In
Schweden
[* 2] befindet sich ein vom
Ingenieur Skoglund erfundenes rauchloses S. im
Versuch, welches Hafergrütze ähnlich sieht
und seiner
Farbe nach Graupulver genannt wird. Nach der Patentbeschreibung besteht es aus einem
Nitrat, dessen brisanteWirkung
durch Zusatz eines
Salzes (vermutlich salpetersaures
Ammoniak) herabgemindert wird. Es soll, wie durch nächtliche Schießversuche
festgestellt wurde, beim
Schießen
[* 3] keine
Flamme
[* 4] geben, wenig
Wärme
[* 5] entwickeln und geringen
Rückstoß haben. In
England ist ein
seines bindfadenförmigen Aussehens wegen
Kordite genanntes rauchfreies S. unter der Bezeichnung E. X. E. als Geschützpulver
eingeführt worden. Es hat außerordentlich glänzende Feuererscheinung und stärkern
Knall als Schwarzpulver;
es wird in
Waltham-Abbey gefertigt. In
Österreich
[* 6] ist beim
Gewehr 88 ein vom
MajorSchwab in der Dynamitfabrik zu
Preßburg
[* 7] angefertigtes
rauchfreies S. im
Gebrauch, welches sehr befriedigt. Libbrecht,
Direktor der
Gesellschaft von Copal u.
Co. in
Wetteren
(Belgien,
[* 8] Ostflandern), hat Mitte 1890 ein rauchloses
Pulver erfunden,
Körner von 2
cm Seitenlänge, welches bei Schießversuchen in Caulille
sich gut bewahrte.
Vgl.
Abel, Smokeless explosives, in »Chemical
News and
Journal of Physical
Science«, Nr. 1582 und 1583, März 1890.
Die Anwendung des rauchlosen (rauchschwachen)
Schießpulvers übt einen bedeutenden Einfluß auf die
Taktik
aus. Durch den Fortfall des
Rauches beim
Schießen geht das wesentlichste und oft einzige Merkmal verloren, den Feind im Gelände
zu entdecken, seine
Stellung in ihrer ganzen
Ausdehnung
[* 9] zu übersehen; aber es geht dadurch auch der feuernden
Truppe die
Deckung
der eignen
Bewegungen verloren, die der Pulverrauch gegen feindliche
Beobachtung gewährt. Anderseits ist
dadurch das wesentlichste Hindernis scharfen Zielens, wie zur
Beobachtung des eignen
Feuers und seiner
Wirkung beseitigt. Es
handelt sich nun darum, theoretisch und, soweit es die Übungen gestatten, auf
Grund praktischer
Anschauungen und
Erfahrungen
die
Grenzen
[* 10] dieses Einflusses auf beiden Seiten sowie diejenigen Maßnahmen festzustellen, mit deren
Hilfeman in den verschiedenen Kampfverhältnissen den Nachteilen dieses Einflusses begegnen und seine Vorteile ausbeuten kann.
Die Ausübung des Sicherheits- und
Aufklärungsdienstes wird bedeutend erschwert, da die weithin sichtbare
Kavallerie von der
Infanterie mit ihrem weittragenden
Gewehr beschossen werden kann, ohne daß sie zu entdecken vermochte, woher das
Feuer kam. Daraus folgt, daß das neue
Pulver die Möglichkeit erfolgreicher
Überfälle vermehrt.
Alle zu
Fuß kämpfenden
Truppen,
also auch die abgesessen kämpfende
Reiterei, werden vom
Spaten den ausgiebigsten
Gebrauch machen, um sich
Deckung zu verschaffen,
denn der gute
Schütze kommt bei der Übersehbarkeit des Schlachtfeldes mit seiner ausgezeichneten, weittragenden
Schußwaffe heute viel mehr zur Geltung als je. Die
Infanterie wird deshalb schon auf größern
Entfernungen sich zum
Gefecht
formieren müssen; ihre eigentliche Kampfform ist die aufgelöste
Ordnung, die Schützenlinie.
Die
Reiterei findet für ihre
Attacken, deren Erfolg nicht selten von ihrer überraschenden Ausführung abhängt, nicht mehr
den deckenden Pulverdampf und wird daher mit Sorgfalt in größern
Entfernungen durch das Gelände gedeckte
Aufstellungen suchen müssen und dadurch zu viel weiter ausgreifendem, oft verlustreichem
Anlauf
[* 11] gezwungen sein. Den größten
Gewinn vom neuen S. hat die
Feldartillerie, deren Wirksamkeit von ununterbrochener, klarer
Beobachtung und scharfem
Richten abhängt.
Sie ist nicht mehr gezwungen, bei der
Wahl ihrer
Aufstellung Rücksicht auf die Windrichtung zu nehmen,
sondern geht dahin, wo sie die beste Feuerwirkung erwarten kann und, wenn möglich, gedeckt ist. Das französische
Reglement
sagt: vor allem sehen; sodann, wenn möglich, nicht gesehen werden! Das deutsche: jede Rücksicht auf
Deckung muß derjenigen
auf Feuerwirkung nachstehen. Um das
Krepieren ihrer
Geschosse
[* 12] besser beobachten zu können, wird die
Artillerie
sich stark rauchender Sprengladungen bedienen. Im
Festungskrieg wird die
Artillerie, noch viel mehr als bisher, ihre Erfolge
vom
Wurffeuer zu erwarten haben, da das für das
Demontieren notwendige
Erkennen der feindlichen Geschützstellung wegen Mangels
an Raucherscheinung nur ausnahmsweise gelingen wird.
Vgl. v.
Löbell, Jahresberichte über Veränderungen
und Fortschritte im Militärwesen (1890,2. Teil);
vom preußischen Artillerieobersten Rohne erfundene Anleitung zum applikatorischen
Studium der Schießregeln
u. Feuerleitung der
Feldartillerie. Der
Spieler erhält eine Aufgabe, welche er unter Vornahme der
Korrektur
auf
Grund der ihm gegebenen
Beobachtungen unter
Abgabe der reglementarischen
Kommandos zu lösen hat.
Aufschlag der
Granaten,
[* 13]
Lage
des Sprengpunktes der
Schrapnells werden mit
Hilfe einer
Tabelle und von
Losen durch den Leitenden ermittelt. Das S. kann sowohl
zur Vorbildung für die Feuerleitung in
Batterien als zur
Prüfung der Schießregeln dienen. Durch entsprechende
Umrechnung der
Tabellen würde das S. auch für die Fußartillerie verwendbar.
[* 14] Von
Beauchamp-Tower ist eine Vorrichtung angegeben, durch welche auf
Schiffen ein von den Schwankungen unabhängiger
Standpunkt geschaffen werden soll. Sie besteht in einer
Plattform, welche schwingend aufgehängt und mit
hydraulischen
Cylindern ausgestattet ist, deren
Kolben sich gegen feste
Punkte des
Schiffes stützen. Diese
Cylinder sollen nun
im
Verein stets so wirken, daß sie die
Plattform in wagerechter
Lage erhalten. Es muß das Betriebswasser je nach der
Neigung
des
Schiffes in die
Cylinder auf der einen Seite reichlicher
¶
mehr
eindringen als auf der andern, um die Entfernung zwischen den die Schiffsbewegungen mitmachenden Kolben und den Cylindern stets
so zu regeln, daß die wagerechte Stellung der Plattform herbeigeführt wird. Um dies zu stande zu bringen, bedient sich Beauchamp-Tower
eines an der Plattform angebrachten Gyroskops (s. Bd. 7, S. 967), welches durch ein mittels eines Kugelzapfens
frei beweglich aufgehängtes Rad gebildet wird, das um seine senkrechte Achse mit ungefähr 15 Umdrehungen in der Sekunde rotiert.
Die dauernde Rotation wird durch Druckwasser von 7 Atmosphären herbeigeführt, welches durch den hohlen Kugelzapfen zugeführt
wird und, in tangentialer Richtung ausströmend, das Rad wie eine Reaktionsturbine umtreibt. Die schnelle
Umdrehung des Rades bewirkt, wie bei jedem Kreisel, daß seine Drehungsachse stets senkrecht bleibt, wenn auch die Plattform
beginnen sollte, sich zu neigen. Aus einer zentrischen, aufwärts gerichteten Ausflußöffnung des Rades wird daher stets
ein senkrecht emporsteigender Wasserstrahl austreten.
Dieser tritt nun auf vier eng zusammenstehende Fangdüsen, welche mit der Plattform fest verbunden sind
und die Enden von den zu den vier Cylindern führenden Leitungsrohren bilden. Die gegenseitige Lage der Ausflußöffnung des
Rades und der Fangdüsen ist derart, daß bei wagerecht stehender Plattform die Achse des Wasserstrahls gerade in die Mittellinie
der Düsen fällt, so daß der Stoß des Wasserstrahls sich gleichmäßig auf alle vier Düsen verteilt
und somit in den vier Cylindern gleiche Pressung herrscht. Sobald aber die Plattform sich nach irgend einer Seite neigt, stehen
die vier Düsen nicht mehr zentrisch zum Wasserstrahl, die Pressungen in den Druckcylindern sind ungleich, infolge wovon eine
Verstellung der Platte durch die Cylinder mit stärkerer Pressung eintritt, bis die Düsen ihre mittlere
Stellung wiedererlangt haben, die Plattform also wieder wagerecht steht.
Von Haenlein in Frauenfeld (Schweiz)
[* 16] wird zur Fortbewegung von Schiffen ein Strahl komprimierter Luft in Vorschlag gebracht, derart,
daß der stetige Druck der Luft auf das Wasser zur Geltung kommen soll. Der Luftstrahl wird nicht ins freie
Wasser entsendet, sondern gibt in einer oben und zu beiden Seiten geschlossenen, unten offenen Rinne (Druckrinne) seine Kraft
[* 17] an das Wasser ab. Beim Eintreten eines Luftstrahls in das freie Wasser kommt nur ein geringer Teil der dem Strahl innewohnenden
Arbeit durch Reaktion zu nutzbarer Verwendung, während der Luftstrahl in der Haenleinschen Druckrinne
eine höhere Nutzleistung als Schraube und Schaufelrad ergeben soll.
Dabei soll das Wasser spiegelglatt bleiben. In denFiguren 1 und 2 bedeutet a das Schiff, b den Dampfkessel,
[* 18] c den zur Erzeugung
der Preßluft erforderlichen, durch Dampfkraft betriebenen Luftverdichter; d und d1 sind die beiden
seitlich am S. angebrachten Druckrinnen, in welchen der Luftstrahl zur Wirkung kommt, e sind Leitschaufelapparate, welche
ein ruhiges Austreten der Luft bewirken sollen, f und f1 sind Austrittsdüsen. Die verdichtete Luft gelangt durch die Rohre
g und g1 zu den Druckrinnen, tritt bei A in
das Wasser, drückt bei ihrem Wege aufwärts zu den Leitschaufelapparaten
auf das Wasser, wodurch das S. vorwärts getrieben wird, und geht durch den Leitschaufelapparat, bez.
die Düsenf und f1ins Freie. Zum Rückwärtsfahren wird die Luft bei B statt bei A eingeführt, die Leitschaufeln werden
entsprechend umgestellt.
Natürlich kann man dadurch, daß man auf einer Seite des Schiffes die Vorwärtsstellung, auf der andern die Rückwärtsstellung
eintreten läßt, eine Drehung des Schiffes herbeiführen. Mit einem Schiffsmodell von 1200 mmLänge, 260 mmBreite,
[* 19] 100 mm Schiffstauchung, 15 mmBreite der Druckrinne und einer effektiven Leistung der Dampfmaschine
[* 20] von 1/1154 Pferdekraft wurden Versuche
angestellt. Das Modell erreichte in stehendem Wasser eine Geschwindigkeit von 0,14 m in der Sekunde, wobei ein Schiffswiderstand
von 33 g ermittelt wurde. Diese Art der Schiffspropulsion soll nach der Ansicht des Erfinders besonders auf Kanälen Verwendung
finden, wo häufig der Pflanzenwuchs so dicht ist, daß Schrauben
[* 21] und Räder in kürzester Zeit unwirksam
werden, und wo der durch diese Treibmittel erzeugte Wellenschlag die Ufer geschädigt.
Um längs der Flußläufe und Kanäle an jeder Stelle eine mechanische Zugkraft zu haben, die von jedem S. benutzt werden kann,
hat man wiederholt Versuche gemacht, ein Seil ohne Ende, welches, längs der beiden Ufer laufend, von einem
Motor in Bewegung gesetzt wird, zum Schiffziehen zu verwenden. Doch zeigten sich dabei beträchtliche Schwierigkeiten, welche
hauptsächlich darin bestanden, die Führung und Unterstützung des Seiles derart zu gestalten, daß Brücken,
[* 22] Schleusen und
Biegungen der Strecke unbehindert passiert werden können, ferner in der Einrichtung der Greifer zum Verbinden
der Schiffsleine mit dem Zugseil.
Lévy und Oriolle haben unabhängig voneinander in verschiedener Weise die Beseitigung dieser Schwierigkeiten angestrebt, wobei
sie hauptsächlich folgende drei Aufgaben zu lösen hatten: Die Leine, welche das S. mit dem Triebseil verbindet, soll mittels
einer Vorrichtung angehängt werden, welche es dem Bootsmann ermöglicht, die Fahrt an jeder Stelle des
Wasserlaufs zu beginnen oder zu unterbrechen, ohne ans Land steigen zu brauchen;
die Bewegung soll beim Beginn der Fahrt mittels
eines besondern Mechanismus in der Weiseübertragen werden, daß dem S. die Fahrgeschwindigkeit mit Vermeidung jedes Stoßes
nur allmählich erteilt wird;
das Zugseil soll mit seinen Leitrollen in solcher Verbindung stehen, daß
es sich von ihnen nicht trennen kann.
Die SystemeLévy und Oriolle sind auf Versuchsstrecken praktisch verwendet worden, welche
die gleichen örtlichen Schwierigkeiten (Brücken, Schleusen, Krümmungen) darbieten, das SystemLévy auf dem Kanal
[* 23] St.-Maurice
bei Paris
[* 24] (Streckenlänge 5 km), das von Oriolle auf dem Kanal von St.-Quentin bei Tergnier (Streckenlänge 3 km).
Die hierbei erzielten Erfolge waren zufriedenstellend, und man geht damit um, eine 140 km lange Strecke der Belgien mit Paris
verbindenden Kanallinie Etrun-Janville mit der Lévyschen Einrichtung zu versehen.