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und ein kleineres p durch ein größeres q ausgewogen werden kann und umgekehrt. Außerdem tritt noch ein zweiter sehr wesentlicher Unterschied zwischen Flächen und Linien hervor. Während der geradlinige Streckenzug sich in jeder Phase des Auflösungsprozesses strecken läßt, und somit auch die Linie selber, und deshalb jede Linie auf jeder andern abwickelbar ist, ist das Entsprechende für das Vielecksnetz der Flächen keineswegs der Fall. Bei der hier gegebenen Erzeugung läßt sich zwar jede von den Teilsummen zwischen zwei aufeinander folgenden p-Linien auf einer Ebene ausbreiten; aber es ist im allgemeinen nicht möglich, auch nur zwei benachbarte Elementarstreifen längs einer Linie zusammenhängend auf dieselbe Ebene zu biegen.
Keineswegs läßt sich daher jede Fläche auf jede andre biegen. Von bekannten Flächen lassen sich Kegel und Cylinder zur Ebene »deformieren«, für Kugel und Ellipsoid [* 2] ist dies unmöglich. Keine Flächt welche auf der Kugel abwickelbar ist, ist auf der Ebene abwickelbar, und umgekehrt. In der gegenseitigen Abwickelbarkeit ist also für die Flächen ein Einteilungsprinzip gewonnen, da, wie man sofort einsieht, eine kürzeste Linie auch nach der Deformation kürzeste Linie bleibt, daher auch ein unendlich kleines Dreieck [* 3] seine Form nicht ändert und somit alle Winkel [* 4] erhalten bleiben.
Die ganze Geometrie der aus kürzesten (oder geradesten) Linien gebildeten Figuren ist für die Flächen derselben Klasse dieselbe. Das Kennzeichen der Zusammengehörigkeit zweier Klassen besteht in der Übereinstimmung der sämtlichen von entsprechenden Punkten ausgehenden Linienelemente auf den Flächen, welche, da sie geradlinig gedacht werden müssen, auch zugleich die Elemente der von den betreffenden Punkten ausgehenden kürzesten Linien sind. Die Identität der Linienelemente zieht die Gleichheit des Gaußschen Krümmungsmaßes nach sich, ein Zusammenhang, der für Flächen konstanter Krümmung umkehrbar ist. Flächen konstanter und gleicher Krümmung lassen sich ineinander deformieren. Ausgezeichnet sind die Klassen der Ebene, Kugel (und, mit einer gewissen Einschränkung, der Pseudosphäre Beltramis), auf welcher die Flächenstücke frei verschiebbar sind.
Geht man auf den Raum und zunächst zum Körper über, so tritt an die Stelle der Linie q0 eine den Körper teilende Fläche Q0.
Dieser Fläche Q0 werde eins ihrer Dreiecksnetze eingeschrieben [* 1] (Fig. 2). Durch jede Seite jedes dieser Dreiecke werde im Raum eine Fläche P gelegt, z. B. durch O2 O3, die Fläche P1. Diese Flächen schneiden sich in Linien, P2 und P3 z. B. in 11, den Linien werden von Q0 aus Sehnenzüge eingeschrieben, deren Endpunkte der Reihe nach
mit 11, 12, l3 2c., 21, 22, 23 2c. bezeichnet werden. Man verbinde dann 11, mit 01, 02, 03 zu einem Tetraeder (dreiseitige Pyramide), dann i2 mit O1, O2, O3 desgleichen, dann 13 mit 11, 12, 13 desgl., so entsteht ein von drei Tetraedern begrenzter, einfach zusammenhängender, prismaartiger Raum mit den sechs Ecken O1, O2, O3, i1, i2, i3. Indem man dann die Vordermarke 0 durch 1 und 1 durch 2 ersetzt 2c, erhält man einen Tetraederzug. Wir sehen, im Raum tritt an die Stelle des Dreiecknetzes ein Tetraedernetz.
Wie die Dreiecke mit der Vordermarke O schließlich die Fläche Q0 stetig erfüllen, so geben die mit der Marke s die Fläche Qs, es bedarf einer besondern Abmessung, um die Fläche Qs zu bestimmen, auf der dann der besondere Punkt bestimmt wird. Die Ortsbestimmung [* 5] im Körper verlangt drei voneinander unabhängige Abmessungen, sie ist dreidimensional. Es ist nun von allen Hypothesen die uns geläufigste, daß wir Art und Weisen angeben können, bei denen drei solcher voneinander unabhängiger Abmessungen genügen, um die Lage jedes Ortes im Raum zu bestimmen.
Die bei weitem gebräuchlichsten verdanken wir dem Licht [* 6] und der Schwere. Die durch das Auge [* 7] gegebenen heißen Polarkoordinaten, welche als Bestimmung eines Punktes auf der Erdoberfläche durch Erdradius, geographische Länge und Breite, [* 8] hinlänglich bekannt sind. Als Grundeinheiten dienen dabei eine Strecke und zwei Bogen, [* 9] den Drehungen der Augen entsprechend. Der Schwere danken wir das rechtwinkelige dreiachsige Koordinatensystem, Länge, Breite, Tiefe oder Höhe.
Die Schwere gibt die Vertikalachse, da sie uns durch den Reiz, welchen sie auf unsre Nerven [* 10] übt, aufrecht zu gehen zwingt. Die Horizontalkoordinaten werden gegeben durch den Schnitt der Symmetrieebene längs des Nasenrückens mit der Ebene, aus der wir stehen, und durch den Schnitt der vertikalen Ebene der Drehpunkte unsrer Arme mit der Fußebene. Wir tragen somit unser dreiachsiges rechtwinkeliges Koordinatensystem beständig mit uns herum, und deshalb ist es uns so geläufig.
Die Vermittelung zwischen beiden Systemen bewirkt der Pythagoras. Es zeigt sich nun, daß Volum- und Ortsbestimmung in unserm Raum sich außerordentlich einfach gestalten. Wie die Ebene als Fläche gleicher Stellung die nächstdimensionale Stufe der Geraden, der Linie gleicher Richtung, erscheint der Raum als nächst höhere Stufe der Ebene. Die Gerade fällt mit jedem ihr eingeschriebenen Streckenzug zusammen, die Ebene mit jedem ihrer Dreiecksnetze, der Raum mit jedem seiner Tetraederzüge.
Oder auch: die Gerade ist durch eine Strecke, die Ebene durch ein Dreieck, der Raum durch ein Tetraeder völlig bestimmt. In der Geraden und der Ebene ist jeder Teil frei beweglich. Weil keine Krümmung vorhanden, d. h. keine Richtungsänderung, so kehrt ein gleichmäßig verschobener Teil nie in seine Anfangslage zurück, worin der Hauptunterschied zwischen Gerader und Ebene einerseits und Kreis [* 11] und Kugel anderseits liegt. Ganz ebenso ist in »unserm« Raum jeder Teil frei beweglich, und auch so, daß der gleichmäßig verschobene Körper nie wieder in seine Anfangslage zurückkehrt. Hier liegt der Ausgangspunkt der mehr als dreidimensionalen Geometrie Riemanns. Er erkannte scharf die besondern Beziehungen unsers Raumes zur Geraden und Ebene, den besondern Linien und Flächen, und damit wurde derselbe nur zum ebenen Raum; der Gedanke einer Mannigfaltigkeit von Räumen, ebenen und krummen, entsprechend der Fülle der Linien und Flächen, wurde möglich. Ganz besonders nahe lag der kugelförmige Raum, da auch in diesem jeder Teil ¶
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frei verschiebbar ist, nur daß er in seine Anfangslage zurückkehrt, wie ein im Innern unsrer Kugel mit gleichmäßiger Richtungsänderung bewegter Körper. Wie die Fülle der Flächen nur in der Tiefe Platz hat, so bedarf eine Fülle von Räumen einer vierten Dimension [* 13] (das Wort als Art und Weise der Ausdehnung [* 14] gebraucht), innerhalb derer der einzelne Raum durch eine vierte Abmessung bestimmt wird. Die Mehrheit vierdimensionaler Räume macht eine fünfte nötig 2c. Die Aufstellung einer Mannigfaltigkeit von n-Dimensionen oder der »n-fach ausgedehnten Größe« wurde unvermeidlich.
Sieht man von einer gelegentlichen Äußerung von Gauß und von einer ebenso flüchtigen aus Kants Erstlingsschrift ab, so ist der erste, welcher den Begriff der n-fachen Mannigfaltigkeit in voller Schärfe aufgestellt hat, nicht Riemann, sondern der geniale H. Graßmann, dessen bereits 1844 erschienene Ausdehnungslehre »zum Schaden der Wissenschaft« 25 Jahre lang völlig unbeachtet blieb. Erst die Gesamtausgabe von Riemanns Werken (1867) und die im Anschluß daran erfolgende Veröffentlichung von Helmholtz in den »Heidelberger Jahrbüchern« und den »Göttinger Nachrichten« von 1868 lenkten die Aufmerksamkeit der Mathematiker auf die n-dimensionale Geometrie.
Besonders wichtig wurde in dieser Hinsicht der Vortrag von Helmholtz: »Über den Ursprung und die Bedeutung der geometrischen Axiome«, von 1870. Helmholtz ist wohl der erste, welcher ernsthaft die Möglichkeit einer vierdimensionalen Anschauung erwogen hat. In seinem Vortrag zeigt er zuerst an dem Beispiel der Flächenwesen, welches Beispiel von Fechner herrührt, wie wenig aus unsrer Unfahigkeit einer vierdimensionalen Anschauung auf deren Unmöglichkeit an sich geschlossen werden kann.
Ein solches Wesen, das nur zweidimensionaler Anschauung fähig ist, würde nie imstande sein, die beiden Hälften eines gleichschenkeligen Dreiecks zur Deckung zu bringen, der Unterschied zwischen Kongruenz und Symmetrie (der es uns unmöglich macht, den rechten Handschuh auf die linke Hand [* 15] zu ziehen) würde für dies Wesen schon auf der Fläche hervortreten. Es würde nie begreifen können, wie etwas in einen geschlossenen Kreis hineinkommen könne 2c. Helmholtz entwickelt dann genau die drei verschiedenen Geometrien, für welche die Kongruenz oder die freie Beweglichkeit der Teile bestehen bleibt (s. Parallelenaxiom und »nichteuklidische Geometrie« unter Geometrie), zu denen diese Wesen je nach der Beschaffenheit ihrer Fläche gelangen würden.
Ein Wesen, das in die Oberfläche eines Ellipsoids (Eifläche) gebannt wäre, müßte auch auf die Kongruenz verzichten. Es tritt der Anteil, welchen die Erfahrung an der Geometrie hat, scharf hervor. Die Lücke, welche Helmholtz läßt (er hat die Grundzüge der vierdimensionalen Geometrie nicht entworfen), ist namentlich von den Italienern im letzten Jahrzehnt ausgefüllt. Es macht nicht die geringste Schwierigkeit, sich eine zwar nicht notwendige, aber doch mögliche Geometrie der ebenen Räume nn vierdimensionalen Raum auszumalen. Die beiden wichtigsten Sätze lauten: Es können vier und nicht mehr als vier Gerade gegenseitig aufeinander senkrecht stehen, und: Zwei Ebenen zweier (dreidimensionaler) Räume können auch nur einen Punkt gemein haben. Auf diesem Satz beruht die Möglichkeit kreuzender Ebenen, d. h. Ebenen, welche weder parallel sind, noch sich schneiden, wodurch die Geometrie sehr wesentlich erweitert wird.