Niederwasserstände das Ertragsergebnis bedeutend. Zur
Förderung des derart in finanzielle Bedrängnis geratenen Unternehmens
ist von der
Regierung mit der
Gesellschaft ein Übereinkommen abgeschlossen worden, welches durch entsprechende
staatliche
Beihilfe (jährlich 250,000
Guld. unverzinsliche, nicht rückzahlbare
Subvention und 250,000
Guld. unverzinslicher,
rückzahlbarer Zuschuß, beides für die Dauer von 10
Jahren) den Fortbestand des unentbehrlichen Unternehmens
sichern und die
Gesellschaft befähigen soll, die dagegen übernommenen Verpflichtungen in Bezug auf die
Erhaltung der Personenschiffahrt
auf der österreichischen obern Donaustrecke und die Aufrechthaltung, event. Erweiterung der
Güterschiffahrt sowie die Rekonstruktion des Schiffsparkes zu erfüllen.
Anderseits läßt die der
Regierung gesicherteTeilnahme an der
Verwaltung und der derselben in Bezug auf
Tarife und
Reglements vorbehaltene Einfluß erwarten, daß die
Gesellschaft zu einer den Wirtschaftsinteressen entsprechenden
Tarifpolitik bestimmt werden wird. Zur nachhaltigen
Hebung
[* 2] der Donau-Dampfschiffahrtsgesellschaft muß allerdings auch mit der
ungarischen
Regierung eine Verständigung herbeigeführt werden. Ebenso werden sich die beiden
Regierungen über
die Fortsetzung der von der
Gesellschaft betriebenen
Fahrten von
Galatz nach
Odessa
[* 3] und
Batum,
[* 4] welche dieselbe als gänzlich passiv
an die russische fürstlich Gagarinsche Donau-Schiffahrtsgesellschaft abzutreten willens war, zu einigen haben.
Der Aufschwung des Unternehmens ist jedenfalls von der gänzlichen Beseitigung der Schiffahrtshindernisse (des
Strudels bei
Grein, der
Untiefen bei
Gönyö und der
Klippen
[* 5] am
EisernenThor) und von der dauernden
Erhaltung des
Stromes
in schiffbarem Zustand abhängig. Die im
Oktober 1890 auf der obern Donau abgehaltene Stromschau und die seitens
Ungarns beim
EisernenThor in
Angriff genommenen Regulierungsarbeiten bieten die Gewähr, daß in Bezug auf Fahrbarmachung dieser Hauptwasserstraße
radikale Abhilfe geschaffen wird. Die Umwandlung des Donaukanals bei
Wien
[* 6] in einen
Handels- und Winterhafen
bildet einen Teil der projektierten
Wiener Verkehrsanlagen. Lebhaft befürwortet wird endlich die Herstellung eines in
Wien
einmündenden Donau-Oderkanals, durch welche Wasserstraße ein neuer
Verkehr zwischen dem
Norden
[* 7] und
Süden des
Reiches geschaffen
und die Zufuhr von Massenartikeln, insbesondere von
Kohle, nach der Reichshauptstadt erleichtert und gefördert
würde.
Joseph,
Freiherr von, österreich.
General (Bd. 18), starb in
Wien, nachdem er im April d. J. zum
lebenslänglichen Mitglied des
Herrenhauses ernannt worden war.
(Taubstummblinde) und deren
Erziehung. Unter den bedeutsamen Fortschritten, welche die letztvergangenen
Menschenalter der Erziehungskunst brachten, steht unbestritten die erziehliche
Pflege der Viersinnigen in erster
Reihe. Bis
auf den
Abbé de l'Epée (gest. 1789) und
SamuelHeinicke (gest. 1790) galten die Taubstummen mit verschwindenden
Ausnahmen für unfähig jeder geistigen
Ausbildung und wurden demgemäß behandelt;
sie waren eine unfruchtbare
Last der
Erde und der menschlichen
Gesellschaft. Wenn die
Blinden etwas besser daran waren, so blieb
doch auch bei ihnen ganz der
Gunst der Umstände überlassen, ob der einzelne auf den Weg einer praktischen
Ausbildung der ihm verliehenen
Gaben gelangte oder nicht. Erst seit
ValentinHauy (gest. 1822) gibt es planmäßige Blindenbildung
in eigens dafür errichteten Anstalten. Die von diesen verdienten Männern gestreute
Saat mußte erst durch eine
Reihe von
Jahrzehnten heranwachsen und erstarken, bevor man den
Gedanken fassen konnte, für viersinnige
Kinder ebenso
wie für vollsinnige allgemeine Schulpflicht gesetzlich einzuführen.
Auch heute noch fehlt viel an der Verwirklichung dieser
Forderung, aber sie gehört zu denen, die, einmal aufgestellt, nicht
wieder verstummen können und, wenn nicht ganz unvorgesehene Hemmnisse den
Strom der
Kultur gewaltsam unterbrechen,
in absehbarer Zeit innerhalb der geistig führenden
Nationen der
Erde sicher befriedigt werden.
Schon gilt es der öffentlichen
Meinung als selbstverständlich, daß für die
Erziehung taubstummer und blinder
Kinder nach den
Regeln der neuern
Pädagogik
gesorgt werden muß; und der Weg, auf dem dies für alle solche ermöglicht werden wird, ist durch die
steigende Zahl und die stets zunehmende Tüchtigkeit der Anstalten gewiesen, die bereits nicht mehr als Stätten heroischer,
außergewöhnlicher Menschenliebe, sondern als notwendige
Glieder
[* 11] im heutigen
Schulwesen angesehen werden.
Aber wie oft erst durch das helfende Entgegenkommen die
Größe des menschlichen
Elends zu
Tage tritt, so auch hier.
Daß es auch dreisinnige oder taubstummblinde
Kinder gibt, hat man vor dem Aufkommen der Heilpädagogik in deren beiden angedeuteten
Zweigen kaum geahnt. Glücklicherweise kommt eine derartige Verkümmerung der menschlichen
Natur nicht häufig vor.
Blinde und
Taubstumme kommen ungefähr je 1 auf 1000
Menschen, für
Blindtaubstumme gibt es noch keineStatistik.
Indes
steht fest, daß in verschiedenen
Ländern auch solche Unglückliche wiederholt gefunden wurden, und die moderne
Pädagogik
darf es als einen ihrer schönsten
Triumphe ansehen, daß es gelungen ist, auch eine Anzahl solcher, scheinbar für die
Außenwelt
durchaus unzugänglicher Geschöpfe zu einer gewissen und in mehreren
Fällen gar nicht besonders niedrigen
Stufe der
Bildung zu erheben.
Der berühmteste und zugleich der erste allgemeiner bekannt gewordene
Fall dieser
Art ist der der Amerikanerin
Laura Dewey
Bridgman,
die, in Hanover
(New Hampshire) geboren, seit 1837 in der von
SamuelHowe (1801-76) geleiteten
Blindenanstalt zu
Boston
[* 12] mit Erfolg ausgebildet ward. Ihr in
Boston erfolgter
Tod hat das rege
Interesse, das in den 40er
Jahren und darüber hinaus ihre Bildungsgeschichte auf beiden Seiten des Weltmeeres fand, neu erweckt und in
Amerika
[* 13] eine kleine
Litteratur von
Schriften wachgerufen, die von verschiedenen Standpunkten aus das seltene
Phänomen betrachten. In deutscher
Sprache
[* 14] gibt vom
Leben und Ergehen der berühmten Dreisinnigen wie von dieser Litteratur eine genaue, auch philosophisch- und
besonders psychologisch-kritische Übersicht die ansprechende
Schrift des
WienerProfessorsWilhelmJerusalem:
[* 15]
LauraBridgman;
Erziehung
einer Taubstummblinden, eine psychologische
Studie (2. Aufl.,
Wien 1891).
Dreisinnige (Erziehung
* 16 Seite 19.213.
Über den äußern Lebensgang der
LauraBridgman erfahren wir von ihm das Folgende: Sie wurde ihren Eltern,
wohlhabenden Farmern von mäßiger
¶
mehr
Bildung, als gesundes Kind 1829 geboren. Mit zwei Jahren hatte sie bereits einige Worte plappern und einzelne Buchstaben des Alphabets
kennen gelernt, als sie durch ein Scharlachfieber Gehör
[* 17] und Gesicht
[* 18] verlor. Das Gehör war sofort gänzlich geschwunden; das
rechte Auge
[* 19] blieb noch einige Jahre so weit empfänglich für Lichteindrücke, daß eine im Dunkel brennende
Kerze,
[* 20] das von der Sonne
[* 21] erhellte Fenster oder ein nahe gebrachter weißer, vielleicht auch scharlachroter Gegenstand ihre Aufmerksamkeit
erweckte, ohne jedoch ihr Eindrücke zu geben, die irgend geistbildend hätten wirken können. Da auch Geruch und Geschmack
des Kindes nicht besonders scharf waren, blieb sie für den Verkehr mit ihrer Umgebung fast ausschließlich
auf den Tast- und Gefühlssinn angewiesen.
Dennoch lernte sie im wesentlichen sich sicher durch das elterliche Haus zu tasten und hatte, wie spätere schriftliche Aufzeichnungen
beweisen, ein gewisses Verständnis für das wirtschaftliche Thun derMutter, die begreiflicherweise das hilflose Kind selten
von der Seite ließ. Auch eine begrenzte Anzahl natürlicher Gebärden, die sich allmählich zur anerkannten
Zeichensprache über die unentbehrlichsten Bedürfnisse des Verkehrs befestigten, war in Übung. So bedeutete Streicheln des
Gesichts Zufriedenheit, Schlagen des Rückens Unzufriedenheit der Eltern, Ausstrecken der Hand
[* 22] Hunger des Kindes, Streichen einer
Hand über die andre den Wunsch, Butter zum Brote zu erhalten etc. Oft genug jedoch ward Laura nicht verstanden
und geriet dann in Wut, die nur durch väterliche Züchtigung eingedämmt werden konnte.
Mütterliche Geduld brachte dem unglücklichen Mädchen, das die Thätigkeit der Mutter mit tastenden Händen zu verfolgen liebte,
auch die Anfangsgründe des Strickens, Flechtens, Nähens bei. Howe, der in jungen Jahren den griechischen
Freiheitskrieg mitgemacht und beschrieben, hatte inzwischen die Blindenanstalt in seiner Vaterstadt begründet und zu Blüte
[* 23] gebracht. Er hörte von der kleinen Blindtaubstummen und erreichte von den Eltern, daß sie ihm zur Ausbildung anvertraut ward.
Im 8. Lebensjahr trat Laura in die Anstalt ein.
Die Geschichte ihrer Erziehung und ihres Unterrichts kann hier in ihren einzelnen Stufen nicht verfolgt werden. Durch ein sinnig
erdachtes Verfahren brachte man der Kleinen zunächst bei, daß Gegenstände, später auch Eigenschaften, Thätigkeiten etc.,
durch momentan dargestellte Zeichen, Typen in Blindenschrift, dargestellt werden könnten. Leichter ging es
dann von der Zusammensetzung der Worte aus Metalllettern zur Fingersprache der Taubstummen und endlich zur Blindenschrift fort,
da mit der Übung die Findigkeit zunahm und jeder Fortschritt in Können und Verstehen der Schülerin selbst die innigste
Freude bereitete.
»Im Laufe von 2 Jahren hatte Laura die Sprache sich so weit angeeignet, daß sie sich mit denjenigen Personen,
welche die Fingersprache der Taubstummen kannten, direkt verständigen und auch schriftlich mit ihren Lieben verkehren konnte«;
dies selbstredend damals erst im bescheidensten kindlichen Sinne. Auch in die ideale Welt erhob sich ihr Geist immer sicherer,
so daß sie über Gott, Schöpfung, Vorsehung, selbst über die geschichtlichen Grundlagen und die Hauptlehren
des Christentums in der Art schlichter Leute, deren Gefühl lebendiger wirkt als ihr kritischer Verstand, mit gutem Urteil zu
reden vermochte. Selbst einige Gedichte von ihr gibt es, die eigenartige, wenngleich nicht gerade ausgezeichnete Vorstellungen
zum Ausdruck bringen. 50 Jahre nach ihrem Eintritt in die Bostoner
Anstalt (1887)
bereitete diese ihrer berühmtesten Schülerin eine Jubelfeier, wozu die Gefeierte eine erbauliche Ansprache verfaßte, die
den Festgästen vorgelesen ward. Ihre Grundstimmung in Hinsicht des eignen Daseins drückt, obzwar sie die Mängel ihrer körperlichen
Ausrüstung wohl erkannte und empfand, ein Wort aus, das als ein Zeugnis von ihr, der fast grausam von der
Natur Geprüften, Howe und seine Mitarbeiterinnen mit gerechtem Stolz erfüllte: »Wie froh bin ich, daß ich geschaffen bin!«
Unter voller Würdigung der humanitären und philanthropischen Seite des Falles unterzieht Jerusalem ihn nach allen in Betracht
kommenden Seiten eingehender wissenschaftlicher Analyse, worin ihm der amerikanische GelehrteStanley-Hall,
Präsident der Clark University zu Worcester (Massachusetts), bereits durch Versuche und Beobachtungen physiologischer Art an der
noch lebenden LauraBridgman (1879) vorangegangen ist.
Nur einzelnes kann hier daraus hervorgehoben werden. Wichtig erscheint der Anteil, den die Erlernung der Sprache auch ohne
Laut bei der kleinen Dreisinnigen für die Entwickelung eines höhern Geisteslebens überhaupt, namentlich
für die Verwandlung der einzelnen Vorstellungen in feste, allgemeine Begriffe ausgeübt hat; nicht minder für den stufenweisen
Fortschritt der begrifflichen Abstraktion und die dadurch bedingte Denkfähigkeit des Kindes, das übrigens auch wie andre
Blinde es zu einem verhältnismäßig hohen Grade der Einbildungskraft brachte, welche ihm z. B. ermöglichte,
genaue geographische und topographische Kenntnisse über ein nicht allzu enges Gebiet sich anzueignen.
Lebhaft entwickelt war LaurasEmpfänglichkeit im Aufnehmen wie Sicherheit im vergleichenden Abschätzen und treuen Bewahren
von Zeitvorstellungen. Jerusalem widmet dieser Erscheinung besondere Aufmerksamkeit und erblickt darin eine Stütze für seine
schon anderweit vorgetragene geistreiche Hypothese, wonach die Zeitvorstellungen überhaupt aus dem Bewußtwerden
der innern Spannung bei geistiger Arbeit erwachsen. Sehr erklärlich, daß das Bewußtsein der innern Arbeit bei der Einschränkung
auf den einen Kanal
[* 24] zur Aufnahme äußerer Eindrücke ein besonders lebhaftes und unzerstreutes war.
Endlich wird besonderes Gewicht darauf gelegt, daß LauraBridgman eine Anzahl zunächst unwillkürlicher
Töne (ihr selbstverständlich nur durch Tastsinn und Muskelgefühl als Bewegungen bewußt), die sie bei Berührung mit den Personen
ihrer nächsten Umgebung ausstieß, allmählich zu bewußt festgehaltenen Quasinamen für die einzelnen erhob; allerdings
eine sehr merkwürdige Thatsache, welche die Ansicht zu bestätigen scheint, daß menschliche Sprache überhaupt
aus den vom Momente des Ursprunges allmählich gelösten und selbständig ausgebildeten Gefühlslauten entstanden ist. Noch
nicht benutzen konnte Jerusalem den Befund der Sektion des Gehirns der LauraBridgman, der nach der Angabe seines Rezensenten
im »Litterarischen Zentralblatt« (Nr. 45 des Jahrganges 1891) inzwischen von Donaldson im »American Journal of Psychology«
veröffentlicht worden ist.
Wie bereits angedeutet, steht der im vorigen etwas ausführlicher besprochene Erfolg der Taubstummblinden-Bildung nicht ganz
einzeln da. Jerusalem führt am Schlusse seines Berichtes drei Dreisinnige auf, deren kürzere oder längere Behandlung im BostonerInstitut
die Bildungsfähigkeit solcher Unglücklichen ebenfalls bestätigt. Genauer geht er dann auf ein noch
in der Erziehung begriffenes Mädchen, HeleneKeller aus Tuseumbia (Alabama), ein, das
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