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(Cassytha, Cuscuta); die parasitären Organe vertreten physiologisch die Wurzel und passen sich bei den Loranthaceen durch besondere
Neubildungsgewebe (Rindenwurzeln, Senker) der dikotylen Stammverdickungsform an; bei Cuscuta wie auch bei andern krautartigen
S. tritt dagegen die Bildung von parasitären Thallusfäden als letzter Ausläufer der Haustorien auf. Die Gruppe scheint aus
stammbewohnenden oder windenden Epiphyten hervorgegangen zu sein; wie eine Anzahl von Scheinschmarotzern,
besitzen auch viele Stammparasiten zur Anheftung an hochgelegenen Baumästen geeignete Früchte (Klebschicht in den Beeren
der Loranthaceen, Haftborsten der Myzodendreen).
Bei der dritten Gruppe, den Wurzelparasiten (im entwickelungsgeschichtlichen Sinne), wächst umgekehrt wie bei der vorhergehenden
Reihe nur das untere Ende des stets ungegliederten Embryos weiter, während sein oberes Ende zu Grunde geht;
als Hauptvegetationsorgan entsteht entweder ein außerhalb der Wirtspflanze verbleibendes, mehr oder weniger reduziertes,
häufig knollenförmiges Rhizom (Orobancheen, Balanophoreen) oder ein völlig in der Nährpflanze eingeschlossener Thallus (Rafflesiaceen);
diesem oder dem außerhalb der Wirtspflanze verharrenden Vegetationskörper entspringen in verschiedener
Weise angelegte Blütensprosse.
Der Thallus wiederholt (bei Rafflesia u. a.) entweder die Mycelialfäden von Cuscuta oder bildet dem dikotylen Stammbau angepaßte,
fortbildungsfähige Gewebekörper (bei Cytinus) und stellt den verkümmerten Rest einer Blütenpflanze dar, die ihre vegetativen
Hauptorgane, nämlich Wurzeln und assimilierende Sproßteile, vollständig verloren hat. Parallel mit dieser Rückbildung der
vegetativen Teile geht eine ebensolche der Fortpflanzungsorgane, indem sowohl die Samenknospen als ihre Träger (die Placenten)
und ihre Einschlüsse (Embryonen) eine Reihe merkwürdiger Umbildungen und Gliederungshemmungen erfahren, durch welche das
Erkennen der systematischen Zugehörigkeit stark rückgebildeter schmarotzender Pflanzenfamilien zu einer sehr schwierigen
Aufgabe gemacht wird. Nach Solms-Laubach, Eichler und Engler werden die Balanophoreen zu der Verwandtschaft
der Santalaceen, die Rafflesiaceen und Hydnoraceen dagegen in die Nähe der Aristolochiaceen gestellt. Bei letztern S. kann vielleicht
ebenfalls ein epiphytischer Ursprung angenommen werden, wofür das Verhalten des parasitären Thallus bei Cytinus und die Verbreitung
durch beerenartige Früchte zu sprechen scheinen.
In der geographischen Verbreitung der S. zeigen sich ähnliche Verhältnisse wie bei den Epiphyten (s.
den Artikel in Bd. 17), indem die Mehrzahl der Arten die tropischen Gegenden beider Halbkugeln bewohnt. Die Hauptmasse (ca. 540 Arten)
bilden die Loranthaceen, die sich ungefähr zur Hälfte auf die Alte und Neue Welt verteilen, und denen
sich in biologischer Hinsicht einige Santalaceen (15) und Myzodendreen (9) anschließen. Die halbschmarotzenden Rhinanthaceen
(etwa 340 Arten, unter denen die des Parasitismus nur verdächtigen mitgezählt sind) und Santalaceen (ca. 160 Arten) bilden die
zweitgrößte Gruppe; von ersterer Familie kommen in Europa 85, von der zweiten 20 Vertreter vor, während von
Loranthaceen nur 5 Arten daselbst einheimisch sind.
Unter den Schlingschmarotzern (92 Arten) ist die Mehrzahl der Cuscuta-Arten in Amerika, die der Kassytheen in Australien ansässig.
Die Orobancheen (ca. 150 Arten) bewohnen vorwiegend das Waldgebiet beider Hemisphären und treten sonst nur mit
einzelnen Arten
auf, scheinen jedoch in Australien zu fehlen. Die Balanophoreen, Rafflesiaceen und Hydnoraceen (zusammen
ca. 70 Arten) sind mit wenigen Ausnahmen Tropenbewohner und bilden besondere Gattungen, resp. Arten auf der östlichen und westlichen
Halbkugel aus; Afrika zeigt sich auch bei dieser Familie wie für die Epiphyten als der verhältnismäßig artenärmste Weltteil.
Vgl. Solms-Laubach, Über den Bau und die Entwickelung parasitischer Pflanzenorgane (in Pringsheims Jahrbüchern,
Bd. 6);
Derselbe, Das Haustorium der Loranthaceen und der Thallus der Rafflesiaceen und Balanophoreen (in »Abhandlungen der Naturforschenden
Gesellschaft zu Halle«, Bd. 13);
Derselbe, Rafflesiaceae (in »Flora brasiliensis«, Heft 77);
Eichler, Balanophoraceae (ebenda,
Heft 47);
Schimper, Die Vegetationsorgane von Prosopanche Burmeisteri (»Abhandlungen der Naturforschenden
Gesellschaft zu Halle«, Bd. 10);
Koch, Die Klee- und Flachsseide (Heidelb. 1880);
Derselbe, Untersuchungen über die Entwickelung
der Orobancheen (»Berichte der Deutschen Botanischen Gesellschaft«, 1883);
Engler, Loranthaceae und Balanophoraceae (in Englers
»Natürliche Pflanzenfamilien«, Leipz. 1889);
Kerner v. Marilaun, Pflanzenleben, Bd. 1 (Leipz.
1887), welchem Werke die Abbildungen der Tafel entnommen sind.
[* ] Unsre Kenntnis der fossilen Arten dieser zerbrechlichen Tiere war bisher sehr gering; man kannte in größerer
Zahl nur Nachtschmetterlinge, namentlich Motten, Wickler und andre Kleinschmetterlinge aus Bernsteinstücken, und neigte, da man
aus bestimmten Gründen die Nachtschmetterlinge als die ältere Gruppe ansehen muß, zu der Annahme, daß
die Tagschmetterlinge erst in jüngster Zeit aufgetreten seien und ihre Mannigfaltigkeit ausgebildet hatten.
Allein diese Ansicht hat beträchtlich modifiziert werden müssen, seit zu dem knappen Dutzend bisher bekannter Tagfalter eine
größere Anzahl in vortrefflicher Erhaltung aus oligocänen Schichten von Florissant (Colorado) gekommen und von Skudder beschrieben
worden ist. Bei den lebenden Schmetterlingen fällt uns, wenn wir die Stufenleiter der Familien hinaufsteigen,
eine zunehmende Verkümmerung der Vorderbeine auf. Bei den beiden niedriger stehenden Familien der Hesperiden und Papilioniden
sind sie normal entwickelt und im Bau den beiden andern Paaren ähnlich.
Bei den Lycäniden (inkl. Lemoniinae und Lycaeninae) sind sie bei den Männchen
in größerer oder geringerer Ausdehnung verkümmert, bis zum gänzlichen Verlust der Endbewaffnung, während sie beim Weibchen
noch vollständig sind. Bei der höchststehenden Familie der Nymphaliden sind sie (mit alleiniger Ausnahme der kleinen Gruppe
der Libytheinae, welche darin mit den Lycaeninae übereinstimmt) in beiden Geschlechtern und oft bis
zu einer außerordentlichen Ausdehnung verkümmert.
Bei der fossilen Prolibythea sehen wir die Vorderbeine der Weibchen erhalten und bei Nymphalites verkümmert, in beiden Fällen
stimmen sie in allen wesentlichen Punkten mit dem überein, was wir bei lebenden Angehörigen der Gruppe zu finden erwarten
müßten, und beweisen so, daß schon in der frühsten Epoche, aus der bis jetzt S. bekannt geworden sind,
die eigentümlichen Verschiedenheiten, welche den Fortschritt der Formen bezeichnen, vorhanden waren. Wir müssen demnach
entweder eine große Beschleunigung der Entwickelungsweise in jener Zeit, zu welcher S. (und Blumen) zuerst erschienen,
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annehmen, oder das Auftreten der S. auf eine viel ältere Periode zurückverlegen, als diejenigen sind, aus denen wir bisher
Proben besitzen. Was den Charakter dieser fossilen amerikanischen S. betrifft, so ist ihre Allgemeinerscheinung deutlich subtropisch
und amerikanisch, die tertiären S. Europas zeigen vorwiegend ein subtropisches ostindisches Gepräge.
Über die Farben der S., deren Anordnung bestimmte genealogische Schlüsse gestattet (vgl. Insekten, S. 446),
hat F. G. Hopkins einige Untersuchungen angestellt, welche zeigten, daß die meisten Farben auf physikalischer Wirkung beruhen,
sogen. optische Farben sind, die nur wenig durch die natürliche Färbung der Grundlage beeinflußt werden. Indessen sind
doch viele Farben auch durch Pigmente bedingt, wie die grünen und karminroten, die einem schnellen Ausbleichen
im Lichte unterliegen, und namentlich der lebhaft zitronengelbe vieler Verwandten unsrer Weißlinge (Piëriden).
Letzterer Farbstoff, der sich bei den einheimischen Arten in reinster Entwickelung bei den Zitronen- und Aurorafaltern findet,
kann durch einfache Behandlung mit heißem Wasser ausgezogen werden und gibt dann, mit Salpetersäure eingedampft,
auf Zusatz von Ammoniak oder Kalilauge eine deutliche Murexid-Reaktion. Es ist dies ein lehrreicher Hinweis darauf, daß die
Farben der Schmetterlingsschuppen, ähnlich wie man es bei Vogelfedern schon lange angenommen hat, hauptsächlich aus den Abfallstoffen
des Körpers (also hier der Puppen) gebildet werden, denn dieser Farbstoff ist ein Derivat der Harnsäure.
Die blasser gefärbten einheimischen Arten geben auf den Kopf etwas weniger als 1 mg Farbstoff, größere ausländische Verwandte,
wie namentlich die Callidryas-Arten, lieferten 4-5 mg. Die nähere Untersuchung ergab eine nahe Verwandtschaft mit Mycomelinsäure,
einem gelben Abkömmling der Harnsäure. E. Krause hat beobachtet, daß, abgesehen von der gelben oder
orangefarbenen Grundfarbe bei vielen dieser Piëriden, ein blauer Schiller vorhanden ist, der nur bei wenigen Arten für das
unbewaffnete menschliche Auge erkennbar, aber sogleich wahrzunehmen ist, wenn man den Schmetterling durch Kobaltglas betrachtet,
welches das leuchtende, den Schiller verdeckende Gelb abblendet. Es ist daraus auf eine erhöhte Farbenempfindlichkeit
des Schmetterlingsauges zu schließen.
Auf einem andern Felde bewegen sich die Beobachtungen, welche A. Fritze über den Saison-Dimorphismus und -Polymorphismus japanischer
S. angestellt hat. Wir haben in Deutschland meist nur dimorphe Arten, bei denen aus der überwinterten Puppe ein oft von dem
der Sommerbrut ganz verschieden aussehender Schmetterling erscheint, wobei dann Weismann gezeigt hatte,
daß hier ein unmittelbarer Einfluß der äußern Temperatur auf die Entwickelung stattfindet, sofern durch Aufbewahrung von
Sommerpuppen in einem Eiskeller die Entwickelung so verzögert wurde, daß daraus die kleinere Frühlingsform hervorging.
Die Art, bei welcher die Verschiedenheit der beiden Formen bei uns am auffallendsten ist, so daß sie
zu der Doppelbenennung Vanessa Levana und V. prorsa Anlaß gegeben, kommt nun auch in Japan vor, aber merkwürdigerweise kannte
man dort keine verschiedene Frühlingsform. Fritze stellte nun fest, daß ein von unsrer Frühlingsform ganz verschiedener
und bisher als besondere Art betrachteter Schmetterling (V. burejana Brem.) dort die Stelle der Levana-Form
vertritt.
Ähnliche Doppelgängerei treiben dort auch Terias biformis Pryer und Thecla arata Brem., auffallender aber ist
der Polymorphismus
mancher japanischer Arten. Zu ihnen gehört dort unser Schwalbenschwanz (Papilio Machaon L.), dessen erste Generation in Gestalt
kleiner Individuen mit vorwiegend gelblicher Färbung auftritt, worauf bedeutend größere und dunkler
gefärbte Generationen folgen. Die gegen den Herbst auftretenden Formen sind dann wieder etwas kleiner und heller. Ein noch
auffälligeres Beispiel liefert Terias multiformis Pryer, der in der Frühlingsform einfarbig gelb, in der Sommerform mit schwarzem
Rande auf Vorder- und Hinterflügeln versehen ist; bei den vielen Zwischenformen sind aber nur selten
zwei völlig gleiche Individuen der Art zu erhalten.
Eine Reihe sehr merkwürdiger Beobachtungen sind anden Raupen und Puppen verschiedener Schmetterlingsarten angestellt worden.
W. Müller beobachtete in Brasilien die Blattrippen bauenden Raupen sehr vieler Nymphalidenarten aus den Gattungen Gynaecia,
Ageronia, Myscelia, Catonephele, Eunica, Temenis, Epiphile, Callicore, Haematera, Catagramma, Adelpha,
Prepona, Siderone, Anaea und Protogonius. Die Eier dieser Raupen werden auf der Unterseite der Blätter ihrer Futterpflanzen
abgesetzt, und das junge ausgeschlüpfte Räupchen sucht dann so lange am Blattrand, bis es die Spitze entdeckt hat, bei der
es zu fressen anfängt und nicht eher ruht, bis es die Mittelrippe des Blattes von der Spitze aus mehrere
Zentimeter freigelegt hat.
Dann trägt es seinen Kot in kleinen Ballen dorthin und verlängert die Rippe gewöhnlich um mehr als das Doppelte der freigelegten
Ausdehnung, indem es den Kot geldrollenartig anklebt und mit Gespinstfäden verfertigt. So verfahren die Raupen bis zur zweiten,
ja in manchen Fällen bis zur vierten Häutung und ruhen an der künstlich verlängerten Rippe, wo ihr dunkler Körper fast unkenntlich
erscheint, um so mehr, als manche Arten die Gewohnheit haben, sich durch Anheftung kleiner, unregelmäßiger Fraßstückchen
an ihrer Ruhestelle noch besser zu verbergen.
Bei einzelnen Arten, wo die Eier in größerer Zahl auf einem und demselben umfangreichern Blatte abgelegt
werden, nehmen die Räupchen je eine Nebenrippe des Blattes in Angriff und verlängern dieselbe durch ihren Anbau, um sich
die gewohnte Schlafstelle herzurichten; nach der vierten Häutung aber hören alle mit dem Rippenbauen auf, da die Raupe zu
schwer geworden ist, um an den verlängerten Rippen zu ruhen, und gewöhnlich durch Ausbildung von Farben,
Zeichnungen, Dornen etc. andre Mittel, nicht leicht erkannt zu werden, erlangt haben.
Alle Arten der vorgenannten Nymphaliden-Gattungen, mit Ausnahme der vier letzten, besitzen lichtempfindliche Puppen, über die
ebenfalls W. Müller eingehende Beobachtungen angestellt hat. Die meisten dieser Puppen sind, wie die Mehrzahl
der Schmetterlingspuppen überhaupt, am Hinterende ihres Körpers aufgehängt, und der Kopf hängt in der Ruhelage senkrecht
nach unten. Sobald aber Licht zu ihrem meist schattigen Aufhängungsplatz dringt, krümmen sich die meisten vom Lichte hinweg,
einige so stark, daß der Vorderkörper nahezu einen rechten Winkel mit dem Aufhängungslot bildet, und
verharren in dieser nicht ohne Muskelanstrengung denkbaren Stellung, bis es wieder dunkel geworden ist. Einige empfinden den
Lichtreiz nur langsam und bedürfen einer Erschütterung, gleichsam eines Aufrüttelns aus dem Puppenschlaf, um sich vom Lichte
fortzuwenden; andre aber, wie diejenigen der Dynamine- und Adelpha-Arten, sind gegen den Reiz des zerstreuten
Tageslichtes so empfindlich, daß sie
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sich zu oft wiederholten Malen von der einen nach der andern Seite wenden, wenn sie innerhalb eines mit Klappen versehenen
dunkeln Behälters bald von der einen, bald von der andern durch direktes Tageslicht getroffen werden. Der Reiz wirkt, wenn
nicht gar zu oft innerhalb eines Tages wiederholt, jedesmal nach wenigen Minuten. Viele Puppen, die an der
Unterseite von Blättern aufgehängt sind, wie die der letztgenannten beiden Gattungen, werden durch diese Abwendung vom Licht
und Krümmung um 45-90° nicht nur für alle schräg von oben nahende Puppenfresser schwerer findbar, sondern entgehen außerdem
der Gefahr, von den unter das Laub eindringenden Strahlen der Morgen- oder Abendsonne erreicht zu werden.
Denn direkte Besonnung betäubt die Puppen, daß sie sofort schlaff herabsinken u. sich nur wieder erholen, wenn die Besonnung
nicht lange gedauert hat.
Bei dieser Lichtflucht der Mehrzahl ist es um so auffälliger, daß die Puppen einer kleinern Gruppe, namentlich die Arten von
Myscelia, Catonephele und Callicore, nicht die Gewohnheit teilen, sich an der Unterseite horizontaler Flächen, also im Schatten,
aufzuhängen, sondern sich frei an der Oberseite wagerechter oder an den Seiten senkrechter Flächen anheften, so daß sie
nicht hängen, sondern mehr oder weniger aufrecht stehen und dadurch natürlich viel mehr der Gefahr ausgesetzt
sind, vom Lichte getroffen zu werden.
Beobachtungen und Versuche, die W. Müller an derartigen Puppen anstellte, ergaben nun, daß sich diese Puppen nicht vom einfallenden
Lichte weg, sondern demselben zuwenden, wofür sie eine dreiseitige Beweglichkeit nach rechts, links und dem Rücken besitzen,
während sich die andern Puppen ihrer Familie meist nur nach rechts und links wenden können. Vielleicht
sind sie ungenießbar, so daß sie sich frei sehen lassen dürfen, und stellen sich (wie die Kompaßpflanzen) nur darum in
die Achse des einfallenden Lichtes ein, weil sie dann am wenigsten von demselben belästigt werden.
Eine sehr merkwürdige Beobachtung hat J. ^[Jules] Fallou an den Puppen der Bombyciden gemacht, nämlich:
daß sich schon im Puppenzustand die geschlechtliche Differenzierung und Anziehungskraft geltend macht. Er beobachtete bei
der Zucht des gewöhnlichen Seidenspinners (Bombyx Mori), wie Männchen in großer Zahl geflogen kamen und sich auf eine Schachtel
setzten, in welcher einige dem Ausschlüpfen nahe Individuen weiblichen Geschlechts enthalten waren. In
entsprechender Weise beobachtete Seebold, daß Kokons des großen Nachtpfauenauges (Saturnia Pyri), die er in einem Gewächshause
aufbewahrte, eines Abends Männchen herbeizogen, die sich außen an die Glasfenster setzten und dort die ganze Nacht über
ausharrten, obwohl erst am darauffolgenden Tage ein Weibchen auskroch.
Bei vielen Schmetterlingen ermöglichen sekundäre Geschlechtscharaktere eine leichte Unterscheidung der
Geschlechter. So sind z. B. bei den Bläulingen die Geschlechter in der Farbe unterschieden, bei andern in der Bildung der Fühler,
wieder bei andern, besonders bei auswärtigen Arten, ist die Gestalt der Flügel eine abweichende, bei manchen Arten besitzen
nur die Männchen ausgebildete, die Weibchen dagegen verkümmerte Flügel, und bei der Gattung Psyche gleicht
gar das Weibchen eher einem in einem Sack steckenden Wurm als einem Schmetterling, während das Männchen normal gebildet ist.
Eine wichtige Rolle spielen auch die Männchenschuppen, eigentümlich gestaltete, nur den männlichen Individuen der einzelnen
Arten zukommende Schuppen,
welche entweder, wie bei den Weißlingen, unter den andern, die Flügel bekleidenden
Schuppen verstreut und dann nur bei mikroskopischer Untersuchung nachweisbar, oder in ihrem Vorkommen auf bestimmte Teile
der Flügel oder des Körpers beschränkt und dann, indem sie sich auch durch Gestalt und Färbung auszeichnen, mit bloßem
Auge erkennbar, zum Teil sogar sehr auffallend sind. Da sie häufig auch mit Duft absondernden Organen in
Verbindung treten, indem sie wesentlich mit zur raschen Verflüchtigung des duftenden Sekretes beitragen, werden sie auch als
Duftschuppen, Duftflecken etc. zusammengefaßt.
Sie erscheinen häufig in Gestalt dicker Büschel oder langer, in diesem Fall in einer Furche der Beine befindlicher
Pinsel, die im Moment des Gebrauches entfaltet werden. Bei sehr vielen Schmetterlingen fehlen aber derartige auffallende Unterscheidungsmerkmale,
beide Geschlechter gleichen sich völlig und erst genauere Untersuchung läßt Differenzen erkennen. Es finden sich nämlich
unterscheidende Merkmale an der Brustregion des neunten Abdominalsegments beim Männchen und an entsprechender Stelle beim
achten und neunten Abdominalsegment des Weibchens. Dort zeigt das Männchen eine feine kurze Linie, welche die mit zwei kleinen
ovalen Lippen versehene Öffnung des Samenstranges darstellt, während das Weibchen zwei feine lineare Vertiefungen besitzt:
die Öffnungen der Begattungstasche und des Eierganges. Bei mehreren Heteroceren findet sich aber nur eine Öffnung
an der Spitze einer dreieckigen Platte des neunten Segments, welche sich in das achte Segment hineinschiebt.
Zur Litteratur: Spannert, Die wissenschaftlichen Benennungen der europäischen Großschmetterlinge (Berl. 1889);
Eimer, Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Schmetterlingen (Jena 1889).