Sitz der
Gesellschaft (§ 4) ist
Berlin.
[* 2] Sie wird vertreten (§ 5) durch die jährlich im
Oktober zusammentretende
Generalversammlung
und das von dieser alle drei Jahre neugewählte Kuratorium, das seinerseits in Vorstand, Redaktions-
und Finanzausschuß sich gliedert (§ 6-7). Die Mitgliedschaft (§ 8-9) wird erworben durch einmaligen Beitrag von 100
Mark
oder jährlichen von 5 Mk. Die vom Redaktionsausschuß beschlossenen Veröffentlichungen (§ 13)
erscheinen unter dem
Titel:
»MonumentaGermaniae paedagogica« oder, wenn sie von zu geringemUmfang sind,
um selbständig aufzutreten, in den »Mitteilungen der
Gesellschaft 2c.« Diese sollen in zwanglosen Heften jährlich 2-4 mal
erscheinen.
Sie werden enthalten: Ergänzungen zu den einzelnen
Bänden der
»Monumenta«,
Berichte über den
Stand der
Arbeiten und sonstigen
Vereinsangelegenheiten,
Urkunden,
Regesten, Übersichten verschiedener Art, Anfragen der Mitglieder, Aufrufe u. dgl.
Jedes Mitglied erhält (§ 14): a) unentgeltlich die »Mitteilungen
der
Gesellschaft 2c.«; b) das
Recht, die sonstigen Veröffentlichungen der
Gesellschaft zu drei
Vierteln des Ladenpreises unmittelbar
vom Vorstand zu beziehen.
Der provisorische Vorstand der
Gesellschaft besteht aus dem Vorsitzenden:
Geheimen Oberregierungsrat Höpfner
(Kultusministerium),
dessen Stellvertreter: fürstbischöflichen
Delegat und
Propst zu St.
Hedwig, Jahnel, den beiden
Schriftführern:
Kehrbach und Stadtschulinspektor
Fischer, dem
Kassierer: Seminaroberlehrer
Fechner, sämtlich zu
Berlin. Als erstes Lebenszeichen
hat dieser Vorstand der 41. Versammlung der deutschen Philologen und Schulmänner zu
München
[* 3] 1891 ein Probeheft der »Mitteilungen
2c.« gewidmet, das, nicht am wenigsten wegen der regen Beteiligung süddeutscher
Kräfte an einem Unternehmen,
dessen
Mittelpunkt und Leitung in
Berlin liegt, die besten Aussichten auch für diese kleinern Mitteilungen der
Gesellschaft
erweckt. Ein zweites Heft ist inzwischen gefolgt.
[* 4]GemeindeninPiemont.Durch hohe Gebirgskämme vom deutschen Stammland getrennt und teilweise wenigstens völlig
von fremdsprachlichen
Bevölkerungen umgeben, finden sich deutsche Sprachhalbinseln und
-Inseln im Quellgebiete
des
Tagliamento und
Piave unter den
Furlanern, zwischen
Brenta und
Etsch im italienischen Südtirol und in
Venetien, am
AverserRhein, am
Hinterrhein, im
Vorderrhein- und Valserthal unter den
Räto-RomanenGraubündens, im tessinischen Maggiagebiet und endlich
in
Piemont. Die
Gemeinden, in denen hier die
deutsche Sprache noch gesprochen wird oder doch erst vor kurzem
verschwand, sind Pommat oder Formaz Za im obern Tosathal, etwas südlich davon Saley oder Salechio am westlichen Thalgehänge
der
Tosa,
Ager oder Agaro an einem Nebenbach der zur
Tosa
fließenden
Devexa, Preßmilch oder Premosello,
Die letzten dieser
Stämme, die Rätier, strömten der
Save und
Donau entlang ins Alpengebiet ein und verbreiteten sich darin
nach W. und S. Den westlichsten
Punkt ihres Vordringens bezeichnet wahrscheinlich der
Ort Pfyn (ad fines),
zwischen
Siders und
Lenk im Rhônethal. Im N. dehnten sie sich aus bis an den
Bodensee, wo im Thurgau
der
Name Pfyn wiederholt vorkommt,
und bis an die
Bayrischen Alpen, im S. bis zur LombardischenEbene und im O. bis ins Quellgebiet der Dräu.
Durch die ihren Stammesgenossen völlig entfremdeten
Römer
[* 7] wurden die Alpenthäler in grausamster
Weise entvölkert, der kleine
in der
Heimat erhaltene Rest rasch romanisiert; in den heutigen
Räto-Romanen sehen wir die letzten Überbleibsel dieser ältesten
Alpenbewohner. Zur Zeit der
Völkerwanderung zogen in die nordwestlichen Alpenthäler
Alemannen und
Burgunder
ein, welche später ihre
Sprache
[* 8] von Wallis
aus nach O. bis in die Gegend des
Arlbergs vorschoben.
In den meisten Gegenden aber, in denen deutsches
Wesen auf seit alters allgemein eingebürgerte römische
Kultur stieß, vor
allem im S. der
Alpen
[* 9] und in ihren weiten, nach
S. und W. sich erschließenden Thalöffnungen, war der
Untergang deutschen
Volks- und Sprachtums ein rascher. Nur in einzelnen, vom
Verkehr abseits gelegenen
Thälern erhielt sich
dasselbe bis auf den heutigen
Tag inmitten der sie rings umschließenden fremdsprachigen Umgebung. Wie von N. her, ws deutsche
Walliser wohnen, ist der
Monte Rosa ursprünglich auch an der
Süd- und Ostseite vom deutschen Sprachgebiet
umschlossen gewesen, und nur von W. her reicht eine provencalische
Mundart an ihn heran.
Aber auch am Lernnzon sprach man früher deutsch; noch sind in der Kaplanei St.
Jaques d'Aya viele Gemeindegüter deutsch
benannt, und der
Strich aufwärts vonAyas heißt
Canton des
Allemands. Der
Monte Rosa heißt bei seinen Umwohnern
Gorner
Horn. Deutsche Ortschaften finden wir aber auch bereits östlich vom
Monte Rosa. Überschreitet man am Südrande des
Greisgletschers die italienische
Grenze, so erreicht man im engen
Thal
[* 10] des
Toce das Gebiet der deutschen
Gemeinde Pommat oder
Formazza, welche, aus zahlreichen Einzelgehöften und
Weilern bestehend, sich über 15 km weit bis zur
Höhe von 900 m hinabzieht.
Das
Thal ist eingerahmt von hohen und schroffen Urgesteinsriesen, meist mit deutschen
Namen, wie Marchhorn, Kastelhorn, Hirelihorn,
Wandfluh, Sternenhorn, Marchet
Spitze,
Sonnenkorn im O., Nothhorn, Thalihorn, Hochsandhorn, Vauhorn,
Ofenhorn im W. Das
Thal senkt sich in vielen
Stufen. Auf jeder liegt ein Alpendörfchen; die obern sind nur im
Sommer, die mittlern bis gegen
Weihnachten,
die untern während des ganzen
Jahres bewohnt. Die 658 Bewohner sprechen im innern
Verkehr ausschließlich
(Walliser) deutsch,
obschon
Schule und
Predigt längst italienisch sind.
¶
mehr
Die Häuser sind im Gegensatze zu den italienischen Steinhäusern sämtlich aus Holz,
[* 12] und zwar sieht man hier überall im Gegensatze
zum alemannischen das typische Burgunderhaus. Von Pommat wanderten deutsche Burgunder nach Tessin
hinüber und gründeten dort Bosco
oder Gurin mit 350 Einw., die einzige Gemeinde im ganzen Kanton,
[* 13] welche deutsch ist. Mit der Kolonisation
des obern Tosathals hingen auch die kleinen Orte Saley und Ager, südöstlich von Pommat, zusammen, in denen aber das Deutschtum
nur ein kümmerliches Dasein fristet.
Südlich von Domo d'Ossola liegen die Orte Premosello (Pretzmilch), Migiandone und Ornavasso, das letzte nur 7 km vom Lago Maggiore,
die sämtlich früher ebenfalls deutsch waren, aber bereits seit mehr als einem halben Jahrhundert verwelscht
sind. Um denOst- und Südabhang des Monte Rosa liegen sieben deutsche Gemeinden: die beiden Gressoney und Issime (mit Gabi)
im Lysthal;
Macugnaga
(mit Burca und Pescarena) im Ansascathal.
Die Gesamtbevölkerung dieser sieben Gemeinden betrug Ende 1878 5172 Seelen. Macugnaga
am Ostfuß der höchsten Gipfel der MonteRosa-Gruppe hat 720 Einw., deren Vorfahren aus dem Saaserthal einwanderten. Berge
und Flurnamen sind fast ausschließlich deutsch, ebenso die meisten Namen der zahlreichen den Ort umgebenden
Weiler. Macugnaga ist Sammelname für die sechs Ortschaften Pescarena, Burca, In der Stapf, Zum Strich, Auf der Riva, Zertannen.
In dem untersten Weiler, Pescarena, ist das Deutsche ganz, in Barca größtenteils verschwunden.
In den übrigen Dörfern dagegen sind Sprache, Holzbau und Frauentracht noch deutsch. Bis in die Mitte unsers
Jahrhunderts hinein waren Predigt und Christenlehre deutsch, die Schulsprache wurde freigestellt, deutsch oder italienisch.
Jetzt ist nur noch die Kinderlehre deutsch, doch lehren vielfach die Eltern ihre Kinder zu Hause deutsch lesen und schreiben.
Durch das Kratzer- oder Quarazzathal über das Thürle oder den Thurlopaß und über die AlpFaller führt
der Weg ins obere Sesiathal nach Alagna, dessen Haupthäuserkomplex Mittelsheil heißt.
Von den 697 Einw. wanderten von jeher viele aus, um als Maurer, Steinhauer, Gipsarbeiter, Stukkateure zu arbeiten, und kehrten
erst im vorgerückten Alter heim. Früher ging der Zug
der Leute ausschließlich in die deutsche Schweiz
[* 14] und ins Elsaß,
aber schon seit längerer Zeit hat derselbe sich fast gänzlich nach Frankreich gewandt. Jetzt ist der Ort eine vielbesuchte
italienische Sommerfrische, die italienische Sprache nimmt daher mehr und mehr zu, bis sie über kurz oder lang die allein
herrschende sein wird.
Schule und Kirche sind italienisch; in Pommat und Macugnaga sprechen die Frauen den alten Dialekt noch am
reinsten, die Männer aber ziehen fast allgemein das Französische oder Italienische oder eine wunderbare Mischung beider vor.
Issime hat noch deutsche Volkssprache beim alten Geschlecht, Schule und Kirche sind aber französisch. Dasselbe gilt von Gabi.
Rimella mit seinen 1100 Einw. und seinen nach Walliser Art gebauten Holzhäusern war ehemals rein deutsch.
Jetzt wird zwar wegen der ältern Leute noch deutsch gepredigt, aber die Schule ist schon seit 1829 italienisch. Die Rimellesen
oder Remmeljarolit wandern seit Menschengedenken als Köche und nur als solche aus und finden sich in dieser Eigenschaft in
allen OrtenItaliens.
[* 15] Die nächste Generation wird wahrscheinlich rein italienisch
sein,
wie das in Rima mit italienischer Schule und Kirche bereits der Fall ist. Am besten hat die deutsche Sprache sich in den
beiden Gressoneys erhalten, im engen Thal des Lysbach, dem westlichsten, schönsten und interessantesten dieser deutschen
Thäler. Von dem 1637 m ü. M. gelegenen Gressoney la
Trinite erreicht man in dem lieblichen Alpenthal, dessen Einzelstufen freundliche Weiler und Dörfchen mit stattlichen Holzbauten
tragen, über Palmen,
[* 16] Viel, Steinmatten u. a. das zweite Kirchdorf Gressoney St. Johann (1305 m), beide zusammen mit 2400 Einw.
Als Krämer, Maurer, Steinhauer, Zuckerbäcker ziehen die Einwohner weithin in das deutsche Land, um dort
ihr Brot
[* 17] zu suchen.
Zahlreiche Gressoneyer sind Besitzer hochangesehener Kaufmannshäuser in Luzern,
[* 18] Zürich,
[* 19] Winterthur, Frauenfeld, St. Gallen, Lindau,
[* 20] Kempten,
[* 21] Augsburg,
[* 22] Offenburg,
[* 23] Konstanz.
[* 24] Meist suchen sie während der kurzen, schönen Sommermonate die Heimat auf, weilen sonst aber im Ausland.
IhreFrauen nehmen sie auch aus der Heimat. Die Alten, die vom Geschäft zurücktreten, ziehen endgültig
in ihr Alpenthal zurück und übergeben ihren Söhnen die ererbten Handelshäuser. Es ist ein schöner, blonder, fleißiger
und tüchtiger Menschenschlag, der vortreffliche Soldaten liefert, während es im nahen kropfreichen Aostathal ganze Dörfer
gibt, die jahrelang keine Rekruten stellen.
Der alte deutsche Dialekt hat sich außer in den beiden Gressoney auch in den WeilernTrento, Niel und St.
Jaques erhalten, während er in Gaby dem Französischen unterlegen ist. Dies ist auch die Sprache der Kirche, welche unter dem
Bischof von Aosta steht, während in der Schule zugleich italienisch und deutsch gelehrt wird. Deutsch sind
die Gemeinderatssitzungen, deren Protokolle aber italienisch abgefaßt werden müssen, ebenso sind fast alle Familien-, Orts-
und Bergnamen deutsch, so großes und kleines Rothorn, Grauhaupt, Vogelberg, Kalberhorn, Freudenhorn, Stallerborn, ferner Unterwald,
Grasmatten, Bösmatten, Stein, Lohmatten, Lohalp u. a. Die Ansiedelungen im Lysthal sind bereits vor dem 13. Jahrh.,
die übrigen meist in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts von Wallis
aus begründet worden.