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Mittagspause gewährt werden. Arbeiterinnen über 16 Jahre, welche ein Hauswesen zu besorgen haben, sind auf ihren Antrag ½ Stunde vor der Mittagspause zu entlassen, sofern diese nicht mindestens 1½ Stunde beträgt. Die Zahl der Personen, für welche diese Bestimmungen in Betracht kommen, beträgt über 300,000, davon waren im August 1890 etwa 130,000 verheiratet. Die bisherige Arbeitszeit war vielfach länger als 11 Stunden, nach den Motiven überwiegend 12-13 Stunden, dazu kam, daß diese Arbeitszeit sehr häufig durch Überstundenarbeit verlängert wurde.
Die Motive erwähnen die von dem badischen Fabrikinspektor 1889 angeführte Thatsache, die auch nicht selten anderswo vorkommt, daß in der Textilindustrie einige Werke mit 12stündiger Arbeitszeit noch stets an zwei Wochentagen 4-5 Überstunden gearbeitet haben. Die Nachtzeit dagegen ist nicht häufig; es wurden nur gegen 13,000 Arbeiterinnen nachts beschäftigt. Um den berechtigten Bedürfnissen der Industrie Rechnung zu tragen, sollen Ausnahmen von diesen Bestimmungen teils für gewisse Betriebe durch den Bundesrat (§ 139a, aber dann wöchentliche Maximalarbeitszeit in Ziegeleien 70 Stunden, in andern Betrieben 65 Stunden und Maximalarbeitszeit für Nachtarbeit mit Schichtwechsel 10 Stunden), teils vorübergehend für den einzelnen Fall durch die Verwaltungsbehörden in bestimmten Grenzen [* 2] und unter gewissen Kautelen (§ 138a, 139) zugelassen werden können.
Der Bundesrat ist, wie schon früher, ermächtigt, die Verwendung von Arbeiterinnen für gewisse Fabrikationszweige, welche mit besondern Gefahren für Gesundheit oder Sittlichkeit verbunden sind, gänzlich zu untersagen oder von besondern Bedingungen abhängig zu machen (§ 139a). Die neuen Schutzvorschriften im Interesse von Moral und Sittlichkeit (§ 120 b) sind schon unter 2) erwähnt worden. Erweitert ist auch der Schutz der Wöchnerinnen; sie dürfen während 4 Wochen (bisher 3 Wochen) nach ihrer Niederkunft überhaupt nicht und während der folgenden 2 Wochen nur beschäftigt werden, wenn das Zeugnis eines approbierten Arztes dies für zulässig erklärt.
Die Schutzbestimmungen für weibliche Arbeiter können ebenso, wie die für Kinder und jugendliche Arbeiter, durch kaiserliche Verordnung auf andre Betriebe ausgedehnt werden. Die neuen Bestimmungen treten mit dem in Kraft. [* 3] Nur für Betriebe, in welchen vor Verkündung des Gesetzes Arbeiterinnen über 16 Jahre nachts beschäftigt worden sind, kann die Landeszentralbehörde die Ermächtigung erteilen, längstens bis zum solche Arbeiterinnen in der bisherigen Anzahl während der Nachtzeit weiter zu beschäftigen, wenn die Fortführung des Betriebs im bisherigen Umfang bei Beseitigung der Nachtarbeit Betriebsveränderungen bedingt, die ohne unverhältnismäßige Kosten nicht früher hergestellt werden können.
Die Nachtarbeit darf aber in 24 Stunden die Dauer von 10 Stunden nicht überschreiten und muß in jeder Schicht durch eine oder mehrere Pausen in der Gesamtdauer von mindestens 1 Stunde unterbrochen sein, und die Tag und Nachtschichten müssen wöchentlich wechseln. — Bei den Verhandlungen in der Kommission und im Reichstag ist auch die Frage aufgeworfen und erörtert worden, ob nicht verheirateten Frauen die industrielle Arbeit außer dem Hause ganz untersagt oder doch wenigstens für sie eine geringere Maximalarbeitszeit als für nicht verheiratete weibliche Arbeiter vorgeschrieben werden sollte.
Ader so wünschenswert es an sich ist, daß verheiratete Frauen, wenigstens solche, die noch für unerwachsene Kinder zu sorgen haben, nicht in industriellen Unternehmungen außerhalb ihres Hauses beschäftigt werden, so würde doch das Verbot dieser Beschäftigung für viele Familien, in denen zur Erhaltung derselben dieser Verdienst der Frau nicht entbehrt werden könnte, zu einem größern Übelstande werden als eine den neuen Bestimmungen entsprechend geregelte Beschäftigung derselben.
Aus dem gleichen Grunde ist auch nicht zu befürworten eine gesetzliche Vorschrift, welche die Maximalarbeitszeit der verheirateten Frauen geringer bemißt als die der unverheirateten weiblichen Arbeiter, weil sie, da eine verschiedene Arbeitszeit derselben Arbeiterklasse in derselben Unternehmung für den Betrieb mit großen Schwierigkeiten verknüpft und unter Umständen gar nicht durchführbar ist, die Folge haben könnte und wohl vielfach haben würde, daß in solchen Betrieben die Beschäftigung verheirateter Frauen ganz aufhören würde. Mit Recht wurden deshalb auch Anträge in dieser Richtung abgelehnt.
Die vorstehenden neuen Schutzbestimmungen zeigen die wichtige sozial-politische Bedeutung des Gesetzes vom Es sind zwar noch nicht alle berechtigten und ausführbaren Anforderungen an die Arbeiterschutzgesetzgebung erfüllt, noch fehlen z.B. notwendige Schutzbestimmungen für die männlichen 16 und 17jährigen Arbeiter, für die Hausindustrie, ferner bezüglich der Nachtarbeit, der Arbeiterwohnungen etc., und manche Vorschriften werden im Laufe der Zeit auch noch günstiger für die Arbeiter gestaltet werden können und müssen, aber die noch wünschenswerten Maßregeln erfordern wegen der kollidierenden Interessen und der zum Teil sehr schwierigen Durchführung reifliche Erwägungen, umfassende Erhebungen und hätten schon deshalb, mit wenigen Ausnahmen, nicht gleichzeitig beschlossen werden können.
Das Gesetz erfüllt jedenfalls die wichtigsten und dringlichsten Anforderungen und ermöglicht auch die weitere Ausdehnung [* 4] des Schutzes nach Maßgabe der realen Bedürfnisse und berechtigten Interessen im Verwaltungsweg. Das Gesetz bedeutet einen großen Fortschritt in der Aufgabe, der Arbeiterklasse ohne Schädigung ebenso berechtigter anderweitiger Interessen den notwendigen Schutz zu gewähren und dadurch den sozialen Frieden zu fördern, und das Deutsche Reich [* 5] ist mit ihm in die Reihe derjenigen Staaten getreten, welche der Arbeiterklasse den weitestgehenden Schutz gewähren.
Außerdeutsche Staaten.
In Italien [* 6] ist der Zustand der Arbeiterschutzgesetzgebung trotz mannigfacher Reformversuche noch sehr unbefriedigend. Sie beschränkt sich dort noch heute auf die Kinderarbeit. Ihre erste Regelung erfolgte für die Lombardei und Venedig [* 7] durch Verordnung vom welche in den größern industriellen Etablissements die Verwendung von Kindern unter 9 Jahren und in lebens- und gesundheitsgefährlichen Betrieben die Kinderarbeit überhaupt verbot, daneben Beschränkungen der Arbeitszeit, der Nachtarbeit etc. aussprach. Im J. 1859 wurde durch das Bergwerksgesetz (Artikel 88) für Piemont, die Lombardei und die Marken die Arbeit von Kindern unter 10 Jahren im Innern von Bergwerken untersagt; diese Bestimmung wurde 1885 auf das ganze Königreich ausgedehnt, aber mangels genügender Strafbestimmungen wenig beachtet. Das Gesetz vom verbot die Verwendung von Kindern in herumziehenden Gewerben. Die erste allgemeine, aber auch noch keineswegs ¶
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genügende Regelung der Kinderarbeit für das Königreich ist erst durch das Gesetz vom (dazu königl. Verordnung vom erfolgt. Nach demselben ist das Minimalalter der Beschäftigung für Kinder in Fabriken (d. h. allen industriellen Betrieben mit einem mechanischen Motor, oder in welchen dauernd wenigstens 10 Arbeiter vereinigt thätig sind), Gruben und Bergwerken 9 Jahre, bei unterirdischer Arbeit 10 Jahre, und die Beschäftigung von Personen unter 15 Jahren in ihnen nur gestattet auf Grund des Zeugnisses eines hierzu durch den Bezirks-Sanitätsrat autorisierten Arztes, daß sie gesund und zu der für sie bestimmten Arbeit tauglich sind. Die Beschäftigung von Personen unter 15 Jahren ist verboten oder von bestimmten Voraussetzungen abhängig gemacht bei gewissen gefährlichen oder ungesunden Arbeiten; ferner ist die Nachtarbeit für Kinder unter 12 Jahren verboten und für Kinder von 12-14 Jahren auf 6 Stunden beschränkt. Die Maximalarbeit für Kinder unter 13 Jahren ist 8 Stunden.
In Belgien [* 9] fehlte bis 1885 jede Arbeiterschutzgesetzgebung, abgesehen von der königl. Verordnung vom welche die Arbeit von Knaben unter 12 Jahren, von Mädchen unter 14 Jahren in den Gruben verbot. 1886 wurde eine Arbeitskommission zur Feststellung der Zustände der industriellen Arbeiter und Erwägung von Reformmaßregeln eingesetzt und von dieser eine umfangreiche Enquete veranstaltet. Seitdem ist ergangen:
1) das Gesetz vom betr. die Lohnzahlung (Verbot, die Löhne anders als in gesetzlichem Metall- oder Papiergeld zu zahlen, Anrechnung von Wohnung, Grundstücken, Werkzeugen, Stoffen, Kleidung, Lebensmitteln etc. zum Kostenpreis, teilweise nur mit Erlaubnis der Permanenzdeputation, Verbot der Lohnzahlung in Wirtshäusern, Lohnzahlungstermine bei Zeitlohn bis 5 Frank mindestens zweimal im Monat, bei Akkordlöhnen mindestens einmal im Monat etc.);
2) das Gesetz vom betr. die Conseils de l'industrie et de travail (Einigungsämter, bestehend aus gewählten Vertretern beider Parteien; sie können errichtet werden, wo sich ein Bedürfnis herausstellt, und haben über die gemeinsamen Interessen von Arbeitgebern und Arbeitern zu beraten, Streitigkeiten vorzubeugen, solche beizulegen etc.);
3) das Gesetz vom (Beschränkung der Übertragung von Lohnforderungen und der Beschlagnahme von Löhnen);
4) das Gesetz vom betr. den Schutz der Kinder in Wandergewerben, insbesondere der Akrobaten, Seiltänzer etc.; endlich 5) das Gesetz vom betr. den Schutz der Kinder, der jugendlichen Arbeiter unter 16 Jahren und der weiblichen Arbeiter unter 21 Jahren (Minimalalter der Beschäftigung für Kinder 12 Jahre, Maximalarbeitszeit für Kinder, jugendliche Arbeiter unter 16 Jahren und weibliche Arbeiter unter 21 Jahren 12 Stunden inkl. 1½ Stunde Ruhepausen; durch königl. Verordnung kann die Arbeitszeit herabgesetzt werden; Verbot der Nachtarbeit von 9 Uhr [* 10] abends bis 5 Uhr morgens, Verbot der Beschäftigung an mehr als 6 Tagen in der Woche, Schonzeit von 4 Wochen für Wöchnerinnen, Einführung der Fabrikinspektion). — Ein Gesetz vom (dazu Zirkular vom verfolgt wesentlich den Zweck, durch Errichtung von Comités de patronage, Ermächtigung der Caisse général d'epargne et de retraite zu Darlehen, durch Gebühren- und Steuerermäßigungen, Begünstigung von Baugesellschaften etc. den Bau von gesunden und billigen Arbeiterwohnungen zu befördern.
In Holland bestand bis 1885 nur das Gesetz vom betr. Maßregeln zur Verhinderung übermäßiger Arbeit der Kinder und deren Verwahrlosung mit sehr wenigen und dürftigen Bestimmungen. Das neue Gesetz vom betr. Maßregeln zur Verhinderung übermäßiger und gefährlicher Arbeit von jungen Leuten und weiblichen Arbeitern (in allen gewerblichen Betrieben) schreibt vor: Minimalalter der Beschäftigung 12 Jahre für Kinder und jugendliche Arbeiter unter 16 Jahren, Maximalarbeitszeit 11 Stunden für Kinder mit großen Pausen, für andre mit 1 Stunde Pause;
Verbot der Sonntags- und Nachtarbeit;
Möglichkeit des Verbots der Arbeit in lebens- und gesundheitsgefährlichen Betrieben durch königl. Verordnung.
Für weibliche Arbeiter enthält das Gesetz folgende Schutzbestimmungen: Maximalarbeitszeit 11 Stunden mit 1 Stunde Pause;
Verbot der Sonntagsarbeit;
Verbot der Nachtarbeit (Ausnahmen durch königl. Verordnung unter gewissen Bedingungen zulässig);
Schonzeit von 4 Wochen für Wöchnerinnen;
Möglichkeit des Verbots gesundheitsschädlicher oder gefährlicher Arbeit durch königl. Verordnung.
In Dänemark [* 11] bestanden vor 1885 das Fabrikgesetz betr. die Arbeit der Kinder und jungen Leute in Fabriken und fabrikmäßig betriebenen Werkstätten vom (für Kinder: Minimalalter 10 Jahre; Maximalarbeitszeit 6½ Stunden inkl. ½ Stunde Ruhepause; Verbot der Nachtarbeit, der Sonn- und Festtagsarbeit; ärztliche Untersuchung der Kinder vor der Beschäftigung; obligatorischer Unterricht für beschäftigte Kinder. Für jugendliche Arbeiter unter 18 Jahren: Maximalarbeitszeit für die von 14-16 Jahren 6½ Stunden inkl. ½ Stunde Pause, für die von 16-18 Jahren 12 Stunden inkl. 2 Stunden Pausen; Verbot der Nacht-, Sonn- und Festtagsarbeit. Für Kinder und jugendliche Arbeiter Schutzbestimmungen zur Verhinderung gesundheitsschädlicher Arbeit) und das Gesetz vom betr. die Zündhölzerfabriken. Im J.1889 ist ein weiteres Gesetz vom 12. April betr. die Verhütung von Unfällen beim Gebrauch von Maschinen erlassen, mit Vorschriften über die Einrichtung und die Aufstellung gefährlicher Maschinen, über Beleuchtung [* 12] der Arbeitsräume mit Maschinen, über die Beschäftigung von jungen Leuten unter 16 Jahren bei Maschinen etc.; das Gesetz regelt auch neu die Fabrikinspektion durch zwei vom König ernannte Fabrikinspektoren, denen Assistenten (bis je 12) beigegeben werden können, und durch Aufseher in den kleinern Städten und auf dem Lande, welche von den kommunalen Behörden ernannt werden.
In Schweden [* 13] gewährte die Gewerbeordnung vom einen sehr geringen Schutz, Fabrikherren und Handwerker wurden nur angewiesen, bei der Beschäftigung ihrer Arbeiter allezeit Rücksicht auf deren Gesundheit zu nehmen. Besondere Schutzmaßregeln wurden getroffen für die bei der Fabrikation von Zündhölzern beschäftigten Arbeiter durch die Verordnung vom weitere allgemeine Schutzbestimmungen zur Verhinderung gesundheitsschädlicher und gefährlicher Arbeit gaben die Bauordnung für die Städte vom und die Verordnung vom (allgemeines Verbot der Sonntagsarbeit durch das allgemeine Strafgesetzbuch, sofern die Arbeit zu andrer Zeit verrichtet werden kann, Notfälle ausgenommen) Am wurde ein besonderes Schutzgesetz für Minderjährige in Fabriken, Handwerksbetrieben, Gruben und Steinbrüchen erlassen (für Kinder: ¶