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zivilisierten Stämme des Indian Territory, betrachten sich immer noch als die eigentlichen Herren des Kontinents und die Weißen als unrechtmäßige Eindringlinge; an unzufriedenen und gefährlichen Häuptlingen, die im geheimen aufstacheln und aufreizen, fehlt es nie, und die vorwärts schreitende Zivilisation schmälert den Rothäuten nicht nur ihr Gebiet, sondern schädigt auch Wildstand und Jagdgründe, von denen der Büffel, ihr früheres Hauptwild, schon fast ganz verdrängt ist.
Auf der andern Seite werden die Indianer von den Agenten und Händlern häufig in den Waren und Lebensmitteln, die ihnen von der Regierung bewilligt sind, auf betrügerische Weise benachteiligt, und es ist sehr schwer für die Verwaltung, auf den ungefähr 100 Reservationen, d. h. den ihnen mit gänzlichem Ausschluß der Weißen vertragsmäßig überlassenen und gewährleisteten Ländereien, das Lieferungswesen so zu beaufsichtigen, daß die Mündel der Nation richtig alles empfangen, was ihnen zukommt.
Die sogen. Grenzer, die rauhen und oft gewaltthätigen Pioniere der Zivilisation, siedeln sich nicht selten auf Landstrecken an, die den Rothäuten verbürgt sind, und erregen dadurch bedenkliche Zwistigkeiten; endlich kauft die Regierung auf Antrieb des Volkes der Vereinigten Staaten, [* 2] welches den Indianern die von ihnen verhältnismäßig wenig angebauten und ausgenutzten Gebiete neidet, jetzt fast alljährlich eine oder mehrere der Reservationen ab, und wenn sie dieselben auch stets sehr gut bezahlt und die frühern Besitzer überhaupt in durchaus hochherziger Weise abfindet, so haben diese doch immer das Gefühl, daß sie beständig an dem Grund und Boden verlieren, der ihnen als den ursprünglichen Herren von Rechts wegen gehöre. Zu diesen stets mehr oder weniger wirksamen Kriegsursachen ist diesmal eine andre von eigentümlich religiöser Art hinzugekommen, die Erwartung von der Ankunft eines indianischen Messias und von dem Abbrechen des Tausendjährigen Reiches auf Erden.
Die seit etwa drei Jahren im Gange befindliche Bewegung scheint ursprünglich eine ganz harmlose gewesen und von einer Rothaut ausgegangen zu sein, die sich Friedensstifter nannte, Johnson Sides hieß und unter den Weißen wie unter den Indianern Nevadas allgemein bekannt war. Seine Lehren [* 3] gestalteten sich in dem Kopfe John Johnsons, eines Pi-Ute vom Walker-See in Utah, wo dieser Stamm eine Reservation bewohnt, zu einer seltsamen Schwärmerei um, deren ungefährlicher Messias sich aber in der Phantasie der Sioux- und Cheyenne-Krieger in einen blutdürstigen Propheten verwandelte, auf dessen Ruf die Erde sich öffnen wird, um die Weißen zu verschlingen, und in dessen Gefolge alle wieder zum Leben erfundenen toten Indianer und alle von den Jagdgründen verschwundenen Büffelherden wieder erscheinen werden. Er fordert die Indianer auf, als Vorbereitung auf die Ankunft des rothäutigen Messias den Geistertanz aufzuführen und dann den Kriegspfad zu betreten, die Weißen müßten alle sterben, den Indianern könne aber auch keine Todeswunde mehr etwas anhaben, denn sie würden sofort wieder auferstehen.
Viele Stämme folgten dem Gebot, sie tanzten den nächtlichen Geistertanz, der ihre Erregung immer mehr steigerte, bis sich zuletzt ein religiöser Fieberwahnsinn der Rothäute bemächtigte, die von der Südgrenze des Indian Territory nordwärts bis Kanada hausen. Die Regierung traf sofort die nötigen Vorsichtsmaßregeln und Vorkehrungen, um einen allgemeinen Aufstand im Entstehen zu unterdrücken, und General Miles (s. d.), der sich schon in frühern Indianerkriegen ausgezeichnet hat, zog die ihm zur Verfügung stehenden Truppen zum Teile aus weiter Ferne herbei und verteilte sie so geschickt, daß diejenigen Agenturen, auf welchen die Gärung am größten ist, von Bundesstreitkräften umstellt sind.
Von der Pine Ridge-Agentur in Süddakota haben sich einige tausend Sioux nach dem Sammelpunkt für alle Unzufriedenen, den sogen. Bad [* 4] Lands, zurückgezogen, die an der Mündung des Wounded Knee Creek beginnen und sich 110 engl. Meilen von NO. nach SW. und 50 Meil. von O. nach W. erstrecken. Es ist dies eine öde Felsenwüste mit jähen Steilschluchten und seltsamen Felsbildungen, die nur wenigen Weißen, desto besser aber den Rothäuten bekannt ist. Von hier aus können letztere Überfälle auf die angrenzenden Ansiedler ausführen und die Bundestruppen zwingen, ein für sie sehr gefährliches Gebiet zu betreten.
Sie haben dies auch bereits gethan und etwa 1000 Rinder [* 5] fortgetrieben, die zum Teil der Regierung, zum Teil Privaten angehören. General Brooke forderte sie auf, eine Gesandtschaft zu ihm nach der Pine Ridge-Agentur zur Beschwerdeführung und Unterhandlung zu schicken, und so erschienen denn auch 7. Dez. der erste Häuptling Two Strike und mit ihm noch andre, Turning Bear, Big Turkey, High Pine, Big Bad Horse und Bull-Dog; indessen gelangte man zu keiner Einigung. Seitdem haben bereits mehrere blutige Kämpfe mit erheblichen Verlusten auf beiden Seiten stattgefunden, der erste am 15. Dez. hatte den Tod Sitting Bulls (s. d.), dieses gefährlichsten aller Sachems (Häuptlinge), sowie seines Sohnes zur Folge. Im Repräsentantenhaus wurde dieser Fall 22. Dez. zum Gegenstand von zwei Resolutionen gemacht; Blanchard von Louisiana erklärte, der Tod des Häuptlings scheine unter Umständen herbeigeführt worden zu sein, welche weder durch die im Kriege noch durch die im Frieden geltenden Gesetze gerechtfertigt seien, und beantragte die Niedersetzung einer Kommission zur Untersuchung der Angelegenheit.
Dieselbe solle ferner befugt sein, Erhebungen über die Ursachen der gegenwärtigen Indianerwirren im Westen anzustellen und zu ermitteln, ob etwa vertragsmäßige Verpflichtungen vernachlässigt oder saumselig und unzulänglich erfüllt worden sind. McAdoo aus New Jersey brachte eine Resolution ein, welche ebenfalls erklärt, daß Sitting Bull in nicht zu rechtfertigender Weise getötet, und daß seine Leiche verstümmelt worden sei; der Kriegsminister Proctor sowie der Chef des Indianerdepartements Noble wurden aufgefordert, die amtlichen Berichte über die Gefangennahme und den Tod des Häuptlings dem Hause vorzulegen.
Die Jahresbotschaft des Präsidenten Harrison an den Senat und das Repräsentantenhaus vom 1. Dez. ist zunächst dadurch merkwürdig, daß sie auf den Wahlsieg vom 4. Nov. und die in demselben kundgegebene Stimmung des Volkes keine Rücksicht nimmt, sondern das Mac Kinleysche Tarifgesetz unverändert einer hinreichend langen Probe empfiehlt, von welcher er eine segensreiche Wirkung für das Land erwartet und die Annahme der Wahlzwangsbill, die zur Niederlage der republikanischen Partei erheblich beigetragen hat, dem Senat besonders ans Herz legt. Bei Besprechung der auswärtigen Angelegenheiten erwähnt er die Verhaftung und Tötung des Generals Barrundia, welcher auf einem Schiffe [* 6] der Vereinigten Staaten vergeblich versucht hatte, als Revolutionär von Mexiko [* 7] aus in Guatemala [* 8] einzudringen, und bezeichnete die Handlungsweise des Gesandten Mizner, indem er auf einem solchen Fahrzeug die Gefangennahme eines politischer Verbrechen angeklagten und ¶
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mit einem kriegsgerichtlichen Verfahren bedrohten Passagiers gestattete und herbeiführte, als eine Überschreitung seiner Macht, welche seine Abberufung von seinem Gesandtenposten zur Folge hatte. Hinsichtlich der Frage über das Beringsmeer teilt er mit, daß das Anerbieten der britischen Regierung, den Fall einem Schiedsgericht zu überweisen, nicht angenommen worden sei, da voraussichtlich kein für beide Teile zufriedenstellendes Ergebnis erzielt worden wäre. Er hoffe indessen ernstlich, daß vor der Eröffnung der nächsten Seehundsjagdzeit Abmachungen getroffen sein werden, welche den Vereinigten Staaten das ihnen von Rußland überkommene Eigentumsrecht sichern.
Als Vorlagen von höchster Wichtigkeit, die auf der Tagesordnung beider Häuser fast bereit zur endgültigen Beschlußnahme ständen, bezeichnet der Präsident die Entwickelung der amerikanischen Dampferlinien, die Gründung einer internationalen amerikanischen Bank zur Erleichterung des Geldverkehrs zwischen den amerikanischen Staaten, die Erleichterung der Arbeit des Oberbundesgerichts, die Errichtung eines Tribunals für die Ansprüche auf Grund spanischer und mexikanischer Landschenkungen, ein nationales Bankrottgesetz, endlich ein internationales Verlagsrecht.
Letztere Bill ist bereits vom Repräsentantenhaus angenommen worden, sie knüpft den Schutz gegen Nachdruck ausländischer Werke in den Vereinigten Staaten daran, daß deren Heimatsland dem Amerikaner gleichen Schutz gewährt, ferner daran, daß Ausländer, um zu diesem Schutz in den Vereinigten Staaten berechtigt zu sein, ihre Bücher von einem Satze, resp. von Stereotypplatten abdrucken lassen, die in den Vereinigten Staaten angefertigt sind. Durch diese letztere Bestimmung, die im Interesse der amerikanischen Drucker und Verleger getroffen ist, wird der ganze Schutz von sehr fragwürdigem Werte, da er den Schriftstellern des Auslandes nur wenig nutzt, den Druck- und Verlagsgeschäften desselben aber geradezu schadet.
Der Kriegsminister weist in seinem Berichte darauf hin, daß nirgends auf der Welt so großer Reichtum sich in so ausgesetzter Lage befände. Die Thatsache, daß Baltimore, [* 10] Philadelphia, [* 11] New York, Boston, [* 12] New Orleans und San Francisco mit Leichtigkeit von einer europäischen Flotte genommen werden könnten, sei eine beständige Bedrohung der Sicherheit der Nation. Er verlangt, daß diese großen Städte verteidigungsfähig gemacht werden, dann würde es keine Macht der Alten Welt versuchen, den Vereinigten Staaten den Krieg zu erklären. Die beste Friedensbürgschaft sei eine verständige Ausgabe für die Flotte, durch welche jene Mittelpunkte des Reichtums geschützt werden können, das sei der einzige Zweck für eine Vermehrung der Marine, denn einen Eroberungskrieg würde die öffentliche Meinung in Amerika [* 13] niemals billigen.