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[Bergbau etc.]
Im J. 1890 betrug die Produktion
Menge Tonnen | Wert in Tausenden Mark | Durchschnittspreis pro Tonne 1890 Mark | 1889 Mark | |
---|---|---|---|---|
Steinkohlen | 70237803 | 538044 | 7.66 | 5.72 |
Braunkohlen | 19053026 | 49769 | 2.61 | 2.52 |
Eisenerze | 11406132 | 47829 | 4.19 | 4.22 |
Kupfererze | 596100 | 20167 | 33.33 | 31.74 |
Bleierze | 168234 | 18098 | 107.58 | 104.56 |
Zinkerze | 759437 | 23416 | 30.83 | 24.96 |
Silber- und Golderze | 21360 | 4584 | 214.60 | 181.53 |
Steinsalz | 557060 | 2473 | 4.44 | 4.14 |
Kainit | 361827 | 5200 | 14.37 | 14.57 |
Andre Kalisalze | 913030 | 11305 | 12.38 | 12.03 |
Die größte Preissteigerung wiesen die Steinkohlen auf, deren Gesamtwert sich gegen das Vorjahr um 153 Mill. Mk. (fast 40 Proz.) erhöhte, während die Menge der geförderten Kohlen nur um 2,9 Mill. T. gestiegen war; auch die Preissteigerung bei Zinkerzen ist bemerkenswert. Von Salzen aus wässeriger Lösung wurden 1890 gewonnen: ca. 817,000 T., darunter 492,584 T. Kochsalz im Werte von 13,1 Mill. Mk. und 137,005 T. Chlorkalium (17,7 Mill. Mk.). Die Produktion der Hütten [* 2] ergab 1890:
Menge | Wert | |
---|---|---|
Roheisen | 4658451 Tonnen | 267580000 Mark |
Kupfer | 2445 " | 28916000 " |
Zink | 139266 " | 62393000 " |
Blei | 101781 " | 25629000 " |
Schwefelsäure | 464044 " | 15316000 " |
Silber | 402945 Kilogr. | 56151000 " |
Gold | 1855 " | 5162000 " |
Die Preissteigerung gegen 1889 betrug bei Silber 10,5 Proz., bei Roheisen 19,4 und bei Zink 21,1 Proz.
Im Betriebsjahr 1889/90 waren von 89,161 vorhandenen Branntweinbrennereien 49,180 im Betrieb (16,472 weniger als im Vorjahr). Die Produktion an reinem Alkohol betrug 3,144,801 hl (417,740 hl mehr), wofür nach Abzug der Rückvergütung 147,3 Mill. Mk. an Steuern gezahlt wurden (8,9 Mill. Mk. mehr als im Vorjahr). Abgabenfrei wurden 531,375 hl reiner Alkohol zu gewerblichen Zwecken verwandt. Im Brausteuergebiet bestanden im Etatsjahr 1890/91: 9585 Brauereien, die zusammen 32,279,452 hl Bier produzierten. Die Bierproduktion in den süddeutschen Staaten betrug außerdem 20,4 Mill. hl, mithin in ganz Deutsche [* 3] 52,7 Mill. hl. Über den Handel Deutschlands s. den besondern Artikel.
Finanzen, Heerwesen.
Der Reichshaushaltsetat für1892/93 wurde in Sinnahme und Ausgabe auf 1,207,583,565 Mk. festgesetzt. Von den Ausgaben waren fortdauernde: 990,674,864 Mk. (48 ⅔ Mill. Mk. mehr als im Vorjahr), einmalige: 216,908,701 Mk., darunter 144,778,595 Mk. im außerordentlichen Etat. Die Hauptposten der fortdauernden Ausgaben sind: Verwaltung des Reichsheeres 427,285,158 Mk., Marineverwaltung 45,298,839, Reichsschuld 60,865,800, Pensionsfonds 42,646,531, Reichsinvalidenfonds 25,164,554, Reichsamt des Innern 19,896,750, Auswärtiges Amt 9,901,205, Reichsschatzamt 356,059,740 Mk. Im Etat des Reichsschatzamtes sind 350 Mill. Mk. (29 Mill. Mk. mehr, als die Matrikularbeiträge betragen) zu Überweisungen an die einzelnen Bundesstaaten bestimmt.
Von den einmaligen Ausgaben erheischt das Reichsheer 135,849,237 Mk. (darunter 97,432,295 außerordentliche), die Marine 40,110,500 (darunter 22,997,800 außerordentliche), die Eisenbahnverwaltung 14,348,500 Mk. außerordentliche, das Reichsamt des Innern 10,714,966 (darunter 6 Mill. Mk. außerordentliche), die Post- und Telegraphenverwaltung 7,250,748 Mk. ordentliche Ausgaben. Die Hauptposten der Einnahmen sind: Zölle und Verbrauchssteuern 603,833,960 Mk. (25 Mill. mehr als im Vorjahr), Reichsstempelabgaben 37,109,000 Mk., der Reinertrag bei der Post-und Telegraphenverwaltung 21,222,938 Mk. (2,5 Mill. Mk. weniger als im Vorjahr), bei der Eisenbahnverwaltung 19,824,800 Mk., Einnahme aus dem Reichsinvalidenfonds 25,164,554 Mk., Überschüsse aus frühern Jahren 15,308,201 Mk., Matrikularbeiträge 320,859,733 Mk. (4^4 Mill. Mk. mehr als im Vorjahr), endlich aus der Anleihe 137,668,595 Mk. Die Matrikularbeiträge verteilen sich auf die einzelnen Bundesstaaten:
Mark | |
---|---|
Preußen | 188103831 |
Bayern | 41124580 |
Sachsen | 22034168 |
Württemberg | 14901598 |
Baden | 11584910 |
Hessen | 6228440 |
Mecklenb.-Schwerin | 3621222 |
Sachsen-Weimar | 2045498 |
Mecklenb.-Strelitz | 613144 |
Oldenburg | 2226715 |
Braunschweig | 2538626 |
Sachsen-Meiningen | 1404268 |
Sachsen - Altenburg | 1072883 |
Sachs.-Koburg-Gotha | 1295410 |
Anhalt | 1710871 |
Schwarzb.-Sonderst) | 473331 |
Schwarzb.-Rudolstadt | 538179 |
Waldeck | 358798 |
Reuß ältere Linie | 395262 |
Reuß jüngere Linie | 753254 |
Schaumburg-Lippe | 245841 |
Lippe | 806200 |
Lübeck | 481920 |
Bremen | 1134785 |
Hamburg | 3933982 |
Elsaß-Lothringen | 11232017 |
[Heerwesen.]
Mit dem Militäretat für 1891/92 ist die Errichtung einer 9. Kriegsschule zu Hersfeld, [* 4] Provinz Hessen-Nassau, [* 5] genehmigt worden, so daß nun Kriegsschulen zu Potsdam, [* 6] Glogau, [* 7] Neiße, [* 8] Engers, Kassel, [* 9] Hannover, [* 10] Anklam, [* 11] Metz, [* 12] Hersfeld, für Bayern [* 13] in München [* 14] bestehen. Zu Karlsruhe [* 15] ist ein Kadettenhaus errichtet worden; es bestehen solche in Köslin, [* 16] Potsdam, Wahlstatt, Bensberg, Plön, Oranienstein und Karlsruhe als Voranstalten, zu Lichterfelde bei Berlin [* 17] die Hauptkadettenanstalt, außerdem ein Kadettenhaus zu Dresden. [* 18]
Ferner sind zwei Unteroffizier-Vorschulen zu Jülich und Wohlan errichtet, es bestehen deren nun fünf: zu Weilburg, Neubreisach, Annaburg, Jülich und Wohlau. In Bockenheim bei Frankfurt [* 19] a. M. ist eine Lehrschmiede errichtet worden;
es bestehen nun solche in Berlin, Breslau, [* 20] Königsberg, [* 21] Gottesaue, Hannover, Dresden und München.
Unteroffiziere erhalten bei ihrem Ausscheiden aus dem Dienste [* 22] nach 12 Jahren eine Dienstprämie (s. d.). Das bisher bestandene General-Artilleriekomitee ist ausgelost, eine Kavalleriekommission als beratende Behörde aus höhern Kavallerieoffizieren errichtet worden.
Nachdem von 1888 bis zum Frühjahr 1891 eine Reihe neuer Waffen [* 23] bei fast sämtlichen Truppengattungen eingeführt ist, ist die Bewaffnung im deutschen Reichsheer nunmehr die folgende:
1) Infanterie: Feldwebel, Vizefeldwebel der Linie und des Beurlaubtenstandes, die in gleichem Range stehenden Stabshoboisten, Stabshornisten und Zahlmeisteraspiranten: Infanterie-Offizierdegen n/M und Revolver [* 24] 83, alle übrigen Unteroffiziere und Gemeine: Gewehr 88 und Infanterieseitengewehr 71.
2) Jäger und Schützen: Wie Infanterie, jedoch Hirschfänger 71.
3) Kavallerie: Gardes du Corps und die Kürassierregimenter: Kürassierdegen 54;
alle übrigen Kavallerieregimenter: Kavalleriedegen 89 (eingeführt 1890);
die gesamte Kavallerie mit Ausnahme der Wachtmeister, Vizewachtmeister, Porteepefähnriche und Trompeter: Stahlrohrlanzen, Unteroffizierlanze mit Adlerfähnchen;
alle Unteroffiziere und Trompeter: Revolver 83;
Gemeine: ¶
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Karabiner 88. 4) Feldartillerie: Feldgeschütz C/73/88 (das bisherige schwere Feldgeschütz) sowohl fahrende als reitende Batterien;
Unteroffiziere, Trompeter, Fahnenschmiede, Fahrer der fahrenden Batterien und alle Mannschaften der reitenden Batterien: Artilleriesäbel und Revolver 83;
die Fußmannschaften der fahrenden Batterien: Infanterieseitengewehr u/M und Revolver 83 (eingeführt 1891).
5) Fußartillerie: Feldwebel und die Chargen gleichen Ranges: Artillerie-Offiziersäbel und Revolver 83;
Unteroffiziere und Gemeine: Karabiner 88 (eingeführt 1891) und Infanterieseitengewehr 71.
6) Pioniere: wie Infanterie, jedoch Pionierfaschinenmesser 71. 7) Eisenbahnregiment und Luftschifferabteilung: wie Pioniere.
8) Train: Unteroffiziere und berittene Mannschaften: Artilleriesäbel (auch Kavalleriesäbel A/M) und Chassepotkarabiner, bez. Karabiner 71, die als Fußmannschaften ausgerüsteten Trainsoldaten: Infanterieseitengewehr u/M. Die eingeführten neuen Regimentsnamen s. im besondern Artikel.
Über die politischen Parteien im Reichstag vgl. den Artikel »Volksvertretung«.
Geschichte.
Die Verhandlungen des Reichstags traten im Frühjahr 1891 an Nichtigkeit hinter denen des preußischen Abgeordnetenhauses über die bedeutungsvollen Reformgesetze zurück. Außer dem rechtzeitig vor 1. April zum Abschluß gebrachten Reichshaushaltsetat, in welchem die Unteroffiziersprämie bewilligt, die Forderungen für die Marine aber erheblich beschnitten wurden, und einem geringfügigen Nachtragsetat wurden ein neues Zuckersteuergesetz u. eine Branntweinsteuernovelle genehmigt.
Die Verhandlungen über das Arbeiterschutzgesetz zogen sich so in die Länge, daß dasselbe erst am Schluß der Session zum Abschluß gebracht werden konnte. Die anfänglichen, weit über die praktische Zulässigkeit hinausgehenden Beschlüsse der vorberatenden Kommission wurden im Plenum durch vertrauensvolles Zusammenarbeiten der Regierungen und sämtlicher Parteien, außer der sozialdemokratischen, so umgestaltet, daß die bei den Arbeitgebern erweckten Besorgnisse beschwichtigt wurden.
Die seit Jahren vom gesamten Reichstag verlangten gesetzlichen Beschränkungen der Kinder-, Frauen- und Sonntagsarbeit waren nun erreicht (vgl. den Artikel »Arbeiterschutzgesetzgebung«). Eine Krankenkassengesetznovelle wurde zu beraten angefangen, aber nicht beendigt. Um nun aber die Arbeit der Einzelberatung nicht wieder von vorn beginnen zu müssen, wurden die Sitzungen des Reichstags nicht geschlossen, sondern 9. Mai durch eine kaiserliche Botschaft bis 10. Nov. vertagt.
Der nicht lange nachher veröffentlichte Finalabschluß der Reichshauptkasse für 1890/91 ergab einen günstigen Stand der Reichsfinanzen. Trotzdem die Kosten des Reichsheers 13,717,000 Mk. mehr betrugen, als veranschlagt war, ergab der Reichshaushalt des Etatsjahres 1890/91 einen Überschuß von 15,148,201 Mk.; außerdem aber wurden 378,826,000 Mk. (80,316,000 Mk. mehr, als im Etat vorgesehen) als Mehrertrag der Zölle und der Tabaksteuer an die Bundesstaaten überwiesen. Die Befürchtungen, welche man nach dem harten Winter und dem ungünstigen Frühjahr hinsichtlich der Ernte [* 26] hegte, und derentwegen von den Deutschfreisinnigen und Sozialdemokraten die sofortige Aufhebung oder wenigstens die Suspension der Getreidezölle immer wieder, freilich vergeblich, gefordert wurde, erwiesen
sich als übertrieben. Nur die östlichen Provinzen Preußens [* 27] hatten bei der Ernte einen erheblichen Ausfall, besonders an Roggen. Trotzdem und trotz der verschärften Schutzzollgesetze mehrerer Staaten, namentlich Nordamerikas, war die Lage der Landwirtschaft und Industrie leidlich; der Handel der Nordseehäfen blieb im Aufschwung.
Die äußere Lage des Deutschen Reiches wurde durch die Erneuerung des Dreibundes mit Österreich [* 28] und Italien [* 29] befestigt. Dieselbe srfolgte im Juni 1891, nachdem 1890 in Deutsche und 1891 in Italien ein Wechsel in der Person der leitenden Staatsmänner stattgefunden hatte. Die Verhandlungen zwischen Kalnoky, Caprivi und Rudini führten bald zum gewünschten Abschluß, und wenn auch die Einzelheiten der geschlossenen Verträge geheim blieben, so konnte doch die auch vom Kaiser Wilhelm vor seiner Abreise nach Norwegen [* 30] mitgeteilte Thatsache des erfolgten Abschlusses als ein neuer Beweis dafür gelten, daß die drei Mächte ihre Kraft [* 31] für die Erhaltung des Friedens einzusetzen entschlossen waren.
Auch die Reise des Kaisers nach England, wo er in London [* 32] glänzend empfangen wurde, sollte dazu dienen, das Vertrauen auf die friedlichen Absichten des Dreibundes, besonders des Deutschen Reiches, zu bestärken. Der Besuch der französischen Flotte in Kronstadt, [* 33] ihr enthusiastischer Empfang daselbst und das Verhalten des Zaren dabei schienen die Gerüchte von dem Abschluß eines förmlichen Bündnisses zwischen Rußland und Frankreich zu bestätigen. Indes die deutsche Reichsregierung ließ sich dadurch nicht in ihrer ruhigen Zuversicht auf Erhaltung des Friedens beirren.
Der Reichskanzler erklärte vielmehr 27. Sept. in Osnabrück, [* 34] als sich ihm eine Gelegenheit zu einer Äußerung bot, daß die Annäherungen der Staaten in neuester Zeit kein Grund zu Befürchtungen, sondern nur ein Ausdruck schon bestehender Verhältnisse und vielleicht nichts andres seien, als die Feststellung eines europäischen Gleichgewichts, wie es früher bestanden habe. Und während das französische Volk, seine Presse [* 35] und seine Politiker in hochtrabenden Phrasen über das russische Bündnis und die Wiedererlangung des Frankreich gebührenden Ranges schwelgte, hob die Reichsregierung den Paßzwang in Elsaß-Lothringen [* 36] (s. d.) auf.
Im Oktober 1891 fand wiederum ein sozialdemokratischer Parteitag in Erfurt [* 37] statt, um ein neues Programm festzustellen. Der Entwurf desselben ließ die letzten Ziele der Sozialdemokratie unerörtert und enthielt nur eine Reihe von Forderungen für das Volk im allgemeinen und den Arbeiterstand im besondern, welche auch ohne Zertrümmerung der bestehenden Gesellschaft verwirklicht werden könnten. Durch ihre Mäßigung wollte die Sozialdemokratie beweisen, daß das Sozialistengesetz überflüssig war. Indem die Führer der Partei in dunkeln Redewendungen den baldigen Sieg der sozialdemokratischen Sache verkündeten, um immer größere Massen für sich zu gewinnen, suchten sie vor allein die Macht im Staate, auf welche Weise immer, an sich zu bringen und schüttelten daher unruhige, anarchistische Elemente, welche die Taktik des Vorstandes zu stören suchten, von sich ab. Das Programm wurde fast einstimmig angenommen.
Der Reichstag trat wieder zusammen, um seine 9. Mai unterbrochenen Arbeiten fortzusetzen. Der Wiederbeginn der Sitzungen erfolgte daher auch ohne jede Förmlichkeit, und der Reichstag trat sofort in die laufenden Geschäfte ein, indem er die zweite Beratung des Krankenkassengesstzes ¶