Aconcagua eine
Niederlage und große Verluste durch die guten
Gewehre der Kongreßtruppen. Der Oberbefehlshaber der Regierungstruppen,
General Barbosa, zog sich darauf auf
Valparaiso
[* 2] zurück und wurde 28. Aug. südlich der Stadt, bei
Placilla, von
Canto, der
Valparaiso
umgangen hatte, angegriffen. Trotz ihrer überlegenen
Artillerie wurden die Regierungstruppen besiegt, als ihr
linker
Flügel, eine ganze
Division, teils die
Waffen
[* 3] streckte, teils die
Flucht ergriff.
Die Verluste an
Toten und Verwundeten waren sehr erheblich. Barbosa und Alcérrecas fielen verwundet in die
Gewalt der Feinde
und wurden sofort erschossen. Die fliehenden
Truppen sowie die nachsetzenden
Sieger richteten im
Verein mit dem
Pöbel in
Valparaiso schreckliche Verwüstungen und Gewaltthaten an; einen Teil der Stadt schützten die
Mannschaften der fremden
Kriegsschiffe.
Die an der
Schlacht nicht beteiligten Regierungstruppen unterwarfen sich, ebenso die Regierungskriegsschiffe. Auch
Santiago
kapitulierte ohne einen
Versuch des
Widerstandes und auch dort wurden die
Häuser der Gegenpartei geplündert.
Der
Sieg der Kongreßpartei war vollständig. Anfangs wurden von ihr einige Grausamkeiten begangen und
geräuschvolle Siegesfeste gefeiert. Da
Balmaceda gewiß war, keine
Schonung zu finden, und ihm die
Flucht nach Argentinien
abgeschnitten wurde, erschoß er sich 19. Sept. im
Hause des ihm befreundeten argentinischen
Gesandten Uriburu, wo er sich verborgen
gehalten hatte. Die Regierungsjunta der siegreichen Kongreßpartei übernahm nun die Herrschaft im
Staate.
Sie erkannte das von Valmaceda ausgegebene
Silber- und
Papiergeld an und ordnete die
Neuwahl des
Kongresses für 18. Okt. an. Gegen
die Anhänger
Balmacedas, die von ihm ernannten Beamten, die Mitglieder des von ihm berufenen
Kongresses und die
Offiziere seines
Heeres vom
Hauptmann aufwärts schritt sie mit großer Strenge ein; was nicht entfliehen konnte, wurde
verhaftet, um vor
Gericht gestellt zu werden, nachdem in den
Tagen des Siegesrausches viele Balmacedisten ohne und mit Förmlichkeiten
erschossen worden waren.
Die
Neuwahlen für die
Kammern im
Oktober fielen zu gunsten der
Liberalen aus, welche namentlich im
Senat
die weit überwiegende Mehrheit hatten. Der
Kongreß trat 10. Nov. zusammen, worauf sich die
Junta de Gobierno auflöste. Die
Gereiztheit der
Sieger richtete sich auch gegen die fremden
Staaten, deren Vertreter angeblich der
RegierungBalmacedas Vorschub
geleistet hatten, so besonders gegen den
Gesandten der
Vereinigten Staaten
[* 4] vonNordamerika,
[* 5]
Egan, und die
amerikanischen
Kriegsschiffe im
Hafen von
Valparaiso, deren Befehlshaber beschuldigt wurde, in den letzten Entscheidungskämpfen
die Balmacedisten, freilich vergeblich, unterstützt und die
Flucht ihrer Anhänger begünstigt zu haben.
Die
Matrosen des amerikanischen
KriegsschiffsBaltimore
[* 6] wurden in
Valparaiso im Streite mit dem
Pöbel teilweise arg mißhandelt.
Die Unionsregierung forderte im
Januar 1892 in etwas schroffer Form
Genugthuung und drohte mit
Krieg. Doch
beschwichtigte Chile
[* 7] die Erregung, indem es die Schuldigen bestrafte und die verlangte
Genugthuung leistete (vgl.
Vereinigte Staaten,
Geschichte). Bei der auf festgesetzten Präsidentenwahl wurde der
Schiffskapitän Jorje Montt, das
Haupt der Aufständischen,
ein ehrlicher, tüchtiger Mann, gewählt. Er berief ein aus
Konservativen und
Liberalen zusammengesetztes
Ministerium und ließ sich besonders die Regelung der
Finanzen angelegen sein.
Zur Litteratur: Echevarria y
Reyes, Geografia politica de Chile
(Santiago 1889, 2 Bde.);
Gomez Vidaurre,
Historia geografica,
natural y civil del reino de Chile (das. 1889, 2 Bde.);
Espinosa, Geografia descriptiva de la republica de Chile
(Madr. 1890);
H.
Kunz, Chile und die deutschen
Kolonien (Leipz. 1890);
Hervey, Dark days in Chile, an account of the revolution of 1891 (Lond. 1891).
Eine
Karte von Chile veröffentlichten
Polakowsky und
Opitz (1: 2,500,000; 2. Ausg., Frankf. a. M. 1891).
[* 8] Erst im
August 1890 ist ein erneuter Fortschritt in der Erschließung
Chinas zu verzeichnen,
in dem Tschunking am
Jantsekiang, etwa 75 deutsche
Meilen flußaufwärts von
Itschang und 325
Meilen von
Schanghai
[* 9] entfernt, durch
die Ernennung eines fremden Zolldirektors und andrer Zollbeamter endgültig als 20.
VertragsHafen eingerichtet und eröffnet
wurde. Für die Reorganisation von
Armee und
Marine,
Anlage von
Küstenbefestigungen etc. nach europäischem
Muster bringt die
Regierung fortdauernd große
Opfer; auch einiger andrer wichtiger Neuerungen müssen wir gedenkende eine kleine,
aber thatkräftige fortschrittliche
Partei trotz des hartnäckigen
Widerstandes der konservativen Mehrheit durchzusetzen gewußt
hat. Ein entschiedener Erfolg und ein denkwürdiges Ereignis in der Geschichte des chinesischen Finanzsystems
ist die schon in unserm vorigen Jahresbericht (Bd. 18, S. 154)
erwähnte Einführung von geprägten Silbermünzen, während bis vor kurzem das Land nur gegossene (keine geprägten) Kupfermünzen
im Wert von ¼
Pf.,
Käsch genannt, besaß.
Seit 1890 prägt nun die neueMünze von
Kanton,
[* 10] welche die größte ihrer Art sein soll,
Stücke von 1
Doll.
(im Wert gleich dem mexikanischen
Dollar), 50, 20, 10 und 5
Cents. Auf der einen Seite zeigen die
Münzen
[* 11] einen geringelten
Drachen, auf der andern eine entsprechende
Inschrift in
Mandschu und
Chinesisch. Der
Eisenbahnbau
[* 12] trifft dagegen immer
noch auf den schärfsten
Widerstand der konservativen
Kreise.
[* 13] Das bereits genehmigte
Projekt des fortschrittlich gesinnten,
thatkräftigen
GeneralgouverneursTschang Tschihtung, eine
Bahn von Lukaukian
(Peking)
[* 14] nach
Hankeou, die den ganzen
Norden
[* 15] des
Reiches in einer
Länge von etwa 750 deutschen
Meilen durchkreuzte, zu bauen, mußte scheitern, nicht bloß weil nur einheimische
Kapitalien verwendet und keine fremde
Anleihe aufgenommen werden sollten, sondern auch, weil der Genannte nur
Schienen aus
einheimischem
Eisen
[* 16] zu verwenden beabsichtigte. Das
Schansi-Eisen ist aber einesteils gar nicht dazu geeignet und andernteils
teurer als fremdes
Eisen. Auch ein äußeres Ereignis, der
Brand des (aus dem 1500
n. Chr. stammenden) Himmelstempels 18. Sept. 188 während
eines
Gewitters (wahrscheinlich hatte die
konservative Partei den
Tempel
[* 17] in
Brand stecken lassen), mußte als Vorwand für das
Fallenlassen des Bahnbauprojektes dienen.
man hofft bis Mitte oder Ende 1892 die Strecke fertigstellen zu können.
Über Schanghai-Kwang hinaus wird die Fortsetzung
bis Mokauging bei Niutschuang erfolgen, so daß also letzterer Ortin direkteVerbindung mit Peking kommen
wird. Es ist somit zu erwarten, daß der Bau vonBahnen zwar langsam, aber beständig fortschreiten wird. Ein treibender Faktor
wird dabei vor allem das transsibirische Eisenbahnunternehmen Rußlands und die nach Vollendung desselben von seiten des
mächtigen Nachbars fortwährend drohende Invasionsgefahr sein.
Andre, zum Teil sehr lange Strecken sind im Bau begriffen. Mitte 1890 zählte man etwa 160 Telegraphenstationen, darunter alle
Vertragshäfen, mit Ausnahme von Wentschou. Die Linien sind teilweise kaiserlich, teilweise Eigentum von
Privatgesellschaften. Allgemeinen Widerspruch unter der östlichen Handelswelt rief die Ende 1889 in Tschifu unterzeichnete
chinesisch-dänisch-russische Telegraphenkonvention hervor, welche die Rate von 2 Doll. pro Wort auch nach Fertigstellung der
Telegraphenlinie Peking-Kiachta aufrecht erhalten und ein 14jähriges Monopol schaffen wollte, wonach der Preis der Depeschen
für Rußland sich bedeutend geringer stellte als für die übrigen Länder und der Handel erstern Landes
einseitig auf Kosten der andern begünstigt wurde. Bei Gelegenheit des Weltpostkongresses in Wien
[* 22] im Mai 1891 wurde auch China zur
Teilnahme aufgefordert, und man erwartete, daß es sich dem Weltpostverein anschließen würde.
Doch schlug China die Einladung ab, und es bleibt daher vorläufig noch beim alten.
Am erschien ein kaiserliches Edikt, das eine neue Ära für den Verkehr des Hofes von Peking mit den Vertretern der
ausländischen Mächte herbeizuführen schien. Schon längst hatten letztere darauf gedrungen, vom Kaiser in gebührender Weise
in Audienz empfangen zu werden, doch hatten seit der letzten, 1873 für die Europäer unter ziemlich demütigenden
Bedingungen stattfindenden Audienz die Verhandlungen zu keinem Resultat geführt. Obiges Edikt des jugendlichen Kaisers Kwang-sü,
der bekanntlich im April 1889 mündig wurde und die Zügel der Regierung übernahm, ordnete den jährlichen Empfang der Repräsentanten
der Vertragsmächte an. Das Tsunglijamen (Auswärtige Amt) bestimmte nun, daß der Empfang nicht im kaiserlichen Palast selbst,
sondern wie 1873 außerhalb desselben im Tsekwangko (»Halle
[* 23] der Purpurhelle«) stattfinden sollte, welche Halle eigentlich für
den Empfang der
Gesandten der
tributpflichtigen Vasallenstaaten bestimmt war. Auf den Protest des diplomatischen Korps ging das
Tsunglijamen nicht ein, und um die ganze Frage nicht wieder bis auf unbestimmte Zeit zu vertagen, fügten sich die fremden
Minister und wurden im Tsekwangko vom Kaiser inAudienz empfangen.
Ereignisse von größter Tragweite für den innern FriedenChinas sowie für sein Verhältnis zu den Vertragsmächten traten
im Mai 1891 und den folgenden Monaten ein. Nachdem schon Ende 1889 sich Feindseligkeiten des chinesischen Pöbels gegen die
fremden Missionen gezeigt hatten und in Wutschang (gegenüber Hankeou) Plakate angeheftet worden waren, die zur Vernichtung
der Ausländer aufforderten, erfolgte plötzlich in Wuhu, einem Vertragshafen am Jantsekiang,
ein Pöbelaufstand, der 12. Mai zur Zerstörung der daselbstbefindlichen katholischen Mission, des englischen Konsulats und einer
Anzahl andrer fremder Gebäude führte; die Fremden mußten sich der Wut des Pöbels durch die Flucht entziehen. Am 13. wurde
die Ruhe wiederhergestellt.
Anlaß zum Aufstand gaben falsche Beschuldigungen, die man gegen die Missionare, welche Kinder stehlen und
töten und zu medizinischen Zwecken verwerten sollten, vorbrachte. Der fremdenfeindliche Geist verbreitete sich aber nach diesem
ersten Ausbruch im Innern Chinas immer weiter und rief einen Aufstand nach dem andern im Jantsethal hervor. An fast allen Orten
richteten sich die Störungen zuerst gegen die französischen Missionsanstalten. Die wahre Ursache der
Unruhen wird von vielen in der Thätigkeit geheimer Gesellschaften, namentlich der berüchtigten Kolao-Huei, gesucht.
Wie sehr in ihnen der Haß gegen die fremden »Barbaren« auch obwaltet, so seien doch die Angriffe auf Leben und Eigentum derselben
nur Mittel zum Zweck, sie würden nämlich zugleich mit der Absicht ins Werk gesetzt, die Regierung in Konflikt
mit den auswärtigen Mächten zu bringen, was notwendig zur Schwächung der Macht und des Ansehens der chinesischen Regierung
führen würde; diese Machtlosigkeit soll dann dazu benutzt werden, die verhaßte Mandschudynastie zu stürzen und eine rein
chinesische Dynastie an Stelle der letztern zu setzen.
Das fremde diplomatische Korps richtete Anfang Juni an das Tsunglijamen eine Note, worin es die Zentralregierung darauf aufmerksam
machte, daß sie für den Schutz oer Ausländer Sorge zu treffen habe, und darauf erfolgte am 13. ein Edikt des Kaisers, welches
die Beamten zum Schutz der Fremden und Schadenersatz für die verursachten Verluste an Eigentum auffordert.
Dies Edikt erwies sich jedoch als totes Schriftstück, dem die Regierung nicht die geringsten Thaten folgen ließ, weil sie
selbst sich auf die Treue ihrer Truppen, namentlich in Hunan, dem Zentrum der Empörung, nicht verlassen kann.