Die
Bevölkerung
[* 5] betrug (vorläufiges Ergebnis) 57,283
Seelen und
hat seit 1885 um 708
Seelen, d. h. jährlich um 0,25 Proz.,
zugenommen. Im
Etat für die
Finanzperiode 1890-92 sind
Einnahmen wie
Ausgaben veranschlagt worden 1890 auf 1,201,421 Mk., 1891 auf
1,187,810
Mk. und 1892 auf 1,186,802 Mk. Die Landesschuld betrug 1890: 2,245,500 Mk.
[* 11]
Alle neuern
Erfahrungen drängen dazu,
die bisher aufrecht gehaltene
Ordnung der Wale als eine künstlich zusammengewürfelte
Gruppe von
Säugetieren sehr verschiedenen Ursprungs aufzulösen und als Ergebnis einer sogen. konvergenten
Züchtung, durch die gleichen Lebensbedingungen, denen im
Meere lebende
Säugetiere ausgesetzt sind, zu
betrachten.
Schon seit einem Jahrzehnt etwa hat man begonnen, die
Seekühe oder
Sirenen als sogen. pflanzenfressende Wale von
den fleischfressenden oder eigentlichen
Walen zu sondern und für erstere den Anschluß bei den
Huftieren, für letztere bei
den
Raubtieren gesucht.
Lepsius zeigte in seiner
Monographie des Halitherium Schinzi, einer
Sirene
[* 12] aus dem
Miocän des
MainzerBeckens,
daß der
Schädel derselben die größte
Ähnlichkeit
[* 13] mit demjenigen der eocänen
Huftiere zeigt, und daß unter den heute lebenden
Huftieren nur noch der weniger als seine Verwandten veränderte
Tapir deutliche Anklänge der Schädelbildung erkennen läßt.
Im
Schädel einer ältern, dem untersten
Eocän angehörigen
Sirene (Prorastomus sirenoides) fand sich noch
ein ähnlich reiches
Gebiß wie bei den eocänen
Huftieren, nämlich 3 Schneidezähne, 1 Eckzahn, 4
Prämolaren und 3
Molaren
(zusammen 44
Zähne),
[* 14] vor, von denen die letztern denen des
Flußpferdes glichen, und da auch der übrige
Schädel eine große
Ähnlichkeit aufweist, so hat man alleUrsache, anzunehmen, daß die
Sirenen einem gleich den
Flußpferden
dem Wasserleben angepaßten
Zweige der
Huftiere angehören und diesen anzuschließen sind.
Für die fleischfressenden Wale hatte man durch das Mittelglied der
Delphine den Anschluß bei den Seeraubtieren gesucht, allein
der englische Zoolog
Flower hat in einer vor einigen
Jahren veröffentlichten Abhandlung gezeigt, daß
auch dies
nur für einen Teil derselben wahrscheinlich ist, sofern einzelne
Arten in den Verdauungsorganen eine so große
Ähnlichkeit
mit
Huftieren darbieten, daß man eher einen Pflanzenfresser vor sich zu haben glaubt, der sich an Fleischnahrung gewöhnt
hat, was bekanntlich bei
Rindern, die
man in den Küstenländern mitFischen füttert, sehr leicht geschieht.
Die
Barten der zahnlosen Wale bieten nach
Flower die größte
Analogie zu den Querwülsten im
Gaumen des
Menschen und vieler andrer
Tiere, die sich schon beim
Rinde und noch mehr bei der
Giraffe zu förmlichen
Kämmen erheben, auch dann freilich nur als schwache
Andeutungen der gewaltigen
Horn- und Fischbeinbildungen gelten können, welche dieser
Klasse von
Walen als
Filtrierapparate dienen.
Schädel und
Gebiß sind durch das Emporrücken der Nasenlöcher (die bei den
Sirenen noch wie gewöhnlich
an der
Spitze des Oberkiefers liegen) und durch die Aufrichtung der früher schief nach vorn verlaufenen Nasenkanäle zu fast
senkrecht sich erhebenden Spritzlöchern so umgestaltet, alle Schädelknochen derartig verändert und
verschoben, daß eine erfolgreiche Vergleichung mit Landtierschädeln bei ihnen sehr erschwert ist, weshalb sich auch so
unbegründete Meinungen entwickeln konnten, als seien die Wale direkt aus lebendig gebärenden Meerreptilien
(Ichthyosaurus)
[* 15] hervorgegangen.
Alles, was man nach den Befunden bisher sagen konnte, war der auch durch die
Paläontologie bestätigte
Schluß, daß es sich um sehr alte
Anpassungen von Placentatieren an das Meeresleben handeln müsse, und die sehr früh auftretende
große Verschiedenheit der Gebißbildungen ließ von vornherein erwarten, daß daran Ahnentiere der verschiedensten
Klassen
beteiligt sein mochten. Neben dem schon im
¶
mehr
Eocän stark differenzierten Gebiß des Zeuglodon cetoides finden wir noch bei den heute lebenden Delphinen und Potwalen Gebisse
mit langen Reihen primitiver kegelförmiger, einwurzeliger, immerfort an der Wurzel
[* 17] weiterwachsender Zähne, wie man sie sonst
nur bei den niedersten Säugern (fossilen Beutlern und Zahnarmen) anzutreffen gewohnt war.
Nach derselben Richtung deutet ein neuer Fund von Kückenthal in Jena,
[* 18] der vor kurzem an einem aus dem Hafen
von Bombay
[* 19] stammenden Wal (Neomeris phocaenoides) eine Rückenpanzerung durch eine zusammenhängende Decke
[* 20] von Hautplatten entdeckte.
Diese Panzerung beginnt an dem 1,2 m langen Körper 34 cm hinter dem Munde und erstreckt sich als allmählich schmäler
werdender Streifen von 5 cmBreite
[* 21] 60 cm weit nach hinten. Sie wird aus einzelnen, durch Rinnen getrennten oblongen Platten von 5 mmLänge und 3-4 mmBreite gebildet, die sich mit der längern Achse in der Längsrichtung zu regelmäßigen Längs- und Querreihen
anordnen.
Zerstreute Schilder bedecken auch den obern Teil des Kopfes, ordnen sich regelmäßig um die Spritzlöcher
und bedecken reihenweise auch einen Teil der Vorderflossen und der Schwanzflosse. Das untersuchte Tier war ein trächtiges
Weibchen, und da sich an dem ca. 52 cm langen Embryo noch einige Platten mehr als an dem erwachsenen Tiere befanden, so deutet
dies darauf hin, daß der Panzer in der Rückbildung begriffen ist. Von dieser Thatsache ausgehend, wandte
sich Kückenthal der Untersuchung andrer Wale zu, um zu sehen, ob sich dort ähnliche Spuren fänden. Es zeigte sich, daß dies
in der That bei den obiger Art nächstverwandten Phocänen der Fall ist.
Die Hautplatten von Neomeris sind mit Höckern versehen, und ähnliche in Reihen gestellte Höcker fand
Burmeister bei Phocaena spinispinnis wieder. Auch das gemeine Meerschwein (Phocaena communis) besitzt solche regelmäßig angeordnete
Höcker, wenn auch nur in einer einzelnen, an der Rückenfinne verlaufenden Reihe. Es scheinen die letzten Reste einer bei
den alten Walen in größerer Ausdehnung
[* 22] vorhanden gewesenen Hautpanzerung zu sein, von der sich nur noch
bei der ersterwähnten indischen Art reichlichere Spuren erhalten haben.
Die größte Ähnlichkeit mit diesen Bildungen findet man bei den Gürteltieren. Den äußern Hornplatten derselben entspricht
jedesmal eine Verknöcherung der darunterliegenden Haut,
[* 23] und sie sind in ähnlicher Weise aneinander gefügt
wie bei dem Panzerwal. Dazu kommt noch, daß der Zahnwachstum der Delphine und Zahnwale entschiedene Ähnlichkeit mit dem der
Zahnarmen (Edentaten) aufweist. Bekanntlich bildeten die Zahnarmen in der Vorzeit ein viel reicher entwickeltes Geschlecht als
heute, dem auch mächtig entwickelte Formen in amerikanischen Riesenfaul- und Gürteltieren nicht mangelten.
Es wäre demnach gar nicht so unmöglich, daß ein Teil der heute lebenden Meersäugetiere auch diesem alten Zweige des Tierreichs
entsprossen sein könnte, und daß diese Wale und die heute lebenden Panzersäuger gemeinsame Ahnen gehabt haben könnten.
Dagegen würde auch die spärliche Behaarung der Wale nicht sprechen, die sich namentlich bei den Embryos
derselben findet, denn die Zwischenräume der Panzerplatten sind auch bei den Gürteltieren mit Haaren besetzt, manchmal so
stark, daß Euphractus villosus in seiner Heimat als »Peludo«, d. h. der Behaarte,
bezeichnet wird. Auch hier ist die Haarbildung nach der Beobachtung Kerberts das ältere, und die Platten werden erst
nach derselben angelegt. Freilich sind diese Ähnlichkeiten vorläufig
nur Ausblicke nach einer allerdings schon früher betonten
Richtung, und man kann dem entgegenhalten, daß sich in mancher Beziehung recht ähnliche Schilderbildungen bei sicher
nicht näher verwandten Wassertieren, wie Schildkröten,
[* 24] auf dem Schwanze des Bibers und in andern Fällen finden. Bei den
nackthäutigen Ichthyosauriern fand sich sogar, ganz entsprechend dem Befund bei Neomeris, am Vorderrand der Finne eine Längsreihe
von Platten als mutmaßlicher Rest einer auch bei den Ahnen dieser Tiere ehedem vorhanden gewesenen allgemeinen Panzerung, worin
natürlich nichts als eine Analogieerscheinung gesehen werden darf.