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Biographie u. a. Meyer und Prinzhorn (»Luthers Gedanken über Erziehung und Unterricht«, Hannover [* 2] 1883). Luthers »pädagogische Schriften« gaben Schumann (Wien [* 3] 1883) und Keferstein (Langensalza [* 4] 1888) heraus. Für die neuere Pädagogik hat auch das 17. Jahrh. vielfach die Forschung der pädagogischen Schriftsteller auf sich gezogen. Mit Wolfgang Ratichius beschäftigte sich G. Vogt, längst schon bekannt als der beste Kenner und glücklichste Sammler der Ratke-Litteratur, in einer Anzahl Kasseler Gymnasialprogramme; H. Schiller begrüßte mit einer Rede über diesen pädagogischen Neuerer die Philologenversammlung zu Gießen [* 5] (1885). Mehr noch bewegte J. A. ^[Johann Amos] Comenius die Federn der Forscher.
Criegern betrachtete ihn als Theologen (Leipz. 1881), Kvacschala als Philosophen (das. 1886), W. Müller als Systematiker der Pädagogik (Dresd. 1887). Herzog Ernst der Fromme von Sachsen-Gotha fand neue Biographen und Lobredner seiner pädagogischen Bestrebungen an Boehne (Gotha [* 6] 1888) und G. Kreyenberg (Frankfurt [* 7] 1890), während Heine in einem Holzmindener Programm (1882) des Herzogs schulmeisterlichen Gehilfen M. Andreas Reyher durchs Leben begleitete. Der bisher weniger beachtete, eigentliche Anstifter der Realschulbewegung, der Jenenser Professor Erhard Weigel (1625-99), erfuhr nicht bloß eingehende Beachtung bei Paulsen, sondern auch eigne biographische Würdigung bei A. Israel (Zschop. 1884). In vortrefflichen Monographien, Einzelbänden der Bibliothek pädagogischer Klassiker von Mann, führte E. v. Sallwürk John Locke (Langens. 1883) und Fénelon (das. 1886) in ihrer Bedeutung für die neuere Pädagogik vor, indem er an Fénelons Leben und Schrift über die Erziehung der Mädchen zugleich eine höchst lehrreiche Übersicht über die Litteratur der weiblichen Bildung in Frankreich von Claude Fleury bis Frau Necker de Saussure knüpfte. In Verbindung mit Sallwürks Übersetzung von Rousseaus »Emile«, die kurz zuvor in derselben Sammlung in zweiter Auflage erschien (1882), und zu der Th. Vogt die Biographie Rousseaus lieferte, bilden jene Werke die trefflichste und zugleich unentbehrlichste Ergänzung für die neuern Forschungen zu der pädagogischen Bewegung in Deutschland. [* 8]
Der große Hallische Pädagog und Theolog A. H. Francke, der den übergang aus dem 17. zum 18. Jahrh. bildet, gewann einen begeisterten Biographen an seinem Nachfolger in der Leitung der von ihm begründeten Anstalten G. Kramer (Halle [* 9] 1880-82,2 Bde.), aber auch einen strengen Kritiker von theologischer Seite an A. Ritschl in dessen »Geschichte des Pietismus« (Bonn [* 10] 1880-82,3 Bde.). Eine einzelne, aber wichtige Seite in Franckes vielumfassendem Lebenswerk, die Vorbildung junger Lehrer und Erzieher für den pädagogischen Beruf, rückte der gegenwärtige Leiter der Franckeschen Stiftungen, O. Frick, aufs neue ins Licht [* 11] durch seine Schrift »Das Seminarium praeceptorum« (Halle 1883), indem er zugleich mit vielem Glück diese besondere Thätigkeit seines großen Vorgängers praktisch wieder aufnahm.
Eine empfindliche Lücke in der preußischen Schulgeschichte füllte Konr. Rethwisch aus mit der gründlichen Arbeit: »Der Staatsminister Freiherr von Zedlitz und Preußens [* 12] höheres Schulwesen im Zeitalter Friedrichs des Großen« (Berl. 1881), die 1886 in zweiter, durch einige auf Fragen der Gegenwart bezügliche Aktenstücke und Anmerkungen vermehrter Ausgabe erschien. Dem mehr um das Volksschulwesen verdienten Domherrn F. E. v. Rochow, Zedlitz' Zeitgenossen und Freund, widmeten sich zwei andre Berliner [* 13] Schulmänner: Jonas (»Litterarische Korrespondenz Rochows«, Berl. 1884; Biographie, das. 1885) und Jahnke (»F. E. v. Rochow«, das. 1887).
Rührende und edle Pietät beweisen die Schweizer ihrer ruhmreichen Schul- und Erziehungsgeschichte. Der eigentliche pädagogische Heros des Landes ist Pestalozzi, aber auch dessen Vorgängern wird dankbare Beachtung geschenkt. Den Philanthropen Martin v. Planta, den Genossen J. Ulysses v. Salis bei dem Philanthropin zu Haldenstein und Marschlins, erweckten L. Keller in Kehrs »Pädagogischen Blättern« (Gotha 1883) und O. Hunziker in der »Allgemeinen Deutschen Biographie« (Münch. 1888). Hunziker ist auch Verfasser der »Geschichte der schweizerischen Volksschule« (Zürich [* 14] 1880-82,3 Bde.),
der Artikel: Suisse in Buissons »Dictionnaire de pédagogie«, Pestalozzi in der »Allgem. Deutschen Biographie«. Neben ihm sind noch besonders H. Morf als Verfasser der »Beiträge zur Biographie Pestalozzis« (Winterth. 1868-89,4 Bde.) und S. Chavannes wegen seiner »Biographie de H. Pestalozzi« (Lausanne [* 15] 1883),
Guillaume wegen des Artikels »Pestalozzi« bei Buisson auszuzeichnen. Aber auch diesseit des Rheins hat der unerschöpfliche Pestalozzi noch immer seine litterarische Pflege und Gefolgschaft gefunden. Vor allen ist in dieser Hinsicht A. Vogel zu nennen, dessen oben erwähnter Frage: »Herbart oder Pestalozzi?« bereits zwei andre Arbeiten über den großen Schweizer vorausgegangen waren: »Die Pädagogik Pestalozzis in wortgetreuen Auszügen« (Bernb. 1882) und »Systematische Darstellung der Pädagogik Pestalozzis« (Hannov. 1886).
Unmöglich ist es, aus der Fülle der historischen Arbeiten über das letzte Jahrhundert der Schul- und Erziehungsgeschichte Auswahl zu treffen. (Einzelnes s. in den Artikeln Diesterweg, Seminare.) Nur weniges sei noch aus der eigentlich geschichtlichen Litteratur hervorgehoben. Kehrs »Geschichte der Methodik des deutschen Volksschulunterrichts« ist trotz des inzwischen erfolgten Ablebens ihres verdienten Begründers (1885) unter der Leitung seines Sohnes in den letzten Jahren des Jahrzehnts nahezu vollständig in neuer Auflage erschienen (Gotha, seit 1887). Sind manche Teile fast ganz in der alten Verfassung geblieben, so haben dafür andre durchgreifende Umgestaltung erfahren; im ganzen darf man sagen, daß das bedeutende Werk fortgeschritten ist und sich in der hervorragenden Stelle behaupten wird, die es sofort bei seinem ersten Erscheinen errang. Zum geschichtlichen Verständnis des höhern Schulwesens in Preußen [* 16] während der ersten drei Viertel des 19. Jahrh. gaben dankenswerte Beiträge die Biographien der beiden bedeutendsten pädagogischen Leiter dieses Zweiges des öffentlichen Schulwesens während dieser Zeit. L. Wiese benutzte die Muße seines Ruhestandes, um zunächst sein Votum über die schwebenden Schulfragen in knapperer Form unter dem Titel: »Ideale und Proteste« (Berl. 1884) und gleich danach in ausführlicher Darstellung seine »Lebenserinnerungen und Amtserfahrungen« (1886,2 Bde.) erscheinen zu lassen.
Wiese ist im J. 1852 in das preußische Kultusministerium getreten und hat dieser Behörde, in der ihm alsbald die geistige Leitung des höhern Schulwesens zufiel, bis 1875 angehört. Es konnte nicht fehlen, daß seine Denkwürdigkeiten des Fesselnden viel enthielten und die beteiligten Kreise [* 17] lebhaft beschäftigten. Die Erweiterung des preußischen Gebiets und demgemäß auch der Schulverwaltung infolge des Jahres 1866 und die Ausdehnung [* 18] der preußischen Grundzüge auf das ¶
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Schulwesen des Deutschen Reichs durch die Reichsschulkommission würden allein dem Rückblick dessen auf sein amtliches Leben, der bei diesen Dingen vor allen andern die Hand im [* 20] Spiele gehabt hat, dauernden Wert verleihen. Er kann solchen aber auch wegen der innern geistigen Bedeutung des Mannes beanspruchen, mag man nun dessen persönlichen Standpunkt teilen oder nicht. Sehr glücklich reiht sich dieser Autobiographie das ansprechende Lebensbild an, das C. Varrentrapp von Wieses bedeutendstem Vorgänger und zeitweiligem Amtsgenossen entworfen hat: »Johannes Schulze und das höhere Unterrichtswesen in seiner Zeit« (Leipz. 1889). Der Mann, der die preußischen Gymnasien und Realschulen von 1818 an leitete, umgestaltete und mit Kortüm, Brüggemann, schließlich auch Wiese bis 1859 beeinflußte, der in unser höheres Unterrichtswesen die seiner lebhaften Natur tief eingeprägten Ideen eines Winckelmann, Wolf, Schleiermacher, Hegel einführte, in ihm das mit gleicher Liebe erfaßte Griechentum und Deutschtum in vielleicht nur zu buntem Gemisch auszugestalten bemüht war, tritt hier zuerst in einem liebevoll entworfenen abgerundeten Gemälde vor die Leserwelt.
Daß beide Lebensbilder zeitlich mit der scharfen Kritik der neuern preußischen Schulgeschichte in Paulsens Geschichte des gelehrten Unterrichts hart aufeinander treffen, kann das Interesse für sie nur spannen, und die geschichtliche Erkenntnis wird auch in diesem Falle nur dabei gewinnen. Welche reiche und vielfach neue Schätze auch für die Geschichte der Pädagogik in der zweiten Auflage der Schmid-Schraders Encyklopädie aufgespeichert liegen, ist oben bereits angedeutet.
Quellen- und Urkundensammlungen, die Monumenta Germaniae paedagogica.
Endlich muß hier noch eines für die Geschichte der Erziehung und des Unterrichts überaus wichtigen Zweiges der Litteratur gedacht werden: der Quellen- und Urkundensammlungen und der ihnen sich unmittelbar anschließenden Einleitungen, Übersichten etc. Im einzelnen sind natürlich die Grenzen [* 21] fließende; im ganzen aber unterscheiden sich diese wertvollen Beiträge auch äußerlich von der allgemeinen Litteratur der Schulgeschichte durch ihr geschlossenes Auftreten in der Gestalt von Sammel- und Gesamtwerken.
Ein Vorbild für diese ganze Art hat schon vor einem Menschenalter Vormbaum mit seiner Sammlung evangelischer Schulordnungen aus dem Zeitalter der Reformation gegeben. Aus dem achten und neunten Jahrzehnt des Jahrhunderts ist eine ganze Reihe von Sammlungen pädagogischer Klassiker ehrenhalber zu erwähnen, die bei Beyer in Langensalza, Siegismund und Volkening in Leipzig, [* 22] Pichler in Wien und Leipzig erscheinen. Diese Sammelwerke bilden bereits stattliche Bibliotheken und haben die Kenntnis der Vorgeschichte unsers Erziehungs- und Unterrichtswesens in weitere Kreise tragen helfen.
Noch neue Sammlungen sind hinzugetreten, wie die »Klassiker der Pädagogik«, die unter Mitwirkung bewährter Kräfte G. Fröhlich herausgibt (Langens., seit 1888),
und die im katholischen Sinne von B. Schulz, H. Gansen und A. Keller unternommene »Sammlung der bedeutendsten pädagogischen Schriften« (Paderb. und Münster, [* 23] seit 1885). Wenn bei allen diesen Sammlungen die Rücksicht auf einen weitern Leserkreis vorwaltet und daher das fremdländische verdeutscht, auch manches verkürzt und zusammengezogen auftritt, so ist bei der von Israel unternommenen »Sammlung selten gewordener pädagogischer Schriften des 16. und 17. Jahrh.« (Zschopau, seit 1879) und den von J. ^[Johannes] Müller herausgegebenen »Vor- und frühreformatorischen Schulordnungen und Schulverträgen in deutscher und niederländischer Sprache« [* 24] (das. 1886 ff.) urkundlich treue Wiedergabe als wesentliches Merkmal vorangestellt.
Man kann dem Bestreben, durch Urdrucke alter handschriftlicher und durch Neudrucke alter, selten gewordener Schätze die Quellen der Schul und Erziehungsgeschichte allgemein zugänglich zu machen, nur den besten Fortgang wünschen. Dieser Wunsch gilt ganz besonders dem bedeutendsten aller dieser Unternehmen: dem von K. Kehrbach herausgegebenen Sammelwerk der »Monumenta Germaniae paedagogica« (Berl., seit 1886). Der verdiente Urheber und Leiter dieses großartig angelegten Urkundenwerkes wünscht darin die gesamte Entwickelung des deutschen Erziehungs- und Unterrichtswesens in ihren wesentlichen litterarischen Manifestationen ohne Vorzug einer besondern Schulart, eines besondern Zeitraums oder Bekenntnisses, überhaupt ohne jeden Parteistandpunkt vorzuführen.
Als Gegenstände der Veröffentlichung bezeichnet er in erster Linie:
1) Schulordnungen, kirchliche, staatliche, gemeindliche etc.;
2) Schulbücher, soweit sie eine Zeit und ihren Geist besonders deutlich ausprägen;
3) theoretische pädagogische Aufsätze der Schulmänner eines bestimmten Zeitalters;
4) sonstige Urkunden pädagogischer Art und Selbstbiographien, Schulkomödien, Schulreden, Tagebücher, allerlei Akten. In zweiter Linie richtet er sein Absehen auf allerhand gelegentliche Notizen, bildliche Darstellungen sowie Gesetze, Urkunden, Inschriften, die mittelbar mit dem Schulwesen in Beziehung stehen. Auf Grund dieses kühnen, weitschichtigen Planes haben Herausgeber und Verleger mit Hilfe einer Anzahl tüchtiger Gelehrter bereits 10 stattliche Bände ins Leben gerufen, die, von ungleichem Werte, doch als ein durchaus würdiger und vielversprechender Anfang anerkannt werden müssen; eine weit größere Zahl von selbständigen Teilen des Ganzen ist in Vorbereitung begriffen.
Die bisher erschienenen Bände haben folgenden Inhalt: Band [* 25] 1 und 8: »Braunschweigische Schulordnungen von den ältesten Zeiten bis zum Jahre 1828« (hrsg. von Fr. Koldewey, 1886 u. 1890);
Band 2,5 und 9: »Ratio studiorum et Institutiones scholasticae Societatis Jesu per Germaniam olim vigentes, collectae, concinnatae, dilucidatae« von G. M. Pachtler, S. J. (1887-1890);
Band 3: »Geschichte des mathematischen Unterrichts im deutschen Mittelalter bis 1525« von S. Günther (1887);
Band 4: »Die deutschen Katechismen der Böhmischen Brüder; kritische Textausgabe mit kirchen- und dogmengeschichtlichen Untersuchungen und einer Abhandlung über das Schulwesen der Böhmischen Brüder« von J. Müller (1887);
Band 6: »Die siebenbürgisch-sächsischen Schulordnungen« (hrsg. von Fr. Teutsch, 1. Bd., 1888);
Band 7: »Philipp Melanchthon als Praeceptor Germaniae« von K. Hartfelder (1889);
Band 10: »Geschichte des Militärerziehungs- und Bildungswesens in den Landen deutscher Zunge« von B. Poten (1. Bd., 1889).
Bei der großartigen Anlage des ganzen Unternehmens lag die Sorge nahe, ob die Kräfte eines einzelnen Verfassers und Verlegers dessen Gedeihen dauernd sichern könnten. Schon die Philologenversammlung zu Gießen (1885) beschäftigte sich daher mit der Angelegenheit und erbat durch ihren Ausschuß vom Reichskanzler eine Beihilfe zu den Kosten der Monumente. Diese ward aus formellen Bedenken leider nicht bewilligt. Daher beschloß die folgende Versammlung zu Zürich (1887) die Gründung einer ¶