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gibt prächtige historische Charakterbilder und Interieurs. Durch eine neue Gedichtsammlung: »På gröna stigar« (1889), geht eine friedvolle Stimmung. Aufopfernde Liebe und Selbstlosigkeit, uneigennütziges Wirken für andre, Arbeitslust und Arbeitsruhe, wie die Glück und Freude des Lebens bringenden und erhaltenden Mächte sind hier in wahrheitstreuen und echten Bildern aus dem Leben mit feinem und wahrem Gefühl gezeichnet. Durch seine letzten Gedichtsammlungen hat sich Bååth einen Platz in der ersten Reihe der jetzt lebenden Dichter erobert, und kein andrer übertrifft ihn an Farbenreichtum und Lebendigkeit der Bilder. Außerdem hat er eine Reihe meisterhafter Übersetzungen und Bearbeitungen altisländischer Sagas herausgegeben. Gegenwärtig arbeitet er an einem längern Dichtungscyklus: »En kärlekssaga från 1600 talet«.
Ein andrer junger Dichter, Edvard Fredin, machte sich anfangs durch seine Gedichte in radikalem Geiste bekannt, erwies sich aber erst als hervorragender Dichter in einer Sammlung von Übertragungen fremder Dichter und später durch einen Gedichtcyklus mit historischem Vorwurf: »Vår Daniel« (1889). Aber zugleich mit dem Erscheinen dieser Arbeit schied der vielversprechende junge Dichter aus dem Leben.
Auf dem Boden der Prosadichtung wurde der Umschlag merkbarer. Frau Victoria [* 2] Benedictsson (Ernst Ahlgren) läßt in ihrem Roman »Fru Marianne« (1887) die werktägliche Arbeit und den festen Charakter siegreich gegen das ästhetisierende Genußleben, die erschlaffende Selbstanalyse und die soziale Kritik auftreten und zwei sich völlig unähnliche Gatten sich zu richtigem Verständnis und gegenseitiger Achtung durchringen. Sie erwies sich hier und in zwei Novellensammlungen (»Folklif och små berättelser«, 1887, und »Berättelser och utkast«, 1888) als eine Meisterin erster Klasse in der Schilderung des Lebens.
Edler Stil, glänzende Charakterzeichnung, gesunde Auffassung und Frische sowie ein feiner Humor kennzeichnen diese Arbeiten. Aber eine unheilbare Hypochondrie bemächtigte sich ihrer mit immer stärkerer Hand, [* 3] während sie diese lebensfrohen Bilder malte, und 1888 suchte sie die Befreiung davon durch den Tod von eigner Hand. Ihre litterarische Hinterlassenschaft (den Roman »Modern«, zwei Novellensammlungen und einige Schauspiele) hat nach ihrem Tode Axel Lundegård geordnet und herausgegeben, welcher auch nach ihren Briefen und Aufzeichnungen eine sehr interessante Selbstbiographie der unglücklichen Schriftstellerin zusammenstellte.
Die übrigen Autoren begannen ebenfalls in den letzten 80er Jahren von der Problemdichtung sich abzuwenden und jeder seinen eignen Weg zu gehen. In Nordensvans Arbeiten begann ein frischer Humor, eine befreiende Stimmung, zuweilen gewürzt durch eine scharfe Satire, Platz zu greifen; Gejerstam und Frau Agrell widmeten sich mehr der Schilderung des Volkslebens, und der erstere schrieb mit Erfolg Komödien. Levertin vertiefte sich in litterarhistorische Forschungen und hat später tiefglühende, wehmuterfüllte Dichtungen herausgegeben.
Frau Leffler-Edgren-Cajanellos letzte Arbeit (»Kvinlighet och erotik«, 1890) schildert mit nur allzu glühenden Farben die sinnliche Liebe; Tor Hedberg hat sich mehr und mehr und mit Erfolg der psychologischen Analyse zugewendet, Strindberg begann für eine radikale Aristokratie zu kämpfen und »hjärnornas kamp« zu schildern. Gleichzeitig trat ein neuer Schriftsteller, Verner v. Heidenstam, auf, welcher mit Frische, Lebendigkeit und Farbenreichtum in Vers und Prosa das Wort für das Recht der Phantasie und der Lebensfreude (»Från Col di Tenda till Blocksberg«, 1888; »Vallfart och vandringsår«, 1888; »Endymion«, [* 4] 1889) ergriff. Mit Vorliebe stellte er das farblose und mühevolle Arbeiterleben des Westens dem farbenreichen, müßigen Genußleben des Ostens gegenüber. »Endymion«, eine nahezu klassische Dichtung voll Stimmung, Farbe und Poesie, durchweht eine sanfte Wehmut bei dem Gedanken, daß der das Dasein genießende Orient ohne Lebenskraft und daß sein Lebensgenuß mit dem ernsten Arbeitsleben des Occidents unvereinbar sei.
Während der in Frage stehenden Litteraturperiode hatte ein Teil der ältern Schriftsteller mit Herausgabe von neuen Werken fortgefahren. Aber nur die von erstem Range wußten sich über der Zeitströmung zu erhalten. Victor Rydberg gab 1882 eine Sammlung »Dikter« heraus, in denen die uralten Fragen der Menschheit über des Lebens und Todes Geheimnis, des Lebens Zweck und Ziel, Gutes und Böses, Idee und Wirklichkeit in konkreten Bildern und mit idealen Sympathien behandelt sind.
Tief gedacht und edel sind diese Dichtungen nach Inhalt, klassisch vollendet im Stil, klar, klingend und melodiös ist die Form. Kein gleichzeitiger oder früher lebender schwedischer Dichter hat mit größerm Sinn für Schönheit, Harmonie und Gedankenfülle die schwedische Sprache in die Formen des Verses gegossen als er. Karl Snoilsky hat in seinen drei Sammlungen »Dikter« (1881,1886,1887) den Einfluß der Zeitströmung deutlich verraten, sie legen warme Sympathie mit den hart arbeitenden Klassen an den Tag, und sein Stil ist realistischer geworden, ohne darum die Vorzüge einzubüßen, die des Dichters Schöpfungen bis dahin ausgezeichnet hatten. In einer glänzenden Diktion malt er mit wenigen farbenreichen und sprechenden Zügen Bilder aus Schwedens Geschichte, aus der Natur und dem Leben, das uns umgibt. A. T. Gellerstedt, welcher sich früher durch eine kleine Gedichtsammlung einen geachteten Namen gemacht, gab 1881 eine neue Sammlung »Dikter« heraus, die sich durch feinen Natursinn und wahres, edles Gefühl auszeichneten. C. D. af Wirsén, welcher als Kritiker heftig und nicht immer glücklich den Realismus bekämpfte, hat sich hauptsächlich einen Namen als Verfasser von Gedichten zu vaterländischen Festen, Denkfeiern und andern Gelegenheiten erworben.
Verschiedene jüngere Schriftsteller sind in dieser Zeit noch aufgetreten, ohne sich an die herrschende Richtung anzuschließen, obgleich diese nicht ganz ohne Einfluß auf sie geblieben ist: so der Dramatiker Harald Molander, die Novellistinnen Helena Nyblom, Amanda Kerfstedt, Anna Wahlenberg, der Novellist Ernst Lundqvist etc., die Dichter Daniel Fallström, Hugo Tigerschiöld, K. A. Melin etc. Puck Munthe hat mit feinem Humor, großer Ursprünglichkeit und wahrem Gefühl gezeichnete Skizzen in zwei Sammlungen herausgegeben, und Sigurd (Alfred Hedenstjerna) hat mit seinen etwas sentimentalen Novellen, seinen Humoresken und Burlesken große Popularität erlangt, aber nicht in eben dem Maße bei der Kritik sich Ansehen verschafft.
Wissenschaftliche Litteratur.
In der Litteraturgeschichte wurde in dieser Periode fleißig und mit Erfolg gearbeitet. Gustav Ljunggren hat seine umfassende Arbeit »Svenska vitterhedens häfder«, ausgezeichnet durch gründliche Forschung, Zuverlässigkeit in den Angaben, Feinheit in der Analyse und Sicherheit in der Charakteristik, fortgeführt. Vier Bände sind bis jetzt erschienen und ¶
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behandeln die Aufklärungszeit und die Romantik in Schweden. [* 6] Außerdem hat er eine andre umfassende Arbeit: »Svenska Akademiens historia«, herausgegeben, die zum 100jährigen Jubiläum desselben erschien und ihre Geschichte in diesem Zeitraum schilderte. Von Henrik Schücks »Svensk literatur-historia« ist nun der erste Band [* 7] vollendet. Das Werk beabsichtigt in einem enger begrenzten Umfang eine Übersicht über die s. L. von den ältesten Zeiten bis heute zu geben, und der erste Band behandelt den Stoff bis zur Reformationszeit mit Einschluß derselben.
Verschiedene Litteraturperioden, die bisher in hohem Grade von der Litteratur vernachlässigt waren, z. B. das Mittelalter, sind hier zu ihrem vollen Rechte gekommen. Auf mehreren Gebieten ist der Verfasser der erste, der die Quellen gründlich durchgearbeitet hat. Die Arbeit ist im höchsten Grade verdienstvoll, und nicht zum wenigsten dadurch, daß sie mehr, als es bis dahin geschehen, die s. L. in Zusammenhang mit den Strömungen in den andern Kulturländern Europas darstellt und sich nicht auf die schöne Litteratur im engern Sinne beschränkt.
Einige glänzende Monographien (»Olof von Dalin«, 1884; »Anna Maria Lenngren«, 1887, und »Bengt Lidner«, 1889) wurden von Karl Varburg herausgegeben, und Oskar Levertin hat dem »Teater och drama under Gustaf III« (1889) eine feine Behandlung zu teil werden lassen. Außerdem haben litterarhistorische Schriften A. U. Bååth, Cecilia Holmberg, geb. Bååth, Birger Schöldström, C. R. Nyblom, Th. Hagberg u. a., kleinere kunsthistorische Arbeiten Ludvig Looström, Georg Göthe, Karl Varburg u. a. herausgegeben.
Von der »Allmän Kulturhistoria« von Anton Nyström, der ersten Arbeit dieser Art von einem schwedischen Autor, sind in dieser Periode vier Teile erschienen. Obgleich das Werk in geringerm Grade auf eignen Forschungen beruht und, in Comtes Geist geschrieben, nicht ganz ohne Einseitigkeit ist, hat es doch im ganzen genommen große Verdienste. Auf dem Gebiete der schwedischen Kulturgeschichte wurde von mehreren Kräften mit Erfolg gearbeitet. In der Archäologie standen die Schweden immer in erster Reihe, und die alten Traditionen wurden in rühmenswerter Weise aufrecht erhalten, namentlich von Hans Hildebrand und Oskar Montelius.
Des letztern Arbeit »Om tidsbestämningen inom bronsåldern« (1885) dürfte auf ihrem Gebiet epochemachend sein, indem der Verfasser nicht allein genau und wie es scheint unumstößlich die Zeitgrenzen für das nordische Bronzealter bestimmt, sondern auch sechs verschiedene Perioden innerhalb desselben feststellt und charakterisiert. Seine Beweisführung begründet der Verfasser namentlich auf typologische Forschungen, Zusammenstellungen und Vergleiche mit Bronzezeitaltersfunden im übrigen Europa, [* 8] besonders Italien [* 9] und Griechenland, [* 10] und mittelbar durch sie mit phönikischen und ägyptischen Altertümern.
Hans Hildebrand hat eine außerordentlich umfassende und großartig angelegte Arbeit über »Sveriges Medeltid« begonnen, welche die Kultur des Mittelalters nach allen ihren verschiedenen Seiten schildert und sich durch die gründlichste und ausgedehnteste Forschung und die vielseitigste Gelehrsamkeit auszeichnet. Zu den kulturhistorischen Arbeiten gehört auch das »Nordiskt forntidslif« (1890) von A. U. Bååth, worin nach den isländischen Sagen in malerischer, fast dramatischer Form das Leben in Island [* 11] zur Sagenzeit geschildert wird.
Im übrigen haben fleißige Arbeiten auf dem Gebiete der schwedischen Geschichte neues Terrain entdeckt. Das große illustrierte Werk: »Sveriges historia från älsta tid till våra dagar«, das 1877 begonnen wurde, kam 1881 zum Abschluß. Es ist in seinen sechs Teilen von verschiedenen Verfassern (I. O. Montelius, II. H. Hildebrand, III. O. Alin, IV. Martin Weibull, M. Höjer u. a., V. Rudolf Tengberg und L. Boethius, VI. T. Save) bearbeitet, von denen jeder ein Spezialist für die Zeit ist, die er geschildert hat.
Wenn eine Abteilung sich vor den andern auszeichnet, so ist es Martin Weibulls Schilderung von Gustav II. Adolf, welche auf der Höhe der Geschichtschreibung steht. Derselbe Autor hat in der »Historisk Tidskrift« mit »Mémoires de Chanut« eine Serie kritischer Untersuchungen der Quellen zur Geschichte der Königin Christine begonnen, welche ihre Persönlichkeit für die Nachwelt in ein andres und besseres Licht [* 12] stellen, als in dem sie bis jetzt gestanden. Von F. Carlsons großem und berühmtem Werke »Sveriges historia under konungarne af pfalziska huset« ist 1885 der siebente Teil erschienen, welcher den Anfang von Karls XII.
Regierung schildert, G. E. Axelson hat »Bidrag till kännedomen om Sveriges tillstånd på Karl XII's tid« (1888) herausgegeben, und beide Arbeiten sind dazu angethan, die Bewunderung, welche Schweden lange genug seinem Nationalhelden gezollt, etwas zu moderieren. Eine historische Arbeit ersten Ranges ist des Reichsarchivars C. T. Odhners »Sveriges politiska historia under Gustav III's tid«, von der 1885 der erste Teil erschienen, ein Werk von gediegenster Forschung und der sachlichsten, klarsten und konzisesten Form.
Gustav Mauritz Armfeldt, Gustavs III. Günstling, wurde nach seinen eignen Briefen und Denkwürdigkeiten von Elof Tegnér geschildert, der auch Trolle Wachtmeisters »Anteckningar och minnen« herausgegeben und damit wichtige Beiträge zu Schwedens Geschichte in den ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts geliefert hat. Verdienstvolle Arbeiten im Fach der Geschichte, Statistik und Biographie haben außerdem geliefert: V. E. Svedelius, C. G. Malmström, O. Alin, S. Boethius, H. Hjärne, H. Wieselgren, N. Höjer, J. ^[Julius] Centervall, W. Berg, E. P. Fahlbeck, C. Björlin u. a. Die schwedische Kirchengeschichte hat in zwei Bänden C. A. Cornelius behandelt.
Eine Arbeit auf dem Gebiete der Mythologie ist wohl geeignet, die größte Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, wenn auch die meisten Mythologen sich ihren Resultaten gegenüber zweifelnd verhalten, nämlich Victor Rydbergs »Undersökningar i germansk Mytologie«. Mit großer Gelehrsamkeit, durchdringendem Scharfsinn u. lebendiger Phantasie hat er sich bemüht, die verschiedenen und weit auseinander gehenden Angaben betreffs des ältesten germanischen Götterglaubens, welche bei dem Römer [* 13] Tacitus, dem Dänen Saxo, indem angelsächsischen Beowulfslied, in den isländischen Eddas, bei den isländischen Dichtern und anderwärts vorkommen, zusammenzustellen, in Einklang zu bringen und mittels eines Identifizierungssystems von Namen und Persönlichkeiten eine großartige Einheit und Ganzheit, eine erhabene urgermanische Kosmogonie, Götter- und Heldensage herauszufinden (manche werden sagen: zu schaffen). Diese soll ausschließlich ein Werk des germanischen Stammes sein, im Gegensatz zu dem, was der Norweger Bugge und mehrere deutsche Mythologen zu beweisen gesucht: das Stammland der Germanen soll das südliche Skandinavien sein. In populärer Form hat der Verfasser diese Götter- und Heldensage in »Fädernas gudasaga« behandelt. ¶