mehr
Das Deutsche Reich [* 2] bietet weniger Raum für ethnographische Untersuchungen als andre, von mehr gemischten oder weniger bekannten Volksstämmen bewohnte Länder, doch haben wir auch hier eine rege litterarische Ausbeute als Ergebnis angestellter Untersuchungen vor uns. Die von Kirchhoff herausgegebenen »Forschungen zur deutschen Landes- und Volkskunde«, in denen verschiedene der unten genannten Schriften veröffentlicht wurden, sind 1891 bis zum 6. Bande fortgeschritten.
Haushalter, »Die Grenze zwischen dem oberdeutschen und dem niederdeutschen Sprachgebiet östlich der Elbe« (Halle [* 3] 1886),
bringt andern Darstellungen gegenüber wesentliche Berichtigungen. Baldow, »Die Ansiedelungen an der mittlern Oder« (Halle 1886),
gibt eine Darstellung der vorgeschichtlichen und geschichtlichen Ansiedelungen des Flußgebiets zwischen den Mündungen der Warthe und des Bobers. Weinhold, »Die Verbreitung und die Herkunft der Deutschen in Schlesien« [* 4] (Stuttg. 1887),
weist nach, daß ein großer Teil der dortigen Deutschen von germanisierten Polen stammt. Mayer, »Über die Ortsnamen im Ries und seinen nächsten Angrenzungen« (Nördl. 1887),
weist den zumeist fränkischen Ursprung derselben nach. H. Kieperts »Übersichtskarte der Verbreitung der Deutschen in Europa« [* 5] (Berl. 1887) ist eigentlich eine Sprachenkarte [* 6] von Mitteleuropa. Nach This, »Die deutsch-französische Sprachgrenze im Elsaß« (Straßb. 1888),
hat im obern Leberthal das Deutschtum seit 1874 einige Eroberungen gemacht. Der Schrift ging eine Untersuchung über die Sprachgrenze in Lothringen (1887, beide in dem Sammelwerk »Beiträge zur Landes- und Volkskunde von Elsaß«) voraus. Weiter sind zu nennen: Nordhoff, »Haus, Hof, [* 7] Mark und Gemeinde Nordwestfalens im historischen Überblick« (Stuttg. 1889);
Wasserzieher, »Die Sprachgrenze in Schleswig« [* 8] (»Berichte des Freien Deutschen Hochstifts« 1890);
Nadmorski, »Die polnische Bevölkerung [* 9] Westpreußens, ihre Zahl und Wohnsitze im laufenden Jahrhundert« (»Physiographisches Jahrbuch« 1889);
Leinhose, »Bevölkerung und Siedelungen im Schwarzagebiet« (Halle 1890);
Birlinger, »Rechtsrheinisches Alamannien: Grenze, Sprache, [* 10] Eigenart (Stuttg. 1890); Chantre, «Les tumulus de la region des lacs d'Ammer et de Staffel« (Lyon [* 11] 1889);
Virchow und Voß, »Nachrichten über deutsche Altertumskunde« (Berl. 1890);
Weiske, »Slawische Sprachreste, insbesondere Ortsnamen aus dem Havellande« (Rathenow [* 12] 1890);
Mehlis, »Hacke und Beil am Mittelrhein zur Steinzeit« [* 13] (Dürkheim [* 14] 1890);
Jensen, »Die nordfriesischen Inseln Sylt, Föhr, Amrum und die Halligen vormals und jetzt« (Hamb. 1891);
Lissauer, »Altertümer der Bronzezeit in der Provinz Westpreußen [* 15] und den angrenzenden Gebieten« (Danzig [* 16] 1891),
und von neuen Zeitschriften: »Zeitschrift des Vereins für Volkskunde«, hrsg. von Weinhold (Berl. seit 1891, neue Folge der »Zeitschrift für Völkerpsychologie«);
»Am Urquell. Monatsschrift für Volkskunde«, hrsg. von Friedrich Krauß (Hamb. seit 1890).
[Österreich-Ungarn.]
Zur Kenntnis der Bevölkerungsverhältnisse des vielsprachigen Kaiserreichs lieferten wertvolle Beiträge: Gehre, Die deutschen Sprachinseln in Österreich« [* 17] (Großenhain [* 18] 1886),
welcher zeigt, daß hier überall die deutschen Sprachinseln im Verschwinden begriffen sind, und Schlesinger, »Die Nationalitätsverhältnisse Böhmens« (Stuttg. 1886),
der dasselbe für Böhmen [* 19] nachweist. Bidermann, »Die Nationalitäten in Tirol [* 20] und die wechselnden Schicksale ihrer Verbreitung« (Stuttg. 1886),
gibt eine historische und geographische Darstellung des Kampfes und der Verbreitung der hier in Frage kommenden Deutschen, Italiener und Romanen. Derselbe Verfasser bespricht in »Neuere slawische Siedelungen auf süddeutschem Boden« (Stuttg. 1888) namentlich die tschechischen Einwanderungen nach Steiermark [* 21] und Niederösterreich, während Schmitt, »Die Bevölkerung von Tirol« in der »Österreichischen Touristenzeitung«, den Nachweis versucht, daß die Bayern [* 22] das Land in friedlicher Weise besetzten.
Rétheys ethnographische Karte (Budapest [* 23] 1886) stellt nach der Volkszählung von 1880 die Verbreitung der in Ungarn [* 24] lebenden Völker in zehn verschiedenen Farben dar. H. v. Wlislocki, »Vom wandernden Zigeunervolk. Bilder aus dem Leben der Siebenbürger Zigeuner« (Hamb. 1890),
bringt wertvolle Mitteilungen über Sitten und Bräuche, Glauben, Poesie und Sprache der siebenbürgischen Zigeuner. Über die ethnologischen Verhältnisse in den adriatischen Küstenländern schrieben: Tomasin, »Die Volksstämme im Gebiet von Triest [* 25] u. in Istrien« [* 26] (Triest 1890),
und Canestrini und Moschen, »Sulla antropologia fisica del Trentino« (Padua [* 27] 1890),
über die der Bukowina: Dan, »Die Völkerschaften in der Bukowina« (Czernowitz [* 28] 1890),
und Alinesen, »Populatia, Bucovineĭ« (im Bulletin der rumän. geogr. Gesellsch., Bukarest [* 29] 1890). Held, »Das deutsche Sprachgebiet von Mähren und Schlesien«, 4 Kartenblätter mit Text (Brünn [* 30] 1888),
weist nach, wie sehr in den letzten 25 Jahren das Deutschtum in diesen Gegenden an Boden verloren hat. Weiter sind zu nennen: Weisbach, »Die Herzegowiner, verglichen mit Tschechen und Deutschen aus Mähren nach Major Himmels Messungen« (Wien [* 31] 1889);
Wlislocki, »Sitte und Brauch der Siebenbürger Sachsen« [* 32] (Hamb. 1888),
»Volksdichtungen der siebenbürgischen und südungarischen Zigeuner« (Wien 1890) und »Märchen und Sagen der Bukowinaer und Siebenbürger Armenier« (Hamb. 1892);
Le [* 33] Monnier, »Sprachenkarte von Österreich-Ungarn« [* 34] (Wien 1888);
C. v. Czörnig, »Die deutschen Sprachinseln im Süden des geschlossenen deutschen Sprachgebiets in ihrem gegenwärtigen Zustand« (Klagenfurt [* 35] 1889);
Krones, »Die deutsche Besiedelung der östlichen Alpenländer« (Stuttg. 1889).
Neue Zeitschriften sind: »Anzeiger für die Völkerkunde Ungarns« (Budapest 1891) und »Der Bote des Landesmuseums in Bosnien [* 36] und dem Herzögischen«.
[Frankreich.]
Wenig gerecht seiner Aufgabe wird Kano, »Les populations Bretonnes« (Par. 1886). Kulturgeschichtliche Studien sind A. und C. Frémine, »Les Français dans les îles de la Manche, îles anglo-normandes« (Par. 1888);
de Broguérec, »Loc-Maria-Kaër, étude de géographie gallo-romain en Armorique« (Lorient 1888);
Brunel, »Les Vaudois des alpes Françaises et de Fressinières en particulier« (Par. 1889);
Pommerol, »Sur l'anthropologie de la Limagne« (Clermont-Ferrand 1889);
Chaillou, »Mémoire sur la station gallo-romaine des Cléons, Haute-Goulaine, près Nantes« [* 37] (Caen 1886);
Cartailhac, »La France préhistorique, d'après les sépultures et les monuments« (Par. 1890).
[Belgien.]
Brämer, »Nationalität und Sprache im Königreich Belgien« [* 38] (Stuttg. 1887),
weist nach, daß die wallonische Nationalität im Vordringen begriffen ist; Delvaux, »Essai d'une carte anthropologique préhistorique de la Belgique« (Brüssel [* 39] 1888), zeigt, welche bedeutenden wissenschaftlichen Ergebnisse durch eine systematische anthropologisch-vorgeschichtliche Landesuntersuchung und Kartierung zu Tage gefördert werden können. Noch ist zu nennen: Fraipont und Lohest, »La race humaine de Néanderthal ou de Caustadt en Belgique« (Gent [* 40] 1888). ¶
mehr
[Britische Inseln.]
Hicks, »Evidence of man and pleistocene animals in North Wales prior to glacial deposits« (»Nature« 1886),
weist die Anwesenheit des Menschen in einem Teil vor der großen mittelglazialen Senkung nach. Im Journal des Anthropological Institute zeigt Shore, »The distribution and density of the old British population of Hampshire«, daß in vorrömischer Zeit die Bevölkerung weit größer gewesen sein müsse, als man bisher annahm. Noch ist zu nennen: Rhys, »The early ethnology of de British Isles« in der »Scottish Review« 1890.
[Italien.]
Zampa zeigt in dem Aufsatz »Vergleichende anthropologische Ethnographie [* 42] von Apulien« (»Zeitschrift für Ethnologie«, Berl. 1886),
daß Apulien eine sehr verschiedenartige Bevölkerung ernährt; Quidoz, »Les vallées françaises du Piémont« in den Annalen der École libre des sciences politiques (Par. 1887) ist eine historisch-ethnographische Skizze über die französischen Bewohner der italienischen Alpenthäler. Ein verwandtes Thema behandeln Neumann (1891) und Studer (1886); Näheres s. in unserm Art. »Deutsche Gemeinden in Piemont«. Ein größeres Gebiet umfaßt Nicolucci, »Antropologia dell' Italia nell' evo antico e nel moderno« in den Verhandlungen der Accademia di science fisiche e matematiche (Neapel [* 43] 1888). Auf die antike Zeit greifen zurück: Bonanni, »L'archeologia del lago Fucino« (Aquila 1889);
Lanciani, »Ancient Rome in the light of recent discoveries« (Lond. 1888);
Brinton, »The ethnological affinities of the ancient Etruscans« (Philad. 1889).
Die Apenninenbevölkerung behandelt Pigorini-Beri, »Costumi e supertizioni dell' Appennino Marchigiano« (Citta di Castello 1889).
[Spanien.]
Über die Basken schrieben: Charencey, »Ethnographie Euscarienne. Étude sur l'origine des Basques d'après les donées de la linguistiques« im Bulletin der Pariser Geogr. Gesellschaft 1889, und Stoll, »Zur Kenntnis der heutigen Basken« im »Ausland« 1890.
[Standinavische Länder.]
Montelius, »Über die Einwanderung unsrer Vorfahren in den Norden [* 44] (übersetzt von Mestorf im "Archiv für Anthropologie«, Braunschw. 1887),
weist nach, daß die germanischen Skandinavier bereits gegen Ende des Steinzeitalters einwanderten. Eine außerordentlich detaillierte ethnographische Karte ist die von Friis, »Ethnografisk Kart over Finnmarkens Amt«, 6 Blätter (Christiania [* 45] 1888). Zu nennen sind ferner Montelius, »The civilisation of Sweden in heathen times« (Lond. 1888); Baltzer, »Hällristningar från Bohuslän« (Gotenburg 1881-90),
eine genaue Wiedergabe der rätselhaften Felsenritzungen in der schwedischen Provinz Bohus. Weiter sind zu nennen: Gourmont, »Chez les Lapons. Mœurs, coutumes, et légendes de la Laponie norvégienne« (Par. 1890);
Berlioux, »À la recherche de la nation et de la cité des Hyperboréens« in dem Bulletin der Lyoner Geogr.
Gesellschaft; Allen, »Die alten Bewohner der kimbrischen Halbinsel« im »Ausland« 1890; du Chaillu, »The Viking age, the early history, manners and customs of the ancestors of the English-speaking nations« (Lond. 1889).
[Rußland.]
Eine Abhandlung von Anutschin, »Über die geographische Verteilung des Wuchses der männlichen Bevölkerung Rußlands nach Mitteilungen über die allgemeine Militärpflicht im russischen Reich 1874-83« (russ., Petersb. 1889),
gibt Mitteilungen über die große Verschiedenheit der Körpergröße bei der Bevölkerung des europäischen Rußland; Hunfalvy, »Die Völker des Ural und ihre Sprachen« (Budapest 1888),
weist aus einem Vergleich der ungarischen Sprache mit den am Ural gesprochenen Sprachen auf den mittlern und nördlichen Ural als die Urheimat der Magyaren hin. Remesow, »Skizzen aus dem Leben der wilden Baschkiren« (russ., Moskau [* 46] 1889), schildert, wie die Baschkiren auszusterben begannen, seitdem sie zum Aufgeben des Nomadisierens gezwungen und dann um das ihnen zugeteilte Land beschwindelt wurden. In polnischer Sprache bringt das Physiographische Jahrbuch" 1889 einen Aufsatz von Dowgird: »Der vorhistorische Begräbnisplatz und die Pilkalnis in Imbary, Samogitien.«
[Balkanhalbinsel.]
Seine während drei Wintern auf 40 Inseln des Agäischen Meeres gemachten Beobachtungen veröffentlicht Bent, »On insular greek customa« (im »Journal of the Anthropological Institute« 1886); Gopčević schrieb zwei Aufsätze: »Die ethnographischen Verhältnisse Makedoniens und Alt-Serbiens« in »Petermanns Mitteilungen« 1889 und »Ethnographische Studien über Alt-Serbien« in den »Mitteilungen der Wiener anthropologischen Gesellschaft«, und als eine Erweiterung dieser Aufsätze das Buch »Makedonien und Alt-Serbien« (Wien 1890). A. Philippson veröffentlichte in den »Verhandlungen«, resp. der »Zeitschrift der Berliner [* 47] Gesellschaft für Erdkunde« [* 48] 1889 resp. 1890: »Besiedelung und Verkehr in Morea« und »Bericht über eine Reise durch Nord- und Mittelgriechenland«, und in »Petermanns Mitteilungen« 1890 einen Beitrag, »Zur Ethnographie des Peloponnes«. Von dem darauf folgenden selbständigen Werk »Der Peloponnes« erschien bisher der 1. Band [* 49] (Berl. 1891).
Asien.
Die Völkerverteilung in Asien und Osteuropa zeigt zum erstenmal kartographisch in vorzüglicher Klarheit Haardt, »Übersichtskarte der ethnographischen Verhältnisse von Asien [* 50] und von den angrenzenden Teilen Europas« (Wien 1887),
wobei überwiegend die sprachlichen Merkmale zur Abgrenzung der Völker und Völkergruppen verwertet sind. Bretschneider, »Mediaeval researches from Eastern Asiatic sources« (Lond. 1888, 2 Bde.),
gibt uns neben reichem historischen Material nach chinesischen Quellen auch Beiträge zur Kenntnis einiger zentralasiatischer Völkerschaften. »Die Entstehung der Kurgane« behandelt Heyfelder in »Petermanns Mitteilungen« 1889.
[Vorderasien.]
Einen wertvollen Beitrag zur Völkerkunde liefert v. Luschan, »Die Wandervölker Kleinasiens« in den »Verhandlungen der Berliner Gesellschaft für Anthropologie« 1886. Erckert, »Der Kaukasus und seine Völker« (Leipz. 1887), enthält vieles ethnologisch Wertvolles nebst Körpermessungen und Vokabularien. Auf Veranlassung der Österreichischen Gesellschaft für archäologische Forschung Kleinasiens führten Petersen und v. Luschan Reisen in Lykien, Milyas und Kibyratis aus, welche sie in einem reich illustrierten Prachtwerk (Wien 1889) im Auftrag des k. k. Ministeriums für Kultus und Unterricht beschrieben und herausgaben. Partsch, »Geologie [* 51] und Mythologie in Kleinasien« in »den Breslauer philologischen Abhandlungen« 1888, beschäftigt sich mit der Untersuchung der Ursprungsstätte der Typhoeusmythe. Erckert, »Kopfmessungen kaukasischer Völker« im »Archiv für Anthropologie« 1889, gibt die Vermessung und Beschreibung von 70 Awaren- und 46 Kasikumükenköpfen. Mit dem Kaukasus beschäftigt sich auch Hahn [* 52] in zwei Aufsätzen: »Die Völker des ¶