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gebildet worden waren, wurden von den Generalen Gurko und Dragomirow befehligt, welche man als die Feldherren des künftigen Krieges ansah. Die Schmeicheleien und Höflichkeitsbezeigungen, in denen sich die Franzosen erschöpfen, nahm man in Rußland gern entgegen. Man gefiel sich in dem Bewußtsein, daß der Friede Europas von dem russischen Belieben abhänge, Die Bestrebungen, alle unter dem Zepter des Zaren stehenden Lande in Kultur, Sprache [* 2] und Religion mit Rußland zu verschmelzen, wurden rücksichtslos fortgesetzt und sogar auf Finnland (s. d.) ausgedehnt. Die deutschen Kolonisten in Südrußland waren der gewaltsamen Russifizierung wehrlos preisgegeben.
Russische Eroberungen in Zentralasien.
(Hierzu die Übersichtskarte.)
Peter der Große that die ersten Schritte, um Rußland einen Einfluß in Innerasien zu sichern. Er wollte einen Handelsweg nach Indien bahnen, da er schon damals die hohe Wichtigkeit Mittelasiens für Rußland in handelspolitischer Beziehung erkannt hatte. Deshalb richtete er 1714 eine Expedition unter dem Tscherkessenfürsten Alexander Bekowitsch nach Chiwa aus, dessen Chan sich schon 1700 zum russischen Unterthan erklärt hatte. Als aber die Russen sich dem Gebiet Chiwas näherten, fanden sie bewaffneten Widerstand.
Der zu dieser Zeit regierende Chan erkannte das russische Unterthanenverhältnis nicht mehr an. Durch Verrat fanden die russischen Expeditionstruppen ihren Untergang. Einen Erfolg hatte dieser Zug der Russen indessen doch gehabt: die zwischen der Wolga und dem Ural wohnenden Kirgiskaisaken wurden russische Unterthanen. Im J. 1725 lief die Südgrenze Rußlands in Asien [* 3] längs der Flüsse [* 4] Ural und Migas über Kurgan nach Omsk, längs des Irtisch und der Vorberge des Altai zwischen Biisk und dem Jelezkischen See hindurch, an den Quellen des Abakan vorbei nach der jetzigen Grenzlinie mit China [* 5] hin. Das Gebiet aller nach N. sich ergießender Ströme war im Besitz Rußlands; in Mittelasien gehörte ihm aber noch kein Fuß breit Landes. Den Kirgiskaisaken folgten 1732 die Kirgisen der kleinen und mittlern Horde. Die Kaiserin Anna nahm sie in ihren Unterthanenverband auf und erwarb somit die Landstrecke zwischen dem Ural und dem Balchaschsee.
Erst nach einer fast 100jährigen Pause wurden gegen 1820 die mittelasiatischen Angelegenheiten von Rußland wieder aufgenommen. Innerhalb des Gebietes der kleinen und mittlern Horde der Kirgisen wurden befestigte Punkte angelegt; es entstanden Linien zum Schutze der Grenzen [* 6] und zur Erhaltung der Kirgisen in Botmäßigkeit. Dieser Zweck wurde nicht erreicht: Chiwa schürte die Unruhen im russischen Gebiet und bot auch den Rädelsführern eine gesicherte Zuflucht.
Deshalb wurde der General Perowski, Generalgouverneur von Sibirien, zu einer zweiten Expedition gegen Chiwa entsandt. Vorerst legte man an der Emba etwa 400 km südlich Orenburg den Posten Embinsk und 100 km weiter südlich nach dem Ust-Urtplateau den Posten Ak-Bulak an. Das Expeditionskorps bestand aus 4400 Mann mit einem Train von 2012 Pferden, 10,400 Kamelen und 2000 kirgisischen Führern. Am brach man vom Ural auf, im Winter, um in den fast wasserlosen Steppen vor Wassermangel geschützt zu sein.
In dem außergewöhnlich strengen Winter erreichte man bei -32° R. und unter Schneestürmen Emba-Posten und Anfang Februar Ak-Bulak. Ein weiteres Vordringen war unmöglich, 13. Febr. wurde der Rückmarsch angetreten, und nach einem Verlust von 1600 Mann rückte man in Orenburg wieder ein. Dieser Mißerfolg war der Grund eines Aufstandes der Kirgisen, der erst 1842 niedergeworfen wurde. Es entstanden die Posten Uralskoje am Irgis, Orenburgskoje am Turgai und, nachdem auch die große Horde der Kirgisen die Oberherrschaft Rußlands anerkannt hatte, Kopal südöstlich des Balchaschsees. 1847 lief die russische Grenze von dem Alataurücken über den Ili zum Tschu, längs desselben zur Mündung des Sir Darja, wo der Posten Raimskoje angelegt wurde.
Man ging den Sir Darja aufwärts: es entstanden an der Stelle des heutigen Kasala Fort 1 und nach Einnahme des dem Chan von Kokan gehörigen Kosch-Kurgan Fort 2. 1853 wurden die Widerstand leistenden Kokanzen bei Akmetschet geschlagen, wo das Fort Perowski angelegt wurde. 1854 war Rußland im Besitz einer 350 km langen, gut befestigten Strecke des Sir Darja. Durch den Krimkrieg gelähmt, wurde die Sir-Linie erst 1860 durch die Einnahme von Djulek und Jany-Kurgan um weitere 150 km verlängert. Zur Umschließung des nördlich gelegenen Steppengebiets nahm man 1864 von Kopal aus die Festung [* 7] Aulie-Ata, von Djulek aus die Stadt Turkistan und mit den beiden jetzt vereinigten Kolonnen das noch südlicher gelegenen Tschimkent. Es wurden 116,000 QWerst Rußland einverleibt.
Nach Auseinandersetzungen mit England, wobei eine russische Note vom ausführte, daß Rußland die Verpflichtung habe, im Interesse der öffentlichen Sicherheit und Ruhe sowie in Rücksicht auf die Handelsverbindungen eine Oberherrschaft über die benachbarten Nomadenstämme auszuüben, wurde 1865 das neueroberte Land (40,000 QWerst) mit der Sir Darjalinie und den Erwerbungen am See Issi-kul, wo man vom Fort Wiärnoje her bis an den Naryn vorgegangen war, zu dem Grenzbezirk Turkistan verbunden und in russische Verwaltung genommen.
Rußland ging weiter: wurde die Chokand gehörige Stadt Taschkent nach einem dreitägigen Kampfe genommen. Der Chan von Chokand, Alim-kul, fiel. Ebenso kamen Tschinas und Keleutschi in russischen Besitz. Nach dem Tode Alim-kuls hatte sich der Emir von Bochara in den Besitz der Städte Chokand und Chodshent gesetzt. Behufs Grenzregulierung trat der Emir von Bochara mit dem russischen Gouverneur des Grenzgebiets Turkistan, Tschernajew, in Unterhandlungen.
Sie hatten keinen Erfolg: Rußlands Ansehen sank, des Emirs Macht hob und befestigte sich. Tschernajew wurde durch den General Romanowski ersetzt. Letzterer nahm im Frühjahr 1866 die Offensive wieder auf. Der Emir wurde auf der Ebene Irdjar geschlagen; 24. Mai fiel nach einer achttägigen Belagerung Chodshent, der letzte Stützpunkt der Bocharen im Thale des Sir Darja. Ende 1866 war der Kaschgar-Dawanrücken die Südgrenze Rußlands in Mittelasien und wieder 30,000 QWerst gewonnen. Im Frühjahr 1867 wurde Jany-Kurgan, ein Gebiet von 2600 QWerst, dem Emir von Bochara entrissen. Stand bisher das eroberte Gebiet in Mittelasien unter der Leitung des Gouverneurs von Orenburg, so erging der Befehl zur Bildung eines Selbständigen Generalgouvernements Turkistan unter dem General Kaufmann.
Der Emir von Bochara ließ von seinen Feindseligkeiten nicht ab. Er wurde auf den Höhen vor Samarkand von den Russen geschlagen. Samarkand ¶
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ergab sich. Kurgan und Tschilek fielen, und wurden die letzten Truppen des Emirs auf den Serabulakschen Höhen vernichtet. Samarkand sowie überhaupt das eroberte Gebiet am Sariawschan, 12,500 QWerst, wurde dem Generalgouvernement Turkistan einverleibt. Während Bochara und Chokand mit Rußland Verträge abgeschlossen hatten und zwischen diesen Reichen freundschaftliche Beziehungen zu stande gekommen waren, stellte sich der Chan von Chiwa, Seid Mohammed Rachim Bahadur, Rußland feindlich gegenüber durch Aufwiegelung der Kirgisen.
Rußland beschloß gegen Chiwa vorzugehen. England wurden bindende Erklärungen, daß es auf keine Eroberungen abgesehen sei, abgegeben, und 1873 gingen drei Kolonnen, von O. das turkistanische Detachement, 5000 Mann, von Djisak, von N. das orenburgische von gleicher Stärke [* 9] vom Emba-Posten, von W., bez. von SW. das kaukasische in zwei Kolonnen von je 2000 Mann von der Kinderlibucht des Kaspischen Meeres, bez. von dem am Südende desselben gelegene Tschikischlar aus gegen Chiwa vor.
Das turkistanische Detachement erreichte den Amu Darja, die chiwesischen Truppen wurden zurückgeworfen; die Festung Chasarasp wurde genommen. Bei Kungrad, der nördlichsten chiwesischen Stadt, hatten sich die Detachements, welche von der Kinderlibucht und vom Emba-Posten vorrückten, vereinigt und schlugen die Chiwesen bei Mangyt. Am 28. Mai rückten die vereinigten drei Detachements in Chiwa, der Hauptstadt des Chanats, ein. Nicht so glücklich war die von Tschikischlar abrückende Kolonne; die Beschwerden des Marsches waren so groß, daß sie nur bis zum Brunnen [* 10] Orta-Kuju gelangte, hier umkehrte und 14. Mai wieder in Krassnowodsk am Kaspischen Meere eintraf. Am wurde zwischen Rußland und Chiwa der Friede geschlossen. Der Chan wurde wieder in seine Rechte eingesetzt, blieb aber Vasall von Rußland. Alle Besitzungen Chiwas am rechten Ufer des Amu Darja und das Delta [* 11] dieses Flusses, etwa 260,000 QWerst groß, wurden dem russischen Generalgouvernement einverleibt.
Waren auch die Beziehungen zwischen Chokand und Rußland ganz freundschaftliche geworden, so veranlaßten doch die innern Angelegenheiten des Chanats ein Einschreiten Rußlands. Infolge der Bedrückungen des Chans Chudajar hatten sich die Chokander erhoben, den Chan vertrieben; der Kiptschake Abdurachman Awtobatschi hatte den Sohn Chudajars, Nassr ed din, zum Chan ausgerufen, welcher die mit Rußland abgeschlossenen Verträge nicht hielt. Die Russen rückten ein, schlugen die Chokander bei Machran und rückten auf die Hauptstadt Chokand.
Abdurachman erlag bei Margelan. Beim Friedensschluß fiel die Landstrecke auf dem rechten Ufer des Sir Darja von der russischen Grenze bis zum Naryn an Rußland. Ein von Abdurachman veranlaßter Aufstand wurde niedergeworfen und ersterer gefangen; Nassr ed din, ein Werkzeug der herrschenden Kriegspartei, machte sich von neuem zum Kampfe bereit. Infolgedessen besetzten die Russen die Stadt Chokand, und das neueroberte Gebiet, etwa 60,000 QWerst, wurde als das Gebiet Ferghana dem russischen Generalgouvernement Turkistan einverleibt.
Die Turkmenen, erbitterte Feinde Rußlands, sollten durch den im März 1874 aus den sich längs der Ostküste des Kaspischen Meeres hinziehenden Länderstrecken neugebildeten transkaspischen Militärbezirk, 285,000 QWerst betragend, im Zaume gehalten werden; es gelang nicht. Nach mehrern erfolglosen Zügen 1874,1876,1878 brach von Tschikischlar, an der Mündung des Atrek, unter dem General Lazarew ein größeres Expeditionskorps auf. Lazarew starb 13. Aug., Lomakin übernahm das Kommando.
Die Tekke-Turkmenen hatten sich in Gök-Tepe festgesetzt, ein Angriff der Russen scheiterte, sie mußten ohne Erfolg nach Tschikischlar zurückgehen. Glücklichern Erfolg hatte die 1880 unter General Skobelew ausgerüstete Expedition gegen die Tekke-Turkmenen, indem die umfassendsten Vorbereitungen getroffen waren, sogar eine Eisenbahn gebaut war. Die Operationen begannen von Bami aus im November. Am 27. Nov. wurde Karys und Kelat, 30. Nov. Jegnan-Batyrkul, 20. Dez. Jani-Kala genommen.
Gök-Tepe fiel Der General Skobelew ging weiter nach Aschabad und sandte Kolonnen bis zum Tedschent. Im Mai 1881 wurde die Achal Teke-Oase als Transkaspisches Gebiet Rußland einverleibt. In der Folge (1884) sind nun auch die Merw-Turkmenen, die Saryk-Turkmenen von Pendsch-Deh russische Unterthanen geworden. Die Russen faßten nun noch am Heri Rud, dort, wo dieser Fluß unter dem Namen Tedschent die Steppe erreicht, in Sarachs festen Fuß.
Das Vorschieben der russischen Postierung nach Sarachs veranlaßte wieder Verhandlungen mit England in Rücksicht auf die Festsetzung der Grenze zwischen Afghanistan [* 12] und Turkmenien, ohne daß es zu einem einheitlichen Beschluß kam. Da besetzten die Afghanen Ende Juni 1884 Pendsch-Deh am Murchab. Die Russen schoben ein Detachement von Merw aus nach S. vor und ließen von Sarachs aus Puli-Khatun am Heri Rud besetzen. Am verlangte der General Komarow die unverzügliche Räumung des linken Kuschkufers.
Die Afghanen weigerten sich, die Russen griffen an und waren Sieger. Die Afghanen gingen auf Herat zurück, die Russen nahmen Pendsch-Deh in Verwaltung. Die Grenzlinie wurde zwischen England und Rußland in der Folge festgesetzt. Danach beginnt die Grenze am Heri Rud, zwei Meilen oberhalb Sulfikar, schneidet den Murchab zwischen Pendsch-Deh und Merutschak und erreicht schließlich bei Chodsha-Sale den Amu Darja. Das ganze Gebiet von Pendsch-Deh verbleibt bei Rußland; die Wüste im W. wird den Wanderungen der Turkmenen überlassen, während die bewohnten Landstriche des afghanischen Territoriums im Besitz des Emirs von Afghanistan verbleiben.