Gemeinden gegen so abenteuerliche Beschuldigungen zu verteidigen.
Minucius Felix hat den
Inhalt der
Anklage am eingehendsten
wiedergegeben. In der geheimen Versammlung werde dem neu aufzunehmenden Mitglied ein unschuldiges, mit Opferkorn bedecktes
Kind vorgesetzt und von demselben, den man zu scheinbar harmlosen
Stichen in das Opferkorn auffordere, getötet. »Darauf schlürfen
sie gierig dessen
Blut, verteilen wetteifernd die
Glieder
[* 2] unter sich und verbünden sich durch dieses schauerliche
Opfermahl zu unverbrüchlichem Stillschweigen.«
(Minucius Felix,
»Octavius«,
Kap. 8.) »Wir heißen die verruchtesten
Menschen
wegen des geheimnisvoll geübten Brauches,
Kinder zu morden und zu verzehren, klagt der Kirchenvater Tertullian in seiner
Apologie
(Kap. 7), und
JustinusMartyr schreibt, um den
Römern den Widersinn dieser
Anklage klar zu machen,
in seiner zweiten
Apologie
(Kap. 12): «Wir könnten unsre Zusammenkünfte
Mysterien des
Kronos nennen) wir könnten, wenn wir
uns, wie die
Rede geht, mit
Blut füllten, das für eine Verehrung nach Art eures
Jupiter Latiaris erklären und
wären in euern
Augen gerechtfertigt."
Trotzdem diese Blutbeschuldigung zuerst gegen die
Christen vorgebracht wurde, benutzte man sie im
Mittelalter zu oft wiederholten
Malen, um die
Leidenschaften des
Volkes gegen die sich verhaßt machenden
Juden aufzureizen.
Schon unter den Vorwänden der Judenaustreibung
aus
Frankreich unter
Philipp II. (1180-1223) spielte derGrund, daß sie alljährlich in der
Karwoche einen
Christen ermordeten, seine
Rolle, und es scheint, daß die
Zeremonie der vier
Becher
[* 3] Rotwein, die den: Andenken der von dem aussätzigen
Pharao ermordeten jüdischen
Kinder nach der
oben erwähnten
Sage gewidmet wurden, ebenso zum Anknüpfungspunkt der Beschuldigung
gegen die
Juden wurde, wie die Abendmahlsfeier bei den
Christen. Wo immer zur Osterzeit ein christliches
Kind oder ein Erwachsener verschwand oder ermordet gefunden wurde, erhob sich das Gerücht, er sei der Mischen Passahfeier
geopfert worden; er habe sein
Blut zum Osterbrot und
Wein hergeben müssen, und dann war eine große Judenhetze und
Plünderung
die unausweichliche
Folge.
Die ermordeten
Kinder wurden heilig gesprochen, wie der
KnabeSimon von
Trient
[* 4] (1475) und der heil.
Werner am
Rhein, dem zu
Bacharach
und an andern
OrtenKapellen errichtet wurden. Eine neue Nuance erfuhr die Blutbeschuldigung, nachdem auf der vierten
Lateransynode
(1215) die Transsubstantiationslehre festgelegt war und durch dasWunder einer wirklichen
Verwandlung der
Hostien in
Blut besiegelt wurde, wie in der von
Raffael gemalten
Messe von
Bolsena oder beim Wunderblut zu
Wilsnack in der
Altmark
(1388). Das zeitweilige Auftreten eines blutrote Zersetzungsprodukte liefernden
Spaltpilzes, der von
Ehrenberg als Wundermonade
bezeichnet und in neuerer Zeit genau untersucht worden ist (s.
Blutendes Brot, Bd. 3, S. 76), an den in
feuchten
Sakristeien aufbewahrten
Hostien mag die erste Veranlassung zu diesem Wunderglauben gegeben haben; fortan treten häufige
Beschuldigungen auf, die Judengemeinde oder einzelne Mitglieder hätten sich durch
Bestechung der
Kirchendiener geweihte
Hostien
zu verschaffen gewußt, um zu sehen, was an dem christlichen
Dogma Wahres sei, und hätten so lange mit
Nadeln
[* 5] oder
Pfriemen hineingestochen, bis reichlich
Blut herausgeflossen sei. Die
Juden wurden dann eingekerkert, durch Anwendung
der
Folter zu Geständnissen gebracht, dem
Nachrichter übergeben, und das Ende des
Prozesses bildete
mehr als einmal eine
große Judenverfolgung. So wurden 1540 zu
Berlin
[* 6] 34
Juden wegen einer solchen Beschuldigung
hingerichtet, und ähnliche
Prozesse haben an vielen
Orten stattgefunden. Vergeblich erhoben aufgeklärte
Päpste, wie
Benedikt
XII., gegen das Blutwunder zu
Passau
[* 7] (1338) und
Ganganelli
(Clemens XIV.) gegen diese Beschuldigung der
Juden ihre
Stimme, vergeblich
verteidigten selbst
Renegaten, wie der aus dem Streite mit
Erasmus bekannte und durch
Hütten
[* 8] lächerlich
gemachte
Pfefferkorn, seine ehemaligen Glaubensgenossen gegen die Beschuldigung, es auf Christenblut abgesehen zu haben, denn
wir haben ein Neuaufleben dieser Beschuldigungen in den
Tagen des hochwogenden Antisemitismus nicht nur im Sensationsprozeß
von
Tisza Eszlar (1882), sondern noch in jüngerer Zeit in den Judenverfolgungen in Rußland,
auf
Korfu
[* 9] (1891) und in
Xanten (1891) erlebt.
Einige christliche Fanatiker, wie Rohling
(»Meine Antwort an die
Rabbiner«,
Prag
[* 10] 1883) und
Desportes (»Les mystères du sang
chez les juifs«, Par. 1890), haben sogar noch in jüngster Zeit den
Versuch gemacht, die
Wahrheit der Beschuldigung, daß die
Juden christliche
Kinder zu rituellen
Zwecken töten, aus dem
Talmud und andern jüdischen Religionsschriften
zu erweisen.
Ihren Gegnern, unter denen sich auch verschiedene christliche
Geistliche, wie der Missionar
Biesenthal und der
Professor der
Theologie, H.L.Strack, befanden, ist es nicht schwer geworden, die absolute Grundlosigkeit dieser Beschuldigungen
zu erweisen.
Natürlich sind die
Juden von den allgemein herrschenden
Vorstellungen des Blutaberglaubens nicht überall
frei geblieben, aber was ihre Religionsvorschriften anbetrifft, so kann man sich leicht aus
3. Mos. 17, 10-14. und vielen
andern
Stellen der
Bibel
[* 11] überzeugen, daß wohl keine
Religion strengere Vorschriften gegen den Blutgenuß besitzt, als gerade
die jüdische. »Und welcher
Mensch, er sei vom
HauseIsrael oder ein Fremdling unter euch, irgend
Blut isset,
wider den will ich mein
Antlitz setzen und will ihn mitten aus seinem
Volke rotten. Der
Talmud und die andern das alte
Gesetz
ergänzenden Sammlungen fügen noch viele Vorschriften hinzu, welche mit größter Peinlichkeit die
Entfernung jeder Blutspur
von zum
Genuß bestimmtem
Fleisch warmblütiger
Tiere (Vierfüßer und
Vögel)
[* 12] anordnen, und es bezeichnet einen hohen
Grad von
Verblendung, zu glauben, eine
Religion, die mit solchem Abscheu den
Genuß von Tierblut verdammt und Zuwiderhandelnde mit Ausstoßung
bedroht, könne den
Genuß von Menschenblut erlauben! In seinem großen Ritualkodex ordnet
MosesMaimonides
(1135-1204) sogar an, daß jemand, der beim Brotessen (infolge von Zahnblutung) auf seinem
BroteBlut bemerkt, dasselbe sorgsam
abkratzen muß. Außerdem ist den
Juden jede
Nutznießung vom
Körper eines
Toten verboten, höchstens das
Haar
[* 13] darf er nach
Maimonides
nehmen, weil dies nicht zum
Körper gehört.
[* 14] Von
Interesse erscheint eine
Reihe blütenbiologischer
Arbeiten, welche teils eine neue Forschungsrichtung
einschlagen, teils ältere, bisher unbeanstandet angenommene Ergebnisse einer vorsichtig prüfenden
Kritik unterziehen. Zu
Abhandlungen ersterer Art gehören die von Correns, da dieser
Forscher zum erstenmal in größerm
Umfange
die
Frage beantwortete, inwieweit gewisse biologische Einrichtungen der
Blüten, z. B. der Kesselfallen von
Aristolochia (s.
den
Artikel in Bd. 3, S.76), der
¶
mehr
Hebel-Mechanismus von Salvia u. a., sich mit anatomischen und physiologischen Thatsachen in Zusammenhang bringen und durch dieselben
näher erläutern lassen. Allerdings wurden derartige Fragen auch schon früher, z. B. von Delpino, Hildebrand u. a., gestreift,
jedoch hielt sich die Mehrzahl der Beobachter ausschließlich an die rein biologische Untersuchung, welche nur den gröbern,
mit der Art der Bestäubung in Zusammenhang stehenden Aufbau einer Blüte,
[* 16] abgesehen von den histologischen
und physikalischen Eigenschaften ihrer Gewebe,
[* 17] ins Auge
[* 18] faßt.
Correus machte dagegen die Mechanik der bei den Bestäubungseinrichtungen in Funktion tretenden Zellen zur Hauptaufgabe seiner
Studien. An Aristolochia Clematitis und andern Arten dieser Gattung untersuchte er besonders den Bau der schon
von Hildebrand kurz beschriebenen Reusenhaare näher, deren Aufgabe darin besteht, den die Blume besuchenden Insekten
[* 19] zwar den
Eintritt in dieselbe zu gewähren, darauf ihnen aber den Austritt zeitweilig bis nach erfolgter Belegung der Narbe mit Blutenstaub
unmöglich zu machen. Es ließ sich in der That eine sehr sinnreiche, die Sperrung der Blütenröhre
sichernde Arretiervorrichtung und ein hoher, nur während der Zeit des ersten Blütenstadiums andauernder Grad von Zellturgor
an den Reusenhaaren nachweisen; letztere Eigenschaft ist notwendig, wenn im zweiten Blütenstadium ein Verschrumpfen der Haare
[* 20] eintreten und damit den gefangenen Insekten der Austritt ermöglicht werden soll.
Eine etwaige Versteifung der Zellwände durch Verdickungen wäre in diesem Fall ganz ungeeignet, da sie
in der zweiten Periode nicht wieder rückgängig zu machen wäre; dagegen ist der hohe Zellturgor, der innerhalb der Gelenkzellen
der Haare etwa 20 Atmosphären (nach plasmolytischer Methode bestimmt), in den Gliederzellen 12-15 Atmosphären beträgt, mehr
als ausreichend, um die Haare für die Sperrung der Blütenröhre genügend fest zu machen und ein Einknicken
ihrer Wand auf der Druckseite zu verhindern. Im spätern Blütenstadium verlieren die Haarzellen allmählich ihren Turgor,
indem sie vom Blüteneingang nach innen zu absterben, wobei der Eintritt der Bestäubung ganz ohne Einfluß ist.
Die Einwürfe Burcks, der in der Blüte von Aristolochia nicht eine Einrichtung der Fremdbestäubung, sondern
der Autogamie (Selbstbestäubung) verwirklicht glaubt, wurde von Correus aus triftigen Gründen widerlegt. Noch bedeutsamer
erscheint die Arbeit des letztern über den Hebelmechanismus an den Staubgefäßen der Salvia-Arten, da dieser vielfach beschriebene
Apparat noch niemals vom mechanisch-physiologischen Standpunkte aus untersucht worden ist.
Das bei einer Reihe von Arten, z. B. S. pratensis, zwischen Staubfaden und Mittelhand (Konnektiv) vorhandene, die Bewegung vermittelnde
Gelenk ist als Torsionsgelenk zu bezeichnen, dessen anatomischer Bau in überraschender Weise mit seiner Funktion übereinstimmt,
indem die mechanisch wirksamen Kollenchymelemente des Organs an dessen Peripherie sich zusammendrängen.
Bei einigen Arten von Calceolaria (wie C. pinnata und C. scabiosaefolia), die ebenfalls eine Art von beweglichen Hebelmechanismen
für den Zweck der Pollenausstreuung besitzen, sind letztere dagegen einfache Scharniergelenke ohne mechanische Zellen.
Eine zweite Richtung der Blütenbiologie, nämlich die vergleichende, welche nicht bei der Blüteneinrichtung der einzelnen
Pflanzenart stehen bleibt, sondern jene an einer möglichst großen Zahl verwandter Arten und Gattungen
verfolgt, wie dies
vor allem
durch Darwin, Delpino, Hildebrand und H. Müller in ausgedehnter Weise geschehen ist, wird durch die Arbeiten von Correus weiter
ausgebaut. Die GattungAristolochia, von welcher er sieben Arten untersuchte, zerfällt nach ihm in zwei
biologische Gruppen, je nachdem in den Blüten Reusenhaare auftreten oder nicht; innerhalb der GattungSalvia (von der elf Arten
untersucht wurden) stehen sich zwei Reihen gegenüber, von denen die eine den Hebelapparat in der Reduktion, die andre ihn
auf der Höhe der Entwickelung aufweist; die letztere Reihe besteht aus zwei Untergruppen, je nach der Funktion
der verbreiterten Konnektivplatten, die als Drehungsmechanismen und außerdem als Saftdecken wirken können. Innerhalb der
GattungCalceolaria, endlich tritt bezüglich des Bewegungsapparats eine in bestimmter Richtung fortentwickelte, blütenbiologische
Vervollkommnungsreihe auf, die zur Vergleichung mit den systematischen Verwandtschaftsbeziehungen der Arten förmlich auffordert.
Mehrere Arbeiten von Loew über den Blütenbau einiger Schmetterlingsblumen, wie Oxytropis und Apios, sowie
über die Bestäubungseinrichtung von Impatiens Roylei suchen ebenfalls einen Zusammenhang zwischen der biologischen Funktion
bestimmter Blütenteile und ihrem anatomischen Bau nachzuweisen. An der Blüte von Oxytropis sind die am meisten bei Auslösung
des Bewegungsapparats in Anspruch genommenen Stellen auch diejenigen, welche am reichlichsten mit eigenartig
gebauten, mechanisch wirksamen Oberhautzellen ausgestattet sind.
Dagegen fehlen bei Apios, an deren Blüten der gewöhnliche Bewegungsmechanismus der Schmetterlingsblüten in Wegfall gekommen
ist, derartige mechanische Zellelemente ganz und werden durch andre, dem Honigschutz dienende Bildungen ersetzt. Bei Impatiens
Roylei finden sich an der Bauchseite der verwachsenden Staubgefäße
[* 21] eigentümliche Hautfortsätze, welche,
ähnlich wie sonst die Narben, als Pollenfänger fungieren und dazu dienen, den von den Bestäubern herbeigeführten Blütenstaub
über den eigentlichen, hier aber verwachsenen Narben festzuhalten.
Auch wurde an derselben Pflanze eine ausschließlich autogame, offene Zwergblüte aufgefunden, die einen deutlichen Übergang
zu kleistogamer, d. h. die Befruchtung
[* 22] in geschlossener Blüte vollziehender, Form darbot. Zur Kenntnis
der bereits von Errera behandelten biologischen und systematischen Beziehungen der durch ihre Bestäubungseinrichtungen besonders
merkwürdigen GattungenChelone und Penstemon hat Loew ebenfalls einige Beiträge veröffentlicht und gleichzeitig eine Reihe
weiterer Blumeneinrichtungen aus verschiedenen systematischen Gruppen beschrieben.
Eine durch Beobachtungen auf Java gestützte Kritik an dem Knight-DarwinschenGesetz der »vermiedenen Selbstbefruchtung«
hat Burck versucht. Bei der Ameisen beherbergenden Myrmecodia tuberosa (s. Ameisenpflanzen) fand er nämlich die kleinen, porzellanweißen,
innen stark honighaltigen Blumen stets vollkommen geschlossen und trotzdem sehr fruchtbar, das erstbekannte Beispiel einer
sich durch zahlreiche Generationen hindurch selbstbefruchtenden Pflanze mit geschlossenen und doch nicht
im gewöhnlichen Sinn kleistogamen Blüten. Von letztern unterscheidet sich die Myrmecodia-Blüte durch normale, nur an der
Spitze verwachsene Blumenblätter sowie reichliche Honigabsonderung und ausgesprochene Proterogynie. Dieser außerordentlich
interessante Fall kann, sofern er nicht bloß an kultivierten Pfanzen
¶