Seminare, pädagogische (Entwickelung in Deutschland)
mehr
der
Sonne,
[* 2] zuwendeten. Sie mußten aber, um die
Erscheinung deutlich zu zeigen, zunächst dafür empfindlich gemacht werden.
Zu diesem
Zwecke säete er die
Samen
[* 3] besonders lichtempfindlicher
Pflanzen, wie
Wicken und
Linsen, in
Blumentöpfe und stellte
die
Keimlinge, nachdem sie einige
Zoll hoch gewachsen waren, an einen sehr dunkeln Platz, so daß die
Stengel
[* 4] dünn und weiß, die wenigen Blättchen gelb wurden. Dann setzte er die
Pflanzenan drei aufeinander folgenden
Nächten dem
Vollmondschein an einem
Fenster aus und konnte dabei deutliche Biegungen der
Stengel feststellen. Da diese
Versuche bei den
Botanikern auf
Zweifel stießen, so hat er dieselben im Juli und
August 1889 mit erwachsenen
Pflanzen auf
einem über 1000 m hohen Beobachtungsort der
DauphineerAlpen,
[* 5] woselbst die Mondstrahlung viel stärker als in der
Ebene ist,
in mehreren besonders hellen Vollmondnächten mit vollkommenstem Erfolg wiederholt. Die
Richtung einer gewissen Anzahl von
Pflanzenstengeln wurde am
Abend mittels kleiner Meßstäbchen genau festgestellt, dann über
Nacht in mehreren
Zwischenräumen beobachtet und jedesmal durch ein neues Zeichen markiert. Das Gesamtergebnis war, daß sich die
Mehrzahl der
Stengelspitzen dem
Monde in ähnlicher
Weise wie der
Sonne, nur in viel schwächerm
Grade, zuwendete.
pädagogische.Über die praktische
Ausbildung der
Lehrer an höhern
Schulen (Gymnasien,Realschulen),
wie sie bisher in
Deutschland
[* 6] und namentlich in
Preußen
[* 7] üblich war, geben die
ArtikelProbejahr (Bd. 13, S. 397) und
Seminar
(Bd. 14, S. 853) kurze Auskunft. Der Gegenstand hat im letzten
Jahrzehnt die öffentliche Meinung in weitern Umkreisen lebhaft beschäftigt und ist 1890 in
Preußen durch neue ministerielle
Vorschriften geregelt worden.
Daher hier ein etwas ausführlicherer Überblick über die Vorgeschichte
und den
Inhalt der vom
Minister v.
Goßler erlassenen
Ordnung der praktischen
Ausbildung der
Kandidaten für das Lehramt
an höhern
Schulen. Seit die pädagogischeWissenschaft und
Kunst im Beginn des 17. Jahrh. auf Grundlage derPsychologie
sich selbständig zu gestalten begann, mußte die
Notwendigkeit geeigneter Vorbildung der
Lehrer, namentlich und zunächst
für höhere
Schulen, empfunden werden.
WolfgangRatichius (s. d., Bd.
13) erteilte an seiner
Musterschule in
Köthen
[* 8]
Unterricht für
Lehrer in seiner neuen
Methode. Wo seine Anregung trotz des Mißlingens
seiner unmittelbaren
Unternehmungen nachwirkte, wie bei dem geistvollen
HamburgerPastorJohann Balthasar
Schuppius (s. d., Bd.
14), sprach sich auch die Einsicht aus, daß nicht ohne weiteres jeder leidlich vorgebildete Theolog zum Schulmann geeignet
wäre.
Bei den
Jesuiten gewährte naturgemäß der
Orden
[* 9] selbst mit seinen strengen didaktischen Vorschriften die nötige praktische
Schulung für die
Lehrer ihrer Kollegien. Im evangelischen
Deutschland gab zuerst
AugustHermannFrancke an
seinen berühmten Halleschen Anstalten der praktischen Anleitung theologischer
Studenten zum
Unterrichten festere Form in seinem
Seminarium selectum praeceptorum (1707), worin die Mitglieder durch Besuch des
Unterrichts bewährter
Lehrer, durch theoretische
und methodische
Aufsätze, die der
Leiter beurteilte, und durch eigne, beaufsichtigte Lehrversuche sich
für das höhere Schulamt vorbereiteten.
Ähnliche Einrichtung hatte das pädagogischeSeminar, das (1737) in
Göttingen
[* 10]
JohannMatthiasGesner errichtete. Aber diese
Anstalten wie die ähnlichen
Versuche des vorigen
Jahrhunderts an den
Universitäten lenkten allmählich in
die
Bahn rein philologischer
Fachstudien ein und verloren den eigentlich pädagogischenZweck mehr und mehr aus den
Augen. So auch das
jüngere pädagogischeSeminar zu
Halle
[* 11] unter
Semler,
Schütz,
Trapp,
Wolf, obwohl der von der sogen. philanthropischen
Pädagogik
stark beeinflußte preußische
Minister v.
Zedlitz (s. d., Bd.
16) alles that, um die praktisch-pädagogische Seite der Lehrerbildung ihnen gegenüber zu betonen.
Erst unter dem jetzigen
Leiter, dem
DirektorFranzKern, ist die Anstalt wieder mit einer einzelnen höhern Lehranstalt, dem
Köllnischen
Gymnasium, enger verknüpft worden. Im
Laufe des 19. Jahrh. ist zu diesen ältern Seminaren
noch eine Anzahl ähnlicher in
Breslau,
[* 14]
Stettin,
[* 15]
Königsberg,
[* 16] seit 1884 in
Magdeburg,
[* 17]
Danzig,
[* 18]
Posen,
[* 19]
Kassel,
[* 20]
Münster,
[* 21]
Koblenz
[* 22] getreten.
Sie werden meistens von den
Schulräten der Provinzialschulkollegien geleitet und gewähren nebenbei Gelegenheit zur Berührung
mit der Unterrichtspraxis an einzelnen höhern Lehranstalten der Provinzialhauptstädte.
Zwei fast selbständige Abteilungen hat das pädagogischeSeminar in
Göttingen, deren erste eng an das philologische
Seminar
der
Universität angeschlossen, deren zweite dagegen dem
Gymnasium einverleibt ist. Außer
Preußen entstanden ähnliche öffentliche
Anstalten in
Verbindung mit den
Universitäten (praktische Übung an Schulanstalten des Universitätsortes) zu
Heidelberg,
[* 23]Tübingen,
[* 24] Freiburg,
[* 25] Leipzig
[* 26] und außer
Göttingen (s.
oben) in dem gleichfalls später preußisch gewordenen
Kiel.
[* 27] In
Gießen
[* 28] schließt das pädagogische
Seminar, obwohl dessen
Leiter zugleich
Professor der
Pädagogik an der
Universität und
Direktor des
Gymnasiums ist, sich unmittelbar
nur diesem an. Die meisten dieser Anstalten drückt oder drückte doch bis in die neueste Zeit der Mangel,
daß sie die eigentlich praktische Anleitung, weil nicht an eine bestimmte
Schule angeschlossen, nicht genug berücksichtigen
können. Gegen alle in und außer
Preußen war zu sagen, daß sie nur einer geringen Minderzahl der künftigen
Lehrer der höhern
Schulen die planmäßige Einschulung für ihr berufliches Wirken ermöglichten, während die
Mehrzahl der
Kandidaten in dieser Hinsicht ganz auf das sehr verschieden behandelte und in den meisten
Fällen ziemlich unfruchtbare
Probejahr
angewiesen blieb.
Diese Mängel sind längst empfunden, und an
Vorschlägen und
Versuchen, ihnen abzuhelfen, hat es nicht gefehlt. Solche
Versuche
sind teilweise aus dem
Schoße der einzelnen beteiligten Schulwissenschaften hervorgegangen, wodurch eine
(gleichfalls jedoch nach Zahl und
Umfang dem
Bedürfnis nicht entsprechende)
Reihe von Fachseminaren für Religionslehrer
(Magdeburg),
Lehrer neuerer
Sprachen
(Berlin),
[* 29]
Lehrer der Naturkunde (z. B.
Bonn,
[* 30]
Königsberg,
Halle) u. a. entstand. Auch abgesehen von der
äußern Unzulänglichkeit, liegt auf der
Hand,
[* 31] daß derartige Seminare, von hervorragenden Fachgelehrten
geleitet, im ganzen
¶
mehr
nicht geeignet sind, gerade die pädagogisch-praktische Berufsbildung der Lehrer zu fördern. Nachdrücklich betonten dagegen
diesen Gesichtspunkt der Begründer der wissenschaftlichen PädagogikJohannFriedrichHerbart und seine Jünger. Das für ihr
Bemühen typische pädagogische SeminarHerbarts in Königsberg (1810) war eine selbständige, mit eigner Übungsschule versehene
Anstalt, an der unter des Professors Leitung zwei angestellte Lehrer und als Seminaristen bis zu zehn Studenten
den Unterricht erteilten.
Nach diesem Muster plante HerbartsSchülerBrzoska (1836) in Jena
[* 33] ein pädagogisches Seminar in großem Stile, das aber seines
frühen Todes wegen über die ersten Anfänge nicht hinauskam. Glücklicher waren die Herbartianer FranzVolkmarStoy
(1844) in Jena, Tuiskon Ziller (1861) und LudwigStrümpell in Leipzig. Aber ihre Anstalten kamen im ganzen weniger den eigentlichen
Lehrern höherer Lehranstalten zu gute als pädagogisch angeregten Theologen und emporstrebenden Volksschullehrern.
Auch ist nicht zu leugnen, daß die (fast ausnahmslos kleinen und wenig gegliederten) Übungsschulen dieser Herbartschen
pädagogischen Seminare ein treues Bild der Arbeit, welche die Lehrer an öffentlichen höhern Schulen später
zu leisten haben, nicht gewähren können. Endlich ist überhaupt gegen die an die Universitäten angeschlossenen pädagogischen
Seminare einzuwenden, daß sie entweder (nur nebenbei von den Studierenden besucht) wenig nützen können, oder (in den Mittelpunkt
des Studiums gerückt) die fachwissenschaftlichen Studien wesentlich beeinträchtigen müssen. Es ist denn
auch namentlich von Stoy durch seine Schüler bezeugt, daß er solche Teilnehmer seines pädagogischen Seminars in Jena bevorzugte,
die das eigentliche akademische Studium bereits hinter sich hatten.
Unter solchen Umständen war lange, bevor das größere Publikum aufmerksam auf diese Frage ward, in Fachkreisen
die Notwendigkeit anerkannt, der praktischen Vorbildung des höhern Lehrstandes eine vermehrte staatliche Fürsorge zuzuwenden.
Schon die zur Beratung der Schulfragen 1849 berufene BerlinerKonferenz von Sachverständigen sprach sich in diesem Sinn aus.
Aber die Sache ruhte, von brennendern Fragen zurückgehalten, noch lange. Im J. 1876 hatte die Spannung
im Lehrerstand selbst sich so verstärkt, daß unter Stoys und Jürgen BonaMeyers Leitung in Bonn28. Mai eine eigne pädagogische
Konferenz zum Austausch über die Vorbildung der Lehrer zum höhern Schulamt zusammentrat.
Die Versammelten entschieden sich trotz Stoys Vorgang in Jena gegen das Herbartsche pädagogische Universitätsseminar, ohne
jedoch genaue eigne Vorschläge zu formulieren. Inzwischen tauchte mit steigender Gewalt die Anklage der
Überbürdung gegen die höhern Schulen empor, und die Ankläger benutzten (ost mit rücksichtsloser Übertreibung) die längst
im Lehrerstand empfundenen Schwächen der herkömmlichen pädagogischen Vorbildung als willkommene Argumente. Das Verdienst,
dem gegenüber den Weg der wirksamen Abhilfe recht deutlich gezeigt zu haben, gebührt vor allem dem
Direktor der Franckeschen Stiftungen in Halle, OttoFrick (s. d., Bd.
17), der 1881 das alte Franckesche Seminarium praeceptorum in zeitgemäßer Gestalt erneuerte. Der königlich sächsische
Kultusminister v. Gerber sprach im folgenden Jahre die Ansicht amtlich aus, daß die praktische Vorbildung
vorzugsweise auf die Zeit nach dem beendeten Universitätsstudium zu verlegen und an bestimmte Anstalten, welche zu diesem
Behuf entsprechend eingerichtet werden müßten,
zu weisen, auch das auf die praktische Vorbildung gerichtete, etwa zweijährige
Studium durch eine zweite, vorzugsweise pädagogische und praktische Prüfung abzuschließen wäre.
Gleichzeitig machte der preußische Kultusminister v. Goßler dem Landtag eine Vorlage, wonach dem Probejahr
noch ein zweites Jahr auftragsmäßiger Beschäftigung der jungen Lehrer folgen und dieses mit einer zweiten praktischen Prüfung
(wie sie übrigens vor 1866 bereits in Kurhessen und Nassau bestand) abschließen sollte. Die Vorlage, die dem Landtag einerseits
zu wenig zu bieten, anderseits zu viel zu fordern schien, drang nicht durch. Die Bewegung ging aber fort
und ward durch die Errichtung einiger neuer pädagogischer Seminare am Sitze der Provinzialschulkollegien nicht aufgehalten.
Außer Frick, der zugleich litterarisch mehrfach für seinen Plan eintrat (s. unten), hatte inzwischen der hessische Gymnasialdirektor
und ProfessorSchiller in Gießen das nach dem BerlinerMuster 1876 errichtete dortige pädagogische Seminar
wesentlich in Fricks Sinne mit unverkennbarem Erfolg entwickelt. Die pädagogische Sektion der 38. Versammlung deutscher Schulmänner
und Philologen faßte 1885 in Gießen folgende Beschlüsse:
1) Die Sektion vermag nicht anzuerkennen, daß das Probejahr in seiner gegenwärtigen Einrichtung die Gewähr biete, daß
den Berufsgenossen eine wohlgeordnete praktische Durchbildung und eine ausreichende pädagogische Unterweisung zu teil werde.
2) Sie spricht ihre Überzeugung dahin aus, daß eine solche Ausbildung am besten durch die Teilnahme an einer Art von seminaristischem
Kursus erreicht werde.
3) Solche Kurse werden ihres Erachtens am angemessensten an bestimmten, von den Schulbehörden auszuwählenden
Lehranstalten eingerichtet werden, an welchen in der Regel die Direktoren unter Beihilfe von Fachlehrern für längere Zeit
mit der Leitung zu betrauen sind.
Aus diesen geschichtlichen Vorgängen ist der Erlaß des Ministers v. Goßler vom zu verstehen, durch den (nach erfolgter
Bewilligung der Mittel) diese Frage für Preußen einstweilen zum grundsätzlichen Abschluß gelangt ist. Die Ordnung der praktischen
Ausbildung der Kandidaten für das Lehramt an höhern Schulen, mit der in der Hauptsache die Gießener Beschlüsse
von 1885 ausgeführt werden, enthält folgende wesentliche Vorschriften:
(§ 1.) Behufs Erwerbung der Anstellungsfähigkeit an höhern Schulen haben sämtliche Kandidaten nach bedingungslos bestandener
wissenschaftlicher Prüfung für ihren Beruf praktisch sich auszubilden. Die Ausbildung erfolgt unter der Leitung bewährter
Schulmänner und unter der Aufsicht des Provinzialschulkollegiums. (§ 2.) Die praktische Ausbildung dauert
zwei Jahre und besteht aus einem Seminarjahr und einem darauf folgenden Probejahr. A. Das Seminarjahr ist dazu bestimmt, die
Kandidaten entweder an einem der vorhandenen pädagogischen Seminareoder an einer den Zwecken des Seminarjahrs entsprechend
eingerichteten höhern Lehranstalt von neun Jahrgängen, bez. der
Vorschule derselben mit den Aufgaben der Erziehungs- und Unterrichtslehre in ihrer Anwendung auf höhere Schulen und insbesondere
mit der Methodik der einzelnen Unterrichtsgegenstände bekannt zu machen sowie durch Darbietung vorbildlichen Unterrichts und
durch Anleitung zu eignen Unterrichtsversuchen zur
¶