besser von dem im übrigen niedrigsten
Kurse der letzten Jahrzehnte aus. Es war der von 64,45Fr. im J. 1864. Er ließ einen
Zinsengenuß von nicht viel unter 4¾ Proz. zu. In etwas längerm Zeitraum als in
Deutschland
[* 2] ist der Zinsfuß also auch in
Frankreich
um ungefähr 1½ Proz. gesunken.
Leroy-Beaulieu, der diese Bemerkung J. St.
^[JohnStuart]
Mills registriert, will das »Wahrscheinlich« des
englischen
Autors durch ein »Sicherlich« ersetzt wissen, und er macht seinerseits
(1883) die Prophezeiung, daß sehr wahrscheinlich binnen eines halben
Jahrhunderts oder eines
Jahrhunderts der Zinsfuß in Westeuropa
für sehr sichere und langfristige
Anlagen bis auf 1½ und 2 Proz. heruntergehen würde. Es müßten,
fügt er hinzu, die neuen
Länder, beispielsweise
Afrika,
[* 7] sehr rasch durch europäische Kapitalien erschlossen werden, damit
einem solchen Sinken begegnet werde.
Alles spricht dafür, daß
Leroy-BeaulieuRecht behält. Bereits hat der englische Finanzminister
Goschen einen Zinsfuß von 2½ Proz.
für das zweite Jahrzehnt des folgenden
Jahrhunderts eskomptiert, und die englische Kapitalistenwelt hat
sich ihm angeschlossen.
Goschen hat die 3proz. englischen
Konsols in solche konvertiert, die 2¾ Proz. bis 1913, von da an
2½ Proz. gewähren, und diese
Konsols notieren heute
al pari. Freilich steht der Zinsfuß der staatlichen
Kreditpapiere in der
Regel
noch etwas unter dem für die sichersten
Anlagen andrer Art üblichen, weil sich die
Nachfrage von vielen
Seiten her, insbesondere auch von überall, wo eine persönliche
Wahl der
Anlage seitens der Kapitalisten ausgeschlossen ist
(man denke beispielsweise an
Waisengelder, aber auch an die
Anlagen des mit dem
Geldmarkt nicht vertrauten Kleinkapitalisten),
konzentriert.
Die
Ursache für das Sinken des
Zinsfußes wird vorzüglich darin gefunden, daß die besonders rentabeln
Kapitalanlagen großen
Maßstabes heute erschöpft sind und nur
Unternehmungen von geringerer Ergiebigkeit übrigbleiben. Die
Haupteisenbahnen sind ausgebaut, die Telegraphenlinien gezogen, die
Industrie ist mit
Dampfmaschinen
[* 8] versehen. Und wenn heute
auch
Fälle höherer Rentabilität nicht ausgeschlossen sind, so sind sie doch nicht so gewöhnlich wie
bisher.
D'Aulnis de Bourouill hat noch auf eine weitere
Thatsache aufmerksam gemacht. Er bemerkt, daß die Aussicht auf Anwendung
neuer großer
Erfindungen, durch die eine
Steigerung der Produktivität der Kapitalien und damit eine
Erhöhung desZinsfußes
erzielt werden kann, auch deswegen geringer ist, weil die Verbesserungen meist auf einen
Effekt abzielen,
der im
Wesen bereits heute erreicht wird, nur daß die neue
Erfindung eine Kostenverminderung mit sich bringt.
Nun stehe aber
die einmal für die Erzielung des betreffenden
Effekts vorhandene, wenn auch nicht gleich moderne.
Kapitalanlage der Nutzbarmachung solcher
Erfindungen im Wege, bez. zu deren
Kosten seien die
Kosten jener
Kapitalanlagen, die ja nun
außer
Kraft
[* 9] gesetzt werden sollen, zuzuschlagen, und unter solchen Verhältnissen würde häufig
auf die Ausnutzung der neuen
Erfindung verzichtet (vgl. beispielsweise
elektrisches Licht an
Stelle des Gaslichts). So spricht
denn alles dafür, daß wir noch einem weitern Sinken des
Zinsfußes entgegensehen. Nur ein allgemeiner
europäischer
Krieg könnte dieser
Entwickelung Halt gebieten durch die ungeheure Kapitalzerstörung, welche er bedeutet.
auch Neymarck, Les plus hauts et les
plus bas cours des principales valeurs depuis 1870 (Par. 1889);
über die Zukunft des
Zinsfußes:
Leroy-Beaulieu, Essai sur
la répartition des richesses (3. Aufl., Par. 1888), und d'Aulnis de
Bourouill, Der Zinsfuß. Die
Ursachen seines Sinkens und seine nächste Zukunft
(»Jahrbücher für
Nationalökonomie«, neue
Folge, Bd.
18).
Eugen, Afrikareisender, geb. zu
Düsseldorf,
[* 11] studierte in
Berlin,
[* 12]
Bonn,
[* 13]
Straßburg
[* 14] und
Heidelberg
[* 15] die
Rechte, erwarb sich die Doktorwürde und ging 1884 zuerst mit J.
^[Joseph]
Chavanne an den
Congo. 1886 wurde
er von der deutschen Reichsregierung nach
Camerun
[* 16] geschickt, um daselbst Forschungsreisen zu leiten, und es gelang ihm
1889, von
Camerun bis zum
Benuë und nach
Adamaua vorzudringen. Um die hierbei durchzogenen
Länder dem
Handel und dem
Verkehr
von
Camerun aus zu erschließen, unternahm Zintgraff 1890 von Barombi am Elefantensee eine neue Expedition in das
Innere, welche jedoch infolge großer Verluste bei einem
Angriff der Bafutkrieger auf Baliburg
zur
Küste zurückzugehen genötigt war.
belgischer
Orden,
[* 17] gestiftet von König
Leopold II. für bürgerliche
Verdienste und mutige,
aufopfernde
Handlungen, in zwei Abteilungen und fünf
Klassen. Die
Dekoration der ersten Abteilung (ersten und zweiten
Klasse)
besteht in einem weiß emaillierten achtspitzigen
Kreuz
[* 18] mit goldener, resp. silberner
Einfassung, dessen
Mittelschild auf
Weiß den doppelt verschlungenen Namenszug des
Stifters (»L.«) in
Gold,
[* 19] resp.
Silber zeigt, während zwischen
den
Winkeln die
Arme eines Lilienstabes hervorragen. Die zweite Abteilung (dritte bis fünfte
Klasse) trägt
Medaillen mit dem
Kreuz, dessen
Arme vollständig ausgefüllt sind. Das
Band
[* 20] ist bei der
Dekoration für treue öffentliche
Dienste
[* 21] viermal dunkelrot und dreimal schwarz gestreift, für mutige und aufopfernde Thaten dunkelrot mit zwei schwarzen,
gelb veränderten
Streifen.
die in
Gold zahlbaren
Koupons und gezogenen
Stücke der russischen
Staatsanleihen, so genannt, weil sie bei
den russischen Zollämtern bei allen Zollzahlungen an Zahlungsstatt wieGold angenommen werben.
mitteleuropäische.Seit dem
Abschluß des Bundesvertrags zwischen
Deutschland und
Österreich-Ungarn
[* 22] und
seit dem Vordringen der amerikanischen Getreidekonkurrenz ist die
Idee einer mitteleuropäischen Zollunion, insbesondere die
einer solchen zwischen den zwei erwähnten
Bundesstaaten, Gegenstand mannigfacher Anregung und
Erörterung gewesen. Das
Bündnis
zwischen
Deutschland und
Österreich-Ungarn wurde bekanntlich im
September 1879 abgeschlossen.
Gleich damals
verlautete, daß dasselbe auch
Punktationen betreffs einer künftigen zollpolitischen
Gemeinschaft enthalte, was sich freilich
sehr bald als falsch erwies. Aber die damit
¶
Der Gedanke fiel vorerst nicht auf fruchtbaren Boden. 1880 nahm FürstBismarck Gelegenheit, sich über die Frage einer speziell
österreichisch-ungarisch-deutschen Zollunion in einem Briefe an den Siebenbürger v. Bauszern zu äußern. Er bezeichnete
hier die Zolleinigung als ein ideales Ziel, schien also ihre Möglichkeit für die nächste Zeit nicht
ins Auge
[* 26] zu fassen. Trotzdem wurde in den folgenden Jahren der Plan in der Publizistik und auf wissenschaftlichem Boden mehrfach
behandelt, unter andern nahmen sich Lujo Brentano und AlbertSchäffle seiner an, letzterer mit einem auf eine
Union zwischen Deutschland, Österreich-Ungarn und Rußland zielenden Vorschlag. 1880 und 1885 gab der deutsche volkswirtschaftliche
Kongreß, der von Freihändlern beschickt wird, sein Votum gegen eine deutsch-österreichische Zollunion ab. Hinwieder wollte
der in Pest anläßlich der ungarischen Landesausstellung veranstaltete internationale landwirtschaftliche Kongreß die ungarische
Regierung zur Inangriffnahme von Verhandlungen im Interesse einer Zollunion bestimmen, doch ohne Erfolg. 1888 wurde
abermals durch einen Franzosen, den GrafenPaul de Leuße, eine Anregung dieser Art gegeben und zwar in neuer Beleuchtung,
[* 27] indem
nicht mehr wie sonst in den 80er Jahren die Notwendigkeit eines Kampfes gegen die amerikanische Getreidekonkurrenz unter den
Gründen, welche für die Zollunion sprechen sollten, in den Vordergrund gestellt war, sondern die einem
solchen Zollbund zukommende Friedensmission.
Seitdem haben sich die Äußerungen für eine mitteleuropäische, bez. österreichisch-deutsche
Zollunion gehäuft. Der österreichische Reichsratsabgeordnete Peez, einige österreichische landwirtschaftliche Vereine,
in bemerkenswerter Weise der österreichische Großindustrielle Leitenberger suchten die öffentliche Meinung oder die Regierung
für den Unionsgedanken zu gewinnen. Österreichische industrielle Korporationen sprachen sich freilich
zu gleicher Zeit gegen den Plan aus. 1890 trat Graf de Leuße mit einer neuen Publikation im Interesse des Zollvereins hervor;
im September des gleichen Jahres erörterte der anläßlich der internationalen landwirtschaftlichen Ausstellung in Wien
[* 28] tagende
internationale landwirtschaftliche Kongreß die Frage. Er nahm eine Resolution des Inhalts an: im Interesse
der mitteleuropäischen Land- und Forstwirtschaft sei die Schaffung einer mitteleuropäischen Zollliga, innerhalb welcher
event. mit Rücksicht auf die Interessen einzelner Produktionszweige sowie mit Rücksicht auf den Schutz besonderer staatlicher
Verbrauchssteuern Differenzialzölle zugelassen wären, notwendig.
Auf diesem Kongreß war die Unionsidee insbesondere von österreichischen Agrariern eifrig vertreten; von
deutschen Mitgliedern des Kongresses wurde der Plan kühl aufgenommen, von einem sich an der Diskussion beteiligenden Franzosen
geradezu abgelehnt. Wieder in ein neues Stadium ist die Frage mit dem Erlaß der amerikanischen Mac Kinley-Bill (s. d.) getreten,
welche ihre Tendenz bekanntlich gegen unsern Weltteil richtet
und die Einfuhr einer Anzahl europäischer
Produkte geradezu verhindern will. Seitdem haben sich nicht weniger in Frankreich als in Deutschland und Österreich
[* 29] Stimmen für
eine europäische Union erhoben.
Die Unionsidee ist nun selbstverständlich verschieden zu beurteilen je nach den Absichten, die man mit ihr verfolgt. Wie
schon erwähnt, war sie eine Zeitlang als Gegengewicht gegen die industrielle Suprematie Englands, dann
als solches gegen die agrikole Vorzugsstellung der amerikanischen Union und ist sie nun als Mittel gleichzeitig der politischen
Annäherung der europäischen Mächte und als wirtschaftliche Kriegserklärung an die Vereinigten Staaten
[* 30] aus Anlaß ihrer vorzugsweise
industriellen Schutzzollkampagne gedacht.
Unter dem Gesichtspunkt dieser letztern Absichten mag sie hier eine kurze Würdigung finden. Für die
Abwehr des amerikanischen Getreides bedarf es einer Zollunion sicher nicht; diese läßt sich bereits durch das Mittel bloßer
Prohibitivzölle erreichen. Ähnlich kann man Repressalien gegen die Mac Kinley-Bill auf dem Wege der Belegung amerikanischer
Provenienzen mit höhern Zöllen, als sie von den entsprechenden Waren anderweitigen Ursprungs erhoben werden,
ins Werk setzen.
Keinesfalls läßt sich eine solche differenzielle Behandlung Nordamerikas, durch die sich ein Land in höherm Grade den andern
öffnet, bereits als ein mit diesen eingegangener Zollverband bezeichnen. Der Schutz oder Kampf gegen Amerika fordert also noch
nicht zu einer Zollunion, heraus. Freilich wird kein Land die differenzielle Behandlung einem europäischen Staate zu gute kommen
lassen wollen, ohne von ihm eine Gegengabe zu verlangen. Und da könnte sich dann allerdings mit der Abschließung gegen
Amerika eine doppelseitige zollpolitische Annäherung unter den europäischen Staaten vollziehen.
Wenn nun die Länder größter Industrieentwickelung und die vorzugsweise agrikolen nicht aneinander stoßen, so ist dies
ein Verhängnis, welches aus dem Gesichtspunkt speziell der Abwehr gegen Amerika die Zollunion, schließlich doch
unmöglich macht. Abgesehen von Anregungen seitens einiger Gelehrter und der Zeitungspresse haben bisher übrigens nur österreichische
und ungarische Landwirte die Idee einer Zollunion, mit Eifer betrieben. Die gewerbliche Kaufmannschaft der europäischen Staaten und
begreiflicherweise auch die LandwirtschaftDeutschlands,
[* 31] Frankreichs etc. verhielten sich entweder indifferent oder geradezu
abweisend. Es ist unter diesen Umständen kaum anzunehmen, daß allein aus wirtschaftlichen (nicht politischen)
Erwägungen heraus eine mitteleuropäische Zollunion,, ob nun in größerm oder kleinerm Rahmen, eine Wahrscheinlichkeit hat. Das allerdings,
was meist gegen eine Zollunion,, die Österreich-Ungarn einbezöge, geltend gemacht wird, daß nämlich die ungeordneten Valutaverhältnisse
dieses Reiches eine derartige Verbindung mit ihm nicht zulassen, ist für uns nicht überzeugend. Überdies
scheint ja die PapierwährungÖsterreichs jetzt ihrem Ende entgegenzugehen.
¶