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verbreitete, so lag es nahe, zu vermuten, daß der Dunstnebel auf der ganzen Erde nichts andres war als eine große Menge fein zerteilten vulkanischen Staubes, welcher durch die aus dem Krakatau ausbrechenden Gas- und Dampfmassen in große Höhen der Atmosphäre emporgerissen und durch obere Luftströme vorzugsweise nach W. in weiteste Entfernungen fortgeführt wurde. Wenn auch die Richtigkeit dieser Ansicht, daß der Krakatau-Ausbruch den Dunstnebel geliefert und damit jene ungewöhnlichen atmosphärischen Lichterscheinungen verursacht habe, noch nicht mit voller Sicherheit festgestellt werden kann, so hat sie immerhin große Wahrscheinlichkeit für sich.
Als eine während der Dauer dieser atmosphärischoptischen Störung ziemlich häufig auftretende Erscheinung ist noch zu erwähnen die farbige Sonne. Die Sonne erschien nämlich noch bei ziemlich hohem Stande (7-10° über dem Horizont) durch den Dunstnebel als strahlenlose Scheibe, am häufigsten blau, sehr häufig auch grün oder silberglänzend oder kupferfarbig. Diese Färbungen wurden hauptsächlich in der äquatorialen Zone viel beobachtet, z. B. in der Nähe des Krakatau im engsten Zusammenhang mit den Rauchwolken des Ausbruches und dem Aschenregen, in den außertropischen Gegenden aber wurden sie nur selten und schwach wahrgenommen.
Fragt man nun nach der physikalischen Ursache der Dämmerungserscheinungen, so wird zunächst von dem Hauptmerkmal der normalen Dämmerung, nämlich von der gelbrothen Färbung der dem Horizont nahen Sonne, sodann von den übrigen begleitenden Licht-Erscheinungen Rechenschaft zu geben sein. Die Theorie von Clausius (1850) nimmt an, daß die auch bei klarem Himmel in der Luft schwebenden Nebelkörperchen hohle Wasserbläschen sein, deren Häutchen wie bei einer Seifenblase durch Interferenz Farben dünner Blättchen hervorbringen, und zwar im reflektierten Licht das Blau erster Ordnung als Himmelsblau, im durchgelassenen Licht das hierzu komplementäre Orange als Abendrot erzeugen. Die Existenz von Nebelbläschen ist jedoch durchaus nicht wahrscheinlich; neuere Versuche sprechen vielmehr dafür, daß bei der Kondensation des Wasserdampfes stets massive Tröpfchen entstehen. Die Theorie von Brücke (1852) gründet sich auf die Fresnelschen Gesetze der Zurückwerfung und Brechung des Lichtes, wonach in den zurückgeworfenen Strahlen die brechbaren Farben, in den durchgelassenen die weniger brechbaren vorherrschen. Es müßten also die in der Luft schwebenden Dunstkörperchen dem an ihnen wiederholt reflektierten Lichte eine blaue, dem durchgelassenen eine gelbe bis rote Färbung erteilen. In der Theorie von Lord Rayleigh (1871) wird aus den Bewegungsgleichungen elastischer Körper das Gesetz abgeleitet, daß die Intensität des zurückgeworfenen Lichtes proportional ist, wenn das Licht an Stoffteilchen reflektiert wird, welche im Vergleich mit den Lichtwellen sehr klein sind. In dem Licht, welches an den in der Atmosphäre schwebenden Dunstkörperchen und feinen Stäubchen diffus reflektiert wird, müssten sonach die blauen, in dem durchgelassenen Lichte die gelben und roten Strahlen vorherrschen. Alle diese Theorien suchen, wie man sieht, in erster Linie das Blau des Himmels zu erklären, und fassen sodann das Gelbrot der Dämmerung als Ergänzungsfarbe des Himmelblaus auf. Zur Erklärung der übrigen Dämmerungserscheinungen, z. B. des Bishopschen Rings, des Purpurlichts 2c. reichen sie nicht aus.
Dagegen ist die Theorie von Lommel (1861), nach
welcher die Dämmerungsfarben durch Beugung des Lichtes an den kleinen, in der Atmosphäre schwebenden Dunstkörperchen und Stäubchen entstehe, wohl geeignet, die oben geschilderten Erscheinungen zu erklären. Diese Beugungstheorie besteht aus folgendem: Wenn von einem sehr weit entfernten leuchtenden Punkte ein Bündel paralleler Lichtstrahlen auf einen mit einer kleinen Öffnung versehenen dunklen Schirm trifft, so kann man sich die Elementarstrahlen, welche jeder Punkt der Öffnung nach allen möglichen Richtungen in den Raum hinter dem Schirm sendet, in unendlich viele Bündel paralleler Strahlen gruppiert denken. Dasjenige derselben, welches die einfallenden Strahlen fortsetzt, heißt direkt, die andern gebeugt; der Winkel, welcher die Richtung eines gebeugten Bündels mit der Richtung der direkten Strahlen bildet, heißt der Beugungswinkel. Befindet sich hinter der Öffnung eine Linse (das Objektiv eines Fernrohrs oder die Kristalllinse des Auges), so wird diese die Strahlen eines jeden Bündels in einem Punkt vereinigen. Die Vereinigungspunkte befinden sich auf der Brennfläche der Linse, bei einem für unendliche Entfernung akkomodierten Auge also auf der Netzhaut. In diesen Vereinigungspunkten interferieren die Strahlen eines jeden Bündels vermöge der Gangunterschiede, welche sie durch ihre Neigung zu den direkten Strahlen erlangt haben. Je nach der Größe dieses Gangunterschiedes werden sich die gebeugten Strahlen bald vollständig vernichten, bald mehr oder weniger unterstützen und so auf der Netzhaut die bekannten zierlichen Beugungsbilder entwerfen, in welchen Maxima oder Minima der Lichtstärke nach bestimmten Gesetzen miteinander abwechseln. Die Entfernung der gleichvielten Maxima und Minima von der Bildmitte sind, wenn man ähnlich gestaltete Öffnungen miteinander vergleicht, der Wellenlänge des angewendeten einfarbigen Lichtes direkt und entsprechenden Dimensionen der Öffnung umgekehrt proportional. Je kleiner nun eine beugende Öffnung ist, desto weiter ist das erste Minimum einer jeden Farbe von der Bildmitte entfernt; dabei liegen die den kürzern Lichtwellen entsprechenden Minima der Bildmitte näher als die den längern Wellen zugehörigen. Wäre die Öffnung so klein, daß für irgend eine Farbe das erste Minimum bei einem Beugungswinkel von 90°, d. h. ganz am Rande der Bildfläche, eintreten müßte, so könnte für alle minder brechbaren Farben gar kein Minimum mehr zu stande kommen, wohl aber noch für die stärker brechbaren. Wäre z. B. die Breite eines geradlinigen Spaltes gleich der Wellenlänge des gelben Natriumlichts (=0,000589 mm), so würde für diese Farbe das Minimum an den äußersten Rand des Gesichtsfeldes fallen; für rotes Licht wäre ein Minimum gar nicht mehr vorhanden, für das äußerste Violett aber würde ein solches schon für einen Beugungswinkel von 48° eintreten. Indem sonach von der Mitte des Bildes nach außen hin die stärker brechbaren Strahlen ihrer Minimallichtstärke viel rascher zueilen als die minder brechbaren, so werden diese letztern in dem gebeugten Lichte vorherrschen. Es wird daher ein weißer Lichtpunkt, durch eine sehr enge Öffnung betrachtet, zwar selbst weiß, ober von einer Aureole gebeugten Lichtes umgeben erscheinen, welches eine, wenn auch nur schwache, rötliche Nüance zeigt. Ist der Schirm von beliebig vielen willkürlich verteilten, unter sich gleichen Öffnungen durchbohrt, so bleibt die Beugungserscheinung nach Gestalt und Farbe dieselbe wie bei einer einzigen Öffnung, nur daß die Lichtstärke proportional dem Quadrate der
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öffnungszahl wächst. Dies gilt selbst dann noch, wenn die Öffnungen unter sich ungleich sind, vorausgesetzt, daß ihre Dimensionen eine gewisse Grenze nicht überschreiten, sondern so klein sind, wie oben angenommen wurde.
In der Atmosphäre haben wir es aber nicht mit einem undurchsichtigen Schirm zu thun, der von kleinen Öffnungen durchbohrt ist, sondern die in der Atmosphäre schwebenden Stäubchen und Dunstkörperchen wirken wie zahllose kleine undurchsichtige oder nur durchscheinende Schirmchen. Nun läßt sich zeigen, daß die Beugungserscheinung, welche durch ein dunkles Schirmchen oder durch eine Gruppe dunkler Schirmchen hervorgebracht wird, vollkommen identisch ist mit derjenigen, welche von einer gleichgestalteten Öffnung oder Gruppe von Öffnungen herrührt, mit alleiniger Ausnahme desjenigen Punktes, in welchem die direkten Strahlen sich vereinigen; hier sammelt sich nämlich stets alles direkte Licht, welches von den Schirmchen nicht aufgehalten wird. Die Wirkung eines durchlöcherten Schirmes unterscheidet sich daher von derjenigeneiner Schirmchengruppe, welche gleichsam das Negativ von jenem ist, dadurch, daß im ersten Fall sowohl das direkte als das gebeugte Licht von den lichtdurchlassenden Stellen des Schirmes abhängt, im zweiten Fall dagegen das direkte Licht von den hellen, das gebeugte Licht von den dunkeln Stellen. In jenem Fall schließt sich das gebeugte Licht seiner Intensität nach stetig an das direkte an, so daß kein scharf begrenztes Bild der Lichtquelle entstehen kann, in diesem aber findet ein solcher Anschluß nicht statt und die Lichtquelle wird scharf begrenzt gesehen. Vermehrt man die Öffnungen eines dunkeln Schirmes, so wird dadurch sowohl das direkte als das gebeugte Licht an Intensität gewinnen; vermehrt man aber ebenso die Schirmchen einer Schirmchengruppe, so wird dadurch das gebeugte Licht vermehrt, das direkte aber geschwächt.
Trifft also ein von einem unendlich fernen weißen Lichtpunkt herkommendes Bündel paralleler Strahlen senkrecht auf eine Gruppe sehr kleiner dunkler Schirmchen, so wird ein hinter der Gruppe befindliches Auge die direkten Strahlen zu einem weißen Bilde des Lichtpunktes vereinigen, welches ringsum von gebeugtem und, vielleicht nur unmerklich, rötlich gefärbtem Lichte umgeben erscheint. Die Schirmchengruppe ruft sonach neben der geschwächten weißen Lichtwelle noch rötlich gefärbte, schief einfallende Lichtwellen ins Dasein. Treffen diese, bevor sie zum Auge gelangen, neuerdings auf eine ähnliche Schirmchengruppe, so werden alle, die direkte sowohl als die gebeugten, von neuem die beugende Wirkung derselben erfahren. Die direkten Strahlen werden, indem sie die zweite Gruppe unmittelbar passieren, zwar an Lichtstärke, nicht aber an Weiße verlieren; außerdem werden sie von neuem zur Entstehung gebeugten rötlichen Lichtes Anlaß geben. Die gebeugten Strahlen werden durch die zweite Gruppe nochmals gebeugt; von jedem gebeugten Strahlenbündel wird namentlich ein Teil in die Richtung der direkten Strahlen zurückgebeugt; dasselbe hatte schon durch die erste Beugung an stärker brechbaren Strahlen Einbuße erlitten, bei der zweiten Beugung werden in ihm nochmals die stärker brechbaren Strahlen mehr geschwächt als die weniger brechbaren, seine Tendenz zur rötlichen Färbung wird daher zunehmen. Zu dem direkten, gegen vorhin schwächern weißen Lichte wird sich also jetzt in dieselbe Richtung gebeugtes rötliches Licht gesellen und so dessen Nuance rötlich erscheinen lassen. Durch Hinzukommen von weitern, mit den ersten parallelen
Schirmchengruppen wird so das ursprünglich weißes direkte Licht mehr und mehr geschwächt, während immer mehr und durch die wiederholten Beugungen immer tiefer gerötetes Licht sich ihm beimischt. Die aufeinander folgenden Schirmchengruppen wirken gleichsam wie Siebe, welche das durchgehende Licht immer vollständiger von seinen stärker brechbaren Strahlen befreien. Der weiße Lichtpunkt wird also, durch eine genügende Anzahl solcher Schirmchengruppen betrachtet, nicht nur selbst rötlich gefärbt erscheinen, sondern auch noch von einer stärker rot gefärbten Aureole gebeugten Lichtes umgeben sein.
Aus diesen Betrachtungen erklärt sich nun die rote Farbe der Sonne bei ihrem Auf- und Untergang von selbst. In den untern Schichten der Atmosphäre schwebt eine Menge sehr kleiner Körperchen verschiedener Art. Steht die Sonne dem Horizont nahe, so haben ihre Strahlen in diesen Schichten einen hinlänglich weiten Weg zu durchlaufen, um die beugende Wirkung der Schirmchengruppen, welche man aus jenen Körperchen bilden kann, in merklichem Grade zu erfahren. Jeder Punkt der Sonne muß dadurch selbst rötlich und noch von stärker gerötetem gebeugten Lichte umgeben erscheinen; indem sich nun die roten Aureolen benachbarter Punkte übereinander lagern, wird sich dem direkten Lichte jedes Sonnenpunktes noch das gebeugte der Nachbarpunkte beigesellen und dadurch dessen Röte nochmals vertiefen. Darum muß bei einer Lichtfläche die rote Färbung noch auffallender hervortreten als bei einem vereinzelten Lichtpunkt. Während die Lichtscheiben der Sonne und des Mondes am Horizont in prächtigem Orangerot erglühen, bemerkt man deshalb die rötliche Färbung auf- und untergehender Fixsterne kaum. Entfernte weiße Flächen, wie die Gletscher und Firnfelder der Alpen, dem Horizont nahe Wolken, zeigen, von der untergehenden Sonne beleuchtet, oft ein ins Purpurne ziehendes Rot, während eine in der Nähe befindliche weiße Mauer, wie die Sonne oder der Abendhimmel selbst nur orangerot gefärbt erscheint.
Das von jenen Flächen reflektierte, bereits gerötete Licht erfährt nämlich auf seinem langen Rückweg bis zu unserm Auge nochmals die beugende Wirkung der in der Luft schwebenden Körperchen und wird dadurch tiefer gerötet.
Aus der Beugungstheorie erklärt sich die ganze Skala der Dämmerungsfarben vom Gelb und Orange bis zum Feuer- und Blutrot; grünliche Farbentöne erscheinen da, wo das Gelb des Abendhimmels in das Himmelblau übergeht. Der Bishopsche Ring, der sich auf den ersten Blick als eine mit den kleinen Höfen um Sonne und Mond, den sogen. Fraunhoferschen Ringen, verwandte Erscheinung erkennen läßt, ergibt sich als notwendige Folgerung aus der Beugungstheorie. Auf Grund dieser Theorie konnte sogar aus den von Archibald und Riggenbach ausgeführten Messungen seines Radius der Durchmesser jener kleinen Teilchen berechnet werden, welche die oben geschilderten ungewöhnlichen Dämmerungserscheinungen hervorbrachten; Pernter fand diesen Durchmesser =0,00185 mm. Das erste Purpurlicht ist als eine Fortsetzung des Bishopschen Ringes nach Sonnenuntergang, nämlich als der obere Teil des rötlichen Ringes anzusehen. Aus einer großen Zahl genauer Messungen hat in der That Riggenbach gefunden, daß das Purpurlicht an einer Stelle des Himmels aufzutauchen beginnt, an welcher bei dem augenblicklichen Stande der Sonne die hellste Stelle des Bishopschen Ringes sich zeigen würde. Freilich war der Ring nur während der Periode jener