mehr
gewerblichen Fachschulen ausführlicher berichtet, wegen der Fortbildungsschulen aber auf den betreffenden Artikel dieses Bandes verwiesen.
Wie im vorstehenden angedeutet, hat in der Zuständigkeit des gewerblichen Unterrichtswesens im letzten Jahrzehnt ein Wechsel stattgefunden, und zwar war dies in wenigen Jahren der zweite derartige Wechsel. Bis in die 70er Jahre unterstanden technische Schulen und Fortbildungsschulen in Preußen [* 2] mit wenigen Ausnahmen dem Ministerium für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten. Die Erfahrung, daß in den Fortbildungsschulen überwiegend mit Lehrkräften und in den Räumen der allgemeinen Unterrichtsverwaltung gearbeitet werden mußte, und daß dies unausgesetzt Weiterungen zur Folge hatte, führte zunächst dazu, dieses bis dahin geteilte Gebiet dem Ministerium für geistliche, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten ganz und allein zu überweisen. Am wurden auch die technischen Unterrichtsanstalten, soweit sie bis dahin dem Handelsministerium angehört hatten, jedoch mit Ausnahme der Navigationsschulen und der Unterrichtsanstalten für das Bergwesen, dem Kultusministerium zugeteilt. Es waren dies die technischen Hochschulen, die damaligen Gewerbe-, jetzigen Oberrealschulen, die gewerblichen Zeichenschulen, die wenigen, schon damals bestehenden Fachschulen, das Kunstgewerbemuseum und die Porzellanmanufaktur zu Berlin, [* 3] sowie selbstverständlich die gesamte Pflege des gewerblichen Unterrichts und des Kunstgewerbes.
Durch königlichen Erlaß vom wurde demgegenüber bestimmt, daß die gewerblichen und kunstgewerblichen Fach- und Zeichenschulen, die Pflege des Kunstgewerbes einschließlich der Verwaltung der Porzellanmanufaktur sowie das Fortbildungsschulwesen zum Ministerium für Handel und Gewerbe zurückkehren sollten. Bei Ausführung dieser Maßregel blieb jedoch immer noch ein nicht unerheblicher Rest des technischen Unterrichtswesens beim Unterrichtsministerium.
Von den Oberrealschulen darf dabei abgesehen werden, da sie inzwischen völlig den Charakter höherer Schulen für allgemeine Bildung angenommen hatten. Doch blieben mit diesen im bisherigen amtlichen Gebiet auch einige gewerbliche Fachklassen (für Maschinenbau, chemisch-technische Gewerbe, Hüttenwesen), die mit Oberreal-, Real- und höhern Bürgerschulen organisch verbunden sind, wenngleich das Aufhören dieses Verhältnisses als wünschenswert bezeichnet ward.
Außerdem behielt der Unterrichtsminister die Kunst- und Kunstgewerbeschulen zu Berlin und zu Breslau, [* 4] weil in ihnen das Kunstgewerbe mit der höhern Kunst Hand [* 5] in Hand geht, und das eben mit vom Staat übernommene Kunstgewerbemuseum zu Berlin samt seiner gewerblichen Unterrichtsanstalt. Die Förderung des Kunstgewerbes durch Sammlung von Vorbildern und durch Gelegenheit zum Fachunterricht außerhalb dieser Anstalt ist dem Handelsministerium aufgetragen.
Zur Begründüng der Maßregel sagt die dem Abgeordnetenhause vorgelegte Denkschrift: »Die Wichtigkeit der den einzelnen deutschen Staaten verbliebenen Pflege des Gewerbewesens ist infolge des Verlaufs, den die Entwickelung der nationalen Wirtschaftspolitik in den letzten Jahren genommen hat, in ungleich höherm Maße hervorgetreten als früher, und die Anforderungen, welche seitdem an diesen Zweig der Verwaltung herangetreten sind, haben gezeigt, daß er mit der Verwaltung des niedern und mittlern gewerblichen Unterrichtswesens und
mit der Pflege des Kunstgewerbes im engen Zusammenhang steht und deshalb seine Aufgabe nicht gehörig erfüllen kann, wenn der Schwerpunkt [* 6] der letztern Verwaltung in einem andern Ressort liegt. Bei der Frage, welche Maßregeln zur wirtschaftlichen Hebung [* 7] einzelner Landesteile durch Begründung neuer oder durch bessere Entwickelung bestehender Erwerbszweige, zur Verbesserung der Lage des Kleingewerbes gegenüber dem Großgewerbe, zur Aufrechterhaltung oder Förderung der Konkurrenzfähigkeit einheimischer Industriezweige gegenüber der ausländischen Konkurrenz zu ergreifen sind, spielt die Errichtung und Leitung gewerblicher Fachschulen vielfach eine so entscheidende Rolle, daß die Gewerbeverwaltung, solange ihr in dieser Hinsicht die Initiative und maßgebende Einwirkung abgeht, sich in ihrer Thätigkeit fortwährend auf das empfindlichste gehemmt sieht.
Auf der andern Seite können die Fragen, für welche Gewerbszweige, in welchem Umfang und an welchem Ort g. Fachschulen zu errichten sind, und welche Ziele diese zu verfolgen haben, in einer die gewerblichen Gesamtinteressen allseitig berücksichtigenden Weise mit voller Sicherheit auf die Dauer nur an derjenigen Stelle behandelt werden, welche zur Pflege des Gewerbewesens überhaupt berufen ist und allein in vollem Maße die Mittel besitzt, sich über den Stand der gewerblichen Entwickelung und ihrer Bedürfnisse einen umfassenden Überblick zu verschaffen und dauernd zu erhalten, zumal ihr auch diejenigen Organe unterstellt sind, von welchen, wie von Handelskammern, Innungen und sonstigen gewerblichen Körperschaften, eine Mitwirkung bei der Lösung dieser Aufgabe zu erwarten ist." Geltend gemacht wird ferner der ausgedehnte Umfang des Geschäftsbetriebs im Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten als der kräftigern Förderung und Pflege des mittlern gewerblichen Unterrichtswesens und der dafür erforderlichen besondern Aufmerksamkeit auf den Gang [* 8] der allgemeinen gewerblichen Bewegung entgegenstehend.
Endlich wendet das Staatsministerium das Gesagte auch in entsprechender Weise auf das nahe verwandte Kunstgewerbe an. Der Landtag ließ durch diese Darlegung sich überzeugen, und so konnte mit Beginn des folgenden Rechnungsjahres, d. h. mit der Übergang dieser Verwaltungszweige auf das Ministerium für Handel und Gewerbe thatsächlich erfolgen. Das Bedenkliche des Wechsels war wesentlich dadurch gemildert, daß mit den Anstalten auch die in deren Interesse bisher arbeitenden Kräfte, namentlich der bereits genannte langjährige Leiter der Fach- und Fortbildungsschulen, Geheimrat Lüders, ins Handelsministerium über- oder zurücktraten.
Die Denkschrift des Handelsministeriums vom April 1891 will nun gleichsam die Probe für die Richtigkeit der damaligen Rechnung geben, und wirklich lehrt schon ein vergleichender Blick auf die Zahlen des Staatshaushaltsetats für 1885/86 und für 1891/92, daß in diesen Jahren wesentliche Fortschritte in der staatlichen Fürsorge für dieses wichtige Feld der nationalen Arbeit erreicht worden sind. Im Voranschlag für 1879/80 war der Gesamtbetrag des Staatszuschusses zu den damaligen 29 mittlern gewerblichen Fachschulen 246,998,82 Mk. Von diesem galten 113,170 Mk. dem Kunstgewerbemuseum zu Berlin, müssen also bei dem Vergleich außer acht bleiben, da sie nach dem Obigen nicht mit in das Handelsministerium übernommen wurden. Als vergleichbarer Betrag kommt daher nur der Rest ¶
mehr
von 133,828,82 Mk. in Betracht. Schon bis 1885 hatte die Zahl der unterstützten Fachschulen von 29 auf 34 und der Staatszuschuß auf 292,966,50 Mk. sich gehoben. Seitdem steigerte sich die Zahl der Fachschulen auf 44, der Betrag des staatlichen Zuschusses auf 886,993 Mk. Dabei ist immer festzuhalten, daß bei allen diesen Anstalten neben den staatlichen Zuschüssen noch die nächsten Gründer und Verwalter, als Städte, Vereine, Körperschaften 2c., das ihrige leisten.
Die baren Leistungen von diesen Seiten (neben den Gebäuden und dem eisernen Inventar 2c.) betragen 1891/92 im ganzen 487,924 Mk., so daß als die für die Anstalten dieser Art im preußischen Staat überhaupt aufgewandte Summe innerhalb der Zuständigkeit des Handelsministers 1,374,917 Mk. erscheint, wozu noch der für den gewerblichen Unterricht bestimmte Dispositionsfonds tritt, der 1885 mit 69,100 Mk. in das Handelsministerium überging und inzwischen um 20,000 (1886) und 30,000 (1889), zusammen 50,000, d. h. auf 139,100 Mk. erhöht worden ist, und ein besonderer Betrag von 35,000 Mk. zur Gewährung einzelner Beihilfen behufs besserer Ausbildung geschickter Kunst- und andrer Handwerker.
Alles in allem macht das an Aufwand des Staates im Gebiete des Handelsministeriums 1,061,093 Mk. Im Kultusministerium kamen außerdem nach dem Voranschlag für 1890/91 noch zur Ausgabe: für das Kunstgewerbemuseum zu Berlin 391,283 Mk. und für das technische Unterrichtswesen 1,559,515 Mk., darunter für die drei technischen Hochschulen zu Berlin, Hannover [* 10] und Aachen [* 11] 1,506,551 Mk., für die Kunst- und Kunstgewerbeschule zu Breslau 52,964 Mk. Kleinere, im Verhältnis zum Ganzen verschwindende Beträge stecken außerdem noch im Kultusetat wegen der technischen Fachklassen an einigen Oberrealschulen und höhern Bürgerschulen, über die noch näher zu reden sein wird.
Unter den vom Handelsministerium beaufsichtigten und unterstützten 44 Fachschulen lassen sich vier größere Gruppen unterscheiden, an die der obige Zuschuß in folgender Weise sich verteilt:
1) Kunstgewerbliche Schulen, Zeichenschulen, Handwerkerschulen zu Köln, [* 12] Elberfeld, [* 13] Kassel, [* 14] Halle, [* 15] Königsberg, [* 16] Danzig, [* 17] Hanau [* 18] (Zeichenakademie), Düsseldorf, [* 19] Frankfurt [* 20] a. M., Berlin (Handwerkerschule), Magdeburg, [* 21] Aachen (Kunstgewerbeschule und gewerbliche Zeichenschule), Hannover, 14 Anstalten mit 282,375 Mk. Staatszuschuß;
2) Baugewerkschulen zu Nienburg [* 22] a. d. W., Eckernförde, Höxter, Idstein, Deutsch-Krone, Breslau, Berlin, Buxtehude, Magdeburg, Posen, [* 23] 10 Anstalten mit 331,491 Mk. Staatszuschuß;
3) Webeschulen zu Krefeld, [* 24] Mülheim, [* 25] Spremberg, [* 26] Einbeck, [* 27] Sorau, [* 28] Falkenburg, Rummelsburg, Berlin, Nowawes, Forst, [* 29] Sommerfeld, Aachen, Finsterwalde, 13 Anstalten mit 138,282 Mk. Staatszuschuß;
4) Fachschulen für Metallgewerbe und Maschinenbau zu Iserlohn, [* 30] Remscheid, [* 31] Bochum, [* 32] Flensburg, [* 33] Dortmund, [* 34] Magdeburg, 6 Anstalten mit 126,895 Mk. Staatszuschuß. Als 5. Gruppe sollten nach Absicht der Staatsregierung diesen die Schulen für Töpferei hinzutreten; allein es ist bisher nur eine solche Anstalt, die keramische Fachschule zu Grenzhausen-Höher, zustande gekommen, die einen Staatszuschuß von 7950 Mk. erhält. Die vorgenannten Anstalten empfangen sämtlich eine durch Vertrag gesicherte oder doch auf Jahre hinaus fest bewilligte Beihilfe, die sie bei ihren Voranschlägen in Ansatz bringen dürfen. Außerdem ist aber noch eine größere Anzahl von Anstalten und Unternehmen mit Zuschüssen aus
dem Dispositionsfonds des Ministeriums bedacht worden. So erhielten neben der 1876 begründete Korbflechtschule Zu Heinsberg (Rheinprovinz), [* 35] noch sieben andre derartige Anstalten einen Beitrag von zusammen 17,109,25 Mk. jährlich, während der gleichen Anstalt zu Schurgast (Oberschlesien) mit etwa 4000 Mk. aus den besondern für den oberschlesischen Notstand bestimmten Mitteln aufgeholfen werden konnte. Sechs Lehrwerk statten für Weberei [* 36] in der Provinz Hannover mit 4626,57 Mk., vier Gemüsebauschulen am Niederrhein mit 2350 Mk., eine Anzahl von städtischen Innungsfachschulen mit 10,548,48 Mk. gehören zu den Empfängern von Zuschüssen aus diesem Titel, aus dem ferner 12,000 Mk. für kunstgewerbliche Sammlungen und 10,371,50 Mk. für Reise- und andre Stipendien verwandt wurden.
Hierher gehört auch der sogen. Handfertigkeitsunterricht, d. h. der mehr oder weniger schulmäßige Betrieb der Handarbeit für Knaben, für den dem Handelsminister der jährliche Betrag von 14,000 Mk. zur Verfügung steht, wobei nicht zu übersehen ist, daß außerdem vom Unterrichtsministerium ein festgelegter Beitrag von jährlich 2000 Mk. an den Verein für das Wohl der arbeitenden Klassen im Kreise [* 37] Waldenburg [* 38] fließt, der der Hauptsache nach demselben Zwecke dient.
Von den 14,000 Mk. des Handelsministeriums erhält der Deutsche [* 39] Verein zur Beförderung der erziehlichen Knabenhandarbeit 5000 Mk. Dasselbe gilt von verschiedenen Unternehmen zur Erhöhung der Erwerbsfähigkeit des weiblichen Geschlechts. Gewerbliche Fachschulen für Mädchen und Frauen, wie die des Berliner [* 40] Lettevereins und die ähnlichen zu Stettin, [* 41] Posen, Elbing, [* 42] Lennep [* 43] u. a., auch das Heimatshaus für Töchter höherer Stände zu Berin haben vom Handelsminister Unterstützungen erhalten, und ebenso die sogen. Haushaltungsschulen zu Bochum, Alt-Essen, Hochneukirch, Rheydt, [* 44] Düsseldorf, Balduinstein, Frankfurt a. M., Wiesbaden. [* 45]
Auch der Unterricht im Spitzennähen in einigen Ortschaften des Riesengebirges und die Teppichknüpfschule zu Neustadt [* 46] (Oberschlesien) sind fortgesetzt durch Beihilfen und anregende Zuführung von Mustern 2c. gefördert worden. Entsprechend der vermehrten staatlichen Fürsorge für die Sicherheit der Arbeiter ist in die Etats der Baugewerkschulen für 1890/91 zum erstenmal ein besonderer Betrag für Unterrichtskurse über die erste Hilfeleistung bei Unglücksfällen, sogen. Samariterkurse, eingestellt worden.
Der Unterricht wird von einem Arzte zunächst im Winter und in einer der vier Klassen, der vorletzten, bei der schon gereiftere Erfahrung und zugleich ein durch die bevorstehende Abgangsprüfung noch nicht getrübtes Interesse für den Gegenstand vorausgesetzt werden darf, erteilt. Ein solcher Kursus dauert 6 Wochen und besteht aus wöchentlich 2 Unterrichtsstunden, deren eine für den Vortrag, die andre für die praktischen Übungen bestimmt ist. Es war die Absicht, diesen heilsamen und zeitgemäßen Nebenunterricht auch auf die Fachschulen für Maschinenbauer und auf die größern Webeschulen auszudehnen.
Der Fernerstehende wird aus dieser skizzenhaften Aufzählung den Eindruck einer recht mannigfachen und rührigen Thätigkeit empfangen. Aber man darf nicht übersehen, wie die deutsche, die preußische Industrie rings von mächtigen Nebenbuhlerinnen umgeben ist, die das wichtige Hilfsmittel des gewerblichen Unterrichts teilweise schon länger handhaben und zu festerer, wirksamerer Gestalt entwickelt haben. ¶