trotz aller bakteriologischen
Studien und aller Tierversuche die
Ursachen der menschlichen Wundkrankheiten noch ganz unbekannt
sind. Man weiß, daß die pathogenen
Bakterien sowohl mit als ohne
Sauerstoff leben können, anderseits, daß in den
Exsudaten,
in
Eiter,
Lymphe,
Galle,
Harn, kein
Sauerstoff vorhanden ist. Während nun die Pathologen bisher geglaubt haben,
daß
Sauerstoff nötig sei zur Erzeugung der Bakteriengifte, scheine es vielmehr, daß Zuleitung von
Sauerstoff die Entstehung
dieser
Gifte hemme.
Auch bei akutem
Brand bestehen anaerobische Verhältnisse. Schließlich wies Redner auf die
Notwendigkeit hin, der Zellenphysiologie
seitens der Chirurgen größere
Aufmerksamkeit zu widmen.
Jordan
(Heidelberg)
[* 2] sprach über die
Ätiologie des
Erysipels und
Brunner(Zürich)
[* 3] über die
Ausscheidung pathogener Kokken durch den
Schweiß. Bis letzt hat man geglaubt, daß Mikroorganismen
durch die gesunde
Haut
[* 4] nicht hindurchzugehen vermögen; durch die Untersuchungen des Vortragenden ist die Hinfälligkeit dieser
Ansicht erwiesen worden. Zwei
Männer und ein
Knabe wurden von
Furunkeln befallen, die sie sich wahrscheinlich
durch
Melken einer
Ziege, welche
Geschwüre am
Euter, bez. an einer
Zitze aufwies, zugezogen hatten. Bei dem ältern Mann kam
es zu einer Allgemeininfektion, und er starb. Der
Eiter des
Karbunkels enthielt an Mikroorganismen nur Staphylococcus albus
und aureus, und das
Blut erwies sich später durchsetzt mit Staphylokokken. Der Kranke erhielt bei der
Behandlung schweißtreibendes
Phenacetin, und der
Schweiß wurde nach sorgfältiger
Desinfektion
[* 5] der
Stirn und Sammeln der
Tropfen
in kleinen aseptischen
Gläsern auf
Mikroben untersucht. Dieser sechsmal binnen 8
Tagen wiederholte
Versuch ergab stets dasselbe:
Staphylokokken im
Schweiß. Auf
Grund dieses Ergebnisses schritt man zum Tierversuch. Man weiß, daß das
Pferd
[* 6] am ganzen
Körper, das
Schwein
[* 7] an der Rüsselscheibe, junge
Hunde
[* 8] und
Katzen
[* 9] an den Zehenballen
Schweiß abzusondern vermögen.
Eine junge
Katze
[* 10] wurde mit Milzbrandbacillen injiziert; durch Eingeben von Pilokarpin brachte man die Zehenballen zur Schweißabsonderung,
und im
Schweiß fand sich der Milzbrandbacillus.
BeimSchwein wurde derVersuch erfolgreich mit Staphylococcus
aureus durchgeführt und beim
Pferd mit
Micrococcus prodigiosus. Selbstverständlich wurde überall die betreffende Hautstelle
vor
Einleitung des Schweißausbruchs sorgfältig gereinigt und desinfiziert. Die
Identität der gefundenen
Mikroben stellte
man in allen
Fällen durch Reinkultur und Verimpfung auf
Tiere fest. Diese überraschenden Ermittelungen, deren Bedeutung der
Vorsitzende noch besonders betonte, erhielten unmittelbare Bestätigung durch eine Mitteilung v.
Eiselsbergs, nach welcher in
Wien
[* 11] bei einem
Fall von schwerer
Pyämie ein Hindurchgehen des Staphylococcus aureus mit dem
Schweiß
durch die
Haut festgestellt ist. Nach einigen Mitteilungen
Fischers
(Straßburg)
[* 12] über die bakteriologischen Befunde bei
Lymphangitis
der Extremitäten, welche darauf hinauslaufen, daß die
Lymphangitis nicht durch einen spezifischen
Pilz
[* 13] verursacht wird, daß sich vielmehr alle möglichen Kokken bei derselben vorfinden, sprach Reichet
(Würzburg)
[* 14] über
Immunität
gegen den
Virus der Eiterkokken. Auf die
Erfahrung hin, daß manche
Tiere nach einmal überstandener
Peritonitis weit widerstandsfähiger
als vorher gegen die
Infektion der
Bauchhöhle sind, hat Vortragender durch methodischen Tierversuch die
betreffenden Verhältnisse aufzuklären unternommen. Es erwies sich, daß
Hunde anfänglich
kleine
Einspritzungen von
Eiter des Staphylococcus pyogenes aureus in die
Bauchhöhle in rasch steigenden
Gaben bis zu 100
ccm
fast ohne Beschwer ertrugen, während die nicht vorgeimpften
Tiere bei größern
Gaben rasch an septischerPeritonitis
zu
Grunde gingen oder mindestens schwer erkrankten. Es wurde nunmehr die Widerstandsfähigkeit der
Tiere gegen das aus Reinkulturen
des betreffenden Kokkus gewonnene
Ptomain geprüft und gefunden, daß die vorgeimpften
Tiere das
Ptomain gut vertragen, während
wieder die Kontrolltiere demselben erlagen.
Umgekehrt ließen sich
Hunde allmählich an große
Gaben des Ptomaïns gewöhnen und waren dann widerstandsfähig
gegen den
Eiter, so daß einerseits die
AnsichtBriegers, nach welcher die Giftigkeit der
Bakterien durch deren Stoffwechselprodukte
bedingt wird, eine wesentliche
Stütze erhalten hat, anderseits die Richtigkeit der von Bouchard geäußerten Behauptungen
über die gleiche
Wirkung der Toxine bei vorgeimpften und nicht geimpftenTieren erheblich erschüttert
worden ist.
Ein gegen
Einspritzungen von
Eiter oder Kokken in die
Bauchhöhle unempfindliches
Tier reagiert noch lokal gegen subkutane
Einspritzungen,
so daß also durchaus keine besondere
Empfindlichkeit des
Bauchfells gegenüber den
Geweben angenommen werden kann. Für die
Praxis folgt vorderhand aus den
Versuchen, daß man beim Tierversuch über Eiterwirkung nicht dasselbe
Tier öfter benutzen soll, weil sonst die eintretende
Immunität das Ergebnis beeinflussen kann.
Der Vorsitzende bemerkt zu dem
Vortrag,
Lindwurm
(München)
[* 15] habe schon vor 30
Jahren auf
Grund seiner
Beobachtungen als Chirurg
behauptet, die menschliche
Haut werde mit der Zeit völlig unempfindlich gegen
Eiter.
Bardeleben erinnerte an
Paget, der vor 40 oder 50
Jahrenan sich selbst beobachtete, daß Berührung mit
Eiter an seinen
Händen keine
Pusteln und
Geschwüre
hervorrief, wenn er längere Zeit chirurgisch thätig war, daß sie aber wiederkehrten, wenn er zur Erholung auf dem
Lande
gewesen war. Auch
Thiersch hat Entsprechendes
an sich beobachtet.
als anästhetisches
Mittel, s.
Chirurgenkongreß, ^[= Der 19. Kongreß der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie wurde 9. April 1890 in Berlin durch ...] S. 150.
sich von den gewöhnlichen Uhren hauptsächlich durch die Konstruktion der »Unruhe«, von welcher, als dem Schwungrade des Uhrwerks,
der gleichmäßige Gang
[* 26] desselben abhängig ist. Bei den gewöhnlichen Uhren besteht die Unruhe aus einem Messingrad mit Speichen;
bei einer Temperaturerhöhung dehnt sich das Metall eines solchen Rades aus, das Trägheitsmoment
[* 27] desselben
wird größer, die Schwingungsdauer wird verlängert und der Gang der Uhr
[* 28] verlangsamt;
in gleicher Weise wirkt die Erwärmung
auf Verlangsamung des Ganges dadurch, daß die Spirale an Elastizität verliert und länger wird;
das Umgekehrte ist der Fall
bei Temperaturerniedrigung, die Uhr geht vor.
Bei dem Chronometer besteht der Umfang der Unruhe (s. Figur) aus 2 verschiedenen
Metallstreifen, und zwar gewöhnlich Stahl an der Innenseite, Kupfer
[* 29] an der Außenseite. Dieser Reif ist in zwei Halbkreise durchschnitten,
die mit je einem Ende durch eine die Speiche des Rades bildende Stahllamelle verbunden sind. Jeder Halbreifen trägt nahe seinem
freien Ende ein kleines Gewicht. Wenn sich bei Erwärmung das Metall ausdehnt, so biegt sich das Ende beider
Halbreifen nach innen, weil das Kupfer sich stärker ausdehnt als der Stahl, die Gewichte werden dem Zentrum genähert und dadurch
das durch die Ausdehnung
[* 30] der Metalle vergrößerte Trägheitsmoment wieder verkleinert.
Auf die Herstellung der Unruhe wird ganz besondere Sorgfalt verwendet. Für den Seemann ist das Chronometer eins
der wichtigsten Instrumente, da es die Grundlage für die geographische Längenbestimmung auf See bildet. Indem es nämlich
die Zeit eines bestimmten Meridians, gewöhnlich des von Greenwich, angibt, erhält der Schiffer aus dem Vergleich dieser mit
der auf See durch astronomische Beobachtungen bestimmten Ortszeit des Schiffsortes die geographische Länge
des letztern.
Die meisten Seeschiffe werden jetzt mit drei Chronometern ausgerüstet, wodurch einesteils eine gegenseitige Kontrolle der
Instrumente ausgeübt und etwanige Störungen bei dem einen oder andern bemerkt werden können, anderseits eine größere Sicherheit
und Zuverlässigkeit in den Chronometerangaben gewährleistet ist. Die Chronometer werden an Bord in einem besondern,
inwendig ausgepolsterten Kasten in zwei konzentrischen Ringen, welche sie den Schiffsbewegungen möglichst entziehen sollen,
aufgehängt (kardanische Aufhängung), an einer Stelle, wo die Schiffsbewegungen und sonstige Erschütterungen durch die Maschine,
[* 31] Geschütze
[* 32] etc. möglichst wenig fühlbar, die Temperaturschwankungen und der Feuchtigkeitsgehalt
gering sind.
Die Chronometergehäuse und Chronometerkasten sind gut abgedichtet, um das Werk gegen Eindringen von
Feuchtigkeit, Staub und sonstige Verunreinigungen und den damit verbundenen schädlichen Einflüssen zu schützen. In neuerer
Zeit sind zur Erreichung des letztern Zweckes in der kaiserlichen Marine besonders konstruierte luftdichte Chronometergehäuse
eingeführt. Da es unmöglich ist, ein Chronometer in solcher Vollkommenheit herzustellen, daß es die
Zeit mit absoluter Genauigkeit angibt, und zumal an Bord unter den mancherlei störenden Einwirkungen gewisse Fehler unvermeidlich
sind, so muß die Zeitangabe des Chronometers öfters kontrolliert werden. Zu diesem Zweck werden in verschiedenen Häfen der
Erde Zeitsignale abgegeben, gewöhnlich aus Bällen bestehend, die, an einem Mast
aufgezogen, in einem bestimmten
Moment herunterfallen.
Der Vergleich der Chronometerablesung mit der bekannten Zeit dieses Moments ergibt den Fehler des Chronometers und mehrere solcher
Vergleiche in gewissen Zeitintervallen den Chronometergang, d. h. die Größe, um welche das Chronometer täglich gewinnt oder verliert.
Danach ist man im stande, durch das Chronometer stets die Zeit des Ausgangsmeridians mit der für
die Ortsbestimmung
[* 33] auf See nötigen Genauigkeit zu ermitteln. Auf den Chronometergang wirken verändernd und störend ein die
Änderung der Struktur der Metalle, aus welchen die Chronometer bestehen, die Änderung der Konsistenz des zum Schmieren der laufenden
Teile des Instrumentes notwendigen Öles, die Änderung der Temperatur und des Feuchtigkeitsgehaltes der
umgebenden Luft und endlich die Schiffsbewegungen.
Die durch die Änderungen der Molekularstruktur der Metalle hervorgerufenen Störungen sind ganz unberechenbarer Art. Die mit
der Zeit eintretende Verdickung des Öles hat eine Verlangsamung des Ganges zur Folge, welche es notwendig macht, daß jedes
Chronometer mindestens alle drei Jahre gereinigt und mit neuem Öl versehen wird. Durch die Schiffsbewegungen wird
an Bord gewöhnlich eine Beschleunigung der Chronometer erzeugt, während die Feuchtigkeit der atmosphärischen Luft die entgegengesetzte
Wirkung hat, indem durch dieselbe einerseits Rost-, Schimmel- und Pilzbildungen an den innern Teilen der Chronometer begünstigt werden,
anderseits durch das Niederschlagen der Wasserdämpfe an der Oberfläche der Spirale das Gewicht und das
Trägheitsmoment derselben vermehrt wird.
Der Einfluß der Temperatur auf Uhren ist bekannt, eine Erhöhung der Temperatur verlangsamt, eine Erniedrigung der Temperatur
beschleunigt den Gang. Während alle andern genannten Einflüsse unregelmäßiger Natur sind und sich in ihren Ursachen
und Wirkungen mehr oder weniger unsrer Beurteilung entziehen, ist es bei den Temperatureinflüssen, welche übrigens von
allen die hervorragendsten sind, gelungen, eine bestimmte Gesetzmäßigkeit zwischen Temperatur u. Chronometergang festzustellen,
und zwar der Art, daß sich dieselbe zur Berechnung des Ganges verwerten läßt.
Zur Hebung
[* 37] der deutschen Chronometer-Industrie werden auf letzterm Institut nach Anordnung des Staatssekretärs des Reichsmarineamts jährlich
Konkurrenzprüfungen von Marinechronometern veranstaltet, zu denen es jedem im Gebiete des DeutschenReiches etablierten Uhrmacher
freisteht, eine bestimmte Anzahl in seiner Werkstatt hergestellter Chronometer einzusenden. Für die besten Chronometer sind
Prämien von 700 bis 300 Mark ausgesetzt; aus denselben wird gleichzeitig der Bedarf für die kaiserliche Marine durch Ankauf
gedeckt. Die Prüfung beginnt in der Regel