fliegende
Göttin darstellen, doch reicht das technische Können noch nicht aus. Wir sehen eine langbekleidete weibliche Gestalt
mit
Flügeln auf dem
Rücken und an den
Schultern, die auf den ersten Anblick auf dem linken
Knie zu ruhen scheint; doch ist
damit nur die energische
Bewegung eines eilenden
Laufes gemeint. Das
Antlitz zeigt das grinsende Lächeln,
mit welchem die älteste
griechische Kunst die
Gesichter zu beleben suchte. Diese
Nike
[* 2] wird ins Ende des 7. oder in den Anfang
des 6. vorchristlichen
Jahrhunderts gehören.
Endlich ist eine ganze
Reihe von lebensgroßen, stehenden weiblichen
Figuren der
entwickeltern archaischen
Kunst vorhanden, wahrscheinlich alte Priesterinnen, in lang herabhängenden
Gewändern und auf der rechten
Schulter gehefteten, unter der linken
Achsel durchgezogenen
Mänteln mit zierlich gefälteltem
Überschlag; die
Linke hebt das Gewand etwas empor, die
Rechte ist vorgestreckt. Zwei altertümliche, streng stilisierte Reiterfiguren
reihen sich an. Das Bedeutendste von alter
Kunst sind die beiden großen, amBoden liegenden Trümmer des
marmornen Apollonkolosses, welchen laut der noch erhaltenen
Inschrift aus dem 6. Jahrh. die Naxier geweiht hatten. Die noch
an
Ort nnd
Stelle befindliche
Basis ist 5,18 m lang und 3,50 m breit. Die schönste der in
Delos gefundenen
Statuen gehört etwa der Zeit der pergamenischen
Kunst an und erinnert an die
Gallierstatuen,
[* 3] deren berühmteste, der sterbende
Gallier, jetzt im kapitolinischen
Museum zu
Rom
[* 4] steht. Auch die delische
Statue, leider nicht
ganz erhalten
(Kopf und linker
Arm fehlen), stellte einen zusammengesunkenen
Krieger dar; er stützt sich auf das rechte
Knie,
der erhobene linke
Arm hielt den
Schild
[* 5] empor, um sich gegen einen nicht dargestellten Gegner zu decken
(jetzt in
Athen).
[* 6] Ebenfalls zu
Athen aufgestellt sind zwei plastische, gewaltsam bewegte
Gruppen, welche auf der
Spitze der Giebeldreiecke
eines
Tempels als Bekrönungen angebracht waren und, einander entsprechend, den
Raub der
Oreithyia durch
Boreas und den
Raub des
Kephalos durchEos
[* 7] darstellen. Es sind jedesmal vier
Figuren, der
Räuber in der Mitte hält die
Geraubte
hoch in die
Höhe (der
Krönung desGiebels entsprechend), nach beiden Seiten fliehen je eine Begleiterin. Die
Gruppen sind außerordentlich
kühn komponiert und ausgeführt und erinnern dadurch an die herabschwebende
Nike des Paionios aus
Olympia. Die
delischen
Gruppen gehören wahrscheinlich an das Ende des 5. Jahrh.
v. Chr.
Die Bauten lagen innerhalb eines rings von einer
Mauer umschlossenen heiligen
Bezirks (s. den
Plan auf S. 175), ähnlich der
Altis von
Olympia, in unmittelbarer
Nähe des Meeresufers, so daß man von dem langen, wohlgemauerten Hafenkai sofort in den
geweihten
Bezirk eintrat.
LangeHallen umgaben auch hier das
Innere des weiten
Hofes, säulengeschmückte Thorbauten führten
hinein. Das vornehmste Gebäude war der
Tempel
[* 8] des Hauptgottes, des
Apollon.
[* 9] Es war ein dorischer
Peripteros, dessen
Dimensionen
etwa denen des Theseions von
Athen nahekommen; er stand des unebenen
Terrains wegen auf einer gemauerten
Terrasse. Der dreistufige Unterbau ist 29,50 m lang und 13,55
m breit, die
Stufen sind aus parischem
Marmor. Er trägt eine ringsumlaufende dorische
Säulenhalle von je 6
Säulen
[* 10] in der
Fronte,
je 13 an den Seiten.
IhreHöhe betrug 5,20 m, bei einem Basisdurchmesser von 0,95 m.
Die Kannelierung
[* 11] der
Säulen ist nur angefangen. Die
Cella war innen 11,50 m lang und 5,60 m breit; vorn
und hinten war je eine zweisäulige Vorhalle vorgelegt. Die
Details
sind
sorgfältig ausgeführt. Der
Bau fällt wahrscheinlich in den Anfang des 4. Jahrh. Außerdem verzeichnet der französische
Plan der
Ausgrabungen an
Tempeln noch einen des
Dionysos,
[* 12] einen alten und einen neuen der
Artemis
[* 13] und mehrere
bei dem Mangel der schriftlichen
Überlieferung für uns namenlose. Beide Artemisheiligtümer liegen an der Westseite des
heiligen
Bezirks, innerhalb eines besondern, von
Mauer u.
Säulenhallen umgebenen großen
Hofes, ganz nahe am
Meere.
Unter den großen
Hallen, welche zu Festversammlungen dienten, ist besonders die sogen.
Stierhalle an der Ostseite, der Landseite, zu bemerken. Sie ist 67,20 m lang und 8,86
m breit. Außerdem ist noch eine große Anzahl andrer bis jetzt noch nicht genau bestimmbarer Bauwerke gefunden worden. Zwischen
all den Bauwerken stehen zahlreiche
Postamente, wohl auch
Altäre. DieStatuen, die sich früher darauf
befanden, sind zum allergrößten Teile geraubt. Eine zusammenfassende
Publikation über Delos in topographischer, baugeschichtlicher
und künstlerischen Beziehung existiert noch nicht. Über die Statuenfunde hat Furtwängler in der
»ArchäologischenZeitung«
von 1882 berichtet, über die politischen und sakralen Verhältnisse vgl.
V. v.
Schöffer,
DeDeli insulae rebus
(Berl. 1889).
(Landabtragung), das
Produkt der an der Erdoberfläche wirksamen meteorologischen
Kräfte. Je nach dem
Klima
[* 14] des betreffenden Erdstriches sind die
Faktoren, welche für den Denudationsprozeß in erster
Linie in Betracht kommen, von
ganz verschiedener Art. In regenreichen
Ländern ist es vor allem das
Wasser in flüssigem oder festem
Aggregatzustand, als rinnendes und fließendes
Wasser oder als
Schnee
[* 15] und
Eis,
[* 16] das gleichzeitig als erodierendes wie transportierendes
Agens wirkt.
Ganz anders liegen die Verhältnisse in den regenarmen Wüstengebieten der
Erde. Regelmäßige
Niederschläge fehlen in der
Wüste, allein die seltenen Strichregen stürzen mit großer
Gewalt hernieder und sind im stände, eine
größere mechanische
Wirkung in kurzer Zeit auszuüben, als wenn dieselbe Regenmenge sich auf eine
Reihe von Regentagen verteilte.
Die erodierende und transportierende Leistung vereinzelter Gewittergüsse in der
Wüste wird dadurch wesentlich gesteigert,
daß aller Gehängeschutt aus locker übereinander liegenden
Steinen besteht, ohne durch Schlamm miteinander verkittet zu
sein.
Eine größere denudierende
Wirkung üben die Temperaturunterschiede in der
Wüste aus. Die Trockendeit
der
Atmosphäre, der Mangel von
Humus, die
Abwesenheit einer zusammenhängenden Pflanzendecke lassen die Temperaturunterschiede
ungeschwächt auf den nackten Felsboden wirken. Eine gewöhnliche
Folge der unbehinderten
Insolation
[* 17] besteht in dem schaligen
Abblättern der
Gesteine.
[* 18] Diese eigentümliche Art des
Verfalls der
Steine findet sich sowohl bei gewissen
homogenen
Kalken als beim
Granit.
Dagegen spielt die chemische
Verwitterung in der
Wüste nur eine gering
Rolle und wirkt nur im
Laufe langer
Zeiten. Da die
Verwitterung
von der Anwesenheit von
Wasser abhängig ist, letzteres aber infolge der trocknen
Luft und der großenWärme
[* 19] schnell wieder verdunstet, so kann dieselbe nur dort stattfinden, wo Gesteinsflächen beschattet sind und deshalb die
Feuchtigkeit
länger wirken kann, als auf besonnten
Flächen. Zu einer
Verwitterung auf größern
Flächen kommt es in der
Wüste nicht, sie
bildet immer nur eine lokale
Erscheinung. Die Oberflächenformen, welche durch die
Verwitterung in der
Wüste erzeugt werden, sind oft sehr sonderbarer Art.
Felsen¶
mehr
verwittern all der untern Fläche, so daß sie oft die Form eines Hutpilzes annehmen. Eine überragende Felskante veranlaßt
im Gebiete ihres Schattenstreifens chemische Verwitterung, wodurch sich unterhalb der Felsbank eine Hohlkehle bildet. In regenreichen
Ländern ist das fließende und gefrorne Wasser das wichtigste Transportmittel. In der Wüste tritt an die
Stelle des Wassers der Wind nicht bloß als transportierendes, sondern auch als denudierendes Agens.
Die Wirkung des Windes äußert sich in der Wüste in doppelter Weise. Erstens entführt der Wind überall alles, was durch Verwitterung
und Insolation gelockert ist, und verhindert dadurch, daß sich die Denudationsprodukte kumulativ anhäufen. Ferner scheuert
der mit Sand beladene Wind die Felsen und denudiert dadurch deren Oberfläche. So häufig man auch in der WüsteSpuren des Sandschliffes
trifft, so tritt diese Thätigkeit des sandbeladenen Windes doch gegenüber der rein abtragenden Wirkung des Windes in den Hintergrund.
Diese letztere, die man wohl als Deflation bezeichnet, ist der wichtigste Denudationsprozeß in der Wüste;
man versteht darunter nicht sowohl die Zerstörung der Felsoberfläche, als vielmehr die Abhebung und Fortführung der durch
die vier zerstörenden Kräfte, die Insolation, die Erosion,
[* 21] das Sandgebläse
[* 22] und die chemische Verwitterung, gelockerten Gesteinsfragmente.
Die denudierende Wirkung des Windes ist im Vergleich mit derjenigen des Wassers deswegen bedeutend mächtiger,
weil letzteres in seiner Thätigkeit an Niveauunterschiede gebunden ist, während der Wind selbst auf einer vollkommen ebenen
Fläche denudiert, sobald er nur zersetztes Material vorfindet.
Ordnet man die in der Wüste thätigen meteorologischen Kräfte der Intensität ihrer Wirkung und ihrer Bedeutung nach, so steht
in erster Linie der Wind, der die wesentlichen Charaktere der Deflationslandschaften bestimmt. Ohne die
Deflation würde die Denudation in der Wüste bald stillstehen, da alle Zerstörung der Gesteine nur oberflächlich ist. Aber der durch
keine Pflanzendecke gehinderte Wind trägt alles gelockerte Gesteinsmaterial sofort weg und liefert somit den zerstörenden
Kräften neue Angriffspunkte.
Minder wirksam ist das Sandgebläse, das stets mit der Deflation zugleich auftritt. Insolation und Verwitterung haben eine vorbereitende
Thätigkeit und liefern das Material für die Deflation. Die erodierende und transportierende Thätigkeit des Wassers tritt
zwar nur selten ein, dafür aber im gegebenen Falle um so intensiver. Das Endziel aller Denudation auf Erden geht
dahin, die durch Dislokationen oder vulkanische Vorgänge hervorgerufenen Höhenunterschiede einzuebnen und eine Denudationsfläche
zu bilden, auf welcher die Denudationsprodukte sich ablagern. Die Denudationsvorgänge sind je nach den klimatischen Bedingungen
verschieden, anders in den Tropenländern als in polaren Gebieten und wieder anders in Erosionslandschaften oder am Meeresstrand.
Für die Deflation ist Ebenflächigkeit der Denudationsebene ein wesentlicher Charakterzug, und jene ebenen
Wüsten, die man als Sserir, Hamada oder Sebcha bezeichnet, sind Denudationsflächen, hervorgegangen aus Deflation (s. Wüste).