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1885), womit der Verfasser, jetzt katholischer Prälat in München, [* 2] den großen Preis der dortigen Historischen Kommission gewann. Selten wird man mit so viel Liebe zum Gegenstand und mit so vieler Sachkenntnis ein so ruhiges klares Urteil verbunden finden. Es ist an dem Buche nichts zu bedauern als das durch die Preisaufgabe bedingte Abbrechen der Darstellung inmitten der Zeit, die uns nun einmal unter dem einheitlichen Gesichtspunkt des Mittelalters erscheint. Aber auch diesen Einschnitt hat der gelehrte Verfasser zu rechtfertigen gewußt durch den schließlichen Hinweis auf die neuen, weder rein kirchlichen, noch echt deutschen Ideale des spätern, im engern Sinne ritterlichen Mittelalters, die mit Beginn des 13. Jahrh. mehr und mehr die Herrschaft gewannen. - Wieder für dieses Werk als Ergänzung, wenn auch vor ihm geschrieben, kann gelten: H. J. ^[Heinrich Julius] Kämmel, »Geschichte des deutschen Schulwesens im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit« (Leipz. 1882). Auch dieses Buch, nach dem Tode des Verfassers erschienen, beruht auf tüchtigem Quellenstudium; wenn es noch weniger zu abgeschlossenen Ergebnissen gelangt, so ist das hinlänglich durch das überaus bunte, widerspruchsvolle Gepräge der Zeit selbst, über die noch lange nicht die Akten der einzelnen Untersuchungen geschlossen sind, erklärt.
Endlich, wenn es ja erlaubt ist, durchaus voneinander unabhängige Werke so zu einer Reihe zusammenzustellen, führt die Geschichte, wenigstens des höhern Schulwesens, bis ins 19. Jahrh. fort: Fr. Paulsen in der »Geschichte des gelehrten Unterrichts auf den deutschen Schulen und Universitäten vom Ausgang des Mittelalters bis zur Gegenwart« (Leipz. 1885). Es ist dies eine Leistung staunenswerten Fleißes und eine Schatzkammer voll wertvoller Einzelheiten aus der neuern deutschen Schulgeschichte, die hohen Wert auch für die Leser behält, welche weder den Voraussetzungen, dem überaus kühlen und teilweise absprechenden Urteil Paulsens über Humanismus und Reformation, noch dem Ergebnis, der Preisgabe des Griechischen und dem fast völligen Verkennen der großartigen Fortschritte des deutschen Schulwesens im 19. Jahrh., zustimmen können.
Den Grund für diese bedeutende Arbeit hatte Paulsen sich bereits einige Jahre zuvor durch den tüchtigen Aufsatz in Sybels »Historischer Zeitschrift« (Bd. 45,1881) über »Gründung, Organisation und Lebensordnungen der deutschen Universitäten im Mittelalter« geebnet. Die praktischen Folgen zog er in seiner Teilnahme an den neuesten Streitfragen über die zeitgemäße Gestaltung der höhern Schulen durch den Vortrag »Das Realgymnasium und die humanistische Bildung« (Berl. 1889).
Für Anfänger sind zu empfehlen die Kompendien von Schorn und von Schiller. A. Schorns »Geschichte der Pädagogik in Vorbildern und Bildern« war schon bei ihrem ersten Erscheinen (1873) ein brauchbares Buch; sie hat in den rasch folgenden Auflagen unter der sorgsamen Hand [* 3] H. Reineckes (14. Aufl., Leipz. 1890) nicht bloß an Umfang, sondern auch an Vollständigkeit, Tiefe und Zuverlässigkeit wesentlich zugenommen. Besonders sind die vielen wörtlich angeführten Stücke aus den Urkunden und Quellen sowie die bildlichen Zugaben aus dem »Orbis pictus« des Comenius und aus Basedows Elementarwerk zu loben. Was dieses Buch für das Gebiet der Volksschule, soll H. Schillers »Lehrbuch der Geschichte der Pädagogik« (Leipz. 1887) für Studierende und junge Lehrer höherer Lehranstalten sein.
Hervorgegangen aus langjährigen Erfahrungen bei der akademischen Thätigkeit seines Verfassers, entspricht das Lehrbuch seinem Zwecke bestens und wird bei dem gegenwärtig durch die Seminare für das höhere Unterrichtswesen stark vermehrten Bedürfnis sicher noch öfter aufgelegt, gesichtet und vervollkommt werden. Diesen beiden Kompendien darf noch Schumanns »Geschichte der Pädagogik im Umriß« (Bd. 1 des »Lehrbuchs der Pädagogik«, 9. Aufl., Hannov. 1891) als brauchbares Hilfsmittel für Anfänger an die Seite gestellt werden.
Für tiefer eingehende Studien hat Schumann selbst diesem kurzen Abriß eine »Pädagogische Chrestomathie« (Hannov. 1878-81) beigesellt, welche umfangreichere Stücke aus den Quellschriften, aus den ausländischen in deutscher Übertragung, beibringt. Ein ähnliches Quellenbuch gab schon früher E. Sperber in den »Pädagogischen Lesestücken« (Gütersl. 1879,4 Hefte). An den jetzt eingerichteten Seminaren für das höhere Schulwesen würde ein analoges Werk, selbstverständlich das Fremde thunlichst in der Ursprache enthaltend, als Zugabe zu dem Schillerschen Lehrbuch willkommen sein.
Biographische Werke, Monographien.
Dieses Schillersche Lehrbuch durchzieht die Klage, daß es in der Geschichte der Pädagogik noch allzusehr an zuverlässigen und eingehenden Einzelforschungen fehle, und der Wunsch, tüchtige Kräfte zu derartigen Arbeiten anzuregen, damit es in nicht ferner Zeit möglich werde, an die Stelle jetzt noch unentbehrlicher Vermutungen und Annahmen sichere wissenschaftliche Thatsachen zu setzen! Klage und Wunsch sind allgemein im Kreise [* 4] der Sachverständigen. Indes muß anerkannt werden, daß während des letzten Jahrzehnts in dieser Hinsicht bereits viel geleistet worden ist. In gewissem Sinne gehören hierher auch die oben besprochenen Werke von Specht und von Paulsen.
Aber auch von Monographien im engern Sinne des Wortes und von tüchtigen Biographien um das Erziehungs- und Unterrichtswesen verdienter Männer liegt eine solche Fülle vor, daß es schwer ist, eine Auswahl daraus zu treffen. Ziemlich vollständige bibliographische Angaben über diesen Litteraturzweig bringen der Bursiansche Bericht über die Fortschritte der Altertumswissenschaft und seit 1886 die »Jahresberichte über das höhere Schulwesen« von C. Rethwisch in den bezüglichen Teilen.
Auch der biographische Anhang der erstern Zeitschrift ist für die neuere und neueste Geschichte der Pädagogik und des Schulwesens eine reichfließende Quelle. [* 5] Ganz besonderer Fleiß ist der Erforschung des humanistischen Zeitalters und vorzugsweise der humanistischen Schulgeschichte zugewandt worden, in Deutschland [* 6] namentlich aus Anlaß der Jubelfeiern der Universitäten zu Tübingen [* 7] (1477) und Heidelberg [* 8] (1386). Aber auch in Frankreich wird diese Zeit und dieses Gebiet mit Vorliebe bearbeitet.
Als ein Beispiel für alle sei von dort erwähnt das auch für die deutsche Forschung wichtige Werk von Buisson, »Répertoire des ouvrages pédagogiques du XVI. siècle« (»Bibliothèque de Paris [* 9] et des départements«, Par. 1886). Im übrigen, namentlich für Deutschland, ist, abgesehen von den bereits angezogenen Nachweisen, nochmals auf »Erziehung und Unterricht im Zeitalter des Humanismus« von Hartfelder zu verweisen, wo eine bis 1888 reichende Übersicht der neuern Litteratur über diesen Gegenstand sich findet. K. Hartfelder selbst mit A. Horawitz, G. Bauch [* 10] u. a. steht recht im Mittelpunkt dieser Studien, unter denen sein unten zu erwähnendes Werk über Philipp Melanchthon als Musterleistung mit voranleuchtet. Luthers Stellung zum Unterrichts- und Erziehungswesen behandelten außer Köstlin in seiner kassischen ^[richtig: klassischen] Luther- ¶
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Biographie u. a. Meyer und Prinzhorn (»Luthers Gedanken über Erziehung und Unterricht«, Hannover [* 12] 1883). Luthers »pädagogische Schriften« gaben Schumann (Wien [* 13] 1883) und Keferstein (Langensalza [* 14] 1888) heraus. Für die neuere Pädagogik hat auch das 17. Jahrh. vielfach die Forschung der pädagogischen Schriftsteller auf sich gezogen. Mit Wolfgang Ratichius beschäftigte sich G. Vogt, längst schon bekannt als der beste Kenner und glücklichste Sammler der Ratke-Litteratur, in einer Anzahl Kasseler Gymnasialprogramme; H. Schiller begrüßte mit einer Rede über diesen pädagogischen Neuerer die Philologenversammlung zu Gießen [* 15] (1885). Mehr noch bewegte J. A. ^[Johann Amos] Comenius die Federn der Forscher.
Criegern betrachtete ihn als Theologen (Leipz. 1881), Kvacschala als Philosophen (das. 1886), W. Müller als Systematiker der Pädagogik (Dresd. 1887). Herzog Ernst der Fromme von Sachsen-Gotha fand neue Biographen und Lobredner seiner pädagogischen Bestrebungen an Boehne (Gotha [* 16] 1888) und G. Kreyenberg (Frankfurt [* 17] 1890), während Heine in einem Holzmindener Programm (1882) des Herzogs schulmeisterlichen Gehilfen M. Andreas Reyher durchs Leben begleitete. Der bisher weniger beachtete, eigentliche Anstifter der Realschulbewegung, der Jenenser Professor Erhard Weigel (1625-99), erfuhr nicht bloß eingehende Beachtung bei Paulsen, sondern auch eigne biographische Würdigung bei A. Israel (Zschop. 1884). In vortrefflichen Monographien, Einzelbänden der Bibliothek pädagogischer Klassiker von Mann, führte E. v. Sallwürk John Locke (Langens. 1883) und Fénelon (das. 1886) in ihrer Bedeutung für die neuere Pädagogik vor, indem er an Fénelons Leben und Schrift über die Erziehung der Mädchen zugleich eine höchst lehrreiche Übersicht über die Litteratur der weiblichen Bildung in Frankreich von Claude Fleury bis Frau Necker de Saussure knüpfte. In Verbindung mit Sallwürks Übersetzung von Rousseaus »Emile«, die kurz zuvor in derselben Sammlung in zweiter Auflage erschien (1882), und zu der Th. Vogt die Biographie Rousseaus lieferte, bilden jene Werke die trefflichste und zugleich unentbehrlichste Ergänzung für die neuern Forschungen zu der pädagogischen Bewegung in Deutschland.
Der große Hallische Pädagog und Theolog A. H. Francke, der den übergang aus dem 17. zum 18. Jahrh. bildet, gewann einen begeisterten Biographen an seinem Nachfolger in der Leitung der von ihm begründeten Anstalten G. Kramer (Halle [* 18] 1880-82,2 Bde.), aber auch einen strengen Kritiker von theologischer Seite an A. Ritschl in dessen »Geschichte des Pietismus« (Bonn [* 19] 1880-82,3 Bde.). Eine einzelne, aber wichtige Seite in Franckes vielumfassendem Lebenswerk, die Vorbildung junger Lehrer und Erzieher für den pädagogischen Beruf, rückte der gegenwärtige Leiter der Franckeschen Stiftungen, O. Frick, aufs neue ins Licht [* 20] durch seine Schrift »Das Seminarium praeceptorum« (Halle 1883), indem er zugleich mit vielem Glück diese besondere Thätigkeit seines großen Vorgängers praktisch wieder aufnahm.
Eine empfindliche Lücke in der preußischen Schulgeschichte füllte Konr. Rethwisch aus mit der gründlichen Arbeit: »Der Staatsminister Freiherr von Zedlitz und Preußens [* 21] höheres Schulwesen im Zeitalter Friedrichs des Großen« (Berl. 1881), die 1886 in zweiter, durch einige auf Fragen der Gegenwart bezügliche Aktenstücke und Anmerkungen vermehrter Ausgabe erschien. Dem mehr um das Volksschulwesen verdienten Domherrn F. E. v. Rochow, Zedlitz' Zeitgenossen und Freund, widmeten sich zwei andre Berliner [* 22] Schulmänner: Jonas (»Litterarische Korrespondenz Rochows«, Berl. 1884; Biographie, das. 1885) und Jahnke (»F. E. v. Rochow«, das. 1887).
Rührende und edle Pietät beweisen die Schweizer ihrer ruhmreichen Schul- und Erziehungsgeschichte. Der eigentliche pädagogische Heros des Landes ist Pestalozzi, aber auch dessen Vorgängern wird dankbare Beachtung geschenkt. Den Philanthropen Martin v. Planta, den Genossen J. Ulysses v. Salis bei dem Philanthropin zu Haldenstein und Marschlins, erweckten L. Keller in Kehrs »Pädagogischen Blättern« (Gotha 1883) und O. Hunziker in der »Allgemeinen Deutschen Biographie« (Münch. 1888). Hunziker ist auch Verfasser der »Geschichte der schweizerischen Volksschule« (Zürich [* 23] 1880-82,3 Bde.),
der Artikel: Suisse in Buissons »Dictionnaire de pédagogie«, Pestalozzi in der »Allgem. Deutschen Biographie«. Neben ihm sind noch besonders H. Morf als Verfasser der »Beiträge zur Biographie Pestalozzis« (Winterth. 1868-89,4 Bde.) und S. Chavannes wegen seiner »Biographie de H. Pestalozzi« (Lausanne [* 24] 1883),
Guillaume wegen des Artikels »Pestalozzi« bei Buisson auszuzeichnen. Aber auch diesseit des Rheins hat der unerschöpfliche Pestalozzi noch immer seine litterarische Pflege und Gefolgschaft gefunden. Vor allen ist in dieser Hinsicht A. Vogel zu nennen, dessen oben erwähnter Frage: »Herbart oder Pestalozzi?« bereits zwei andre Arbeiten über den großen Schweizer vorausgegangen waren: »Die Pädagogik Pestalozzis in wortgetreuen Auszügen« (Bernb. 1882) und »Systematische Darstellung der Pädagogik Pestalozzis« (Hannov. 1886).
Unmöglich ist es, aus der Fülle der historischen Arbeiten über das letzte Jahrhundert der Schul- und Erziehungsgeschichte Auswahl zu treffen. (Einzelnes s. in den Artikeln Diesterweg, Seminare.) Nur weniges sei noch aus der eigentlich geschichtlichen Litteratur hervorgehoben. Kehrs »Geschichte der Methodik des deutschen Volksschulunterrichts« ist trotz des inzwischen erfolgten Ablebens ihres verdienten Begründers (1885) unter der Leitung seines Sohnes in den letzten Jahren des Jahrzehnts nahezu vollständig in neuer Auflage erschienen (Gotha, seit 1887). Sind manche Teile fast ganz in der alten Verfassung geblieben, so haben dafür andre durchgreifende Umgestaltung erfahren; im ganzen darf man sagen, daß das bedeutende Werk fortgeschritten ist und sich in der hervorragenden Stelle behaupten wird, die es sofort bei seinem ersten Erscheinen errang. Zum geschichtlichen Verständnis des höhern Schulwesens in Preußen [* 25] während der ersten drei Viertel des 19. Jahrh. gaben dankenswerte Beiträge die Biographien der beiden bedeutendsten pädagogischen Leiter dieses Zweiges des öffentlichen Schulwesens während dieser Zeit. L. Wiese benutzte die Muße seines Ruhestandes, um zunächst sein Votum über die schwebenden Schulfragen in knapperer Form unter dem Titel: »Ideale und Proteste« (Berl. 1884) und gleich danach in ausführlicher Darstellung seine »Lebenserinnerungen und Amtserfahrungen« (1886,2 Bde.) erscheinen zu lassen.
Wiese ist im J. 1852 in das preußische Kultusministerium getreten und hat dieser Behörde, in der ihm alsbald die geistige Leitung des höhern Schulwesens zufiel, bis 1875 angehört. Es konnte nicht fehlen, daß seine Denkwürdigkeiten des Fesselnden viel enthielten und die beteiligten Kreise lebhaft beschäftigten. Die Erweiterung des preußischen Gebiets und demgemäß auch der Schulverwaltung infolge des Jahres 1866 und die Ausdehnung [* 26] der preußischen Grundzüge auf das ¶