Rudolf, Männergesangskomponist, geb. zu
Lichtenau, wirkte als Chordirektor bei der Krollschen
Oper in
Berlin,
[* 4] war
Gründer und
Leiter des
Märkischen Zentralsängerbundes sowie der
»Deutschen Männergesangzeitung«
und starb Tschirch komponierte Männerchöre (am beliebtesten: »Frühlingsglaube«)
und Instrumentalstücke, von denen die »Hubertusjagd« alljährlich gelegentlich
der Hubertusjagd bei
Berlin in Gegenwart des königlichen
Hofes zur Aufführung gelangt.
Mit der
Entdeckung des Tuberkelbacillus durchKoch 1882 wurde erst der
Begriff der Tuberkulose ein
einheitlicher. Bis dahin standen sich zwei
Anschauungen schroff gegenüber: nach der einen hielt man schon damals, wie wir
es heute thun, die Tuberkulose für eine ansteckende
Krankheit (Vorkämpfer dieser
Anschauung waren Klenke, Villemin,
Klebs,
Cohnheim),
nach der andern aber war die Tuberkelbildung, das »Tuberkulisieren«, durch
eine besondereDisposition bedingt, und konnte beim disponierten
Individuum jeder
Reiz zur Tuberkelbildung
führen
(Virchow).
Diese
Disposition sollte in einer besonders großen
Empfindlichkeit und Verwundbarkeit der
Schleimhäute bestehen; dieselben
sollten leicht zu
Entzündungen geneigt sein, welche ihrerseits schwer ausheilen sollten. Als
Symptom dieser
Disposition galt
die
Neigung zu Drüsenvereiterungen und Verkäsungen, dieSkrofulose. Zahlreiche
Versuche, die infektiöse
Natur der Tuberkulose durch Tierexperimente zu beweisen, gelangen zwar, wurden aber von den Gegnern nicht anerkannt,
da es angeblich gelungen sein sollte, auch durch Verimpfung nicht tuberkulöser
Substanzen Tuberkulose zu erzielen, und
Cohnheim selbst,
der eifrigste Verfechter der
Lehre
[* 5] von der infektiösen
Natur der Tuberkulose mußte es erleben, daß ihm seine
mit nicht infektiösen Gegenständen
(Papier- und Baumwollbäuschchen etc.) unter die
Haut
[* 6] geimpften
Meerschweinchen tuberkulös
wurden. (Jetzt, seit man die Art der Ansteckungserreger kennt, ist dies nicht mehr zu verwundern, in den
Ställen, in welche
die frisch verwundeten
Tiere gesetzt wurden, waren zuvor schon wiederholt tuberkulöse
Tiere gehalten worden,
die neuen Versuchstiere hatten sich also hier ihre frischen
Wunden infiziert.)
Es gelang aber
Cohnheim doch, in Vereinigung
mit Salomonsen, durch
Impfung
[* 7] in die vordere Augenkammer von
Kaninchen
[* 8] zu beweisen, daß den tuberkulösen
Geweben ein
Gift innewohnen
müsse, welches wiederum Tuberkulose erzeugen könne, aber, wie die Gegner sagten, nur bei disponierten,
skrofulösen
Tieren.
Und
Cohnheim selbst schließt in seiner 1877 erschienenen allgemeinen
Pathologie die betreffenden
Erörterungen mit den
Worten:
»So sind wir denn nach wie vor darauf angewiesen, uns aus der Geschichte der menschlichen
Tuberkulose selbst die
Entscheidung darüber abzuleiten, ob sie eine reguläre Infektionskrankheit oder das
Produkt
einer
Konstitutionsanomalie des
Individuums ist.
Gern aber gestehe ich zu, daß ein sicherer
Beweis weder für das eine noch
für das andre bis jetzt beigebracht ist. Kennten wir nur die
Natur, sozusagen die
Gattung des etwanigen tuberkulösen
Giftes,
so würden wir sichere Anhaltspunkte für die
Entscheidung haben.« So stand die Tuberkulosefrage, als
R.Koch 1882 seine ersten Mitteilungen über die
Ursache der Tuberkulose machte.
Zuerst gelang esKoch, vermittelst einer sehr komplizierten Färbemethode in den
Organen künstlich durch
Impfung tuberkulös
gemachter
Tiere eigentümliche Bacillen nachzuweisen.
Als er diese Bacillen in sogen. Gewebsausstrichen und
-Schnitten gefunden
hatte, ging
er an den Nachweis derselben in den verschiedenartigsten, tuberkulös erkrankten
Organen sowie
im Lungenauswurf der Schwindsüchtigen. Überall, in den phthisischen
Lungen, in skrofulösen
Drüsen, in den chronischen
Knochen-
und
Gelenkentzündungen, bei der sogen. akuten Miliartuberkulose und beim
Lupus (s. d., Bd.
10), fanden sich dieselben Stäbchen.
Damit war aber noch nicht ausgesprochen, daß diese Stäbchen die Erreger der
Krankheit sein müßten.
Dieser
Beweis wurde geliefert durch die Reinzüchtung der Stäbchen und die künstliche Erzeugung der Tuberkulose mittels
dieser Reinkulturen, d. h. mittels der von allen
Bestandteilen des erkrankten
Organs, von dem sie stammten, befreiten
Bakterien.
Nach manchem vergeblichen
VersuchfandKoch die diesenBakterien zusagenden Lebensbedingungen: auf im Brutschrank
bei
Körpertemperatur gehaltenem erstarrten Blutserum wurden nach 14tägiger Wachstumsdauer die gesuchten Reinkulturen erhalten,
und mittels dieser konnteKoch, einerlei, ob sie aus einer schwindsüchtigen
Lunge
[* 9] oder einer skrofulösen
Drüse, aus einem
kranken
Organ eines perlsüchtigen
Rindes oder aus dem Hautlupus eines
Menschen stammten, stets mit derselben
unfehlbaren Sicherheit bei Versuchstieren Tuberkulose erzeugen; damit war die
Kette der Beweisführung, daß diese Bacillen die
Ursache
jeglicher Art von Tuberkulose bilden, geschlossen.
Bezüglich des Nähern über die Tuberkelbacillen vgl. den Art.
Bakterien, Bd. 2, sowie die zugehörige Tafel,
[* 1]
Fig. 4. Das
neu Gefundene für die Behandlung der Tuberkulose verwertbar zu machen, war schon von seiner
Entdeckung ab
Kochs
Bestreben gewesen, aber alle diesbezüglichen
Versuche schlugen fehl. Man glaubte damals noch, man könne gegen pathogene
Bakterien im
Körper unmittelbar, gleichsam desinfizierend vorgehen, doch bestätigten sich diese
Hoffnungen nicht, schon aus
dem einen
Grunde, weil die Tuberkelbacillen sich in hohem
Maße widerstandsfähig gegen desinfizierende
Substanzen erwiesen. So legte dennKoch, stets aufs
Praktische losgehend, schon in seiner Mitteilung 1882 den Hauptwert auf
die hygienisch-vorbeugende Bedeutung seiner
Entdeckung und wies schon damals nachdrücklich auf die
Gefahren hin, welche die
nachlässige und unreinliche Behandlung des Lungenauswurfs von seiten
¶
mehr
der Kranken mit sich bringe, und am Schlusse seiner damaligen Ausführungen betonte er, daß es ihm nicht mehr verfrüht erscheine,
mit prophylaktischen Maßregeln gegen die Tuberkulose vorzugehen. Diese Gedanken wurden neuestens weiter verfolgt in einer Arbeit von
Cornet, welche das große Verdienst hat, nachgewiesen zu haben, wo sich die Tuberkelbacillen außerhalb
des menschlichen Körpers vorfinden, und wo dem entsprechend für den Menschen die Gefahren lauern, von der Tuberkulose befallen zu werden.
Während nämlich bis dahin häufig der Ansicht gehuldigt worden war, daß die Tuberkelbacillen überall in der Luft herumschwirren,
und daß somit jeder Mensch stetig der Gefahr, angesteckt zu werden, ausgesetzt, eine wirksame Prophylaxe
also unmöglich sei, sowie daß das Ergriffen- oder Nichtergriffenwerden von Tuberkulose lediglich Folge der individuellen Disposition
sei, wies Cornet nach, daß die Tuberkelbacillen sich nur an solchen Orten vorfinden, an welchen Lungenschwindsüchtige sich
für längere Dauer aufhalten, also in deren Wohnungen, und zwar konnte Cornet auch hier nur dann die Bacillen
nachweisen, wenn die Kranken die üble und unreinliche Gewohnheit hatten, auf den Boden oder ins Taschentuch zu spucken. In
solchen Fällen wurden im Staube der Wohnung, an den Wänden, Bettleisten, allerlei Vorsprüngen mit großer Regelmäßigkeit
infektionstüchtige Tuberkelbacillen nachgewiesen, ebenso regelmäßig wurden sie dagegen vermißt in
den Wohnungen solcher Kranken, welche sich ausschließlich des Spucknapfes zur Entleerung ihres Auswurfs bedienten.
Auch an verkehrsreichen Orten, in Wartesälen, auf belebten Straßen etc. wurden Tuberkelbacillen niemals nachgewiesen. Aus
diesen Beobachtungen ergibt sich die ebenso wichtige und wirksame wie einfache prophylaktische Maßregel: der Lungenkranke
soll seinen Auswurf niemals anders als in einen Spucknapf (der etwas Wasser oder Karbollösung enthält)
entleeren, es sollen in den Wohnungen, in Theatern, Wirtschaften und an ähnlichen öffentlichen Orten Spucknäpfe in hinreichender
Zahl aufgestellt werden, damit die Kranken nicht genötigt werden, den Boden oder ihr Taschentuch durch ihren Auswurf zu beschmutzen.
Die große Gefahr von solchem Verhalten liegt nämlich darin: kommt der Auswurf auf den Boden, so trocknet
er hier allmählich ein, durch das Gehen wird die eingetrocknete Masse zu einem feinen Pulver zerrieben und mischt sich, aufgefegt
durch das Gehen im Zimmer, durch die langen Kleider der Frauen, der Luft bei und wird eingeatmet. Noch gefährlicher
sind die Taschentücher: der in denselben enthaltene Auswurf trocknet hier, unter dem Einfluß der höhern Temperatur, welche
das Taschentuch vom nahen Körper annimmt, besonders rasch ein, das Herausziehen und Entfalten gibt zum Zerstäuben und Zerreiben
Anlaß, und dabei mischen sich die zarten, leichten Stofffäserchen den getrockneten Sekretbröckchen bei und
versehen diese, welche an sich spezifisch ziemlich schwer sind und Neigung haben, sich zu Boden zu senken, gleichsam mit Schwingen
und hindern sie am Absetzen.
Die Thatsache, daß man Tiere mit Leichtigkeit tuberkulös machen kann, wenn man sie zerstäubten Auswurf Schwindsüchtiger
atmen läßt, daß unter allen Formen der Tuberkulose primäre Lungenschwindsucht weitaus die häufigste ist, die
erwiesene Häufung der Schwindsuchtsfälle bei engem Zusammenwohnen der Menschen in Gefängnissen, Klöstern und ähnlichen
Anstalten, besonders aber auch in den großen, dicht bevölkerten Städten sind Beweise genug, daß auch die Übertragung der
Schwindsucht durch Einatmung der Tuberkelbacillen erfolgt.
Auch sehr viele derjenigen Fälle, in welchen die Lungenschwindsucht in einer Familie herrscht, sind nicht
auf eine Vererbung der Tuberkulose selbst oder der Disposition zurückzuführen, sondern auf eine infizierte Wohnung, in welcher sich
ein Familienglied nach dem andern infiziert. Eine Vererbbarkeit der Tuberkulose, d. h.
der Bacillen selbst, kommt ohne Zweifel in seltenen Fällen vor, sie fällt aber außerordentlich wenig
ins Gewicht. Auch eine Vererbung einer Disposition soll nicht geleugnet werden, doch ist jedenfalls die Disposition für die
Krankheit eine viel allgemeinere als die Gefahr der Infektion.
Ein kräftig gebauter Körper mit normalem Stoffwechsel, der viel in freier Luft lebt, ist wenig disponiert, ein von kränklichen
Eltern abstammender, in ärmlichen Verhältnissen, in Not und Schmutz und engen Wohnungen aufgewachsener
Mensch, dem auch sein Beruf oder Kränklichkeit den Genuß der freien Luft verbietet, ist mehr geneigt, an Tuberkulose zu erkranken. Die
hieraus sich ergebenden prophylaktischen Maßnahmen sind selbstverständlich; neben diesen sind aber noch von weit größerer
Bedeutung die oben erwähnten zur Verhütung des Zerstäubens des Auswurfs.
Hierzu kommen noch die regelmäßige Reinhaltung der Spucknäpfe, peinliche Reinlichkeit mit Bett
[* 11] und Leibwäsche, event.
sofortiges Auskochen derselben, wenn sie (was bei Schwerkranken nicht selten) durch Auswurf trotz aller Vorsicht dennoch verunreinigt
wurde (betreffend Desinfektion
[* 12] des Krankenzimmers vgl. Desinfektion, Bd. 17, und im vorliegenden
Bande: Gesundheitspflege, S. 358). Darf man in ein Zimmer, in eine Wohnung ziehen, in welcher ein Schwindsüchtiger gewohnt hat,
bez. gestorben ist? Ja; man soll aber die Wände erst mit Brot
[* 13] abreiben, dann neu tapezieren oder streichen, den Boden mit Sublimat
1:1000 auswaschen, mit heißem Wasser und Soda nachwaschen, Parkett mit Eisenspänen abreiben und wichsen
lassen.
Betten, Kleider und Wäsche Schwindsüchtiger müssen im strömenden Dampf
[* 14] von mindestens 100° desinfiziert werden. Hierzu
sind städtische Desinfektionsanstalten überall dringendes Erfordernis. Daß zur Desinfektion von Betten die gewöhnlichen
Bettfedernreinigungsanstalten ganz Ungenügendes leisten, hat Cornet durch sehr sinnreiche Versuche nachgewiesen. Dies alles
sind Anforderungen, welche das Publikum kennen muß, um an der hygienischen Kulturaufgabe unsrer Tage, der
Ausrottung dieser schlimmsten Geißel der Menschheit, wirksam mitarbeiten zu können.
Hatten auch, wie oben erwähnt, die anfänglichen Bestrebungen Kochs, ein Heilmittel zu finden, welches die Tuberkelbacillen
im Körper vernichten oder an ihrer weitern Entwickelung verhindern könnte, anfänglich keinen Erfolg gehabt,
so war dennoch sein Bestreben unausgesetzt auf dieses Ziel gerichtet, und beim zehnten internationalen MedizinischenKongreß
(s. d., S. 607 f.) in Berlin im August 1890 überraschte er die Welt mit der Mitteilung, daß er nunmehr Substanzen getroffen
habe, »welche nicht bloß im Reagenzglas, sondern auch im
Tierkörper das Wachstum der Tuberkelbacillen aufzuhalten im stande seien«. Später verlautete ab und zu in der Tagespresse,
daß das angedeutete Mittel jetzt in Spitälern bei Menschen angewandt werde, und erschien Kochs denkwürdige Mitteilung
über sein Heilmittel und über dessen Wirkungen auf gesunde und auf tuberkulös erkrankte Menschen. Noch ist
die Zusammensetzung und die Art der Herstellung des Mittels nicht zur allgemeinen Kenntnis gebracht und zwar aus sehr begreiflichen
Gründen. Schon die erste
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