Volkswirtschaft selbst, bez. mit der
Ausdehnung
[* 2] der landwirtschaftlichen und industriellen weltwirtschaftlichen Beziehungen
zusammenhängende
Erscheinung dar. Das wiederholt auftretende Übermaß des
Angebots, bez. der
Produktion kann wohl einigermaßen
durch schützende
Zollpolitik, durch Aufsuchung neuer Absatzgebiete und speziell durch
Förderung der Kolonialpolitik, ferner
durch
Hebung
[* 3] der Kaufkraft der breitesten Volksschichten gemindert werden, woneben auch die Währungsfrage
fortwährend im
Auge
[* 4] zu behalten ist.
Aber ein ruhigeres, gleichmäßigeres
Verhältnis zwischen
Nachfrage und
Angebot im allgemeinen und damit auch eine befriedigendere
Gesamt-Preisgestaltung ist schwerlich ohne neue volkswirtschaftlich-organisatorische
Bildungen zu erwarten. Ob nicht schon
in den heutigen
Kartellen
(Koalitionen,
Konventionen, Verkaufskontoren,
Syndikaten) der
Industrie einAnsatz
dazu oder doch ein instinktives
Tasten danach vorhanden ist, kann nur die Folgezeit lehren. Die
Wahrscheinlichkeit weist darauf
hin, daß bis zur
Ausbildung von korporativ gestalteten Betriebsgenossenschaften vorerst der freie Arbeitsvertrag eine festere
und geregeltere Grundlage durch Schaffung von Arbeitervertretungen finden wird, womit sich auch die Einkommensverteilung,
bez. die Kaufkraftverteilung weitaus günstiger gestalten
dürfte.
Litteratur.In erster
Linie sind zu nennen:Ad.
Soetbeer, Materialien zur
Erläuterung und Beurteilung der wirtschaftlichen Edelmetallverhältnisse
und der Währungsfrage (2. Aufl., Berl. 1886), und Erw.
Von ausländischen
Stimmen sind besonders zu nennen: Goschen,
Ansprache im
Institute of Bankers, April 1883: On the probable
results of an increase in the purchasing power of gold, und
Robert Giffen,
Essays in finance (2.
Serie,
Lond. 1886), worunter hervorzuheben: »Trade depression and low prices;
Gold
[* 7] supply, the rate of discount and prices; The effects
on trade of the supply of coinage« (vgl. dazu die
Berichte der beiden in
England zur Untersuchung der Wirtschaftsdepression
und auch der Währungsfrage ernannten königlichen
Kommissionen, insonderheit den Schlußbericht der erstern: »Final report
of the
Royal Commission appointed to inquire into the depression of trade and industry«, Lond.
1886);
Leroy-Beaulieu, La baisse des prix des marchandises, ses causes et ses effets (im ȃconomiste
français«, 12. und
Siehe auch das amtliche italienische Quellenwerk
»Movimento dei prezzi
di alcuni generi alimentari dal 1862 al 1885«
(Rom
[* 8] 1886),
das amtliche
»Statistische Jahrbuch für das Deutsche
[* 9]
Reich« (11.
Jahrg., Berl. 1890). Die gesamte Litteratur ist angegeben in
Soetbeersoben erwähnten »Materialien«, S. 81-98.
(engl., abgekürzt pm.),
Prämie, auf englischen
Kurszetteln im
Gegensatz zum discount oder
Damno (abgekürzt dis.) s. v. w.
Aufgeld, Überschuß über den Paribetrag.
[* 16]
Bevölkerung.
[* 17] Das vorläufige Ergebnis der
Volkszählung vom weist für eine
Bevölkerung von 29,957,302
Seelen auf. Die Zunahme seit 1885 beläuft sich auf 1,643,469
Personen, d. h. auf 5,79 Proz. oder
jährlich auf 1,13 Proz. (gegenüber 0,75,
bez. 1,17 Proz.
in den
Perioden 1880-85 und 1875-80). Die
Bevölkerung verteilt sich auf die einzelnen
Provinzen folgendermaßen:
Unter den 546
Kreisen (mit Einschluß von
Berlin) hat die
Bevölkerung in 378 zu-, in 168 abgenommen.
Letztere gehören überwiegend
den sechs östlichen
Provinzen an. Die stärkste Zunahme zeigten die
Kreise
[* 32] in der Umgebung von
Berlin
(Teltow +36,17 Proz.,
Niederbarnim +29,92 Proz.) und einzelne in
Westfalen und Oberschlesien.
Mehr als zwei Drittel der Gesamtvermehrung
der
BevölkerungPreußens
[* 33] entfallen auf die
Städte mit mehr als 10,000 Einw. Während man 1885 deren nur 196 mit 7,010,308
Einw. zählte,
gab es 1890: 205 mit 8,289,913 Einw. Darunter war eine Großstadt
(Berlin), 15
Städte mit 100,000-500,000 Einw.
(1885: 11),12 mit 50,000-100,000 Einw. (1885:
14),64 mit 20,000-50,000 Einw. (1885: 56),113 mit 10,000-20,000
Einw. (1885: 114). In die
Reihe der
Städte mit mehr als 100,000 Einw. sind
Stettin,
[* 34]
Krefeld,
[* 35]
Aachen
[* 36] und
Halle
[* 37] a.
S., in die mit
mehr als 50,000
Charlottenburg,
[* 38] dessen
Bevölkerung seit der letzten
Volkszählung um 81,43 Proz. zugenommen
hat, und
Duisburg
[* 39] eingetreten.
gestiegen, bleibt jedoch hinter dem bisher höchsten Stande vom Jahre 1872 um 14,890 zurück. Die Zahl der Ehescheidungen,
die bis 1888 alljährlich gestiegen ist, hat 1889, wo sie 3994 betrug, gegen das Vorjahr um 257 abgenommen. Geburten fanden
1889: 1,136,588 statt, davon Lebendgeburten 1,094,504 (561,115 männlichen, 533,389 weiblichen Geschlechts). Unehelich
wurden 85,962 Kinder geboren (7,85 Proz.); darin zeigt sich gegenüber der Periode 1885-87, wo die unehelichen Geburten 8,11
Proz. ausmachten, ein nicht unbedeutender Fortschritt. Sterbefälle kamen 1889: 724,803 vor (inkl.
Totgeborne), gegen das Vorjahr 16,594 mehr, doch weniger als sonst in einem Jahre seit 1880. Die natürliche Vermehrung betrug
411,785 Personen, d. h. 14,2 auf 1000 zu Anfang des JahresLebende. Sie ist fast ebenso groß als im Vorjahr
(14,8 pro Mille) und erheblich höher als im Zeitraum 1880-86, wo sie nur 11,5-12,4
pro Mille betrug.
Konfession. Während bis 1867 die evangelische Bevölkerung in Preußen, auch abgesehen von der außergewöhnlichen Vermehrung durch
die Erwerbung überwiegend evangelischer Landesteile (1866), stärker als die römisch-katholische zunahm, ist seitdem ein
stärkeres Anwachsen der katholischen Bevölkerung beobachtet worden. Diese Veränderung läßt sich zunächst durch die Einwanderung
von Katholiken aus Süddeutschland und die Auswanderung von Evangelischen aus den westlichen ProvinzenPreußens
nach Süddeutschland erklären.
Bei der Volkszählung von 1885 bildete nämlich die evangelische Bevölkerung in Preußen 64,42 Proz., die katholische 33,97
Proz. der Gesamtbevölkerung; unter den Einwanderern waren aber nur 48,23
Proz. Evangelische neben 44,74 Proz. Katholiken, während bei den Auswanderern
auf 66,46 Proz. Evangelische 30,39 Proz. Katholiken entfielen. Eine zweite Quelle
[* 55] der stärkern Vermehrung der Katholiken im
preußischen Staate bildet der größere Überschuß der Geburten über die Sterbefälle und die größere eheliche Fruchtbarkeit
(1877-87 im Durchschnitt gegenüber den Evangelischen im Verhältnis von 53:44) innerhalb der katholischen Bevölkerung.
Dieser Rückgang wird für das evangelische Bekenntnis nur unerheblich dadurch ausgeglichen, daß von
den Nachkommen aus konfessionellen Mischehen mehr als die Hälfte den Evangelischen zufällt, und daß der Übertritt zum
evangelischen Bekenntnis bedeutend stärker ist als zum römisch-katholischen. So sind in den Jahren 1882-87: 11,240 Römisch-Katholische
zum evangelischen Bekenntnis, aber nur 1334 Evangelische zum römisch-katholischen Bekenntnis übergetreten.
Die infolge der Maigesetze im J. 1875 von 958 auf 596 gesunkene Zahl der Niederlassungen von römisch-katholischen Orden
[* 56] im
preußischen Staate hat
sich im verflossenen Jahrzehnt wieder zur frühern Höhe erhoben, nachdem durch die Gesetze vom und nicht
bloß den Orden, die es mit der Krankenpflege zu thun haben, sondern auch denen, die sich mit dem Unterricht
und der Erziehung der weiblichen Jugend beschäftigen, gestattet wurde, neue Niederlassungen zu gründen. Deshalb stieg die
Zahl der Ordensniederlassungen zu Ende 1889 wieder auf 974, die zusammen ca. 10,500 Mönche und Nonnen enthielten.
Landwirtschaft. Auf Grund der Materialien der Gebäudesteuerrevision vom Jahre 1879 ist im königlichen StatistischenBüreau
eine Statistik desGrundeigentums und der Gebäude im preußischen Staate bearbeitet worden, wobei als Besitzungen einzelne
Gebäude oder Gebäudekomplexe mit den wirtschaftlich dazu gehörenden nutzbaren Flächen angesehen werden. Die Erhebung bezieht
sich auf den ganzen Staat mit Ausnahme Hohenzollerns, für welches das Gebäudesteuergesetz von 1861 nicht
gilt.
Wenn man unter den Privatbesitzungen die ländlichen ausschließlich ins Auge faßt, so ergibt sich, daß davon 1,559,712
mit einem Umfang von 23,9 Mill. Hektar vorhanden sind. Davon gehörten dem Großgrundbesitz (Grundsteuerreinertrag
von mehr als 1500 Mk.) 2,1 Proz. mit 9 Mill.
Hektar, dem mittlern Besitz (Reinertrag 300-1500 Mk.) 11,7 Proz. mit
7,1 Mill. Hektar, dem Kleinbesitz (Reinertrag 100-300 Mk.) 17,1 Proz. mit
4,5 Mill. Hektar und dem Parzellenbesitz, dessen Inhaber auf andern Erwerb durch Tagelohn etc. angewiesen
sind, 69,1 Proz. mit 3,2 Mill. Hektar.
Die Ernte
[* 59] des Jahres 1889 blieb hinter den beiden allerdings günstigen Erntejahren 1886 und 1887 in den wichtigsten Feldfrüchten
erheblich zurück. Hauptgrund war besonders für die östlichen Provinzen die anhaltende Trockenheit in den MonatenMai und
Juni. Die Ernte ergab folgende Mengen (in Parenthese verglichen mit dem Ertrag des Jahres 1888): Weizen 1,323,266
Ton. (-88,574 T.), Roggen 3,676,425 T. (-205,837 T.), Gerste
[* 60] 922,086 T. (-174,460 T.), Hafer
[* 61] 2,499,494 T. (-241,042 T.), Buchweizen
110,488 T. (+10,834 T.), Erbsen 218,273 T. (-21,073 T.), Bohnen 123,397 T. (+7205 T.), Kartoffeln 16,936,440 T. (+2,931,595
T.), Klee (Futter) 2,306,053 T. (+193,321 T.), Wiesenheu 6,874,462 T. (+756,518 T.). Nach der wie alljährlich
im Oktober angestellten vorläufigen Ermittelung läßt sich die Ernte des Jahres 1890 als eine gute Mittelernte bezeichnen.
Man schätzt den Ertrag von Winterweizen auf 1,37 Mill. T. (1889: 1,22 Mill. T.),
Winterroggen auf 3,72 Mill. T. (3,64 Mill. T.),
Sommergerste auf 1,06 Mill. T.
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