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Mit Zustimmung eines ständigen Arbeiterausschusses können in die Arbeitsordnung Vorschriften über das Verhalten der Arbeiter bei Benutzung der zu ihrem Besten getroffenen, mit der Fabrik verbundenen Einrichtungen sowie Vorschriften über das Verhalten der minderjährigen Arbeiter außerhalb des Betriebs aufgenommen werden (§ 134 b). Der Inhalt der Arbeitsordnung ist, soweit er den Gesetzen nicht zuwiderläuft, für die Arbeitgeber und Arbeiter rechtsverbindlich.
Andre als die in der Arbeitsordnung oder in § 123 und 124 vorgesehenen Gründe der Entlassung und des Austritts aus der Arbeit dürfen im Arbeitsvertrag nicht vereinbart werden. Andre als die in der Arbeitsordnung vorgesehenen Strafen dürfen über den Arbeiter nicht verhängt werden. Die Strafen müssen ohne Verzug festgesetzt und dem Arbeiter zur Kenntnis gebracht werden. Die verhängten Geldstrafen sind in ein Verzeichnis einzutragen, welches den Namen des Bestraften, den Tag der Bestrafung sowie den Grund und die Höhe der Strafe ergeben und auf Erfordern dem in § 139 b bezeichneten Beamten (d. h. den Aufsichtsbeamten für Fabriken, resp. den ordentlichen Polizeibehörden) jederzeit zur Einsicht vorgelegt werden muß (§ 134 c).Vor dem Erlaß der Arbeitsordnung oder eines Nachtrags zu derselben ist den in der Fabrik oder in den betreffenden Abteilungen des Betriebs beschäftigten großjährigen Arbeitern Gelegenheit zu geben, sich über den Inhalt derselben zu äußern.
Für Fabriken, für welche ein ständiger Arbeiterausschuß besteht, wird dieser Vorschrift durch Anhörung des Ausschusses über den Inhalt der Arbeitsordnung genügt (§ 134 d). Die Arbeitsordnung sowie jeder Nachtrag zu derselben ist unter Mitteilung der seitens der Arbeiter geäußerten Bedenken, soweit die Äußerungen schriftlich oder zu Protokoll erfolgt sind, binnen 3 Tagen nach dem Erlaß in zwei Ausfertigungen unter Beifügung der Erklärung, daß und in welcher Weise der Vorschrift des § 134 d genügt ist, der untern Verwaltungsbehörde einzureichen.
Die Arbeitsordnung ist an geeigneter, allen beteiligten Arbeitern zugänglicher Stelle auszuhängen. Der Aushang muß stets in lesbarem Zustand erhalten werden. Die Arbeitsordnung ist jedem Arbeiter bei Eintritt in die Beschäftigung zu behändigen (§ 134 e). Arbeitsordnungen und Nachträge zu denselben, welche nicht vorschriftsmäßig erlassen sind, oder deren Inhalt den gesetzlichen Bestimmungen zuwiderläuft, sind auf Anordnung der untern Verwaltungsbehörde durch gesetzmäßige Arbeitsordnungen zu ersetzen oder den gesetzlichen Vorschriften entsprechend abzuändern.
Gegen diese Anordnung findet binnen 2 Wochen die Beschwerde an die höhere Verwaltungsbehörde statt (§ 137 f). Arbeitsordnungen, welche vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes erlassen worden sind, unterliegen den Bestimmungen der Paragraphen 134a—134c, 134e, Abs. 2, 134f und sind binnen 4 Wochen der untern Verwaltungsbehörde in zwei Ausfertigungen einzureichen. Auf spätere Abänderungen dieser Arbeitsordnungen und auf die seit erstmalig erlassenen Arbeitsordnungen finden die Paragraphen 134d und 134e, Abs. 1 Anwendung (§ 134 g). — Den Unternehmern von Fabriken, in welchen in der Regel mindestens 20 Arbeiter beschäftigt werden, ist untersagt, für den Fall der rechtswidrigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeiter die Verwirkung des rückständigen Lohnes über den Betrag des durchschnittlichen Wochenlohns hinaus auszubedingen (§ 134, Abs. 2).
4) Verbessert und verschärft sind die Bestimmungen zur Verhinderung des Trucksystems (§ 115—119b). Es dürfen insbesondere jetzt auch dann, wenn den Arbeitern vom Arbeitgeber unter Anrechnung bei der Lohnzahlung Wohnung, Landnutzung, Werkzeuge, [* 2] Stoffe, Feuerung etc. verabreicht werden, die dafür angerechneten Beträge für Wohnung und Landnutzung die ortsüblichen Miet- und Pachtpreise, für Werkzeuge, Stoffe, Feuerung etc. die durchschnittlichen Selbstkosten nicht übersteigen, ausgenommen für Werkzeuge und Stoffe bei Akkordarbeiten, sofern der höhere Preis den ortsüblichen nicht übersteigt und im voraus vereinbart ist.
Die Hauptbestimmung (§ 115) lautet: »Die Gewerbtreibenden sind verpflichtet, die Löhne ihrer Arbeiter in Reichswährung zu berechnen und bar auszuzahlen. Sie dürfen den Arbeitern keine Waren kreditieren. Doch ist es gestattet, den Arbeitern Lebensmittel für den Betrag der Anschaffungskosten, Wohnung und Landnutzung gegen die ortsüblichen Miet- und Pachtpreise, Feuerung, Beleuchtung, [* 3] regelmäßige Beköstigung. Arzneien und ärztliche Hilfe sowie Werkzeuge und Stoffe zu den ihnen übertragenen Arbeiten für den Betrag der durchschnittlichen Selbstkosten unter Anrechung bei der Lohnzahlung zu verabfolgen. Zu einem höhern Preise ist die Verabfolgung von Werkzeugen und Stoffen für Akkordarbeiten zulässig, wenn derselbe den ortsüblichen nicht übersteigt und im voraus vereinbart ist.« Ausdrücklich ist (§ 119 b) bestimmt, daß die Truckvorschriften auch für solche hausindustriellen Arbeiter gelten, welche selber die Roh- und Hilfsstoffe beschaffen.
5) Bezüglich der Lohnzahlung sind noch weitere Schutzbestimmungen erlassen. Es dürfen Lohn- und Abschlagszahlungen nicht ohne Genehmigung der untern Verwaltungsbehörde in Gast- und Schankwirtschaften erfolgen, und sie dürfen nicht an Dritte erfolgen auf Grund von Rechtsgeschäften oder Urkunden über Rechtsgeschäfte, welche nach § 2 des Gesetzes, betr. die Beschlagnahme des Arbeits- oder Dienstlohns vom rechtlich unwirksam sind (§ 115 a). Ferner kann durch statutarische Bestimmung einer Gemeinde oder eines weitern Kommunalverbandes für alle Gewerbebetriebe oder gewisse Arten derselben festgesetzt werden: a) daß Lohn- und Abschlagszahlungen in festen Fristen erfolgen müssen, welche nicht langer als einen Monat und nicht kürzer als eine Woche sein dürfen; b) daß der von minderjährigen Arbeitern verdiente Lohn an die Eltern oder Vormünder und nur mit deren schriftlicher Zustimmung oder nach deren Bescheinigung über den Empfang der letzten Lohnzahlung unmittelbar an die Minderjährigen gezahlt wird; c) daß die Gewerbtreibenden den Eltern oder Vormündern innerhalb gewisser Fristen Mitteilung von den an minderjährige Arbeiter gezahlten Lohnbeträgen zu machen haben (§ 119a, Abs. 2). Weil eine allgemeine gesetzliche Durchführung bestimmter Fristen für die Auslöhnung, um den Übelstand zu langer Zahlungstermine zu verhindern, bei zahlreichen großen Unternehmungen auf kaum zu überwindende Schwierigkeiten stoßen würde, so wurden darauf gerichtete Anträge in der Kommission und im Reichstag abgelehnt, aber man wollte doch durch die Bestimmung zu a) gesetzlich die Möglichkeit gewähren, lokal, wo das Bedürfnis vorhanden sei, dem Übelstand zu begegnen. Die Bestimmung zu b) und c) will dem Leichtsinn und der Verschwendung minderjähriger Arbeiter entgegentreten und zugleich die elterliche Autorität gegenüber denselben schützen und stärken. Die ¶
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Regierungsvorlage enthielt die eventuelle Regelung durch die Arbeitsordnung, die Kommission und der Reichstag aber entschieden sich für die eventuelle Regelung durch kommunale Behörden.
Der § 119a enthält noch in Abs. 1 die von der Kommission und dem Reichstag dem Gesetzentwurf zugefügte Bestimmung: »Lohneinbehaltungen, welche von Gewerbeunternehmern zur Sicherung des Ersatzes eines ihnen aus der widerrechtlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses erwachsenden Schadens oder einer für diesen Fall verabredeten Strafe ausbedungen werden, dürfen bei den einzelnen Lohnzahlungen ein Viertel des fälligen Lohnes, im Gesamtbetrag den Betrag eines durchschnittlichen Wochenlohns nicht übersteigen.« Daneben bestimmt der neue, schon oben erwähnte § 124b: »Hat ein Geselle oder Gehilfe rechtswidrig die Arbeit verlassen, so kann der Arbeitgeber als Entschädigung für den Tag des Vertragsbruchs und jeden folgenden Tag der vertragsmäßigen oder gesetzlichen Arbeitszeit, höchstens aber für eine Woche, den Betrag des ortsüblichen Tagelohns fordern. Diese Forderung ist an den Nachweis eines Schadens nicht gebunden. Durch ihre Geltendmachung wird der Anspruch auf Erfüllung des Vertrags und auf weitern Schadenersatz ausgeschlossen.« Aber diese Bestimmungen des § 124b finden nach dem neuen § 134, Abs. 2 keine Anwendung auf die Arbeitgeber und Arbeiter in Fabriken und diesen gesetzlich (§ 154) gleichgestellten Betrieben, in welchen in der Regel mindestens 20 Arbeiter beschäftigt sind.
Nach demselben § 134 ist den Unternehmern dieser Fabriken und Betriebe auch »untersagt, für den Fall der rechtswidrigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeiter als Schadenersatz die Verwirkung des rückständigen Lohnes über den Betrag des durchschnittlichen Wochenlohns hinaus auszubedingen«. Wünschen die Inhaber solcher Fabriken für den Fall des Kontraktbruchs ihrer Arbeiter feste Entschädigungen in der Art der in § 124d vorgesehenen in Form von Lohnverwirkung, so müssen sie dieselben besonders ausbedungen, aber bezüglich der Lohneinbehaltung bleibt die Vorschrift des § 119a, maßgebend.
6) Erweitert ist der Schutz für die Kinder (Personen unter 14 Jahren, welche bisher vom 13. Jahre ab beschäftigt werden durften) sowohl in Bezug auf die Altersklassen als hinsichtlich der gewerblichen Unternehmungen, in denen die Beschäftigung von Kindern untersagt ist. Die Zahl der in Deutschland [* 5] in den industriellen Unternehmungen 1888 beschäftigten Kinder betrug etwa 23,000. Der § 135 bestimmt: »Kinder unter 13 Jahren dürfen in Fabriken nicht beschäftigt werden. Kinder über 13 Jahre dürfen in Fabriken nur beschäftigt werden, wenn sie nicht mehr zum Besuch der Volksschule verpflichtet sind. Die Beschäftigung von Kindern unter 14 Jahren darf die Dauer von 6 Stunden täglich nicht überschreiten«, mit einer Pause von mindestens einer halben Stunde (§ 136). Der neue § 139a. ermächtigt den Bundesrat, die Verwendung von nicht mehr schulpflichtigen 13jährigen Kindern in Fabrikationszweigen, welche mit besondern Gefahren für Gesundheit oder Sittlichkeit verbunden sind, gänzlich zu untersagen oder von besondern Bedingungen abhängig zu machen, anderseits für sie aber auch in gewissen Betrieben Ausnahmen von den Schutzbestimmungen (Maximalarbeitszeit, Pausen) zu gestatten, aber die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit darf in diesem Fall 36 Stunden nicht überschreiten.
Die Bestimmungen gelten auch (nach § 154, 154a) für Hüttenwerke, Zimmerplätze und andre Bauhöfe, Werften sowie für solche Ziegeleien, über Tage betriebene Brüche und Gruben, welche meist bloß vorübergehend oder in geringem Umfang betrieben werden, ferner für Werkstätten, in welchen durch elementare Kraft [* 6] (Dampf, [* 7] Wind, Wasser, Gas, Luft, Elektrizität [* 8] etc.) bewegte Triebwerke nicht bloß vorübergehend zur Verwendung kommen, und für Bergwerke, Salinen, Aufbereitungsanstalten, unterirdisch betriebene Brüche oder Gruben.
Sie treten in Kraft aber für Kinder, welche vor Verkündung des Gesetzes in Fabriken und den andern Unternehmungen schon beschäftigt waren, bleiben die bisherigen gesetzlichen Bestimmungen bis zum 1. April 1894 in Geltung. Durch kaiserliche Verordnung mit Zustimmung des Bundesrats können die Schutzbestimmungen auch auf andre Werkstätten, ausgenommen solche, in welchen der Arbeitgeber ausschließlich zu seiner Familie gehörige Personen beschäftigt, und auf Bauten ganz oder teilweise, auch nur für bestimmte Bezirke ausgedehnt werden.
Die Absicht der Gesetzgebung war, die schädliche Kinderarbeit in den genannten Unternehmungen völlig zu beseitigen, aber daß man demgemäß nicht wie in der Schweiz [* 9] und in Österreich [* 10] die Beschäftigung von Kindern, d.h. den Personen unter 14 Jahren, unbedingt verbot, hat seinen Grund darin, daß bei 13jährigen, nicht mehr schulpflichtigen und einen Schulunterricht genießenden Kindern der Mangel an Beschäftigung und Aufsicht für diese schädlicher ist als eine maßvolle, obrigkeitlich überwachte regelmäßige Erwerbsthätigkeit, daß aber in Deutschland noch teilweise, z.B. in Bayern, [* 11] die Schulpflicht mit dem 13. Jahre abschließt, und auch in den Staaten, wo die Schulpflicht vom 7.-14. Jahre besteht, der Austritt aus der absolvierten Schule für einen Teil der 13jährigen Kinder vor Beendigung des 14. Lebensjahrs erfolgt.
7) An den bisherigen besondern Schutzbestimmungen für jugendliche Arbeiter (Personen von 14 - 18 Jahren), welche nur die 14 und 15jährigen betreffen, ist wenig geändert worden. Es sind nur einige bessere Bestimmungen bezüglich der nach § 139a zulässigen Ausnahmen in dem neuen § 139a getroffen worden. Außerdem sind die bisherigen Schutzbestimmungen noch auf einige weitere Betriebe (§ 154) ausgedehnt worden und können ebenfalls durch kaiserliche Verordnung mit Zustimmung des Bundesrats ganz oder teilweise, auch nur für bestimmte Bezirke, auf Werkstätten ausgedehnt werden, sofern in ihnen der Arbeitgeber nicht ausschließlich zu seiner Familie gehörige Personen beschäftigt. Die dringend wünschenswerte Ausdehnung [* 12] des Schutzes auch auf die 16 und 17jährigen (Maximalarbeitszeit, Verbot der Nachtarbeit)ist leider noch unterblieben.
8) Dagegen ist jetzt endlich den weiblichen industriellen Arbeitern (über 16 Jahren) der lang entbehrte Schutz zu teil geworden (§ 137-139a). Die wichtigsten Neuerungen und, außer dem oben erwähnten allgemeinen Verbot der Sonn- und Festtagsarbeit, für die in Fabriken und diesen, wie bezüglich der Kinderarbeit, gleichgestellten Betrieben (§ 154, 154a, s. oben) Beschäftigten die elfstündige Maximalarbeitszeit, das Verbot der Nachtarbeit und der obligatorische Schluß der Arbeitszeit am Sonnabend und an den Vorabenden vor Festtagen spätestens 5 ½ Uhr [* 13] nachmittags. An diesen Tagen darf die Beschäftigung der Arbeiterinnen die Dauer von 10 Stunden nicht überschreiten. Zwischen den Arbeitsstunden muß ihnen eine mindestens einstündige ¶