Form zu besitzen, kaum noch brauchbar sind, so hat die
Gesellschaft alpine
Garten
[* 2] angelegt, in welchen die
Pflanzen unter natürlichen
Verhältnissen wachsen. Der erste dieser
Gärten wurde am
Großen St.
Bernhard in Betrieb gesetzt. Eine wichtige Aufgabe besteht
für die Tauschvereine darin, das Sammeln von
Orchideen
[* 3] mit
Knollen,
[* 4] vonZwiebelgewächsen mit
Zwiebeln einzuschränken
und seltene
Pflanzen, die an einem Standort durch menschliche
Eingriffe in
Gefahr geraten, an passendere
Stellen zu verpflanzen.
(Sippenbildung bei Erophila). Die
Existenz zahlreicher, samenbeständiger Pflanzenvariationen innerhalb eines kleinern
oder größern
Kreises nahe verwandter Pflanzenindividuen, der je nach dem Standpunkt des die
Formen beschreibenden Beobachters
mit dem
NamenVarietät,
Rasse, Sippe oder Art bezeichnet zu werden pflegt, ist eine durch neuere, besonders
auf
Darwins klassischen
Arbeiten fußende Untersuchungen vielgestaltiger Pflanzengattungen, wie
Rosa,
Hieracium,
Rubus u. a.,
von Crépin,
Christ,
Nägeli,
Peter,
Focke,
Kuntze u. a. sicher festgestellte
Thatsache.
Die Schwierigkeit, das Formengewirr dieser und ähnlicher
Gattungen auf festbegründete Stammtypen oder
ideale
Arten zurückzuführen, durch deren allmähliche, bisweilen mehrere Erdepochen hindurch fortgesetzte Ausgliederung
die gegenwärtig vorhandenen, oft ineinander fließenden Formengruppen sich gebildet haben, ist allerdings als noch nicht
beseitigt zu betrachten, da die primären
Ursachen, die zur Entstehung vererbungsfähiger, schließlich zu neuen
Arten führender
Variationen Veranlassung gaben, inDunkel gehüllt sind.
Meist kommen nur einzelne Begleitumstände der Artbildung, wie geographische
Lage und geologische
Bildung der Entstehungszentren,
geselliges Durcheinanderwachsen nahe verwandter, aber trotzdem sich unverändert erhaltender Formenreihen, Arealbegrenzungen
der
Arten, mehr oder weniger reichliche Erzeugung von Hybriden u. Zwischenarten, zur
Beobachtung, woraus dann mehr oder weniger
unsichere
Schlüsse über die gegenseitige Abstammung und die Entstehungsursachen der Pflanzenspezies
gezogen werden.
Um so wichtiger erscheint der Nachweis samenbeständiger Pflanzenvariationen innerhalb wild wachsender Formenkreise,
welche nach der gewöhnlichen
Anschauung als unzweifelhaft gute
Arten im
Linné-CuvierschenSinne betrachtet werden. Derartige
unter sich naheverwandte Pflanzenvariationen sind zuerst in größerm
Umfang durch
Jordan (seit 1852), z. B. für
Aegilops
ovata,
Vincetoxicum officinale u. a., als die wirklichen natürlichen
Arten beschrieben worden. Freilich stellte sich derselbe
nach dem Erscheinen des Darwinschen Hauptwerkes über das Variieren von
Tieren und
Pflanzen auf die Seite der Gegner
Darwins,
und da außerdem durch die von
Jordan eingeführte
Methode der Artbegrenzung eine die Übersichtlichkeit
vollkommen aufhebende Zersplitterung der
Formen in die
Wissenschaft eingeführt worden wäre, so fanden längere Zeit hindurch
die von ihm in einem Zeitraum von etwa 30
Jahren gesammelten
Beobachtungen nicht vollkommene Würdigung. Unter den
Pflanzen,
von denen
Jordan außerordentliche Vielgestaltigkeit behauptet hatte, befand sich auch das bekannte Hungerblümchen (Erophila
verna), bei
dem erca. 200 samenbeständige
Variationen oder
Arten nachwies.
Einer der vorurteilsfreiesten und hervorragendsten
Botaniker, A.
de Bary (gest. 1888), hatte in seinen letzten Lebensjahren
eine Nachprüfung der Jordanschen Angaben unternommen und ebenfalls Kulturversuche mit der genannten
Pflanze angestellt, die
sich wegen
ihrer Kurzlebigkeit besonders als Versuchsobjekt empfiehlt. Die in dem
Nachlaß de
Barys befindlichen
Notizen sind von
Rosen, einem
Schüler des Verstorbenen, bearbeitet und durch weitere
Beobachtungen ergänzt in einer neuerdings
erschienenen Abhandlung veröffentlicht worden.
Nach diesen Untersuchungen erweisen sich die Angaben
Jordans in der That als richtig; es wurden z. B. in der
Nähe von
Straßburg,
[* 5] Frankfurt
[* 6] a. M., im
Taunus und anderorts etwa 30 verschiedene Erophila-Formen aufgefunden, die sich in der
Kultur als beständig herausstellten und sich teils mit den von
Jordan beschriebenen
Formen deckten, teils neue, noch unbeschriebene
Varietäten darstellten. Die Unterschiede sind derart, wie sie auch sonst bei anerkannten
Arten vorkommen, und bestehen vorzugsweise
in der verschiedenen
Ausbildung der grundständigen Rosettenblätter, in der Form der
Haare,
[* 7] der Lappenbildung
der an der
Spitze eingeschnittenen
Blumenblätter sowie der Gestalt der
Schötchen.
Nach ihrer
Ähnlichkeit
[* 8] lassen sich die aufgefundenen
Formen in
Gruppen oder
»Typen« bringen, deren Merkmale vorzugsweise in der
Form der jungen Rosettenblätter liegen, während die eigentlichen Artunterschiede erst in der
Blüte-,
resp. Fruchtperiode hervortreten; an der erwachsenen
Pflanze sind übrigens die Anfangsblätter meist nicht mehr vorhanden,
so daß man ältere, im
Freien gefundene Erophila-Exemplare nicht sicher zu bestimmen vermag. Den erwähnten
Gruppen legt
Rosen
deshalb reale Bedeutung bei, weil die einander ähnlichsten
Formen auch in der
Regel auf gleichem Standort
vorkommen, so z. B. E. leptophylla, graminea und sparsipila vom
Typus der E. leptophylla Jord. mit
schmalen, linealen oder lineal-lanzettlichen Blättern, kleinen, kreuzförmigen
Blüten, elliptischen
Früchten und schwach
entwickelten Gabelhaaren auf den
Hausbergen bei
Straßburg, wo sie alle drei auf einem wenige Quadratmeter großen
Fleck zusammen
wachsen. Da ein solches gesellschaftliches Vorkommen nächstverwandter
Spezies auch in vielen andern
Fällen
durch
Jordan,
Nägeli,
Focke,
Christ u. a. beobachtet worden ist, so läßt sich schließen, daß derartige
Formen ursprünglich
auch an gleichem
Orte und aus einer gemeinsamen Stammart entstanden sind, da sonst das Auftreten ungleichartiger
Pflanzen an
demselben, die
Exemplare in gleicher
Weise beeinflussenden Standort unerklärbar sein würde.
Die Erophila-Arten haben ferner, wie aus der
Identität zwischen vielen, von
Jordan und
Rosen beobachteten
Formen hervorgeht,
ein ziemlich weites Wohngebiet, auf welchem die Standortsbedingungen in jeder Hinsicht wechseln, ohne daß irgend welcher
Einfluß derselben auf die Gestaltung der
Arten zur
Erscheinung kommt. Die artbildenden Merkmale stehen
also, wie auch sonst in vielgestaltigen
Gattungen, in gar keinem Abhängigkeitsverhältnis zu der äußern Umgebung und sind
nicht durch
Anpassung an dieselbe entstanden zu denken.
Pfyffer von Altishofen
* 10 Seite 18.725.
Auch den Einfluß verschiedenartiger
Bestäubung, die Züchtung durch blumenbesuchende
Insekten,
[* 9] leugnet
Rosen, da Erophila
sich fast ausschließlich durch Selbstbefruchtung vermehrt; allerdings läßt der
Bau der mit
Nektarien
versehenen
Blüten, wie schon H.
Müller hervorhob, auch Fremdbestäubung zu, und
Rosen selbst fand
Exemplare, an deren noch
nicht völlig geöffneten
Blüten der
Pollen nicht auf die höherstehende
Narbe zu gelangen vermochte, so daß dieselben auch
keine
Frucht ansetzten. Außer
Bestäubung mit eignen
Pollen kann bei durcheinander wachsenden, nahe verwandten
Arten auch illegitime
Kreuzung zwischen
¶
mehr
denselben stattfinden. Die Möglichkeit, daß einzelne Erophila-Formen Bastarde mit vollkommener Fruchtbarkeit darstellen,
ist somit nicht ausgeschlossen, und Rosen behält sich deshalb weitere Versuche in dieser Richtung vor. Im ganzen neigt er jedoch
zu der Ansicht, daß bei Erophila die Vielgestaltigkeit trotz vorwiegender Inzucht und ohne wesentliche Beteiligung von Bastardbildung
zu stande gekommen sei. Hinsichtlich der Entstehung der verschiedenen Sippen und Formen nimmt er an, daß
dieselbe durch freie, d. h. von der Umgebung unabhängige Variation hervorgerufen sei.
Dieselbe besteht nicht in einer bloßen Steigerung und Weiterbildung einzelner Merkmale, sondern sie schafft neue und kombiniert
die alten in neuer Weise, so daß die aus einer Art entstandenen Formen nicht graduell verschieden sind,
wie es der Fall sein müßte, wenn ihre Entstehung unter dem Einfluß der natürlichen Zuchtwahl vor sich ginge. Die Variation
bewirkt auch keine Vervollkommnung, sondern nur eine Vermehrung derFormen, von denen einige schlechter oder ebenso gut oder
besser konstruiert sein können als ihre Eltern; nur der Rückschritt wird durch die Auslese im Kampf um
das Dasein unmöglich gemacht.
Sie erscheint demnach nicht als blind und vom Zufall abhängig, sondern wird durch noch unbekannte Gesetze geregelt, da man
annehmen muß, daß gleiche oder ähnliche Kombinationen nächstverwandter Formen an verschiedenen Orten
entstanden sind. In diesen Sätzen liegt eine Weiterbildung der Darwinschen Theorie in ähnlichem Sinne, wie sie Nägeli mit
seinen Ideen über sprungweise Variation bereits angedeutet hat.
Derselbe,
Diagnoses d'espèces nouvelles ou méconnues (das. 1864);
Derselbe, Remarques sur le fait de l'existence en société
à l'état sauvage des espèces végétales affines et sur d'autres faits relatifs à la question de l'espèce (Lyon
[* 11] 1874);