mehr
daß die Vorteile des öffentlichen Lebens dem Wohl-habenden und Reichen in erheblich höherm Maße zufließen, als dem Ärmern. Erwägungen der angedeuteten Art führten zum Verlangen nach einer progressiven Besteuerung, d. h. nach einer solchen Einrichtung, bei welcher mit wachsendem Einkommen nicht allein die Steuer, sondern auch der Steuerfuß sich erhöhe.
Nun kann aber der progressive Steuerfuß nicht in gleichem Maße Zunehmen wie das Einkommen. Man wäre alsdann bei 100 Proz. angelangt, d. h. bei einem Satz, bei welchem das gesamte Einkommen durch die Steuer verschluckt würde, und andern, welche so unglücklich wären, viel zu erwerben, würde nach der Steuerzahlung weniger verbleiben als manchen von denen, welche ein geringeres Einkommen beziehen.
90 Proz. Steuer lassen bei 9000 Mk. nur 900 Mk. übrig, während bei einem Einkommen von 4900 Mk., welches mit 49 Proz. belastet wird, noch 2499 Mk. verbleiben. Die höchste, überhaupt nur zulässige Grenze für den Steuerfuß wären 50 Proz. Praktisch wird man aber auch nicht bis zu dieser Höhe sich erheben können. Schon die notwendige Rücksicht auf den Steuerdruck andrer Länder würde dies verbieten. Dann würden bei dieser Grenze andre Nachteile, wie Minderung des Reizes zum Mehrerwerb, Zunahme des Bestrebens, solchen Mehrerwerb zu verheimlichen 2c., in so hohem Maße zu Tage treten, daß man schon deswegen gezwungen wäre, einen niedrigern Prozentsatz als unüberschreitbar zu bezeichnen und, wenn derselbe einmal erreicht ist, ihn auch für alle höhern Einkommen gelten zu lassen. In Preußen [* 2] würden hierbei auch noch die Kommunalzuschläge eine Rolle spielen.
Erheben, wie dies thatsächlich vorkommt, Gemeinden 500 und 600 Proz. an solchen Zuschlägen, so könnte die Staatssteuer unmöglich über 7 oder 8 Proz. hinaus steigen, solange wenigstens das Steuerwesen der Gemeinden nicht geändert würde. Theoretisch könnte die Sache allerdings so eingerichtet werden, daß vom höchsten vorkommenden Einkommen jener höchste Prozentsatz entrichtet wird, und daß der Steuerfuß für jedes andre Einkommen niedriger ist, und zwar um so mehr, je kleiner das Einkommen ist.
Doch würde eine solche Unterschiedlichkeit in der Steuerbemessung in vielen
Fällen unpraktisch werden. Die kleinern
Einkommen
sind überall in großer
Masse vertreten, die sehr hohen und höchsten nur durch eine kleine Zahl. So sind in
Preußen nach
der Veranlagung für 1890/91 von der Einkommens
teuer befreit, weil bei ihnen ein
Einkommen von weniger als 900 Mk.
unterstellt wird, 8,357,037
Personen, während nur 1,850,855
Personen, also nur 18 Proz. der Gesamtzahl,
Klassen- und Einkommens
teuer entrichten.
Und diese Steuerpflichtigen verteilen sich in folgender
Weise:
Einkommen von | Zahl der Personen | Steuerbetrag | |||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Mark | im ganzen | in Proz. | im ganzen Mk. | in Proz. | |||||||
900-1200 | 815177 | 44.04 | 6238154 | 8.32 | |||||||
1200-3000 | 793601 | 42.88 | 20338997 | 27.12 | |||||||
3000-6000 | 172042 | 9.30 | 17835276 | 23.78 | |||||||
6000-10800 | 42555 | 2.30 | 9281550 | 12.37 | |||||||
10800-32400 | 22624 | 1.22 | 10620180 | 14.16 | |||||||
32400-108000 | 4223 | 0.23 | 6236496 | 8.31 | |||||||
über 108000 | 633 | 0.03 | 4452480 | 5.94 | |||||||
Zusammen: | 1850855 | 100.00 | 75003139 | 100.00 | |||||||
Die kleinern und mittlern Einkommen bis zur Höhe von 6000 Mk. entrichten demnach 59 Proz. der gesamten Steuer. Durch Erhöhung des Steuerfußes bei den höhern Einkommen könnte zwar schon ein ansehnlicher Mehrbetrag erzielt werden, doch darf man sich über die Größe desselben keinen Täuschungen hingeben. Nach Soetbeer verteilen sich die Einkommen in folgender Weise:
Einkommen: | Zahl der Zensiten | Betrag der Einkommen | |||||||||||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Mark | ohne Angehörige | mit Angehörigen | im ganzen | im Durchschnitt Mk. auf den | |||||||||||||||
im ganzen | Proz. | im ganzen | Proz. | Mill. Mk. | Proz. | Zensiten | Kopf | ||||||||||||
Dürftige bis 525 | 4094428 | 40.11 | 8383359 | 28.62 | 1647 | 16.58 | 472 | 197 | |||||||||||
Kleine 526-2000 | 5517828 | 54.05 | 18562145 | 63.81 | 5120 | 51.53 | 928 | 276 | |||||||||||
Mäßige 2001-6000 | 490541 | 4.81 | 1778155 | 6.12 | 1593 | 16.08 | 3248 | 896 | |||||||||||
Mittlere 6001-20000 | 91512 | 4.90 | 317193 | 1.09 | 882 | 8.88 | 9639 | 2781 | |||||||||||
Große 20001-100000 | 12521 | 0.12 | 43400 | 0.15 | 474 | 4.77 | 37855 | 11027 | |||||||||||
Sehr große über 100000 | 1062 | 0.01 | 3681 | 0.01 | 220 | 2.21 | 276789 | 59666 | |||||||||||
Zusammen: | 10207892 | 100.00 | 29087933 | 100.00 | 9936 | 100.00 | 973 | 342 | |||||||||||
Sind diese Zahlen auch nicht ganz zutreffend, so geben sie doch ein Bild über die Verteilung, welches in dem Maß annähernd richtig ist, daß aus denselben der Schluß gezogen werden darf, die Hauptmasse der Steuer müsse aus den kleinern und mittlern Einkommen gezogen werden. Man wird also schon bei einem nicht allzu hohen Betrag bei der Steuer beginnen und mit Erhöhung der Einkommen schon frühzeitig mit dem Steuerfuß ziemlich start ansteigen müssen. Infolgedessen nähert man sich aber schon bald der unüberschreitbaren Grenze, und zwar derart, daß es später unpraktisch sein würde, den Prozentsatz innerhalb enger Grenzen [* 3] noch weiter steigen zu lassen.
Ob man von 10,000 Mk. 5,9 Proz., von 20,000
Mk. 5,99 Proz. und von 100,000 Mk. 6 Proz.
oder von allen diesen
Einkommen 6 Proz. erhebt, ist praktisch gleich. Demnach kann in der Wirklichkeit die progressive
Steuer nur eine derartige sein, daß, wenn die kleinsten
Einkommen frei bleiben, von irgend einer Einkommenshöhe
ab mit einem
Bruchteil eines Prozentsatzes begonnen wird, daß der Prozentsatz dann steigt, bis er einen bestimmten, von da ab gleich
bleibenden Betrag erreicht.
Diese
Steuer nennt man die degressive, indem unterstellt wird, der höchste Prozentsatz sei der normale,
und von einer gewissen Einkommenshöhe
ab werde er nach untenhin mehr und mehr vermindert, während man bei dem
Gebrauch des
Wortes
Progression mehr an das Steigen von unten nach
oben denkt. Sachlich liegt kein Unterschied vor, das
Verhältnis ist vielmehr
ein ähnliches wie bei dem lateinischen
Worte altus, welches je nach dem Standpunkt des
Beschauers sowohl
»hoch« als »tief« bedeuten
kann.
Hat man sich nun über die Frage des Steuerfußes schlüssig gemacht und auch einen solchen festgestellt, von dem man annehmen darf, daß er eine der wirklichen Steuerfähigkeit entsprechende Belastung bewirke, so wird doch die wirkliche Durchführung der Besteuerung hinter dem Ideal zurückbleiben. Die Bemessung des Einkommens ist nicht leicht, teils weil dasselbe oft unregelmäßigen Schwankungen unterliegt, teils weil manche Aufwendungen und Bezüge nur schwer zu verrechnen sind, wie z.B. bei der Eigengewinnung von Gütern, welche nicht marktgängig ¶
mehr
sind 2c. Dann ist der Staatsbedarf ein so hoher, daß es bei der gegebenen Lage der Dinge geradezu unmöglich wäre, denselben
ausschließlich durch eine einzige Einkommens
teuer zu decken. Bei den obern und obersten Klassen kann man nun einmal über einen gewissen
Prozentsatz nicht hinausgehen, so daß hier bald eine Schranke für die Steigerung der Einnahme gesetzt
ist; bei den untern aber ist die Erhebung praktisch mit einer Reihe von solchen Übelständen verbunden, daß hier auf die
Einkommens
teuer verzichtet werden muß und erst von gewisser Grenze an mit einem mäßigen Steuerfuß begonnen werden kann. Da nun aber
doch einmal die Masse beisteuern muß, so bleibt nichts andres übrig, als dieselbe auf dem wenigst empfindlichen
und technisch vorteilhaftesten Wege heranzuziehen. Hierfür bietet sich das Mittel der indirekten Besteuerung, welche in allen
großen Staatshaushalten eine wichtige Rolle spielt und mit steigendem Staatsbedarf gerade in der neuern Zeit immer mehr an
Bedeutung gewonnen hat.
Die indirekten Steuern belasten die Pflichtigen gerade nicht nach Maßgabe der Steuerfähigkeit. Eine große Zahl von Gegenständen zu erfassen, ist steuertechnisch nicht von Vorteil. Man begnügt sich deshalb auch in der Praxis mit einer kleinern Zahl von Gütern, und zwar solchen, welche in groben Massen verbraucht werden und dabei nicht gerade unentbehrlich sind. Infolgedessen trifft die Steuer individuell ungleich, indem der eine mehr von den versteuerten Gegenständen verbraucht als der andre. Dann ist der Verbrauch nicht gerade um so größer, je größer das Einkommen ist. Somit ist die Belastung im großen ganzen eine umgekehrt progressive. Was die Reichern an Steuern für Kaffee, Zucker, [* 5] Bier, Branntwein, Salz, [* 6] Tabak [* 7] 2c. bezahlen, macht einen geringern Prozentsatz von ihrem Einkommen aus als das, was die weniger Reichen und Ärmere entrichten von deren Einkommen.
Führt aber auf diese Weise die praktische Notwendigkeit zu einer Steuerverteilung, welche die Theorie und die Anschauungen des
praktischen Lebens nicht für billig erachten, so muß auf einem andern Gebiet nach einer Ausgleichung
gesucht werden. Dies Gebiet ist dasjenige der direkten Steuern, wenn wir hierzu noch einige Verkehrssteuern rechnen, insbesondere
dasjenige der Einkommens
teuer. Die Praxis hat denn auch in der neuern Zeit in einigen Ländern, als man sich zu einer Erhöhung
der indirekten Steuern veranlaßt sah, die direkten Steuern zu reformieren gesucht.
Die direkten Steuern sind teils Ertrags- oder Real-, teils Personalsteuern. Dieselben in der Weise systematisch auszubauen und zu veranlagen, daß weder Doppelbesteuerungen noch einseitige Befreiungen vorkommen, und daß die Besteuerung eine vollständig gleichmäßige ist, ist bei der Mannigfaltigkeit und Beweglichkeit unsrer heutigen Wirtschafts-, Verkehrs- und Kreditverhältnisse sowie bei der Unvollkommenheit der zu Gebote stehenden Hilfsmittel der Besteuerung nicht allein schwierig, sondern geradezu unmöglich. Die bestehenden Steuersysteme sind in der That sämtlich unvollkommen und lückenhaft, insbesondere diejenigen, welche Ertrags- und Personalsteuern in unvollständiger Weise miteinander verbinden.
Die Ertragssteuern fassen die Erträge an ihren Quellen ohne Rücksicht auf deren Verteilung an verschiedene Personen, und zwar nach allgemeinen Durchschnittssätzen, also ohne Rücksicht auf die individuellen Verhältnisse, individuelle Leistungsfähigkeit, günstigere oder ungünstigere wirtschaftliche Stellung des Eigentümers 2c. Infolgedessen belasten die Ertragssteuern schon von Haus aus ungleichmäßig. Die Tüchtigern sowie diejenigen, welche die Konjunkturen besonders begünstigen, zahlen nicht mehr als diejenigen, welchen das Glück weniger hold ist.
Dazu kommt die Schwierigkeit, Roherträge und Kosten zu bemessen. Oft muß man sich an äußere Merkmale halten, welche nur sehr unsichere Schlüsse zulassen, wie bei der Gewerbesteuer. Oder es kann wegen der hohen Kosten die Steuer nicht alljährlich neu veranlagt werden; dieselbe wird alsdann im Laufe der Zeit, wenn die Grundlagen der Besteuerung sich geändert haben, mehr und mehr ungleich, wie z. B. die Grundsteuer; Schulden kommen bei der Ertragssteuer nicht in Abzug.
Die Zinsen, welche der Gläubiger zieht, werden demnach, wenn auch nicht genau nach ihrer wirklichen Höhe, bereits bei dem Schuldner besteuert. Nun werden aber bei unsern heutigen Kreditverhältnissen auch Zinsen bezogen, welche noch nicht besteuert worden sind, wie Zinsen aus Staats-, Gemeindeanleihen 2c. Dieselben müßten demnach besonders belastet werden, was bei den vorhandenen internationalen Kreditbeziehungen und der Mannigfaltigkeit der Steuersysteme und der Steuerveranlagung verschiedener Länder mit nicht geringen Schwierigkeiten verbunden ist, sofern Ungleichmäßigkeiten vermieden werden sollen. Die Bezahlung für fremde Arbeitsleistungen kommt bei den Ertragssteuern unter den Kosten in Anrechnung und in Abzug. Dafür ist die Arbeit als besondere Ertragsquelle durch eine eigne Steuer zu treffen, und zwar nicht nach den wirklichen Erträgen in jedem gegebenen Fall, sondern nach Durchschnitten je für eine Klasse von Fällen.
Ausschließlich durch Personalsteuern den gesamten öffentlichen Bedarf zu decken, ist heute nicht durchführbar. Die Realsteuern haben sich meist derart eingelebt, daß ihre Aufhebung oft einem Geschenk an den augenblicklichen Besitzer gleichkäme. Dann sind Wohnort des Besitzers und Lage seines Besitztums oft voneinander getrennt; dort würde die Personalsteuer entrichtet, während hier zu gunsten des Besitzers öffentliche Aufwendungen gemacht werden müssen.
Aus diesem Grunde würden insbesondere Gemeinden die Realertragssteuer nicht entbehren können. Durch Verbindung beider Arten von Steuern hat man wohl einige Lücken ausgefüllt und Unvollkommenheiten beseitigt, ist aber trotzdem überall von einer gleichmäßigen Belastung noch weit entfernt. Bayern [* 8] hat drei Ertragssteuern (Grund-, Gebäude- und Gewerbesteuer), welche nach Durchschnitten und äußern Merkmalen bemessen und zum Teil (Grundsteuer) vor Jahren veranlagt sind.
Daneben besteht eine Kapitalrentensteuer, welche zum Teil eine Doppelbesteuerung bildet und nur deswegen wenig als solche empfunden
wird, weil die Ertragssteuern, welche keine Rücksicht auf die Schulden nehmen, nur sehr roh veranlagt
sind. Alle durch eine dieser direkten Steuern noch nicht getroffenen Einkommen werden durch eine sogen. Einkommens
teuer getroffen, welche
im Wesen eine Ertragssteuer ist, sich aber einer Personalsteuer insofern nähert, als sie der jeweiligen Einkommenshöhe
angepaßt
wird.
Die preußische Besteuerung und ihre Reform.
In Preußen besteht kein vollständiges Ertragssteuersystem. Es gibt nur eine Gebäude-, eine Grund- und eine Gewerbesteuer. Neben denselben wird der Ertrag der Arbeit nicht besonders getroffen. Dann besteht in Preußen keine Kapitalrentensteuer, durch welche wenigstens diejenigen Zinseinnahmen belastet werden müßten, welche noch nicht bereits durch die Ertragssteuern mitgetroffen worden sind. Dagegen ¶