sind, welche für Caffagiolo als charakteristisch gelten, sondern zum Teil auch eine der häufigsten Meistermarke von Caffagiolo
ähnliche Signatur tragen. Die Scherben sind sicher Faentiner Arbeit. Auch das Medici-Wappen kommt auf ihnen vor. Diese Gründe
sind alle unbestreitbar; da Faenza die ältere und jedenfalls bedeutendere Fabrik war, wird man von nun
an nur diejenigen Stücke als toscanisch halten können, die den vollen Namen von Caffagiolo tragen. Die vollständige Bezeichnung
»fatto in Caffagiolo« erklärt Argnani als Abkürzung der Worte »fatto in Casa Fagioli«. En Töpfer dieses Namens hat sich in Faenza
urkundlich nachweisen lassen. Diese Zusammenziehung ohne Kürzungszeichen ist aber nach dem Schreibgebrauch
des 16. Jahrh. unmöglich. Auch existiert im Florentiner Staatsarchiv ein Brief von 1525, worin die Manufaktur von Caffagiolo
erwähnt wird. Man muß also an ihrer Existenz festhalten, wenn man auch zugeben muß, daß sie durchaus abhängig von Faenza
war und dessen Bedeutung niemals erreichte.
(spr. kehn), Thomas Henry Hall, gewöhnlich nur Hall Caine genannt, engl. Schriftsteller, geb. zu
Runcorn (Cheshire), stammt von Vaters Seite von der Insel Man, wo er auch einen Teil seiner Erziehung erhielt, und die er bisher
in Vorträgen und dem anziehenden Buche »The little Manx nation« (1891) zu verherrlichen bestrebt war. Nachdem
er schon sehr früh sich litterarisch bethätigt, erfuhr er den Einfluß des Dichters und Malers Dante Gabriel Rossetti, mit
dem er bis zu dessen Tode zusammen lebte, und dem er »Recollections« (1881) gewidmet hat.
Auch mit Wilkie Collins und Blackmore trat er in freundschaftliche Verbindung. Dann bereiste er Irland und
Marokko, wo er Stoff zu seinen Romanen sammelte. Diese sind: »The shadow of a crime« (1885),
bereits in 12. Auflage erschienen,
»A son of Hagar« (1887),
»The Deemster, a romance from the isle of Man« (1887, bereits 10 Auflagen),
»Bondman,
a new saga« (1890) und sein jüngstes Werk: »The Scape-goat«, eine
ergreifende Geschichte aus Marokko. Caine hat auch »Sonnets of three centuries« (1882)
herausgegeben und sich im Drama versucht, zunächst als Mitarbeiter Wilson Barretts in »Benmy-Chree«, dann selbständig und
auf des Theaterdirektors Irving Aufforderung in »Mahomet«. Das letztere Drama ist jedoch infolge des Einspruchs
von seiten indischer Mohammedaner nicht zur Aufführung gekommen. Caine lebt zurückgezogen in der Seegegend Nordenglands.
(spr. kährd), Mona, engl. Schriftstellerin, schott. Ursprungs, Tochter von
John Alison, bildete sich autodidaktisch in den klassischen Sprachen, unternahm ausgedehnte Reisen, besonders durch Österreich,
die Schweiz und Griechenland, und bethätigte lebhaftes Interesse namentlich für die Frauenfrage. Ihre beiden
ersten Bücher: »Whom nature leadeth« und »One
that wins«, gingen indes ziemlich unbeachtet vorüber. Aber lebhaftes Aufsehen erregte sie 1888 durch einen Essay »Marriage«,
der in der Tagespresse eine lebhafte Erörterung der eigentümlichen Frage: Is marriage a failure? hervorrief. Ihr
Roman »The wing of Azrael« (1890) ließ jedoch dieses Thema unberührt, ebenso die Novelle »A romance of the Moors« (1891). Ihre
neueste Schrift ist »The morality of motherhood«.
(Universität.) Das meiste in den ältern Büchern über die eigentümlichen Universitätsverhältnisse in
Cambridge. Berichtete ist jetzt völlig veraltet, auch gilt das für ein bestimmtes College Richtige oft nicht für alle oder für
die Universität als solche, und besonders oft wird in ältern Aufsätzen keine Scheidung zwischen Oxford
und Cambridge gemacht, deren Einrichtungen, obschon in den Grundzügen sehr gleichartig, doch im einzelnen zahlreiche
Verschiedenheiten (auch in der Benennung) aufweisen.
Eine auf genauer Kenntnis der in neuerer Zeit vielfach umgestalteten Verhältnisse beruhende Darstellung, die sich nicht nur
auf die Verbesserung der alten Irrtümer, Ergänzung der Namen und Zahlen beschränkt, sondern auch das
innere Leben, die Verfassung und Arbeit der Universität und der Colleges, die Arbeiten, Prüfungen und Erholungen der Studenten
mit berücksichtigt, erscheint deshalb gegenwärtig, wo die Frage des öffentlichen Unterrichts durchweg in den Vordergrund
gerückt ist, von besonderm Interesse. Eine Ergänzung findet die nachfolgende Darstellung in den Artikeln
Oxford und Manchester (Victoria-University) dieses Bandes. Die University of London, gegenwärtig in einem Übergangsstadium,
konnte füglich nicht mit herangezogen werden.
Die Universitätsgebäude, welche ziemlich nahe bei einander liegen und teilweise ganz neu, teilweise Jahrhunderte alt sind,
haben meist ein stattliches Äußere. Wir erwähnen: die Universitätskirche (St. Mary the Great), welche
als Mittelpunkt der Universität gilt, das Senatshaus (1730 vollendet, in dem alle großen Versammlungen des Senats stattfinden,
Prüfungen und Wahlen abgehalten und die Grade der Universität verliehen werden), die Universitätsbibliothek, die Universitätsdruckerei
(Pitt Press), Addenbrooke's Hospital (mit 120 Betten), zahlreiche, mit den neuesten Apparaten aufs vorzüglichste ausgestattete
Laboratorien, eine etwas außerhalb der Stadt liegende Sternwarte.
Neben mehreren großen naturwissenschaftlichen Museen besitzt Cambridge auch ein Museum für klassische Archäologie, ein antiquarisches
Museum und das herrliche, in reinstem griechischen Stil (1837-75) erbaute Fitzwilliam-Museum für Gemälde, Kupferstiche und
sonstige Kunstgegenstände. Es fehlt noch immer ein einheitliches großes Gebäude für die Universitätsvorlesungen
(besonders der philosophischen und juristischen Disziplinen), welche jetzt über die ganze Stadt verstreut, vielfach in einzelnen
Colleges gehalten werden.
Der botanische Garten ist gut angelegt und sehr reichhaltig. Die Universitätsbibliothek enthält jetzt an die 400,000 Werke
und gut 6500 zum Teil sehr wertvolle Handschriften. Sie ist die drittgrößte und vermutlich älteste
Bibliothek Englands und genießt (neben denen von London, Oxford, Edinburgh und Dublin) das Vorrecht, von jedem in Großbritannien
gedruckten Buch ein Freiexemplar zu erhalten. Ein von den Universitätsmitgliedern, Graduierten wie Studenten, vielfach benutztes
und nur ihnen geöffnetes, aber nicht der Universität als solcher gehöriges Gebäude ist das Klubhaus der
Union Society, mit vielen Lesesälen, guter Bibliothek sowie einem großen Saal für die wöchentlichen studentischen Debatten
über politische und soziale Fragen, an denen sich jedoch nicht selten auch ältere Mitglieder der Universität beteiligen.
Ebenfalls nicht Universitätseigentum, aber ein großer Schmuck der Universitätsstadt, sind die zahlreichen, zum Teil sehr
mehr
alten Colleges, welche, von Grün umgeben und in sich abgeschlossen liegend, ein höchst charakteristisches, mittelalterlich-idyllisches
Bild gewähren, wie man es ähnlich nur noch in Orford sehen kann. Die beiden großen modernen Frauencolleges liegen nicht in
Cambridge selbst, aber auch das entferntere (Girton College) nur etwa eine halbe Stunde außerhalb der Stadt.
Besonders anziehend sind die hinter den größten Colleges sich am Cam entlang erstreckenden sogen. Backs, prachtvolle Gartenanlagen
mit herrlichen Bäumen, weit ausgedehnten Spielplätzen der Studenten und besondern, auf das sorgfältigste gepflegten Gärten
der Fellows.
Der Ursprung der Universität ist (wie bei Oxford) in sagenhaftes Dunkel gehüllt. Oxford ist möglicherweise
etwas älter. Beide wurden ursprünglich nach dem Muster von Paris organisiert, und vor dem Anfang des 13. Jahrh. waren beide
bereits anerkannte Sitze gelehrter Bildung. In C. entwickelte sich unter dem Einfluß der nahen Diözese Ely die Universität
aus dem Unterricht, welcher seit mindestens dem 12. Jahrh. von Geistlichen in Cambridge erteilt zu sein scheint.
Am geistigen Leben der Nation hat Cambridge von jeher den lebhaftesten Anteil gehabt, und in der zweiten Hälfte des 19. Jahrh. hat
es noch einen besonders mächtigen Aufschwung genommen.
Die Beseitigung der alten, größtenteils zur Zeit Elisabeths festgesetzten und in zahlreichen Punkten vollständig veralteten
Verfassung und die Reform der Universität im Geiste der Neuzeit wurde durch die Untersuchungen und Beschlüsse
zweier königlicher Kommissionen und thätige Unterstützung durch die besten Elemente der Universität bewerkstelligt. Die
erste Kommission wurde 1850 eingesetzt, und die unmittelbare Folge ihrer Berichte waren die Statuten von 1858. Da sich jedoch
die hier beschlossenen Reformen als noch nicht ausreichend erwiesen, wurde 1872 eine neue Kommission eingesetzt,
aus deren eingehenden Untersuchungen und Beratungen die Universities of Oxford and Cabridge Act (1877) hervorging, welche 1882 von der
Königin offiziell bestätigt wurde.
Durch diese neuen Verfügungen sind mit der alten Universitäts- und Collegeverfassung eine Anzahl der
wichtigsten und heilsamsten Veränderungen vorgenommen worden; vor allen Dingen ist zu erwähnen die Abschaffung des Monopols
der englischen Hochkirche (abolition of religious tests, 1871) auf die Ämter und Einkünfte der Universität und der Colleges
sowie zahlreicher, von beiden abhängiger Stiftungen, welche jetzt auch fast alle von Dissenters errungen werden können;
die Umgestaltung des ganzen Fellowshipwesens in zeitgemäßer Weise u. a.
Die Universität ist völlig autonom, sie erhält keine Staatsunterstützung, steht unter keinem Unterrichtsminister (den
es überhaupt in England nicht gibt), verwaltet ihr eignes Vermögen selbständig und hat eine Anzahl alter Privilegien der
Stadt gegenüber bewahrt (z. B. die Aufrechterhaltung der Disziplin und Sittenpolizei durch Proctors; die
Überwachung der Häuser, in denen Studenten wohnen dürfen; das Verbot, gewisse Geschäfte zu besuchen [discommuning], welche
der Verschwendung der Studenten Vorschub leisten, etc.). Sie entsendet zwei Vertreter ins Parlament; sie ernennt alle ihre Beamten,
Lehrer wie Verwaltungsbeamte, nach eignem Ermessen und stellt Lehrpläne, Prüfungsordnungen etc. völlig
selbständig auf. In ihrer modernsten Form steht die Universität da als eine Korporation aus den Doctors und Masters der faculties
of arts, law, physic, divinity, literature, science und music,
welche größtenteils die Verwaltungsbehörde, früher Caput,
jetzt Senate genannt, bilden.
Mitglieder des Senats gibt es augenblicklich (1891) 6774, welche natürlich nur zum allergeringsten Teil
in Cambridge wohnen, von denen aber bei besonders wichtigen Anlässen viele behufs Abgabe ihrer Stimme nach C.kommen. Die Gesamtzahl
der Angehörigen der Universität, die jedoch größtenteils keine Stimme im Senat haben, ist augenblicklich 13,044 (im J. 1840:
5696; 1850: 7047). Die meisten in Cambridge ansässigen Mitglieder des Senats, meist Universitäts- und Privatlehrer,
auch Fellows der Colleges, bilden einen engern Ausschuß und haben, wenn sie gewisse Bedingungen erfüllen, ausgedehntere Rechte,
besonders Wahlrechte.
Solcher Senatsmitglieder (Graduates on the Electoral Roll) gibt es augenblicklich etwas über 500. Aus ihnen bildet die Universität
wieder Ausschüsse für die verschiedenen Lehr- und Verwaltungszwecke. Die Vertreter der Universität im
großen und ganzen und nach außen sind die folgenden: Der Chancellor, der High Steward, der Vice-Chancellor, der Deputy High Steward,
von welchen allen nur der Vice-Chancellor in der Universität ansässig ist und die laufenden Geschäfte als Vorsitzender der
verschiedensten Syndicates etc. leitet. Er ist stets der Master eines College und führt sein Amt meist
zwei Jahre lang.
Die andern drei Ämter werden hervorragenden Adligen übertragen, welche aber nur höchst selten wichtige Amtsgeschäfte vornehmen.
Sonstige Universitätsbeamte sind: ein Commissary, ein Registrary (Archivar), der Public Orator (welcher bei feierlichen
Gelegenheiten in lateinischer Sprache im Namen der Universität redet), der Librarian, der Counsel (Rechtsbeistand),
zwei den Vice-Chancellor stets begleitende graduierte Esquire Bedells, welche auch darauf zu achten haben, daß die Geschäfte
der Universität äußerlich in richtiger Weise vorgenommen werden.
Unabhängig von der Universität, aber höchst wichtig in ihr sind die Vorstehers der 17 Colleges (der alte Name ist
noch Heads of Houses). Der Lehrkörper setzt sich zusammen aus 41 University Professors (die älteste Professur besteht seit
1502, die jüngste seit 1889; 21 davon stammen aus unserm Jahrhundert), 6 Readers und 33 University Lecturers. Die beiden letztern
Ämter, welche sich nur hinsichtlich der Höhe des Gehaltes unterscheiden, aber beide etwa den deutschen
außerordentlichen Professoren (nicht den Privatdozenten) entsprechen, bestehen erst seit allerneuester Zeit (1884 und später).
Somit besitzt die Universität augenblicklich 80 offizielle Dozenten. Dazu kommen noch viele (an die 50) Teachers, Superintendents,
Curators, Demonstrators, und ferner treten in den Colleges eine große Anzahl von College Lecurers en University
Professors, Readers und Lecturers zur Seite. Die innere Verwaltung und Disziplin der Universität ist in folgender Weise geregelt:
Alle Vorlagen, welche vor den Senat gebracht und von diesem durch ein sogen. Grace angenommen werden sollen, müssen zunächst
von einem höchsten Ausschuß, dem Council, gebilligt sein. Dieser Rat besteht aus 16 von Zeit zu Zeit regelmäßig
wechselnden Mitgliedern und dem Vice-Chancellor als Vorsitzenden. Was vom Rat vorgeschlagen und vom Senat gebilligt ist, wird
Universitätsgesetz und als solches im offiziellen »University Reporter« veröffentlicht. Die Disziplin in ihren verschiedenen
Zweigen liegt in den Händen verschiedener Abordnungen, der Sex Viri (für Graduates, d. h. solche, welche
einen »Grad« [degree] errungen haben;
mehr
Studenten heißen offiziell undergraduates, des Court of Discipline (für persons in statu pupillari, d. h. Studenten und Baccalaurei),
der (2) Proctors und (4) Pro-Proctors. Die Finanzen der Universität verwaltet der Financial Board, dessen Bewilligung für alle
geplanten Ausgaben zuerst eingeholt werden muß. Die Rechnungen der Universität werden alljährlich von drei Mitgliedern
des Senats (Auditors of the Chest) geprüft. Fakultäten im Sinne der deutschen Universitäten hat man in Cambridge nicht, vielmehr werden
die einzelnen Studienzweige durch Sonderausschüsse unter dem Vorsitz des oder eines Fachprofessors vertreten.
Man nennt diese Ausschüsse die Special Boards of Studies; z. B. würde »the Special Board for Law« zwar im
allgemeinen der deutschen juristischen Fakultät entsprechen, aber nicht völlig, da fast nie alle Dozenten eines Faches im
Special Board Sitz und Stimme haben. Augenblicklich besitzt die Universität die folgenden 12 Special Boards: Divinity, Law, Medicine
und (an Stelle der deutschen philosophischen Fakultät) Classics, Oriental Studies, Medieval and Modern Languages,
History and Archaeology, Moral Science (d. h. Philosophie und Volkswirtschaftslehre), Music, Mathematics, Physics and Chemistry,
Biology and Geology.
Jeder Special Board entsendet einen Vertreter in die oberste Studienbehörde, den General Board of Studies. Reformvorschläge
werden erst im Schoße der Special Boards erwogen und ausgearbeitet, dann dem General Board zur Begutachtung vorgelegt
und von diesem dem Senat zur Annahme empfohlen, welcher meist eine längere öffentliche Diskussion vorhergeht. Die Anstellung
der meisten Universitätsdozenten erfolgt mit Bewilligung des Senats durch den General Board of Studies.
Die Sitzungen der Ausschüsse finden je nach Bedürfnis häufiger oder seltener in den terms (s. unten) statt; es ist
die Aufgabe der Special Boards, die Gegenstände für die verschiedenen Fachprüfungen alljährlich festzusetzen, das Vorlesungsverzeichnis
ihres Faches aufzustellen und die Examinatoren zu wählen, über Gesuche behufs Zulassung zur Doktorwürde zu entscheiden
u. dgl. Zum Referat über Einzelfragen erwählt der Special Board meist aus seiner Mitte besondere Kommissionen.
Zur Wahrnehmung sämtlicher andrer Interessen der Universität oder zur Entscheidung oder Vorberatung wichtiger
augenblicklicher Fragen fungieren ferner noch eine ganze Reihe von Sonderausschüssen (Syndicates). So gibt es das Press Syndicate,
Library Syndicate, Fire Prevention Syndicate, Museums and Lecture Rooms Syndicate u. a. Auch sind viele der angesehensten Graduates
Governors of Schools und üben als solche auf die Leitung vieler großer Schulen einen bedeutenden Einfluß
aus.
Das Einkommen der Universität, welche, wie gesagt, keinerlei Staatszuschüsse erhält, ist verhältnismäßig gering, da besonders
das ihr gehörige Land augenblicklich im Werte sehr gesunken ist. Die Universität Cambridge als solche ist arm (Oxford ist weit reicher),
und vieles Wünschenswerte wird verschoben aus Mangel an genügenden Mitteln. Manche Colleges sind allerdings
sehr reich, aber man darf aus deren Privatvermögen keine Schlüsse auf die Finanzlage der Universität im großen und ganzen
ziehen.
Das Vermögen der Universität war z. B. im J. 1890: 45,899 Pfd. Sterl.,
während das größte College (Trinity) allein 103,863, das zweitgrößte (St. John's) 50,161 Pfd. Sterl.
besaß. Das der Universität Cambridge etwa um 1575 verliehene Wappen ist ein durch ein großes
Kreuz in vier Felder geteilter Schild,
auf deren jedem ein Löwe mit erhobener rechter Pranke steht. Inmitten des Kreuzes befindet sich ein rotes Buch mit Goldverschluß
und -Ecken. Die Universität wird hierdurch als ein von der Krone beschützter Sitz der Wissenschaft bezeichnet.
Die Colleges, 17 an der Zahl, von denen die schönsten und größten (King's, Trinity, St. John's) nebeneinander in den Backs
am Cam liegen, sind teilweise sehr alt. Das älteste, St. Peter's College (meist Peterhouse genannt), stammt aus dem 13. Jahrh.
(1257, erste Charter 1284). Die Colleges sind unabhängige Korporationen, deren jede von ihren eignen Gesetzen regiert wird.
Sie sind historisch im Laufe des Mittelalters aus den verschiedensten Anlässen hervorgegangen und wahren, obwohl sie sich
allmählich einander mehr angenähert haben, doch zum Teil noch bis auf den heutigen Tag ihre bestimmte
Individualität.
Sie sind jünger als die Universität, deren Organisation von ihnen völlig unabhängig ist. Das ganze Collegesystem wurde
im 13. Jahrh. in Oxford von Walter de Merton gegründet und war ursprünglich gegen Mönchtum und Papst gerichtet. Es bezweckte
die Heranbildung einer von der Klosterbildung unabhängigen liberalen Geistlichkeit, und Bildung der Geistlichkeit
bedeutete damals Bildung der Nation. Hugh de Balsham, Bischof von Ely, stiftete nach W. de Mertons Vorbild das erste College (Peterhouse)
in Cambridge. Vorher, als die Universität aus einer freien Vereinigung von Lehrern und Studenten bestand, lebten die letztern, wo es
eben ging, meist in Häusern der Stadt, manchmal mehrere zusammen unter der Aufsicht eines Lehrers.
Solche Häuser hießen Inns, Hostels, gewöhnlich Halls (lat. aulae) und wurden später von der Universität anerkannte wichtige
Sammelplätze für Studenten. Die Hostels waren also ursprünglich Privatanstalten und ohne Stiftungsvermögen. Später gingen
mehrere in den Colleges auf, welche alle Stiftungen mit durch mannigfache Schenkungen oft zu bedeutender
Höhe angewachsenem Vermögen zur Erhaltung von Scholars sind. Bis zur Mitte des 15. Jahrh. kamen zu Peterhouse noch fünf der
noch jetzt bestehenden Colleges hinzu, einige andre sind jetzt eingegangen oder doch mit jetzt bestehenden verschmolzen.
Alle führen jetzt offiziell die Bezeichnung »College« außer Trinity Hall (zum Unterschied von Trinity College).
Die 17 Colleges sind dem Alter nach: St. Peter's College (Peterhouse), Clare, Pembroke, Gonville and Caius, Trinity Hall, Corpus Christi,
King's, Queens', St. Catherine's, Jesus, Christ's, St. John's, Trinity, Emmanuel, Sidney Sussex, Downing. Zu diesen kommen zwei sehr
junge Hostels: Selwyn College (weniger bemittelte Studenten, streng religiöse Richtung) sowie das Private
Hostel: Ayerst Hall. Das jährliche Einkommen der Colleges wird regelmäßig im »University Reporter« veröffentlicht.
Bei der augenblicklichen großen Entwertung des Landes sind die Einnahmen vieler Colleges sehr erheblich heruntergegangen und
damit der Wert der von ihnen verliehenen Fellowships ebenfalls. Die äußere Anlage der Colleges ist ziemlich
die gleiche: das College besteht aus einem oder mehreren Höfen, in deren Mitte sich ein wohlgepflegter Rasenplatz befindet.
Die Höfe sind von drei, meist von allen vier Seiten zugebaut und somit völlig vom Getriebe des Tages abgeschlossen. Jedes
College enthält einen geräumigen Speisesaal (hall) für sämtliche Mitglieder des College; einen
mehr
Raum, oft ein besonderes Gebäude, für den Gottesdienst (chapel) sowie eine Bibliothek. Einige Collsgebibliotheken, besonders
die von Trinity College, sind sehr reichhaltig und äußerst sehenswert; höchst interessant ist auch die Pepysan Library im
Magdalene College. Ein Beispiel einer sehr alten Bibliothek, in welcher besonders wertvolle Bücher und Handschriften an die
Pulte angekettet waren, ist die von Trinity Hall. Für den Master gibt es meist ein besonderes Haus (the master's lodge), alleinstehend
oder eingebaut.
Jedes College hat eine Anzahl von Hörsälen, ein Lesezimmer, ein Zimmer, in dem sich die Fellows vor und nach den Mahlzeiten
versammeln (combination room), und endlich eine große Anzahl von Wohnungen für die Mitglieder des College
(mindestens Stube und Schlafzimmer), doch finden längst nicht alle Studenten in den Colleges Raum, sondern etwa die Hälfte
muß, obschon sie im College hall und chapel besuchen, doch in lodgings wohnen. Von den 3469 Studenten des Jahres 1890 wohnten 1827 im
College, 1609 außerhalb des College und 133 gehörten keinem College überhaupt an (non collegiate students).
Von allen Colleges hat Trinity die bei weitem größte Studentenzahl: 671. Es folgen St. John's mit 328 und Caius mit 246. An der
Spitze eines College steht der auf Lebenszeit gewählte Master. Ferner setzt sich die College-Gesellschaft
zusammen aus den Fellows (senior und junior fellows), deren Anzahl durch die Collegestatuten festgesetzt ist, den Scholars
(bessern Studenten, welche auf Grund von Prüfungen Stipendien von 40-80 Pfd. Sterl. genießen) und den Pensioners (die Mehrzahl
der gewöhnlichen Studenten).
Einzelne Colleges haben daneben noch Fellow Commoners (meist ältere Studenten, welche das Vorrecht haben,
mit an der erhöhten Tafel der Fellows zu speisen) und Sizars (tüchtige, arme, vom College besonders unterstützte Studenten).
Der Master, die Fellows und die Scholars sind on the foundation of the College, d. h. sie beziehen regelmäßige Einkünfte vom
College. Die Pensioners, Fellow Commoners und Sizars sind zahlende Mitglieder, deren Beiträge verschieden
hoch bemessen sind. Zu diesen allen kommen noch in jedem College eine Reihe älterer Doktoren oder Graduates, welche, ohne Fellows
zu sein, sich dem College angeschlossen haben oder früher dem College als Studenten angehörten.
Diese sind einfach members of the College, dem sie alljährlich einen kleinen Beitrag zahlen. Die Fellows
sind der gesetzgebende, verwaltende und lehrende Körper des College. Sie erwählen aus ihrer Mitte den Master (eventuell auch
den Vice-master), Bursar, Steward, Librarian, die Deans, Chaplains, Tutors und Lecturers. Die Fellows werden aus den besten Scholars,
meist des eignen College, zunächst auf etwa 7 Jahre gewählt und beziehen jährlich meist zwischen 100 und 250 Pfd. Sterl.
Gehalt.
Dieses ist gewöhnlich keine feste Summe, sondern ein Prozentsatz des College-Einkommens und daher starken Schwankungen unterworfen.
Falls die Fellows sich wissenschaftlich besonders auszeichnen oder dem College in diesen 7 Jahren in irgend einer Stellung sich
sehr nützlich machen, können sie nach Ablauf der 7 Jahre wieder gewählt und dauernd an das College gefesselt
werden. Sie dürfen lange Zeit auf Reisen von Cambridge entfernt, neuerdings auch verheiratet sein. Ihre Anzahl beträgt gegenwärtig
zwischen 350 und 400. Das Leben im College ist ein fröhliches, anregendes und ungezwungenes, obschon natürlich die Studenten
sich einer bestimmten Disziplin unterwerfen
müssen, die besonders von den Tutors aufrecht erhalten wird;
außerhalb der Collegemauern stehen sie unter den Gesetzen der Universität und der Disziplinargewalt der Proctors.
Zur Universität stehen die Colleges etwa in demselben Verhältnis wie die Bundesstaaten zum Deutschen Reich. Sie werden pekuniär
zur Unterstützung der Universität herangezogen (ihr Beitrag für 1891/92 ist auf 17,414 Pfd. Sterl.
bemessen) und liefern fast ausschließlich die Lehrer und Verwaltungsbeamten für dieselbe. Für Lehrzwecke pflegen sich auch
häufig mehrere Colleges zusammenzuthun und einen besonders tüchtigen Fellow als Lehrer seines Faches für die Studenten der
Kartellcolleges aufzustellen. Solche Vorlesungen, durch welche viel Zeit und Energie gespart und dem Gegenstande
die bestmögliche Vertretung gesichert wird, heißen Intercollegiate Lectures. Ihrer gibt es jetzt eine große Anzahl neben
den eigentlichen Universitätsvorlesungen.
Früher mußte jeder Student irgend einem College angehören. Diese Bestimmung ist seit 1869 fortgefallen, doch waren von den 3469 Studenten
des Jahres 1890 nur 133 non collegiate students (unter der Aufsicht eines Censor). Die Zahl der in den
beiden großen Frauencolleges hier studierenden jungen Mädchen beläuft sich auf etwa 250. Die Anzahl der Studenten ist in
den letzten 30 Jahren beständig gewachsen. Im J. 1862/63 betrug z. B. die Zahl der Undergraduates nur 1526. Die
Zulassung der Frauen zu den höchsten Prüfungen datiert erst seit 1881.
Den Studenten wie den Graduates eigentümlich ist die mittelalterliche akademische Tracht, cap and gown, in denen sie bei allen
Vorlesungen und ähnlichen offiziellen Anlässen zu erscheinen verpflichtet sind. Die Tracht ist eine Modernisierung des mittelalterlichen
Baretts und Talars, die Form des cap ist einer Ulanen-Tschapka sehr ähnlich und wurde 1769 eingeführt
anstatt des alten runden Baretts. Der über dem Rocke getragene schwarze, bez. blaue gown der Studenten ist kurz, der der Graduates
lang herabwallend, nach Rang, Fakultät und College verschieden.
Die gowns der Doktoren sind scharlachrot. Über dem gown tragen die Graduates bei besondern Anlässen noch
die schwarzseidene, mit weißer Seide gefütterte hood (auch die Bachelors haben eine eigentümliche hood aus weißen Kaninchenfellen),
und beim Gottesdienst trägt Graduate wie Undergraduate die langen, den Körper völlig bedeckenden weißleinenen surplices
mit langen Ärmeln. Sonntags, und stets nach Einbruch der Dunkelheit, müssen Studenten den gown tragen.
Nachmittags zwischen 2 und 6 Uhr erscheinen die Studenten alle in den verschiedensten bunten Spielanzügen in den Farben ihres
College oder ihres Klubs. Die Anzüge bestehen meist aus buntem Flanell. Das Alter der Studenten ist durchschnittlich etwas niedriger
als das ihrer deutschen Kommilitonen. Ihre Vorbildung ist sehr ungleichmäßig und fast durchweg weit geringer
als die der deutschen Abiturienten, ihre Fähigkeit, wissenschaftlich zu denken und zu arbeiten, viel weniger entwickelt.
Da es in England keine Maturitätsexamina gibt, müssen die Studenten sämtlich eine Universitäts-Aufnahmeprüfung bestehen
(the previous examination genannt); daneben hat jedes College noch eine besondere Aufnahmeprüfung. Diese ausschließlich
schriftlichen Examina sind jedoch alle sehr leicht.
Die Gesamtheit der Studenten zerfällt in zwei große, etwa gleich zahlreiche Klassen:
1) die sogen. Poll
mehr
men (von οἱ πολλοὶ, »die vielen«),
die nur wenig zu studieren und alljährlich eine sehr einfache Prüfung abzulegen
brauchen, um den gewöhnlichen B. A. (Bachelor of Arts) zu erringen, und hauptsächlich in Cambridge einige vergnügte Jahre zu verleben
und sich mehr zum Gentleman als zum Scholar auszubilden wünschen.
2) Eine bessere Klasse von Studenten sind die Honours men, welche sich in 3-4jähriger Studienzeit hier
auf die höchsten Universitätsprüfungen (triposes) vorbereiten. Es ist übrigens erwähnenswert, daß Theologen, Juristen
und Mediziner in England nicht notwendigerweise Universitätsbildung zu besitzen brauchen, sondern sich auf Seminaren, bei praktischen
Juristen und in großen Hospitälern theoretisch und vorzugsweise praktisch auf ihren Beruf vorbereiten
können.
Die durchschnittlich erlaubte Studienzeit ist ein Triennium, das fast ausnahmslos auf derselben Universität zugebracht wird.
Während desselben müssen bestimmt vorgeschriebene, alljährlich wechselnde und stets drei Jahre vor Abhaltung der Prüfung
bekannt gemachte Bücher und Studiengebiete durchgearbeitet werden, und über dieselben wird im neunten
term von den Kandidaten (questionists) eine in den meisten Fächern ausschließlich schriftliche Prüfung abgelegt.
Nur die besten Studenten dürfen in einem vierten Jahre noch einen weitern Wissenszweig studieren oder sich ausschließlich
auf das Studium eines Lieblingsgegenstandes werfen; doch machen nur sehr wenige (zum Teil der Kosten wegen) von dieser Vergünstigung
Gebrauch. Jedes akademische Jahr zerfällt in drei terms, die zusammen fast ½ Jahr ausmachen (obschon es offiziell
mindestens 227 Tage sein sollen). Fleißige Studenten kommen jetzt häufig in den großen Ferien (im Juli und August) auf 6-8
Wochen zu stiller Arbeit auf die Universität zurück. Das Studium ist nicht so frei wie in Deutschland: es
ist zeitlich gebunden durch die absolute Verpflichtung, nach Ablauf von drei Jahren die Prüfung abzulegen, ferner eingeengt
durch die bis ins einzelnste vorgeschriebenen Prüfungsgegenstände.
Der Studienplan wird nur selten von einem Studenten selbständig entworfen und durchgearbeitet. Der College Tutor und der College
Lecturer geben die erste Anweisung, sodann in vielen Fällen bis zum Ende der Studienzeit ein Private Tutor
sowie der University Professor und University Lecturer. Vorlesungen werden im ganzen prinzipiell nur sehr wenige gehört, und
zwar fast ausschließlich in den Vormittagsstunden zwischen 9 und 1 Uhr. Nachmittags wird nicht gearbeitet, jeder tummelt
sich in freier Luft.
Gegen Abend nehmen die Fleißigern die Arbeit wieder auf. Die Arbeitszeit der Poll men beträgt durchschnittlich täglich 2-3
Stunden, die der Honours men 6-8. Der Besuch mancher Vorlesungen wird genau kontrolliert; sie sind entweder öffentliche
Universitätsvorlesungen oder College Lectures. Mehr als 10 Vorlesungsstunden in der Woche nimmt kein Student
an, die meisten hören weniger. Neben den Vorlesungen und den praktischen Übungen in Seminaren und Laboratorien gehen die
viel gesuchten und gegebenen Privatstunden (private tuition, private coaching) her, in denen die schwächern Studenten wöchentlich
3-6mal sämtliche vorgeschriebenen Gegenstände unter Anleitung durcharbeiten, und von denen selbst die bessern Studenten
während eines Teiles ihrer Studienzeit gern Gebrauch machen.
Seminararbeit im deutschen Sinne für die besten Studenten ist in Cambridge fast unbekannt. In den Ferien thun sich häufig mehrere
Studenten mit
einem Tutor zu einer sogen. reading party zusammen und lassen sich an einem schönen Orte Englands oder des Auslandes
nieder und verbringen ihre Ferien zwischen Arbeit und Ausflügen. Manche verleben auch die ganzen Ferien
im Auslande. Die Durchschnittskosten für das akademische Jahr (5-6 Monate) sind 150-200 Pfd. Sterl.; in einigen Colleges ist
der Aufenthalt bedeutend teurer.
Dagegen können sich Non Coll. students viel billiger einrichten; auch gewähren Scholarships, Exhibitions (kleinere Stipendien),
Sizarships, Prices den weniger bemittelten tüchtigen Studenten wesentliche Hilfe, ungleich viel mehr als
in Deutschland durch Stipendien geschieht. Die in England zu einem nationalen Übel gewordenen Konkurrenzprüfungen sind natürlich
auch in Cambridge äußerst zahlreich. Es gibt Universitätsprüfungen jeder Art, Collegeprüfungen, Prüfungen für Preise, für
Stipendien, für Fellowships, jährlich für jeden Studenten mindestens eine, wodurch die ruhige Arbeit
um der Erkenntnis willen oft ganz ungebührlich unterbrochen und zurückgedrängt wird.
Die Fragebogen für die einzelnen Prüfungen werden gedruckt und sind später, oft zugleich mit dem amtlichen Bericht der Examinatoren,
käuflich zu haben. Sie sind dadurch von größtem Einfluß auf die Entwickelung des Studiums, werden aber
häufig auch Gegenstand geistloser Einpaukerei. Zu eigner wissenschaftlicher Leistung gelangt unter dem jetzigen System der
Vorbereitung auf einen tripos und die competitive examinations fast nie ein Student; nur einige wenige B. A. arbeiten nach
abgelegter Prüfung und erlangtem Grade und Fellowship wirklich erfolgreich wissenschaftlich weiter.
Die Erholungen und Vergnügungen der Studenten sind sehr zahlreich, die Spielplätze prächtig gelegen,
und eine Reihe schöner Boothäuser der Ruderklubs erheben sich am Unterlauf des Cam. Die beliebtesten Spiels sind: Lawntennis,
Cricket, Football, Golf und Polo. Dazu kommen die Sports: Rudern, Schwimmen, Reiten, Fahren, Jagen. Manche Studenten bringen ihre eignen
Reitpferde mit und nehmen auf ihnen an den großen Fuchsjagden teil. Reiten und Fahren ist auch ein beliebtes
Vergnügen mancher Studentinnen, welche täglich sich regelmäßig körperliche Bewegung machen.
Auch im Wettlauf sowie auf dem Zwei- und Dreirad üben täglich viele Studenten, oft in leichtester Kleidung, ihre Kräfte.
Manche Studenten treten als Freiwillige in das University Rifle ein, wo sie an mehreren Nachmittagen der
Woche auf einige Stunden von Unteroffizieren der Armee gedrillt werden. Abends finden die Studenten sich wieder in Klubs jeder Art
zusammen, University sowie College Clubs, in der Debating Society der Union, den Musical Societies, Dramatic Clubs etc. Dazu
kommen viele Bälle, Konzerte und Theater (Cambridge hat kein stehendes Theater), besonders von Ende Mai bis Mitte
Juni, dem Schluß des akademischen Jahres. Fast alle Abendvergnügungen der Studenten finden in ihren Colleges oder Privathäusern
statt, zu denen man auch die Klubhäuser rechnen kann. Besuch von Kneipen, Komment, Kommers, Exkursionen mit Dozenten sind
unbekannt. Mit dem deutschen Studentenleben hat das Leben der Studenten von Oxford und Cambridge sehr wenig Ähnlichkeit. Es gibt keine
Korps, Burschenschaften, Mensuren und Duelle, dagegen weit mehr männliche Sports als in Deutschland.
Nach dreijährigem Studium und Ablegung der vorgeschriebenen Prüfungen erlangt der Student (im ersten Jahre »freshman«, im
zweiten »junior soph«,
mehr
im dritten »senior soph«) den Grad eines Bachelor (of Arts, of Law etc.) mit oder ohne honours, je nachdem er ein tripos examen
oder nur die zwei Prüfungen für den ordinary degree (general examination, special examination) gemacht hat. Nach weitern
drei Jahren, während deren er jedoch nicht in Cambridge zu wohnen braucht, wird er dann ohne weitere
Prüfung, nur nach Entrichtung einer gewissen Summe an die Universität, zum Master (of Arts etc.) befördert und kann als solcher
unter gewissen Bedingungen Mitglied des Senats und sogar der Electoral Roll werden.
Der Doktorgrad wird auf Antrag seitens des Doktoranden diesem von der Universität auf Grund hervorragender
wissenschaftlicher Werke und nach Einholung eines Gutachtens des betreffenden Special Board ohne weitere Prüfung, nur gegen
Entrichtung vorgeschriebener Gebühren, verliehen. Die deutschen Doktorprüfungen mit Dissertation, Rigorosum und Disputation
sind in Cambridge unbekannt; die Doktoren haben in Cambridge eine bevorzugte Stellung und sind ohne Ausnahme erheblich älter
als die meisten deutschen Gelehrten, wenn sie den Grad erringen. Ein in Cambridge erworbener Universitätsgrad wird nach Erfüllung
einer kleinen Förmlichkeit auch von Oxford anerkannt und umgekehrt. Außerdem verleiht die Universität alljährlich eine
gewisse Anzahl von Graden »honoris causa«. Dissertationen werden nur an einigen wenigen Colleges von den Bewerbern um
Fellowships gefordert, aber fast nie durch den Druck bekannt gemacht.
In der verschiedensten Weise hat sich die Universität nicht nur um die Erziehung der ihr aus dem ganzen britischen Weltreiche
zuströmenden jungen Leute, sondern auch um die Nationalerziehung verdient gemacht. Es gibt in England keinen Unterrichtsminister
und für die höhern Schulen keinen einheitlichen Lehrplan. Seit 33 Jahren (1858) hat nun die Universität
eine Reihe verschieden schwerer, nach wohldurchdachtem Plan entworfener sogen. Local Examinations eingerichtet und in großartiger
Ausdehnung durchgeführt und damit einer bedeutenden Anzahl von Schulen durch die von der Universität gestellten wissenschaftlichen
Anforderungen die Lehrziele für die verschiedenen Altersstufen bezeichnet. Viele vorzügliche Schulbücher
sind von tüchtigen Cambridger Gelehrten zur Vorbereitung auf diese Prüfungen verfaßt. Viele Tausende von Schülern und Schülerinnen
unterziehen sich alljährlich denselben, und z die Leistungen der Schulen haben sich infolge dieser Prüfungen wesentlich gebessert.
Daß mit diesem System anderseits mancherlei Nachteile unvermeidlich verbunden sind, läßt sich natürlich
nicht leugnen.
Man unterscheidet: Junior Local (für Kandidaten unter 16 Jahren), Senior Local (unter 18 Jahren), Higher Local Examinations (über 18 Jahre),
auch ist neuerdings eine Prüfung zur Erlangung von Commercial Certificates eingerichtet worden, diese letztere freilich bisher
ohne sonderlichen Erfolg. Im Dezember 1891 wurden allein in den Senior und Junior Examinations (den beiden
größten) 9990 Kandidaten geprüft. Von diesen waren Seniors 2030, Juniors 7960; Knaben 5962, Mädchen 4028. Ferner werden auf
Wunsch ganze Schulen von aus inspiziert und über die Anstalt dann ausführlich berichtet. Im J. 1890 wurden 105 Schulen auf
diese Weise examiniert.
Eine Anzahl andrer, meist größerer Schulen, welche eine beträchtliche Anzahl von Knaben für die Universität
vorbereiten, werden (seit 1873) von Cambridge in Gemeinschaft mit Oxford geprüft (Oxford
and Cambridge School Examination Board). Diese
wichtigen Prüfungen wurden später (1876) auch auf die höchsten Mädchenschulen ausgedehnt. Seit 1879 werden auch zur Vorbildung
künftiger Lehrer regelmäßige (bisher schwach besuchte) pädagogische Kurse und im Anschluß an diese
Prüfungen abgehalten und Zeugnisse verliehen, welche von Wert sind, da es für das höhere Lehrfach keine Staatsprüfungen
(und -Stellen) gibt.
Die höhere und höchste Frauen- und Mädchenbildung wird seit vielen Jahren (1868) in Cambridge eifrig gefördert. Nicht nur werden
Mädchen zu allen Local Examinations zugelassen, sondern die Studentinnen von Girton College und Newnham
College dürfen auch die Universitätsvorlesungen besuchen und sich (ausschließlich) den höchsten Prüfungen unterziehen.
Das Benehmen sowie die Erfolge der jungen Studentinnen sind äußerst lobenswert gewesen. Endlich war Cambridge die erste englische
Universität, welche (seit 1867, und besonders seit 1873) höhere Bildung den Angehörigen der mittlern
und untern Klassen, welche die Universität nicht besuchen können, gleichsam vors Haus trägt.
Seit 18 Jahren entsendet Cambridge eine Anzahl junger, redegewandter Graduates in größern und kleinern Städten über gewisse Gegenstände
eine Reihe zusammenhängender wissenschaftlicher Abendvorträge zu halten, an die sich unmittelbar darauf
eingehende Diskussionen und Beantwortung der seitens der Zuhörer gestellten Fragen knüpfen. Die bessern Schüler, oft gereifte
Männer aus allen Klassen, Bürger und Arbeiter (es gibt auch besondere Arbeiterklassen), beantworten schriftlich eine Reihe von
Fragen, welche vom Lehrer gestellt und deren Beantwortung mit Erläuterungen versehen zurückgegeben werden. In dieser Weise
wird der Gegenstand gründlich durchgearbeitet und die gemachten Fortschritte und gewonnenen Kenntnisse schließlich durch
ein Prüfung festgestellt, auf Grund deren von der Universität Zeugnisse verliehen werden.
Die Bewegung ist in kürzester Frist außerordentlich angewachsen und erfreut sich überall der größten Beliebtheit und Anerkennung.
Im J. 1885/86 besuchten ca. 8000 Zuhörer die an 50 verschiedenen Centres gehaltenen Vorlesungen. Andre
wichtige Hochschulen Englands sind dem Beispiel von Cambridge gefolgt (London 1876, Oxford 1885) und das University Extension Movement
ist ein gerechter Stolz der Cambridger Schule. Mitten im geistigen Leben der Nation stehend, es leitend und ihm neue Bahnen weisend,
ist Cambridge mit einer Reihe wichtiger Reformen im Geiste der Neuzeit der Schwesteruniversität vorangegangen
und eifrig damit beschäftigt, während es, die lebensfähigen sorglich schont, die veralteten Überbleibsel mittelalterlicher
Einrichtungen zum Besten der frisch aufblühenden modernen Studien zu beseitigen.
Litteratur.
»Statutes of the University of and for the Colleges therein, made, published and approved (1878-82) under
the Universitites of Oxford and Cambridge Act, 1877« (Cambr., Pitt Press, grundlegend für die Verfassung);
»Ordinances of the University
of Cambridge«, (Pitt Press, Sonderbestimmungen durch Senatsbeschluß);
»Compendium of University Regulations for the use of persons
in statu pupillari« (Cambr. 1889);
»Cambridge University Reporter« (das offizielle Universitätsblatt, erscheint
im term mindestens einmal wöchentlich);
»Cambridge University Calendar« (erscheint seit fast 100 Jahren jährlich im Oktober
in Cambridge; nicht offiziell, aber sehr zuverlässig und umfassend,
mehr
besonders brauchbar für jedes eingehende Studium der jetzigen Verhältnisse);
»The student's guide to the university of Cambridge« (das. 1891 u.
1892, zuverlässig, von den besten Fachleuten als Anleitung für die verschiedenen Studienzweige verfaßt);
Humphry's »Guide
to Cambridge.« (5. Aufl. 1890, kurz und sehr lehrreich);
Jerrolds' »Guide to Cambridge« (Lond. 1891, brauchbar);
Dickens'
»Dictionary of the University of Cambridge« (das.
1886; nützlich, doch schon etwas veraltet);
H. Bradshaw's »Memoranda«, Nr. 7 (Cambridge 1882. Über
die Bibliotheken in Cambridge).
Willis und Clark, The architectural history of the University of and of the Colleges of and Eton (monumentales,
treffliches Werk. Pitt Press, 1889, 4 Bde.);
J. W. Clark, Cambridge, grief historical and desciptive notes
(illustriert, Lond. 1890, vorzüglich);
J. Baß Mullinger, History of the University of Cambridge (das. 1888, trefflich, konzis,
bis auf die neueste Zeit);
Derselbe, The University of Cambridge from the earliest times to the Royal Injunctions of 1535 (Pitt Press
1873, sehr eingehend bis zum Beginn der Neuzeit für Cambridge), und The University of Cambridge from the earliest
times to the Royal Injunctions of 1535 to the ccession of Charles I. (Fortsetzung des vorigen, Pitt Press, 1884);
R. D. Roberts,
Eighteen years of University Extension (Pitt Press, 1891, erschöpfend, zuverlässig);
R. Breul, Das wissenschaftliche
Studium der neuern Sprachen in Cambridge. (»Englische Studien XII.«, 244 ff. [1888]; XIII, 163 ff.);
Derselbe, Die Frauencolleges an der Universität Cambridge (»Preußische Jahrbücher«, 1891, 30 ff.),
beide mit reicher Litteratur
und eingehender Schilderung des Studienbetriebes.
Bilder aus dem Studentenleben geben: Whibley, In cap and gown (Lond. 1889);
»Harry Fludyr at Cambridge« (anonym erschienen, das. 1891, von R. Cambridge Lehmann); R. Cambridge Lehmann, In C. courts. Studies of university life
in prose and verse (das. 1891; beide äußerst lebenswahr hinsichtlich der poll men); Martin Legrand (W. Besant), The Cambridge freshman
(das.
1878), Cambridge trifles (das. 1881), A C. staircase (das. 1883). Über das Leben, die Einrichtungen und Studien
des ältern Cambridge geben unter andern folgende Bücher Aufschluß: Cambridge H. Cooper, Annals of Cambridge (Cambr. 1842-52, 4 Bde.;
reicht bis 1849; sehr genau und eingehend, aktenmäßig von Jahr zu Jahr);
Th. Fuller, History of the University
of Cambridge from the conquest to the year 1634 (Cambr. u.
Lond. 1840);
H. Gunning, Reminiscences of the university, town and country of Cambridge from the year 1789 (Lond.
1854, 2 Bde., viele interessante Aktenstücke, Briefe und Anekdoten);
G. Dyer, History of the university of Cambridge (das. 1814, 2 Bde.,
mit Illustrationen, oft wenig klar und übersichtlich, doch interessante Einzelheiten);
Le Keux, Memorials of Cambridge (das. 1847, 2 Bde.,
eine neue verbesserte Auflage von Cooper; die zahlreichen Kupferstiche der alten, jetzt zum Teil verschwundenen Universitäts-
und Collegebauten sind trefflich und sehr wertvoll);
»The English Universities (from the German of V. H.
Huber; an abriged translation by F. W. Newman« (das. 1843, 3 Bde.,
mit charakteristischen, im Original fehlenden Illustrationen);
Ch. Wordsworth, Scholae Academicae.
Some account of the studies
at the English Universities in the eighteenth century (Pitt Press, 1877, sehr wertvoll);
Derselbe, Social life at the English
Universities in the eighteenth century (Lond. 1874);
Sir Symonds D'Ewes, College life in the time of James
I. (aus einem alten Tagebuch, das. 1851);
J. Baß
Mullingers
Artikel »Universites« in der neuesten Auflage der »Encyclopaedia Britannica« (vergleichender, sehr wertvoller
Überblick). College-Annalen können hier nicht aufgezählt werden.