Nach Kärger wandern alljährlich aus den
ProvinzenBrandenburg
[* 2] 14,500,
Pommern
[* 3] 3000,
Westpreußen
[* 4] 16,500,
Posen
[* 5] 15,000,
Schlesien
[* 6] 26,000, zusammen 75,000
Personen nach dem
Westen. Die nächste Veranlassung für die S. ist die Schwierigkeit oder Unmöglichkeit,
in der
Heimat einen genügenden Unterhalt zu finden. Etwa sich bietende Arbeitsgelegenheit entspricht nicht immer den
Neigungen oder
Kräften der Wanderarbeiter. Dann fällt es jungen Leuten oft schwer, zu
Hause aus ihren
Verdiensten Erübrigungen
zu erzielen, indem der
Tages- oder Wochenlohn jeweilig in der
Familie vollständig aufgezehrt wird.
Dazu kommen noch mancherlei
Beweggründe persönlicher Art, wie ein gewohnheitsmäßig entwickelter oder durch das
Beispiel
entfachter
Wandertrieb, der
Wunsch, auf einige Zeit der elterlichen
Zucht zu entrinnen,
Bande der
Liebe u.
dgl. Im
Westen findet der Sachsengänger einen höhern
Verdienst, welcher ihm, der an eine bescheidenere
Lebenshaltung gewöhnt
ist, Ersparnisse zu erzielen ermöglicht. Die
Summen, welche auf diese
Weise teils während des
Sommers durch die
Post nach dem
Osten gesandt, teils bei der Rückwanderung dahin verbracht werden, können nach den Ermittelungen
Kärgers auf 10-14 Mill.
Mk. veranschlagt werden.
Diese Erübrigungen werden von denen, welche im
Winter keine Beschäftigung finden, während dieser Zeit zum
Leben verwandt.
Andre, welche bei Eltern und Verwandten Unterkunft finden, ohne hierfür ihre Ersparnisse aufopfern
zu müssen, oder welchen sich Gelegenheit zu lohnender Beschäftigung bietet, sind in der
Lage, die in die
Heimat vorbrachten
Summen zur spätern
Gründung eines eignen Hausstandes oder überhaupt zur
Befestigung ihrer wirtschaftlichen
Existenz zurückzulegen.
Dann bietet die S. noch den Vorteil, daß sie in mehrfacher Beziehung erzieherisch wirkt, denSinn für
Sparsamkeit,
Ordnung, Sauberkeit weckt, zum Teil auch einen germanisierenden Einfluß auf das Polentum ausübt, indem die
wandernden Polinnen
deutsche Sprache,
Sitten und
Gebräuche kennen lernen und sich zu eigen machen etc. Allerdings stehen diesen
Lichtseiten auch viele Schattenseiten gegenüber, die sich je nach der Gegend, Volkscharakter, wirtschaftlicher
Entwickelung bald mehr, bald weniger bemerklich machen.
Für den
Osten hat die S. den Nachteil, daß ihm Arbeitskräfte entzogen werden, ohne daß die
Landwirtschaft, welche oft nur
bescheidene
Erträge abwirft, immer in der
Lage ist, dieselben durch in Aussicht gestellte Lohnerhöhungen
an sich zu fesseln.
Mehrfach hat er Armenlasten zu tragen, ohne daß
er den vollen Vorteil aus den frühern Arbeitsleistungen
der Verarmten gezogen hat, ein Übelstand, welcher ganz besonders für Gutsbezirke drückend ist, welchen die Ersparnisse
aus dem
Verdienst der Sachsengänger nicht zufließen.
Dazu kommen die Ausbeutung durch
Agenten, Vorspiegelungen bei der Vorlegung von
Verträgen und Vereinbarungen über solche,
Reiz zum
Vertragsbruch, Sittenlockerung etc.
Diesen Übelständen kann zum Teil begegnet werden. Einem Teile
derselben ist bereits mit Erfolg aus Veranlassung der Verwaltungsbehörde oder auch durch eignes selbständiges Vorgehen
menschenfreundlicher Gutsbesitzer entgegengetreten worden. Hierher gehören unter anderm die Maßregeln und Anstalten, um
den Arbeitern gute und billige
Kost und
Wohnung zu verschaffen, letztere nach allen den
Forderungen eingerichtet,
welche im
Interesse von
Gesundheit und
Sittlichkeit zu stellen sind.
Mehrfach wurden
Vorschläge gemacht, welche auf Beschränkung und selbst auf volle Beseitigung der S. abzielen. So wurde unter
anderm verlangt, von den Wanderarbeitern solle
ein
Abzugsgeld erhoben, minderjährigen Mädchen das
Wandern untersagt, der
Fahrpreis für die vierte Wagenklasse der
Eisenbahnen erhöht oder die vierte
Klasse ganz beseitigt, ferner
sollten keine Tarifermäßigungen für
Fahrten von 30
Personen gewährt,
Agenten nur bei nachgewiesenem
Bedürfnis die Erlaubnis
zur Anwerbung von Arbeitern zugestanden werden etc. Diese
Vorschläge gehen zum Teil zu weit, oder sie sind bei unsern heutigen
Rechtsverhältnissen und Verkehrszuständen nicht ausführbar.
Die S. ist unvermeidlich. Der wichtige Rübenbau des
Westens bedarf zeitweiliger Zuziehung von Arbeitskräften, während für
viele Gegenden des
Ostens die Möglichkeit, einen höhern oder überhaupt einen
Verdienst zu finden, an und für sich als eine
Wohlthat zu betrachten ist. Es könnte sich demnach nur darum handeln, solche Maßregeln zu ergreifen,
welche die Übelstände der S. mindern oder beseitigen, ohne gleichzeitig ihre Vorteile aufzuheben. Insbesondere wäre das
Agentenwesen durch
Gesetz und
Verwaltung zu regeln und zu beaufsichtigen, dann wäre Vorsorge zu treffen, daß die zu werdenden
Arbeiter volle Kenntnis der mit ihnen zu schließenden Vertragsbestimmungen erhalten etc.
Eine gerechtere Verteilung der Armenlasten wird bereits zum Teil durch die
Arbeiterversicherung bewirkt. Der
Landwirtschaft
des
Ostens, welche über Mangel an Arbeitskräften zu klagen hat, ohne im stande zu sein, durch höhere
Löhne die Wanderarbeiter
an sich zu ketten, könnten nur andre
Hilfen geboten werden, wie sie die
Landwirtschaftspolitik zur
Hebung
[* 7] der Bodenkultur gestattet.
Vgl. Kärger, Die S. auf
Grund persönlicher Ermittelungen und statistischer
Erhebungen dargestellt
(Berl. 1890).
[* 8] In je weitern
Kreisen die Vorzüge der Drillkultur gegenüber der breitwürfigen Anbaumethode anerkannt
wurden, desto mehr war man bestrebt, derselben stetig weitern Eingang zu verschaffen. Eine
Grenze fand dieses
Bestreben jedoch in dem Umstand, daß die beanspruchte Gleichmäßigkeit der
Aussaat, ein Hauptvorzug der Reihenkultur gegenüber
der Breitsaat, in dem
Maße vermindert wird, wie das
Terrain ein kupierteres ist.
Fährt die
Maschine
[* 9] in einer Steigung oder
im
Gefälle, so nimmt die ausgestreute Saatmenge je nach der Art des angewendeten Säeapparats (der
Löffel oder Säeräder) zu, bez. ab, so daß bei wellenförmigem
Terrain, also einem solchen, welches nur zu häufig anzubauen
ist, die
Aussaat und dem entsprechend die
Entwickelung der
Kulturpflanzen eine ungleichmäßige wird. Man sieht auf derartigen
Äckern häufig streifenweise einen dichtern und lichtern
Stand der
Gewächse, ein Umstand, welcher selbstverständlich
bei größerer
Ausdehnung
[* 10] unzulässig erscheint.
Um diesem Übelstand abzuhelfen und die bisherigen
Drills für hügeliges
Terrain
(Bergdrills) verwendbar zu machen, benutzt
man im wesentlichen zwei
Methoden. Nach der ersten wird der Saatkasten in dem Maschinengestell pendelnd aufgehängt, dergestalt,
daß er infolge der entsprechenden
Lage seines
Schwerpunktes stets in der richtigen Vertikallage verharrt,
ganz gleich, ob die
Maschine horizontal, in einer Steigung oder im
Gefälle fährt. Die bewegliche Aufhängung des Saatkastens
in dem Maschinengestell hat jedoch den Mißstand zur
Folge, daß diese Verstellung bereits bei
Erschütterung, z. B. dem plötzlichen
Anziehen der Zugtiere, beim
Passieren einer Wasserfurche und ähnlichen Hindernissen, eintritt, was zu
fortwährenden Schwankungen und sehr ungleichmäßiger
Aussaat Veranlassung geben würde. Deshalb bedarf diese Einrichtung
¶
mehr
einer selbstthätigen Hemmvorrichtung, um plötzliche Schwankungen des Saatkastens unmöglich zu machen. Es wird zu diesem
Zweck ein Hindernis eingeschaltet, welches eine nur allmähliche Verschiebung des Saatkastens gestattet. Wüst in Halle
[* 12] verwendet
als solches einen Kolben, welcher sich in einem Cylinder verschieben und hierbei eine Flüssigkeit verdrängen muß; Sack in
Plagwitz benutzt ein hemmendes Windrad,
[* 13] welches der plötzlichen Bewegung des Saatkastens ein entsprechendes
Hindernis entgegensetzt.
In der Konstruktion von Dehne in Halberstadt
[* 14] verschieben sich bei Terrainänderungen (Steigungen oder Gefälle) nur die Aufnahmstrichter
des Saatgutes im Saatkasten, während dieser letztere fest im Maschinengestell angebracht ist. Diese Einrichtungen sind wohl
allesamt zweckmäßig und liefern unstreitig bessere Anbauergebnisse als die ältere Methode der Drillkonstruktion;
sie haben jedoch den gemeinschaftlichen Nachteil, daß sie erst in Wirksamkeit treten, sobald das Terrain steigt oder fällt,
wobei bereits die ungleichmäßige Aussaat eingetreten ist. Überdies erfüllen sie ihre Aufgabe nur bei Terrainänderungen
in der Fahrrichtung, dagegen keineswegs, wenn die Maschine eine Lehne entlang fährt.
Die zweite Methode verwendet anstatt der Löffel oder Säeräder, den bei uns fast ausschließlich angewendeten Säeapparaten,
solche, bei welchen die Gleichmäßigkeit der Aussaat unabhängig von der Lage des Saatkastens ist. Schon das alte Thorner Säerad,
welches in den 50er Jahren von Rudolf u. Drewitz in Thorn
[* 15] eingeführt wurde, erfüllte diese Aufgabe, gestattete
aber nicht die Aussaat von Rübenkernen, während auch Hafer
[* 16] mit demselben nur schlecht gesäet wurde.
Dieses Säerad wurde von Siedersleben in Bernburg
[* 17] derartig verbessert, daß es derzeit alle Saatarten vollkommen gleichmäßig
aussäet und zwar bei jeder Lage des Saatkastens. Dasselbe hat unter dem Namen Saxonia-Säerad umfassende
Verwendung gefunden. Auch einzelne amerikanische Säeräder, welche durch die Weltausstellung in Philadelphia
[* 18] 1876 bei uns
bekannt wurden, zeigen den erwähnten Übelstand der ungleichmäßigen Aussaat bei steigendem oder fallendem Terrain nicht,
z. B. das Farmers Favorite-Säerad, welches von Zimmermann in Halle a. S. angewendet und in neuerer Zeit auch
durch eine Ausrückevorrichtung sowie durch eine Einrichtung mit dem nämlichen Säerade verschiedene Saatarten aussäen
zu können, geschickt verbessert wurde. Derartige Konstruktionen amerikanischen Ursprungs sind noch mehrfach bei uns eingeführt
worden und zwar mit zweifellosem Erfolg; namentlich wird eine von der Aktiengesellschaft H. F. Eckert in Berlin
[* 19] angewendete
Säeradkonstruktion des sogen. Nutenwalzendrills gerühmt.
Es sei hier noch erwähnt, daß man sich auch in neuester Zeit bemüht hat, die Regulierung der Saatmenge einer Säemaschine
zu vereinfachen. Bemerkenswert sind in dieser Hinsicht die Bestrebungen von Schlick in Budapest
[* 20] und Kühne in Wieselburg in Ungarn.
[* 21] Beide wenden Säeräder an, welche, aus zwei Teilen bestehend, in der Achsenrichtung verschoben werden
können. Das Ergebnis dieser Verschiebung ist eine Vergrößerung oder Verkleinerung der Zellenweite des Säerades, wodurch
dasselbe für Saatarten sehr verschiedener Größe eingestellt werden kann, zu welchem Zweck bisher mehrere Gattungen von Säerädern
oder Löffelscheiben verschiedener Größe erforderlich waren.
Gleichzeitig kann aber auch durch diese Verschiebung eine Regulierung der Saatmenge erfolgen, wobei es
freilich noch eine offene
Frage ist, ob dies innerhalb der von der Praxis beanspruchten Grenzen
[* 22] der Fall ist. Die Verschiebung
der Säeradzellen erfolgt gemeinschaftlich für sämtliche auf der Säewelle sitzende Räder durch eine zur Seite des Saatkastens
angebrachte Schraubenstellung; die Handhabung ist demnach eine überaus einfache und bequemer als diejenige
der bisherigen Wechselräder.
Die Vereinigung von S. mit Düngerstreuapparaten, welche in England vielfach üblich ist, fand bisher bei uns nur beschränkte
Verwendung, wobei wohl auch der Umstand maßgebend war, daß die ältern Düngerstreumaschinen ihre Aufgabe nur recht unvollkommen
erfüllten. Erst in neuester Zeit ist es gelungen, die letztern derartig anzuordnen, daß sie wenigstens
unter einigermaßen günstigen Umständen normal arbeiten. Namentlich wird dies den Maschinen von Schlöer mit Streuwalze
und den sogen. Schlitzmaschinen von Hampel, Schmidt u. Spiegel
[* 23] u. a. nachgerühmt.
Diese neuern Düngerstreumaschinen sind sämtlich für breitwürfiges Ausstreuen eingerichtet und eignen sich demnach nicht
zur Kombination mit der Reihensäemaschine. Für diese ist man immer noch auf die ältern Düngerstreuapparate angewiesen,
welche sich häufig verstopfen und namentlich bei feuchtem und klebrigem Dünger ganz unbefriedigende Arbeit liefern. Trotzdem
findet gerade in neuester Zeit die Vereinigung der Reihensäe- und Dungstreuapparate vermehrte Anwendung; namentlich in Böhmen
[* 24] beschäftigen sich manche Erfinder, welche die Erfordernisse der Praxis sehr gut kennen, mit dem genannten
Problem, und einige haben bereits recht bemerkenswerte Erfolge erzielt.