nahm die englische
Regierung den modus vivendi an und trat in neue
Verhandlungen ein, um bis zum
Ablauf
[* 2] desselben (Ende Mai
1891) zu einer definitiven Verständigung zu gelangen. Einstweilen schickte die
Regierung einige
Truppen nach
Afrika;
[* 3] auch ein
Bataillon portugiesischer Freiwilliger aus
Brasilien
[* 4] wurde dahin gesandt. Dies teilte der König den
Cortes bei der
Eröffnung ihrer
Sitzungen in der
Thronrede mit, nach deren Verlesung die
Cortes sofort bis zum März vertagt wurden.
Die
Erschütterung des Ansehens des
Königtums und der Behörden kam zu
Tage, indem in
Oporto
[* 5] ein Militäraufstand
ausbrach, der die Errichtung einer
Republik zum
Ziele hatte. Doch schlossen sich nur wenige
Bürger der
Erhebung an,
und sie wurde daher von den treu gebliebenen
Truppen in wenigen
Stunden unterdrückt. Einer Verbreitung des
Aufstandes
über andre
Städte wurde dadurch vorgebeugt. Die
Regierung nahm aber den
Vorfall zum
Anlaß, um gegen die republikanischen
Zeitungen mit Strenge einzuschreiten und einige der schlimmsten Hetzblätter zu unterdrücken. Die
Cortes wurden 4. März wieder
zusammenberufen, um eine
Anleihe zur Konsolidierung der schwebenden
Schuld und die Einführung des
Tabaksmonopols zu genehmigen.
Nachdem dies geschehen, wurden die
Cortes21. März wieder geschaffen.
Litteratur. Die Gesamterscheinungen der portugiesischen Litteratur der letzten
Jahrzehnte tragen den allgemeinen
Charakter, welcher dieselbe zu allen
Perioden kennzeichnet. Der Einfluß frankreichs wirkt
übermächtig auf das Schriftentum
Portugals, seine poetischen und wissenschaftlichen Erzeugnisse ein. Neben der abgöttischen
Verehrung des monarchischen
Prinzips erschüttern radikale
Lehren
[* 6]
Thron
[* 7] und
Staat; der überschwenglichen religiösen
Richtung
steht schroffer als irgendwo der
Atheismus gegenüber.
Nirgends fand
Comtes und
LittrésPositivismus unter den Gebildeten eifrigere Verteidiger und unter den
Massen gläubigere
Schüler.
Eine Übersetzung von Prosper Pichards
Katechismus »Doutrina do
Real-Catecismo para uso dos que não se contentam com palavras«,
die bereits 1876 zu
Porto erschien und ein
Vorwort E.
Littrés hat, beabsichtigte, die positivistischen
Grundsätze weiter zu verbreiten, was Theophilo
BragasZeitschrift »O Positivismo« nicht völlig gelang.
Die Dichter früherer Jahrzehnte, wie
João de
Deus, Luiz A. de
Palmeirim,
Mendes Leal und zahlreiche andre, blühen heute noch,
ihre Werke werden neu aufgelegt, obwohl einer der bedeutendsten, Anthero de
Quental, in einem ursprünglich im »Jornal
do Commercio« vom erschienenen
Artikel: »Die
Poesie in der Gegenwart« den
Grundsatz ausspricht, die poetische
Phase
der Menschheit sei im
Absterben begriffen;
dieses
Jahrhundert werde die letzten Dichter wie die letzten Gläubigen gesehen
haben, da der menschliche
Geist in das ausschließliche Gebiet des
Rationalismus, der
Analyse und
Kritik
angelangt sei, die
Poesie keine soziale
Mission mehr habe und die wenigen lebenden Dichter nur noch die verstümmelten Überreste
eines
Geschlechts von andern, eben im Aussterben begriffenen
Ideen vorstellten.
Und doch ist Anthero de
Quental selbst einer
der liebenswürdigsten Dichter der Gegenwart, dessen
»Odes modernas«, »Sonetos« und »Thesouro
poetico da infancia« weit verbreitet sind trotz des pessimistischen
Geistes, der in seinen »Considerações
sobre a philosophia da historia litteraria portugueza« atmet. Zu den rasch emporgekommenen Dichtern,
bei deren Auftreten
eben
Quental der
Poesie diese wenig günstige Aussicht stellt, ist der formgewandte Joaquim de
Araujo in
Porto zu zählen.
Sein Gedichtenbuch »A lira intima« (Lissab.
1881) will nicht die
Kämpfe des
Zeitalters, sondern den lieblichen
Duft der Jugendträume
in sich fassen.
Schon 1878 hatte
Araujo die
Zeitschrift »A Renascença« begründet, ein
»Organ für die
Arbeiten der neuern
Generation« mit Beiträgen
der bedeutendsten Schriftsteller und Dichter
Portugals. Leider hat das treffliche Unternehmen sich nicht
lange halten können und ist nur zu wünschen, daß
Araujos neueste
Publikation, die Monatsrevue »Circulo Camoniano«, welche
speziell der Camões-Forschung gewidmet ist, ein längeres
Leben habe. Augusto Luso da
Silva zeigt in seinen »Impressões da
Natureza« lebhaften
Sinn für die
Natur und ihre
Schönheiten;
João Minimo findet in seinen »Lyricas« frische
Klänge, ebenso Alfredo
Campos in seinem »Um livro intimo«.
Theophilo
Braga wendet die geringe freie Zeit, die ihm seine litterarhistorischen, sozialen und philosophischen
Studien gewähren,
auch noch wie früher der
Dichtung zu (»Torrentes«, »Floresta
de varios romances« u. a.). Vielfach thätig ist Thomaz
Ribeiro, dessen Gedichte: »Vesperas, poesias dispersas«,
»D. Jayme«, »A Delfina do mal«,
»Sons que passam«, mehrere
Auflagen erlebt haben, und dessen Einakter in
Versen: »A
Indiana«, viel Beifall fand. Faustino Xavier
de
Novaes hat nach seinen
»Poesies« auch noch
»Novas Poesias«, durch Camillo
Castello Branco empfohlen, herausgegeben, denen
die »Poesias posthumas« folgten. Der »Cancioneiro«
(»Impressões e recordações«) sowie die »Serões
d'Aldeia« des schon im J. 1848 mit seinem »Trovador« bekannt gewordenen
João de Lemos haben viele
Leser begeistert, sowie neben den »Poesias« des Luiz Augusto
Palmeirim seine »Galeria de figuras
portuguezas«, eine
Darstellung der volkstümlichen
Dichtung (»a poesia popular nos campos«),
mit
RechtAnerkennung fand.
Die
»Musa velha« des Francisco Palha, desgleichen die
»Flores agrestes« des Bulhão Pato enthalten hübsche
Dichtungen, sowie
sich auch in der Sammlung des
JoãoDiniz »Thesouro do Trovador«, »Selecção
de canções e recitativos« zierliche
Verse finden. Die Centenarfeier des Camões hat selbstverständlich eine
Reihe von
Dichtungen größern und kleinern
Umfangs hervorgerufen; besonders nennenswert sind die hierher
bezüglichen Gedichte von Francisco
Gomes de Amorim.
Zu den gefeiertsten Schriftstellern der neuern Zeit gehörte indessen Camillo
Castello-Branco. Ein überaus frischer
Stil,
sprudelnder
Humor neben tiefer
Leidenschaft, historische Kenntnis seines
Landes und eine reiche litterarische Thätigkeit zeichnen
ihn vor allen andern aus und machen die hohe
Achtung, welche ihm während seines
Lebens zu teil wurde,
begreiflich. Seine Werke erscheinen gesammelt als »Collecção Ernesto Chardron«,
»Amor de Salvação«; der »Cancioneiro alegre de poetas portuguezes
e brasileiros«, »A Brazileira de Prazins«,
»Echos humoristicos«, »A
Espada de
Alexandre«, »Luiz de Camões«, der historische
Roman »A Freira
no subterraneo«,
»No bom
Jesus do
Monte«, »O carrasco de
VictorHugo José Alves«, »Noites de
insomnia«, »Mata-a ou ella te matará«,
»Os amores do diabo«, »O vinho do
Porto«, »O olho de vidro«,
»Maria da
Fonte«,
»Amor de
perdição«, »O bem
e o mal«,
»CaryotaAngela«, »Duas épocas na vida«, »Volcões
de lama«, »O judeu« und zahlreiche andre kürzere
¶
mehr
oder umfangreichere Schriften ermöglichten ihm immerhin noch die Übersetzung fremder Werke, wie das »Diccionario
universal de Educação e Ensino« des E. M. Campagne (3 Bde.),
und die Herausgabe älterer Schriften, wie der »Poesias e prosas
ineditas de Fernão Rodrigues Lobo Soporita«, der »Vida d'el rei D. Affonso VI., escripta no anno de 1684«
u. a.
Im allgemeinen fand der Roman inPortugal
[* 9] keine bedeutende Pflege. Neben den patriotischen Erzählungen des genannten Gomes de Amorim
wäre zu erwähnen »O filho do Baldaia« des Arnaldo Gama, die historischen Romane des CarlosPinto d'Almeida, »A conquista de
Lisboa« und »A cruz pelas riquezas«, der
auf den Azoren spielende Roman des Frederico Aldoar, »Helena, a filha do Judeu«;
»O martyr do Golgatha« (3 Bde.) mit seiner Fortsetzung
»Os apostolos« (3 Bde.);
»Rico e pobre« etc., sind zum teil bereits mehrfach aufgelegt oder vergriffen.
Eine ganz besondere
Beachtung unter den Prosaschriftstellern verdient Eça de Queiroz, dessen vorzügliche Gabe, die Gesellschaft
in ihren Schwächen zu zeichnen, die Lektüre seiner Erzählungen zu einer überaus anregenden macht. Man sieht dem Autor an,
wie er das Leben kritisch beschaut und seine Eindrücke widerzuspiegeln versteht. Sein »O crime do Padre Amaro«, dessen zweite
Ausgabe völlig neu bearbeitet ist, »O Primo Bazilio«, »O Mandarim«, »A
Reliquia«, »OsMaias« haben wiederholt neue Auflagen erlebt. Allbekannt ist auch Julio Diniz, der treffliche Schilderer des ländlichen
und bürgerlichen Lebens (»As pupillas do Senhor Reitor« u. a.).
Das Theater
[* 10] wird selbstverständlich von der französischen Litteratur beherrscht, deren Erzeugnisse auch in Portugal eifrig
übersetzt werden. Neben den zahlreichen Übersetzungen aus dem Französischen, wobei natürlich AlexanderDumas, Octave Feuillet und VictorHugo obenan stehen, trifft man allerdings auch einheimische Originaldichtungen. Cesar de Lacerda,
der sich an Dumas bildete und manches von ihm übersetzte, schrieb eine ReiheKomödien (»A aristocracia e o dinheiro«, »A duplice
existencia«, »Trabalho e honra« etc.)
und sogen. comedias-dramas, wie »Uma lição de florete«, »As joias de familia«.
Alfredo Hogan pflegte neben Komödien auch die Haupt- und Staatsaktion, z. B. in seinem »Os ultimos dias dos jesuitas em Portugal«;
Antonio Varella machte Glück mit einigen Lustspielen (»A bom servidor boa paga«, »Desejos
de dois casados«); Aristides Abranches (»Stambul«, »Um homem politico«, »Os dois pescadores«),
Ernesto Biester (»Cora ou a escravadura«, »Os diffamadores«, »Um homem de consciencia«, »As obras de Horacio«,
»Um quadro da vida«, »A redempção«,
»Os sabichões«),
Guilherme Aguiar (»Anjo, mulher e demonio«),
Ignacio M. Feijó (»O Camões do Rocio«,
»Carlos ou
a familia do avarento«, »Petro Cem«, »Remechido«,
»A torre do Corvo«),
João Aboim (»O homem poe e Deus dispõe«, »O recommendado de Lisboa«),
Joaquim Augusto Oliveira (»Ave do
paraiso«, »A corôa de Carlos Magno«, das er als »peça magica de grande espectaculo«
bezeichnet, »Erros da mocedade«),
Sanches de Frias u. v. a. sind Namen, welche mit mehr oder weniger dramatischem Geschick die Bühne teils
mit originellen Stoffen versehen, teils dieselben aus der Fremde holen und für das portugiesische Theater
zurichten. Auch die hervorragendern Schriftsteller und Dichter sind auf der Bühne vertreten, wie Bulhão Pato mit seiner
Komödie »Amor virgem n' uma peccadora«, Camillo Castello Branco mit dem Drama »Justiça« und dem Lustspiel »O morgado de Fafe
amoroso«;
Luiz A. Palmeirim mit den Komödien: »Como se sobe ao poder«, »A domadora de feras«, »Dous casamentos
de conveniencia«, »O sapateiro d'escada«;
José Mendes Leal mit den Dramen »Alva estrella«,
»O homem de auro«, »A pobreza
envergonhada«, »Pedro«, »Os homens de marmore« und den Lustspielen: »Flores e fructos«, »A herança do chanceller«,
»As tres cidras do amor«.
Auch sonst ist die auswärtige Litteratur durch zahlreiche Übersetzungen in Portugal verbreitet. Seitdem der
berüchtigte Faustübersetzer Antonio Feliciano de Castilho auf Shakespeare hinwies und den »Sommernachtstraum« (»Sonho
d'uma norte de S. João«) übertrug, hat Antonio José de Lima
[* 11] Leita Milton (»O Paraiso perdido«) in portugiesische Verse übersetzt,
João Vieira Byrons »Don Juan« (»Os amores de DomJuan«) u. a. Der RomanAlexanderDumas' (»Memorias d'um medico«, 20 Bde.)
ist weit verbreitet; die »Collecção Pedro Correia« versieht Portugal mit den neuesten ausländischen Produkten; EmilGaboriau
ist fast vollständig übersetzt, EmilZola allenthalben bekannt. Vor allem hat man die »romance realista«
»A Naná« mit aller den portugiesischen Radikalen eignen Glut als die streng wahrheitsgetreue Analyse der gesellschaftlichen
Auswüchse begrüßt. Nicht minder rasch sind die Erzählungen von GeorgesOhnet und die »Dramas do novo mundo« des Gustave Aymard
(letztere durch die Übersetzung von F. d'Araujo e Mello) beliebt geworden, denen sich Jules Verne in der Übertragung von
Francisco Gomes Moniz anreiht.
Auf dem Gebiete der Kunstgeschichte stehen die Arbeiten des scharfsinnigen J. ^[Joaquim] de Vasconcellos
unter dem Gesamttitel: »Archeologia artistica« (»Luiza
Todi«, »A imprensa portugueza no seculo XVI«, »Ensaio critico sobre o Catalogo d'El-Rey DomJoão IV«, »AlbrechtDürer e a sua
influencia na peninsula«, »Citania«, »Francisco
de Hollanda«, »Goësiana«) obenan;
ältern Datums sind die zwei Bände »Os musicos portuguezas«,
¶