Vercontre fügt hinzu, daß in den Gegenden
Colorados und
Neumexikos, welche goldführende Quarzschichten enthalten, die Ameisenbauten
so reich an Goldkörnern wären, daß die
Indianer auszögen, um sich derselben zu bemächtigen, und die Ameisenbauten als
Goldgruben ausbeuteten. Diese Nachrichten müßten aber im
Altertum nach
Europa
[* 2] gelangt sein, weil
man in der
Alten Welt keine Ameisenart kenne, welche diesen
Instinkt für glänzende
Steine entwickle.
Es ist McCook und, wie es scheint, auch Vercontre unbekannt geblieben, daß
Alexander v.
Humboldt schon im
September 1803 diese
Vorliebe gewisser amerikanischer Ameisen für glänzende
Steine beobachtet hat. Auf dem Wege von
Valladolid nach dem Jorullovulkan
hatte er nach den Einschlüssen von Obsidiankörnern und glasigem
Feldspat in den vulkanischen
Steinen
gesucht, aber nur wenige finden können, da sie im ganzen selten schienen.
»Um so mehr war ich verwundert«, erzählt
Humboldt
im
»Kosmos« (Bd. 4, S. 638),
»als ich zwischen Capulo und
Patzcuaro, vorzüglich bei Yurisapundaro, alle Ameisenhaufen mit
schön glänzenden
Körnern von
Obsidian und
Sanidin erfüllt fand.«
Später bemerkte Jules Marcou, daß die der Hochplateaus
in den
Felsengebirgen beim
FortDefiance ebenfalls die glänzendsten
Steine bis zur
Größe eines Maiskorns zusammensuchen und
nach ihrem
Bau schleppen, und er fand oft darin die schönsten klaren
Granaten
[* 3] und Quarzkristalle. Die
Mühe, welche sie anwenden, mit vereinten
Kräften schwere Steinbrocken, viel größer, als sie selbst sind, auf ihren
Bau
zu schaffen, hat McCook genau beschrieben und abgebildet.
Es ist daher nicht mehr zu bezweifeln, daß es goldgrabende Ameisen wirklich gibt, aber wahrscheinlich ist derselbe
Instinkt auch bei altweltlichen
Arten beobachtet worden, da wir ja auch in wärmern
Ländern Ernteameisen
wie in
Amerika
[* 4] haben, von denen unsre Naturforscher erst vor einigen Jahrzehnten
Kundschaft brachten, während die
Bibel
[* 5] und
andre
Schriften des
Altertums oft von ihnen sprechen. Wie sich aber aus derartigen
Beobachtungen die
Sage von den großen Goldsammlern
Indiens entwickeln konnte, hat
Friedrich Schiern mit ziemlicher Wahrscheinkeit (Anmerkung des
Editors: richtig:
Wahrscheinlichkeit) feststellen können, ohne zu wissen, daß es wirklich goldsammelnde Ameisen gibt. Im altindischen
Epos
»Mahâbhârata« wird erzählt, daß die
Völker des
Nordens einem der Pandusöhne, dem König Judhischtira,
Tribut brachten,
darunter Ameisengold(païpilika),
so genannt, weil es von Ameisen (pipilika) ausgegraben werde. Unter den
Stämmen aber, die diesen
Tribut brachten, waren auch die »behaarten und gehörnten Kanka« aufgeführt,
die man sehr sicher als einen
Stamm des östlichen
Tibet feststellen kann. Einigen
Panditen (gelehrten Brahminen), welche die
Engländer ausgesandt haben, um die reichen Goldgräbereien im
OstenTibets zu studieren, verdankt man nun
die Nachricht, daß am Thok-Jalung, einem den
Montblanc an
Höhe übertreffenden
Berg der Himalajakette, in
Felle gekleidete
tibetanische Goldgräber in Erdlöchern wohnen und besonders im
Winter graben, weil dann ihre
Schächte ungestützt halten,
und sich zu ihrem
Schutz gegen räuberische
Überfälle einer besondern Art großer
Hunde
[* 6] bedienen.
Auf diese in
Felle gekleideten tibetanischen Goldgräber und ihre
Hunde lassen sich nun aber ziemlich ungezwungen
die von
Megasthenes und
Nearchos, dem
FreundAlexanders d. Gr., nach
Europa gebrachten Nachrichten beziehen, welche die Alten
so oft wiederholt haben.
Plinius erzählt (XI, 36), ohne
Zweifel auf
Grund
der Nachrichten des
Megasthenes: »ImNorden
[* 7] Indiens, im
Lande der Darder (der heutigen
Dardu), tragen die indischen Ameisen
Gold
[* 8] aus ihren Erdhöhlen.
IhreFarbe ist die der
Katzen,
[* 9] ihre
Größe die ägyptischer
Wölfe. Das von ihnen zur Winterzeit ausgegrabene
Gold stehlen in der Sommerhitze die
Inder, weil
die Ameisen sich dann
vor derGlut verkriechen. Allein durch den
Geruch benachrichtigt, eilen sie hervor und
zerreißen die
Räuber häufig, obwohl diese auf schnellen
Kamelen fliehen. So schnell und wild macht sie die
Liebe zum
Gold.«
Plinius setzt hinzu, daß im Herkulestempel von
Erythrä
(Kleinasien) ein paar
Hörner dieser goldgrabenden Ameisen als
Wunder gezeigt
würden, und ähnlich hatte
Nearchos wenigstens die pantherfleckigen
Felle dieser »Ameisen« als
Wahrzeichen mit
nach
Makedonien gebracht, so daß man annehmen kann, sie trugen Pantherfelle am Leibe und auf dem
Kopfe (wie die im
»Mahâbhârata«
erwähnten tibetanischen Kanka und so viele andre Naturvölker) die
Haut
[* 10] mit den
Hörnern eines
Tieres, vielleicht des
Yak.
Schon Wilford glaubte einen Zusammenhang des hindostanischen
Namens der
Ameise(tschinti) mit dem des indischen
Jagdleoparden(tschita) als
Ursache der
Sage von den pantherfleckigen
Fellen der Goldameisen ansehen zu dürfen, aber erst die
wirkliche Auffindung goldgrabender Ameisen, die es auch in
Indien geben mag, lehrt uns die aus vielen
Elementen zusammengesetzte
Sage verstehen. Schiern meint, daß außerdem das ungemein affenartige
Gesicht
[* 11] dieser tibetanischen Goldgräber, ihre
Gewohnheit,
mit eng an den Leib gezogenen
Beinen zu schlafen, und ihre seltsame Art, sich mit
Grinsen und Herausstrecken der
Zunge gegenseitig
zu begrüßen, dazu beigetragen haben möge, sie als
Tiere zu schildern.
Die merkwürdigen, als Wohnstätten der
Ameisen eingerichteten
Bildungen, die die Ameisenpflanzen (s. d., Bd.
17) in verschiedenen
Formen entwickeln, hat
Schumann in einer
Reihe von
Arbeiten einer vergleichenden Untersuchung unterworfen
und dabei gleichzeitig mehrere neue
Arten beschrieben. Hiernach teilen sich die Ameisenpflanzen zunächst in solche, bei denen sich die
Wohnräume aus der Sproßachse bilden, und in eine zweite
Gruppe, die auf den Blättern schlauchförmige
Höhlungen erzeugt. Im erstern
Fall kann sich entweder der Gesamtstengel aus hohlen Internodien aufbauen, an welchen besonders
vorgebildete
Stellen den
Ameisen einen Zutritt ermöglichen
(Arten von
Cecropia,
Clerodendron), oder es entwickeln sich nur einzelne
Glieder
[* 12] der
Achse schlauchartig; letztere Form tritt bei einer
Reihe tropischer
Rubiaceen, wie bei der südasiatischen
Nauclea lanceolataBl. u. bei Sarcocephalus macrocephalusK.Sch. von der
InselSamar bei
Luzon, ferner bei den brasilischen DuroiahirsutaK.Sch. u. D. petiolarisHook. fil. sowie endlich bei der afrikanischen
GattungCuviera(C. physinodesK.Sch.
u. C. longifloraHiern) auf.
Bei allen diesen
Pflanzen finden sich die ameisenbewohnten Höhlungen in der
Nähe der Blütenstände, so daß
man in der Besiedelung
mit
Ameisen ein Blütenschutzmittel erblicken könnte. Als typisches
Beispiel mag Duroia hirsuta dienen, die einen kleinen,
3-4 m hohen
Baum mit gegenständigen, umgekehrt eiförmigen Blättern und in der
Länge auffallend ungleichen
Stengelgliedern bildet. Auf ein
ca. 12-17
cm langes, unteres, spindelförmig angeschwollenes
Internodium folgen nämlich 3-5
viel kürzere, nur etwa 1
cm lange. Die Anschwellung wird immer von einer ebenso gestalteten Höhlung erfüllt und weist unterhalb
des darüber
¶
mehr
stehenden Blattpaares in der Regel zwei enge, meridional gestellte Längsspalten auf, welche unabhängig von der Thätigkeit
der Insekten
[* 14] entstehen und an ihren Rändern Wundkork entwickeln; außerdem lassen sich am obern Ende der Schlitze kleine,
kreisrunde Einbruchslöcher nachweisen. Die Höhlungen beherbergen, wie Schumann an Herbarium-Exemplaren nachweisen konnte,
zahlreiche kleine, glänzend schwarze Ameisen (Myrmelachiste Schumanni und Azteca depilis Emery).
Die Entstehung der Schlitze ist auf eine Art von Gewebespannung, ähnlich der beim Aufspringen gewisser Kapselfrüchte, zurückzuführen;
später werden sie durch den Biß der Ameisen zu kreisrunden Löchern erweitert. Als den Insekten dargebotene Genußmittel dienen
vermutlich die Aussonderungen von Drüsen, die unterhalb der die Knospen
[* 15] einschließenden mützenförmigen
Hüllen nach dem Abwerfen derselben stehen bleiben. Bei Duroia petiolaris treten außer den oben erwähnten noch zwei andre,
zu den erstern rechtwinkelig gestellte Spalten auf; auch schließen sich die Ränder derselben allmählich durch Überwallung,
weshalb die Ameisen hier eine ganze Reihe übereinander stehender Eingangspforten herstellen.
Die Schläuche von Nauclea entwickeln sich wie bei Duroia dicht unter der Blütenstandregion; sie besitzen
zwei ungefähr gegenüberliegende Längsspalten, innerhalb deren bestimmte Stellen zu größern kreisförmigen Öffnungen
erweitert sind. Bei der Gattung Cuviera liegen die Auftreibungen von schlankkegeliger Form nicht am obern Ende, sondern am
Grunde des Internodiums, in dessen Höhlung zwei einander gegenüberstehende Reihen rundlicher, zu 3-4 senkrecht
angeordneter Öffnungen führen; letztere stehen stets genau über den vorausgehenden Blättern.
Als Bewohner fand sich eine Crematogaster-Art. In andern
Fällen, z.B. bei der Lauracee Pleurothyrium macranthum Poepp.,
kann auch die ganze Blütenstandachse hohl werden, die bei genannter Art außen mit flachen, regelmäßig
über den Seitenzweigen stehenden Längsfurchen versehen ist; in den Hohlraum führen kreisförmige, oberhalb der Seitenverzweigung
der Achse stehende, an den Rändern mit Wundholz besetzte Eingangslöcher, die ebenfalls spontan, d. h.
ohne Eingriff der Bewohner, zu entstehen scheinen. Hieran schließen sich noch mehrere andre, bereits von Beccari beschriebene
Ameisenpflanzen aus der Familie der Monimiaceen (Kibara), Myristikaceen (Myristica),
[* 16] Euphorbiaceen
[* 17] (Endospermum. Macaranga)
u. a., deren Achsenschläuche zum Teil durch leicht durchdringbare, dünnere Gewebepartien
den Ameisen das Eindringen erleichtern.
Eine zweite Reihe bilden diejenigen Ameisenpflanzen, bei welchen die Wohnräume sich an Blättern bilden. Entweder werden
in diesen; Fall die zu Dornen umgewandelten Nebenblätter (als sogen. Stipuladornen) zu Hohlräumen, in
denen sich die Ameisen ansiedeln, wie bei einer Anzahl von Acacia-Arten (Ameisenpflanzen sphaerocephala. Ameisenpflanzen cornigera), oder die Hohlräume
entstehen aus Teilen der Blattfläche. So treten sie z. B. bei Duroia saccifera Hook. fil.
am Grunde des Blattes rechts und links vom Blattstiel als zwei dicht nebeneinander liegende, durch eine
Furche getrennte Hohlblasen auf, deren am obern Ende liegender Eingang durch eine darüber gelegte, kurze Einfaltung
des Blattgrundes vor einfließendem Regenwasser geschützt wird.
Als Bewohner der Blasen fand sich an Exemplaren aus Nordbrasilien Allomerus septemarticulatus Mayr. Ähnliche Blattanschwellungen
kamen auch bei einer Reihe von Melastomaceen (Tococa, Majeta, Microphysca, Calophysca
u. a.) vor,
bei denen sie bereits von ältern Beobachtern, wie Aublet, v. Martius, Naudin, Triana, bemerkt und als Ameisenwohnstatten erwähnt
wurden. Die Größe und Gestalt dieser Blasen wechselt mannigfach; bald liegen sie ganz auf der Oberseite der Blätter und sind
dann ihrer ganzen Länge nach mit der Blattfläche verbunden (z. B. bei Tococa lancifolia
Spruce), oder sie stehen nur zum Teil mit dieser, im übrigen aber mit dem Blattstiel in Verbindung.
Bei andern Formen liegen sie ganz auf dem Stiel, indem sie frei auf demselben reiten (z. B. bei
Tococa macrophysca Spruce) oder nur mit ihrer Spitze den Blattgrund berühren. Endlich können sie (z. B.
bei (Calophysca tococoideaDec.) auch dicht unterhalb des Blattstiels als einheitliche Höhlung auftreten, deren Eingang dann
durch den darüber liegenden Stiel selbst vor Regen geschützt wird. Häufig entwickelt bei den Melastomaceen von den beiden
Blättern eines Paares nur das größere eine Blase, während eine solche dem gegenüberliegenden kleinern Blatt
[* 18] fehlt. Beccari hat aus dem Vorkommen von Drüsenhaaren im Innern der Blasen, z. B. von Majeta, den Schluß gezogen, daß sie
als Ameisenfallen mit innern Verdauungsorganen dienen möchten, jedoch spricht eine Reihe anatomischer Gründe gegen diese
Ansicht; auch finden sich ganz gleiche Drüsen auf äußerlichen Teilen desselben Blattes. Am meisten plausibel
erscheint die Anschauung, die ameisenhaltigen Hohlblasen mit jenen »Domatien« (s. d., Bd.
17) zu vergleichen, die in den Aderwinkeln zahlreicher Blätter (bei Tiliaceen, Sterkuliaceen, Myrtaceen, Lauraceen, bei Chinchona
u. a.) als taschenartige Einsackungen vorkommen und von Milben bewohnt werden. Auch diese Gebilde werden nicht durch ihre
tierischen Bewohner hervorgerufen, sondern treten andeutungsweise schon vor Besiedelung mit solchen im
Knospenzustand der Blätter auf.
Die von Ameisen bewohnten Schläuche und Blasen nebst den von Milben besetzten Blatteinsackungen deuten auf eigenartige, symbiotische
Beziehungen zwischen den genannten Tieren und ihren Wohnpflanzen. Keinesfalls sind diese Bildungen mit Gallen (Cecidien) zu vergleichen,
da die letztern pathologischer Natur sind und erst durch Einwirkung des gallenbewohnenden Tieres entstehen.
Gerade die am längsten bekannten Ameisenpflanzen bieten der Deutung die meisten Schwierigkeiten.
Schon Rumphius (1750) beschrieb nämlich als »schwarzes und rotes Ameisennest«
zwei merkwürdige Scheinschmarotzer des ostindischen Archipels, deren untern, knollig angeschwollenen, von Hohlgalerien durchzogenen
und von Ameisen bevölkerten Teil er für richtige Ameisenstöcke hielt; auch war er der Meinung, daß
aus diesen Nestern die Pflanzen ohne Samen
[* 19] hervorsprossen sollen. Die erste genaue Beschreibung derartiger Ameisennestpflanzen,
deren Zahl beiläufig ca. 56 (meist aus den Gattungen Hydnophytum und Myrmecodia) beträgt, hat Beccari geliefert und die ältern
märchenhaft klingenden Angaben richtig gestellt.
In den Hohlräumen der knollenartig anschwellenden Grundachse dieser Pflanzen leben in der That häufig
ganze Heere von Ameisen, welche bei Berührung der Pflanze hervorkommen und sich wütend auf den Ruhestörer zu stürzen pflegen.
Treub fand bei genauerm Studium der Entwickelungsgeschichte,
[* 20] daß die Knollen
[* 21] schon sehr früh an Keimpflanzen auftreten, welche
mit Ameisen überhaupt nicht in Berührung waren; auch entwickelten sich in diesem Fall die innern Höhlungen
ganz normal. Infolgedessen betrachtet
¶