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in mehrere Hauptarten ein, je nachdem er im Ernst oder Scherz geübt wird, der Gewalthaber seine Zustimmung gibt oder nicht, oder nachträglich mit einer Buße abgefunden wird etc. Der Kulturhistoriker Lippert (»Geschichte der Familie«, Stuttg. 1884; »Kulturgeschichte der Menschheit«, das. 1886-87,2 Bde.) zeichnete, im Anschluß an die Bachofenschen Ideen, eingehend das Bild der Urfamilie, kleiner, durch das Prinzip der Mutterfolge zusammengehaltener Stämmchen, innerhalb deren es keine Ehe und engere Verwandtschaft gab, sondern nur die ältern und jüngern Generationsschichten unterschieden wurden.
Freilich hat es auch an
Widerspruch gegen diese
Theorien seitens der Ethnologen, wie
Peschel und
Ratzel, und der
Juristen
nicht gefehlt. Daß bei den indogermanischen Völkern schon vor ihrer Trennung das Vaterrecht zur
Entwickelung gelangt war,
zeigt die sehr weit gehende Übereinstimmung der Verwandtschaftsbezeichnungen, die neuerdings von
Delbrück zusammengestellt
worden sind (»Die indogermanischen Verwandtschaftsnamen«, Leipz.
1889). Eine von diesen und andern Ergebnissen der
Sprachvergleichung ausgehende
Darstellung des ursprünglichen
Rechtes
der
Indogermanen zu geben, unternahm
Leist (»Gräcoitalische
Rechtsgeschichte«,
Jena
[* 2] 1884; »Altarisches
Jus gentium«
, das. 1889).
Anderseits sind auch die Überreste des
Mutterrechts bei verschiedenen andern Völkern zum Gegenstand gelehrter
Monographien
gemacht worden, unter welchen die
Schriften von Rechtswissenschaft,
Smith (»Kinship and marriage in early Arabia«, Cambr.
1885) und
Wilken
(»Over de verwantschap bij de volken van het Maleische ras«, Amsterd. 1883; »Het
matriarchaat bij de oude Arabieren«, das. 1884) hervorzuheben sind.
Auch das Eigentum hat sich ähnlich wie die Familie entwickelt, indem das Individualeigentum der modernen Kulturvölker überall auf eine ältere Stufe des Gesamteigentums weiterer Verbände, Familien, Geschlechtsgenossenschaften oder Dorfgemeinden zurückgeht. Allerdings ist für die eigentliche Urzeit überall von dem Sondereigentum auszugehen; denn gerade die rohesten Völker, wie z. B. die Jägervölker Amerikas und die Australneger, kennen bei Mobilien wie bei Immobilien nur das Eigentum einzelner.
Aber bei allen Völkern, die zu Ackerbau und seßhaftem Leben gelangt sind, findet sich die Feldgemeinschaft, deren bekanntestes Beispiel der russische Mir bildet. Der Mir ist die Gesamtheit der Dorfbewohner, die entweder die Felder gemeinsam bestellen und den Ertrag verteilen, oder, was das Gewöhnliche ist, periodische Verteilungen des der Gemeinde gehörigen Ackerlandes vornehmen. Von ähnlichen Landverteilungen bei den alten Germanen berichten uns Cäsar und Tacitus, und sehr bedeutende Überreste dieser alten Feldgemeinschaft haben sich in den Markgenossenschaften, in den Allmenden des südwestlichen Deutschland [* 3] und der Schweiz, [* 4] in den Gehöferschaften von Trier [* 5] etc. erhalten.
Auch die Dreifelderwirtschaft und der Flurzwang hängen damit zusammen. Für England hat Nasse das einstmalige Bestehen der gleichen Feldverfassung nachgewiesen;
bei den Römern spielte der ager publicus eine große Rolle;
im alten Sparta fanden häufige Landverteilungen statt;
die altirischen Gesetze zeigen ähnliche Einrichtungen;
in Indien kennen manche Dorfgemeinden des Pandschab noch die ursprünglichste Form der Feldgemeinschaft mit gemeinsamer Bodenbestellung und Verteilung des Ertrags.
Außerhalb des Bereichs der indogermanischen Völker findet man das Gesamteigentum der Gemeinde z. B. auf der Insel Java, im mohammedanischen Recht, bei den Maori auf Neuseeland; das Ideal eines rein kommunistischen Ackerbaustaats aber stellte Peru [* 6] unter der Herrschaft der Inka [* 7] dar, wo Jahr für Jahr die Verteilung der Ackerlose auf dem Hauptplatz des Dorfes stattfand. Das Gesamteigentum der Familie bildet eine weitere Stufe in der Entwickelung des Eigentums. Dahin gehört die Hauskommunion oder Zadruga der Südslawen, aus 20-30 oder noch mehr Köpfen bestehend, die Familiengenossenschaften in Indien, China, [* 8] Armenien etc. An der Spitze der Hauskommunion steht in Serbien [* 9] der Gospodar, der die Bodenprodukte verkauft und die nötigen Einkäufe besorgt; ihm zur Seite steht als Dirigentin der weiblichen Arbeiten die Hausmutter, Domatschitscha.
Dem serbischen Gospodar entspricht der pater familias des römischen und der maître des ältern französischen Rechts, der Adhikari der Inder, der Hestiopamon der alten Griechen. Auch das Lehenswesen ist durch die vergleichende Rechtswissenschaft, als eine universelle Erscheinung nachgewiesen, die sich wie im christlichen Mittelalter, so auch bei den Mohammedanern, in China, Ostindien [* 10] etc. findet. Als das Hauptwerk für die Urgeschichte des Eigentums ist noch immer das klassische Buch von E. de Laveleye über das Ureigentum zu betrachten (deutsch, mit wertvollen Erweiterungen von Bücher, Leipz. 1879). Schon früher hatten G. L. v. Maurer, Nasse u. a. die germanische Feldgemeinschaft erforscht.
Sehr anregend, besonders in England, wirkten die Schriften von Sir H. S. Maine, der namentlich die indischen und die altirischen Einrichtungen zum Vergleich heranzog (»Ancient law«, Lond. 1861; »Village communities in the East and West«, 1872; »Early history of institutions«, 1874; »Dissertations on early law and custom«, 1883). Neuern Datums sind mehrere in der »Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft,« erschienene Arbeiten, besonders die Abhandlung von Dargun über »Ursprung und Entwickelungsgeschichte [* 11] des Eigentums« (1884).
Nicht nur die allgemeinen Grundlagen der Rechtsbildung sind durch die vergleichende Rechtswissenschaft, aufgeklärt worden, sondern auch zu vielen speziellen Rechtsgebräuchen der Kulturvölker haben sich interessante Analogien oft bei den entlegensten Völkern des Altertums und der Neuzeit herausgestellt. So bietet das römische Erbrecht zahlreiche Berührungspunkte mit dem indischen, z. B. in der agnatisch geordneten Erbfolge, in der allmählichen Entwickelung der weiblichen Succession, im Repräsentationsrecht und in der Parentelenordnung.
Die Adoption und andre Formen der künstlichen Verwandtschaft finden sich nicht nur bei den indogermanischen Völkern, von denen besonders die Inder sie ausgebildet haben, sondern auch bei den Chinesen und Japanern, bei vielen malaiischen Völkern, in Australien [* 12] etc. Der Gedanke, daß die Götterwelt durch äußere Zeichen ihre Entscheidung über Recht und Unrecht in Prozessen kundgebe, ist ein universeller, und so kommen die Wasser-, Feuer-, Gift- und andern Ordalien nicht nur bei den Indern, Germanen und andern arischen Völkern, sondern auch bei zahlreichen Negerstämmen, bei den Arabern, bei den Birmanen und Siamesen, bei den Papua etc., vor. Das berüchtigte Jus primae noctis (Herrenrecht, droit de seigneur), das K. Schmidt in einer gelehrten Monographie (Freiburg [* 13] 1881) in das Bereich der Fabel zu verweisen suchte, ist nicht nur durch spanische und südfranzösische Quellen des Mittelalters bezeugt, sondern kommt auch bei den verschiedensten wilden Völkern in ¶
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Anwendung. Diese Fragen sind besonders in verschiedenen Aufsätzen von Kohler in der erwähnten Zeitschrift und in den Werken von Post (»Der Ursprung des Rechts«, Oldenb. 1876; »Die Anfänge des Staats- und Rechtsleben«, das. 1878; »Bausteine für eine allgemeine Rechtswissenschaft,«, das. 1880,2 Bde., und andre Werke) behandelt. Reichen Zuwachs an Material hat die vergleichende in den letzten Jahren erhalten, besonders durch die Übersetzung der altirischen Brehon Laws, einer Reihe indischer Gesetzbücher (in den »Sacred books of the East«),
wichtiger islamitischer, birmanischer und chinesischer Rechtsbücher, und durch die Auffindung der umfangreichen Inschrift von Gortyn auf Kreta (1884), welche die älteste größere Gesetzsammlung Europas enthält.