchen die mit Eicheln vorgemästeten Schweine von möglichst gleichlnäßigem Mastzustand untergebracht werden. Die definitive Mast geschieht mittels Mais und Gerstenschrot. Die Sauberkeit der Mastanstalten wird sehr gerühmt: zu jedem Kober gehört ein Schwimmbassin, und die Fußböden sind stets mit reinem Sand bestreut.
Die besondern Bedingungen, weiche an die wieder erlaubte Einfuhrvon Schweinen österreichisch-ungarischer Herkunft geknüpft wurden, brachten es mit sich, daß der Handel mit diesen Schweinen nicht mehr den Ausschwung nahm wie zuvor. Die meisten öffentlichen, unter geordneter sanitätspolizeilicher Kontrolle stehenden Schlachthäuser des Deutschen Reiches hatten
zwar die Erlaubnis erhalten, Schweine österreichisch ungarischer Herkunft, bez. aus den Mastanstalten Bielitz-Biala und Steinbruch, einzuführen, allein die Importeure waren wegen der Erschwerung des Handels durch Beibringung von Ursprungsattesten und durch die Vorschrift der Route, welche es ihnen unmöglich machte, die günstigen Konjunkturen der verschiedenen Märkte auszunutzen, sowie durch das Risiko, im Falle eines Seuchenausbruchs den ganzen Transport an der Grenze abschlachten zu müssen, nicht mehr in der Lage, die Schweine zu den frühern billigen Preisen zu liefern.
Hierzu kam, daß die Mastanstalten Bielitz-Biala und Steinbruch nur fette Schweine (Bakonyer, Mangalicza- und Szalontaer Schweine) lieferten mit einer großen Ausbeute an Fett, einer geringen dagegen an Fleisch. Das letztere ist außerdem von einer Qualität, welche in Deutschland nicht gern genossen wird. Es ist nämlich weich, stark mit öligem Fette durchsetzt und nicht von dem angenehmen Geschmack, durch welchen sich das Fleisch der übrigen, insbesondere der deutschen veredelten Schweinerassen auszeichnet.
Aus diesen Gründen ist es daher auch ganz natürlich, daß die Gewerbtreibenden und das große Publikum sich mit der bedingten Zulassung der ungarischen und galizischen Fettschweine nicht begnügten, sondern in zahlreichen Bittschriften an den Reichskanzler nachdrücklichst die Gestattung der Einfuhr magerer, sogen. Fleischschweine verlangten. Hierbei wurde namentlich auf die dänische Ware, welche früher einen erklecklichen Teil des deutschen Bedarfs gedeckt hatte, sowie auf die russischen und italienischen Schweine hingewiesen.
Gleichzeitig wurde betont, daß infolge des allgemeinen Schweinemangels in Deutschland in höherm Grade als zuvor die Rinderbestände des Landes angegriffen worden seien und sich nunmehr auch ein Mangel an schlachtbarem Rindvieh besonders fühlbar gemacht habe. Wir haben bereits erwähnt, daß der Import von Rindvieh infolge der Zollerhöhung bereits sehr stark zurückgegangen war. Infolge der thatsächlichen Fleischnot wurde nun in kurzer Reihenfolge nacheinander die Einfuhr von Schweinen aus Rußland und Italien [* 9] unter Vorschrift ähnlicher Vorsichtsmaßregeln wie für die Schweine österreichischer und ungarischer Provenienz gestattet.
Die Russen durften aber nur nach oberschlesischen Schlachthäusern verbracht werden. Ferner wurde das erlassene Verbot, betreffend die Einfuhr von Schweinen, Schweinefleisch und Würsten dänischen, schwedischen und norwegischen Ursprunges, wieder aufgehoben, und zwar ohne weitere Einschränkung. Schließlich wurde für Österreich-Ungarn und Italien nicht bloß die Einfuhr von Schweinen, sondern auch von Rindern in die öffentlichen Schlachthäuser des Deutschen Reiches gestattet.
Alle diese Maßnahmen reichten aber nicht hin, den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen, obwohl die bedingte Erlaubnis zur Einfuhr von Schlachtvieh nunmehr in größerm Umfange gegeben worden war, als sie vor Erlaß des letzten Einfuhrverbots bestanden hatte. Namentlich erfuhr der Rindermarkt keinen nennenswerten Zufluß aus Österreich-Ungarn, Italien und Dänemark. [* 10] Von Rußland mußte wegen der Gefahr der Einschleppung der Rinderpest betreffs der Einfuhr von Rindern abgesehen werden. Dem ausgiebigern Import von Rindvieh aus den erstangeführten Ländern standen namentlich die hohen Transportkosten und die hohen Eingangszölle (30 Mk. für das Stück Schlachtvieh, 9 Mk. für ein Zuchtrind) entgegen. Außerdem besaßen diese Länder ¶
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anscheinend keinen Überfluß an exportfähiger Ware. Denn außer minderwertigen Bullen, welche des geringern Zolles wegen gern eingeführt wurden, gelangten sogar ganz wertlose Büffel nach Deutschland. Mastochsen erster Qualität wurden fast völlig vermißt. Nur München [* 12] erhielt mehr und bessere Ware aus Österreich-Ungarn. Es ist interessant, hier etliche Zahlen anzugeben: November 1890 wurden aus Österreich-Ungarn nach Deutschland 14,282, im Februar 1891 wegen der geringern Nachfrage nach Fettschweinen nur 3666 und im Juni d. J. nur 2472 Schweine eingeführt. Dagegen erreichte die Einfuhr der magern Russen in einem halben Monat (15.-28. Febr.) bereits die Höhe von 3363 Stück. Über Korsör nach Kiel [* 13] gingen im ersten halben Jahre 1891 an Großvieh 11,764, an Kleinvieh 112 und an Schweinen 18,066 Stück. Im J. 1887 dagegen hatte sich die monatliche Schweine-Einfuhr auf ca. 8000 Stück belaufen.
Unter diesen Umständen war es ganz erklärlich, daß man von gewerblicher Seite dahin strebte, den thatsächlichen Überfluß von guten Schlachtrindern, welchen Amerika [* 14] aufzuweisen hat, auch für Deutschland nutzbar zu machen. Amerika versieht den größten Teil Englands mit Fleisch. England bezahlt durchschnittlich höhere Preise für Fleisch als Deutschland, so daß trotz der 70 Mk. Transportkosten, welche auf ein Rind [* 15] entfallen, der amerikanisch-englische Viehhandel immer noch ein recht lohnendes Geschäft bildet. Im Oktober 1890 z. B. wurden nicht weniger als 40,000 Stück Hornvieh aus den Vereinigten Staaten [* 16] und Kanada nach London [* 17] verbracht.
Die Fleischpreise in Deutschland waren nun dermaßen in die Höhe gegangen, daß der Versuch thatsächlich gemacht wurde, amerikanische und zwar zuerst nordamerikanijche Rinder [* 18] nach Deutschland einzuführen. Diese Einfuhr stieß aber auf eine bedeutende Schwierigkeit: die amerikanischen Rinder durften nicht unmittelbar nach ihrer Ankunft in Deutschland verkauft werden, sondern mußten erst eine vierwöchige Quarantäne in Tönning durchmachen. Die Quarantäne verteuerte durch Futterkosten (ca. 30 Mk. das Stück) die Transporte dermaßen, daß von einer weitern Einfuhr amerikanischer Rinder endgültig abgesehen worden wäre, wenn sich die Regierung nicht entschlossen hätte, die Quarantäne in Tönning fallen zu lassen.
Die amerikanischen Rinder dürfen jetzt in Hamburg [* 19] und Altona, [* 20] ähnlich wie es in dem englischen Hafenorte Deptford bei London der Fall ist, sogleich in den öffentlichen Schlachthäusern abgeschlachtet werden. Neuerdings wurde sogar einem Transport südamerikanischer Ochsen erlaubt, daß derselbe in amtlich verschlossenen Eisenbahnwagen in das Binnenland (nach Berlin) [* 21] von Hamburg aus versandt wurde. Rinder vertragen den Seetransport im allgemeinen recht gut, während Schweine demselben in großer Zahl erliegen. Deswegen ist auch die Einfuhr überseeischer Schweine in lebendem Zustand nicht durchführbar. Die Rinder kommen trotz der 10-16 tägigen Seereise fast durchweg in einem verhältnismäßig guten Ernährungszustand aus Nordamerika [* 22] an; Todesfälle ereignen sich, stürmische Überfahrten ausgenommen, nur selten.
Die nordamerikanischen Rinder sind eine vorzügliche Schlachtware (Shorthornkreuzung) und erfreuen sich eines ganz besonders guten Gesundheitszustandes. Die Tuberkulose, welche in unsern Beständen in ganz bedeutendem Grade verbreitet ist (bis zu einem Drittel der ganzen Bestände), kommt bei den amerikanischen Rindern sehr selten vor. Ebenso ist es mit
dem Vorkommen der bei uns so häufigen Leberegel und Echinokokken. Deshalb wäre es sehr zu wünchen, daß die Einfuhr amerikanischer Rinder, solange die Not bei uns anhält, möglichst gefördert würde. Der Transport der amerikanischen Rinder geschieht auf besondern Dampfern. Früher vermochte ein Schiff [* 23] 300-500 Rinder zu spedieren. Jetzt hat die White-Star-Linie einen Dampfer gebaut, welcher 1216 lebende oder 2400 zerlegte Ochsen aufzunehmen vermag. Nach diesem Muster sollen bei zunehmendem Export noch eine größere Anzahl von Schiffen gebaut werden. Die Beifracht dieser Viehtransportdampfer besteht in der Regel aus Heu. In die englischen Häfen pflegen die Schiffe [* 24] soviel wie möglich davon mitzunehmen, weil sie dort auch für diese Beifracht ein gutes Absatzgebiet finden. Wie bereits erwähnt, stellen sich die Transportkosten für ein nordamerikanisches Rind nach Deutschland auf etwa 70 Mk.
Der Transport aus Südamerika, [* 25] welches neuerdings seinen Rinderreichtum auch in Europa [* 26] zu verwerten sucht, stellt sich wegen der erheblich längern Seereise beträchtlich teurer. Jedoch gleicht sich dieser Unterschied durch den viel geringern Einkaufspreis der südamerikanischen Rinder wieder aus. Die Südamerikaner stehen an Qualität den Nordamerikanern bedeutend nach, weil für Verbesserung der Rassen anscheinend noch sehr wenig gethan worden ist.
Für den Eisenbahntransport lebender Tiere sind besondere Vorschriften in Deutschland erlassen worden. Der Bundesrat bestimmte durch Erlaß vom daß die lichte Breite [* 27] der Transportwagen mindestens 2,4 m betrage. Offene Wagen für Großvieh müssen eine Bordhöhe von wenigstens 1,5 m und für Kleinvieh von 0,75 m besitzen. Die bedeckten Wagen sind mit geeigneten Ventilationsvorrichtungen zu versehen. Bei Festsetzung der größten Zahl der in einem Wagen zu verladenden Tiere ist davon auszugehen, daß Großvieh nicht aneinander oder gegen die Wandung des Wagens gepreßt stehen darf, für Kleinvieh aber genügender Raum, um sich legen zu können, verbleiben muß. Bei Verladung von Groß- und Kleinvieh müssen durch Verschlage 2c. zwei verschiedene Abteilungen hergestellt werden.
Über die zulässige größte Stückzahl der in einen Wagen oder in die einzelnen Abteilungen desselben aufzunehmenden Tiere entscheidet im Streitfall der diensthabende Stationsbeamte. Bei allen Transporten, welche eine Zeit von 24 Stunden und darüber erforden, müssen die Tiere getränkt werden. Das Reichsgesetz vom bez. die Festsetzungen des Bundesrates vom betr. die Beseitigung von Ansteckungsstoffen bei der Viehbeförderung auf Eisenbahnen, schreiben vor, daß jeder Viehtransportwagen nach seiner Entleerung nach einem bestimmten Verfahren gereinigt und desinfiziert werde, bevor derselbe wieder in Gebrauch genommen werden darf.
II. Verkehr mit ausgeschlachtetem Fleisch. Es ist bereits hervorgehoben worden, daß im allgemeinen gegen den Handel mit ausgeschlachtetem Fleische schwere hygienische Bedenken geltend gemacht werden müssen. Indessen werden einzelne Städte und ganze Staaten, welche ihren Bedarf an Schlachtvieh nicht vollständig oder wenigstens in der Hauptsache nicht selbst hervorbringen, des Importes ausgeschlachteten Fleisches aus finanziellen Erwägungen nicht entbehren können. Es leuchtet ohne weiteres ein, daß der Schlächter auf dem Lande oder in der Provinz überhaupt billiger schlachtet als der Schlächter in der Großstadt, weil der erstere billigere ¶